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fürstmässigen oder græfflichen Reichsgütern vorhero genugsam qualificirt etc. Ebenso setzt der Reichsabschied vom Jahre 1654. §. 197 fest: dafs diejenige, welche ohne vorgehende Vollziehung der schuldigen Præstationen und insonderheit der im Reich ohnmittelbaren Begüterung, wegen dero vortrefflichen Meriten difsmal, jedoch nach Besag derselben zum Chur-Mayntzischen Reichsdirectorio abgegebener schriftlicher Erklärung, admittirt und eingeführt worden, von niemand, wer es auch seye, über kurtz oder lang, pro exemplo oder præjudicio nicht an noch zu einiger Consequenz gezogen, und dieses beneficium sefsionis et voti auff dero Erben und Successorn nicht extendirt werden, sie haben sich dann vorhero mit ohnmittelbaren Fürstmäfsigen Reichsgütern versehen, und solle forthin ohne vorgehende Realerfüllung aller nothwendiger und bestimmter Requisiten und insonderheit erstgemeldter Begüterung und ohne der Churfürsten und Ständen Vorwifsen und Consens, keiner zur Sefsion und Stimm in Fürsten Rath zugelassen werden. Denselben Bestimmungen begegnet man in allen ferneren Wahlkapitulationen 1). Hiemit traten folglich die reichsständischen

1) Die Personalisten, welche im Reichsfürstenrathe sassen, dürfen daher, nach rechtlicher Betrachtung, nicht als Reichsstände gelten; ihre faktische Aufnahme in dieses Collegium war völlig verfassungswidrig und konnte ihnen kein wahres jus suffragii geben. Wie wenig man geneigt war ihre Reichsstandschaft als rechtlich vorhanden anzuerkennen, zeigen die neueren Wahlkapitulationen aufs Augenfälligste. W.K. Franz II. Art. 1. §. 7: Sodann soll wegen der anno 1654. und seither aufgenommenen Fürsten und Stände ordnungsmäfsiger Qualificirung die Comitialuntersuchung mittelst eines binnen Jahresfrist von dem Antritte unserer künftigen Regierung an zu erlafsenden kaiserlichen

Familien wieder in ihre ursprüngliche staatsrechtliche Stellung zurück; der Besitz eines Territoriums, der Besitz der Landeshoheit war wieder ein wesentliches Attribut des Herrenstandes geworden.

Dessenungeachtet fragt es sich noch sehr, ob sich gerade in dieser Hinsicht die reichsständischen Geschlechter noch von andern reichsunmittelbaren Adelsfamilien unterschieden.

Hiebei stösst man zugleich auf eine bedeutende Controverse unter den älteren Rechtsgelehrten. Manche behaupteten, nur den Reichsständen gebühre die volle Landeshoheit, der reichsunmittelbaren Ritterschaft dagegen, so wie allen übrigen nicht reichsständischen Geschlechtern könne man blos einzelne landesherrliche Rechte zugestehen 2). Allein selbst abgesehen von einigen

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Commifsionsdecrets von uns vordersamst zu Stande gebracht werden. Art. 3. §. 21 spricht von Immediat - Reichsgrafen und Herrn, die im Reiche Sefsionem und votum haben und als solche von Churfürsten, Fürsten und Ständen bei der Reichsversammlung angesehen und erkannt werden (MICHAELIS, corpus juris publici germanici S. 191 und 205). Mit den Personalisten darf man einige uralte Herrengeschlechter nicht verwechseln, welche, obschon sie durch das Uebergewicht der Fürstengewalt reichsmittelbar geworden waren, denn doch unstreitig zu den Reichsständen gehörten, z. B. die Grafen von Stollberg, Schönburg etc. Diese bildeten zwar, da ihnen die reichsunmittelbare Begüterung fehlte, eine Anomalie im deutschen Reichsstaatsrechte, aber eine Anomalie, die dadurch gemildert wurde, dass sie ihre mittelbaren Territorien, auf welchen die Reichstagsstimme ruhte, immerhin mit Landeshoheit, wenn auch nicht mit vollständiger regierten. MOSER, von den Reichsständen S. 882 u. S. 892. §. 188.

2) Kopp 1. c. S. 191: firmissimam ... formare possumus regulam, non solum affirmative: Quicunque est status Imperii et jure suffragii gaudet in Comitiis, illi etiam competit Superioritas territorialis; sed et negative: Quicunque non est Status, non

weder zu den Reichsständen noch zu der Reichsritterschaft gehörigen Familien, welche erweislich die Landeshoheit über ihre reichsunmittelbaren Gebiete besassen3), selbst abgesehen von diesen, lässt sich die Unrichtigkeit einer solchen Ansicht schon an den Gerechtsamen der Reichsritterschaft darthun. Gewöhn

lich hatte der Reichsadel, theils in Folge langjährigen Herkommens theils in Folge kaiserlicher Privilegien, die wichtigsten Territorialrechte über seine Gebiete erworben1), und durfte daher jedenfalls nicht als bloser Grundbesitzer betrachtet werden. Der Umstand, dass die Reichsritter manche einzelne Befugnisse von speciellen kaiserlichen Concessionen herleiteten, konnte nicht im Wege stehen, auf ihre Territorialverhältnisse den Begriff der Landeshoheit anzuwenden; denn auch die Reichsstände hatten bekanntlich viele ihrer landesherrlichen Rechte auf die nämliche Weise erhalten und gleichwohl zweifelte niemand an deren Landeshoheit. Im Gegentheil, als für die immer höher steigende Summe der

habet Superioritatem territorialem. LYNKER de superioritate territoriali S. 12: Immediatus non status solum Regalia, Hoheiten, habet, similia effectibus Superioritatis, non habet hanc in complexu, quo usque in numerum statuum non recipiatur. PFEFFINGER, Vitriarius illustratus tom. III. S. 1126. nr. 10: certum est, nullum habere superioritatem, qui non est status imperii; S. 1135. nr. 11. . Hinc sequitur, quod Nobilitas immediata non habeat superioritatem territorialem et omnes principes, qui non habent votum et sessionem in comitiis.

3) Wie z. B. die Freiherren von Grote über die Herrschaft Schauen, die Grafen von Kesselstadt über die Herrschaft Lössenich; Entgegnung des Prof. DIECK etc. S. 35.

4) Als Beweis hiefür kann die gründliche Darstellung in KERNERS reichsritterschaftlichem Staatsrechte I. §. 54-§. 84 gelten.

reichsständischen Territorialrechte der allgemeine, aber freilich stets unbestimmt gebliebene3), Begriff der Landesobrigkeit, oder,

5) WEHNER, pract. observ. lib. singul. edit. 1. d. a. 1608. s. v. Landesfürstliche Obrigkeit, superiorit. territorial.: De landesfürstliche Obrigkeit" aliquid scribere difficile est, cum nomen et res der Fürstlichen Landesobrigkeit und Oberherrlichkeit nec forma legibus et juris usu definita, nec certis limitibus circumscripta, adeoque juri nostro scripto incognita et solis moribus introducta varieque usurpata sit. PFEFFINGER, Vitriarius illustratus tom. III. S. 1119. nr. 3: nec jure aliquo scripto nec perpetua nec certa aliqua observantia haec materia de superioritate territoriali definita est. MADER I. c. S. 727: Nur dieses wenige will man bemerken, dafs in der Bestimmung (Definition), was die Landeshoheit sei, die Publicisten keineswegs so einstimmig sind, als sich der Deducent vorstellet. Der Rechtsbegriff der Landeshoheit war zur Zeit des deutschen Reiches nie weder qualitativ noch quantitativ gehörig fixirt. In ersterer Hinsicht glaubten zwar manche Publicisten den Rechtssatz aufstellen zu dürfen, die Landeshoheit verhalte sich zu den kaiserlichen Reservatrechten, wie die Regel zur Ausnahme und für jene streite daher die Vermuthung Kopp 1. c. S. 200; allein weder ein Reichsgesetz noch ein allgemeines Herkommen liess sich hiefür mit Sicherheit anführen. Namentlich wurde auf dem westphälischen Friedenscongresse, ungeachtet daselbst den Reichsständen ein „jus territoriale" ausdrücklich zugestanden war, wiederholt von den kaiserlichen Gesandten behauptet, die potestas imperatoris sei generalis und erstrecke sich auf alles, was nicht vel per pacta vel per leges restringirt worden. EICHHORN 1. c. IV. §. 525. Anm. S. 259. Es blieb folglich stets bestritten, ob der Begriff des jus territoriale blos als eine formelle Zusammenfassung der einzelnen landesherrlichen Rechte betrachtet werden dürfe, oder ob demselben eine solche materiell umfassende Bedeutung beizulegen sei, dass die Einwirkung des Kaisers auf die einzelnen Territorien nur als etwas Exceptionelles erschiene. Ebenso wenig konnte man aus dem Be

was damit gleichbedeutend ist 6), der Landeshoheit geschaffen wurde, gebrauchte man denselben auch für die wachsende Territorialgewalt der Reichsritter. In einem der Rheinischen und Wetterauischen Ritterschaft ertheilten Privilegium Karls V. vom Jahr 1548. (PFEFFINGER, Vitriarius illustratus tom. IV. S.235) wird von Dörfern gesprochen, so die von Adel mit aller Ober- und Gerechtigkeit auch Gebot, Verbot, Wasser und Weyde eigenthumblich. . . innhaben. Die durch Kaiser Ferdinand I. im Jahr 1561 confirmirte Ritterordnung der Schwäbischen Ritterschaft (BURGERMEISTER, cod. diplom. equestr. I. S. 174) befiehlt: Zum dreizehnden sollen unser Ausschufs, Rath und Diener unsere hergeprachte Regalien, Exemtion, Freiheiten, Oberherrlichkeiten, . . . welcher gestalt einem jeden auf und in seinem territorio. . alle Oberkeit, gar oder zum theil zugehörig... mit bestem Fleifs .. in schrifft verfafsen . . . lafsen. — Kaiser RudolfII. drückt in einem Rescripte vom Jahre 1591 (BURGERMEISTER 1. c.

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griffe der Landeshoheit mit Folgerichtigkeit die Summe der einzelnen einem Landesherrn zustehenden Territorialrechte deduciren; bei dem einen waren sie umfassender als bei dem andern. WEHNER, 1. c. varie usurpata." Vergl. auch Note 1 gegen das Ende.

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6) REINKINGH, de regimine seculari et ecclesiastico lib. 1. Cl. 5. Cap. 1. nr. 1: Superioritas territorialis vulgo die landesfürstliche, ratione principum, vel Landes- oder hohe Obrigkeit ratione aliorum magistratuum immediatorum ex stylo Curiae nostrae appellata. Auctor Medit. ad J. P. Mantiss. de superiorit. territoriali §. 17 (Kopp, I. c. S. 195): voces illas, Landfürstl. hohe Obrigkeit et Landes- Obrigkeit, sive Landshoheit non substantia et rebus differre, sed saltem a subjecto personali adjunctam accipere denominationem. Pro superioritate territoriali utrinque usurpantur. PFEFFINGER, Vitriarius illustratus III. S. 1091.

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