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In der zur Zitadelle führenden Hauptgasse lag das Ger bäude, in dessen unterem' Stockwerke das Schlachtvieh der Besaßung, in dem oberen aber die Montirungsvor= räthe nebst den Kochgeschirren sich befanden. Um diese Ochsen, diese Geschirre, abzuholen, geschah der Ausfall. Schon war das Gebäude erreicht, und die Frans zosen versuchten, da die Schlüssel nicht bei der Hand waren, dasselbe aufzubrechen. Wäre dieses gelungen, so konnte sich die mit Geschüß und Munizion wohl ausges rüstete Zitadelle nicht nur lange halten, sondern auch, da von ihr aus die meisten Straßen bestrichen wurden, durch ihr Feuer die Preußen zur Räumung der Stadt zwingen. Die Tirailleurs der zweiten Kolonne wurden von Lieutenant Kretschmer eiligst in jene Gasse geführt, von den Franzosen mit Flintenschüssen empfangen, diese aber mit den Bajonetten in die Zitadelle zurückgeworfen. Der Kommandant der Zitadelle, der sø eben von dem Balle kam, wurde auf dem Wege zu derfelben gefangen. Da die Besaßung also an den nöthigsten Lebensbedürfnissen drückenden Mangel litt, so kapitulirte sie am Vormittage, zog um Ein Uhr nach dem Glacis, uud streckte das Gewehr. Die Zahl der Gefangenen belief sich auf 2000, jene der eroberten Kanonen auf 153. *) Es wurden an die tapfersten Stürmer mehrere Belohnungen vertheilt, und der General von Bülow erhielt von dem Erbstatthalter einen goldenen Degen mit der Inschrift: „Für Herzogenbusch."

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*) So Kretsch m er. Koch gibt die Zahl der Gefangenen auf 650, Plotho auf 900 an, wovon je= doch, wie Letterer sagt, die Offiziere und 100 Beteranen auf ihr Ehrenwort entlassen wurden. Auch seyen 80 Kanonen in dem Plaze gefunden worden.“

III.

Der Feldzug 1706. in Spanien.

Vom Hauptmann Heller des E. E. General-Quartiermeister

stabes.

(Schluß des zweiten Abschnittes.)

In Lissabon selbst war die Angst auf einen peinlichen

Grad gestiegen, und der König bereute schon, den ganz gegen den Rath seiner Minister ertheilten Befehl zur Vorrückung nach Kastilien erlassen zu haben, als man erfuhr, daß ein portugiesischer Hauptmann, der mit wichtigen Sendungen von Ciudad Rodrigo nach Lissabon befördert wurde, nur von 300 Pferden begleitet dahin zu gelangen im Stande gewesen sey, und ein Lebensmitteltransport nebst 800,000 Kruzaden baaren Geldes unter dem Geleite von 5000 Mann, die der Marquis Fontearcada befehligte, auf seinem Zuge von Coria über Plasencia, bei Almaraz wieder umkehren mußte, da man es nicht wagen durfte, mitten durch die empörten Provinzen zu gehen, überdieß auch Amaraz und Toledo um jene Zeit schon wieder von Philipps Truppen beseßt waren. Sogar dicht an der portugiesi schen Grenze und Coria Moraleja trieb der ehemalige Maulthiertreiber Alvaro, unter dem Titel eines spanischen Hauptmanns, mit 2000 Mann fein Wesen, bis ihn GM. O Farill schlug, und gefangen nach Ciudad-Rodrigo

führte, wo er an den erhaltenen fünf Wunden starb. Auch Valladolid verjagte die alliirte Besaßung. Die Zufuhren aus Aragonien und Valenza zeigten sich we nig ausgiebig. Es fehlte den Verbündeten an Geld und sonstigen Kriegsbedürfnissen, Krankheiten und Deserzion wütheten stark im Heere; die spanischen Freiparteien streiften rings um das Lager; jede Furragirung wurde durch bewaffnete Landleute vereitelt, und mit wahrer Sehnsucht harrte Galloway der Ankunft Karls III., welche in diesen Tagen erfolgte.

Laut einem am 18. Mai zu Barcellona gefaßten Be= schlusse des Kriegsrathes, dem Karl III., der portugiesische Gesandte, Graf Peterborough, Fürst Liechten= stein, Graf Noyelles, Graf Uhlefeldt, die Admirale Leake, Wassenaer, Bings, Jennings, die Generale Wyndham, Prinz Heinrich von Darmstadt, Stanhope, die Ritter Methwin und Milford - Crow, nebst dem geheimen Sekretär Zinzerling beiwohnten, sollte sich der König nach Valenza begeben, wohin ihm die Flotte mit dem Grafen Peterborough und 6000 Mann Landtruppen vorangehen, und Lesterer Alles zum Einmarsch nach Kastilien vorbereiten wollte. Denn schon damals glaubte man, obschon gar nichts Bestimmtes über die Operazionen Galloways verlautete, daß man alle Schwierigkei ten zu besiegen im Stande seyn würde, die sich einem Vordringen auf Madrid entgegenstellen könnten. Die Aufgabe der Flotte war die Eroberung von Alicante, Malaga und Cartagena, also ein Festsehen an der vas lenzianischen Küste, um dadurch die Landoperazionen bestens zu unterstüßen. Erst nach dem Eintreffen der großen Flotte unter Shovel, wollte man auch die balearischen Inseln besehen. Die vom Kriegsrathe getrof

fene Vertheilung der in Katalonien und Valenza aufzuż stellenden Streitkräfte war folgende: In Katalonien 6100 Mann Infanterie, 1000 Pferde, und zwar in nachstehender Art: Barcellona 2650; Gerona 3100, Lerida 850, Tortosa 500. Die unter Peterborough nach Valenza abzusendenden, sammt den schon früher daselbst befindlichen Truppen betrugen 4500 Mann Infanterie, 2000 Pferde. Die ganze reguläre Macht der Alliirten im Osten von Spanien zählte somit 13,600 Mann. Die Feldartillerie bestand aus 14 leichten, 4 schweren Kas nonen, und 2 Mörsern. Um 27. Mai ging die Flotte mit den Truppen unter Peterborough nach Valenza unter Segel, und landete dort am 4. Juni.

Karl III. blieb in Barcellona zurück, und bereitete sich zu seiner vorhabenden Reise, indem er mit Unges duld die Nachrichten aus Kastilien erwartete. Der Ab gang aller Geldmittel zwang ihn, dieselbe von Tag zu Tag aufzuschieben; denn es gebrach sogar an dem Unent behrlichsten. *) Da traf die Kunde ein, daß Aragonien

*) Duvivier in seinem mehrgedachten Werke macht dem Könige den Vorwurf „er habe mit der Reise nach Mas drid zu lange gezaudert,“ und sucht darin die Quelle aller späteren Unfälle. Im Verfolge dieser Darstellung wird man noch deutlicher ersehen, daß Karl nicht anders handeln konnte. Was aber die von Forster in seinem neuesten Werke „die Höfe und Kabinete Europa's im achtzehnten Jahrhunderte" S. 37 angeführte Behaup tung betrifft: „daß der König nur wegen Abgang eines Gallawagens nicht nach Madrid gekommen sey," so muß man billig staunen, wie ein denkender Geschichtsforscher des XIX. Jahrhunderts dieser, den Memoiren Lamberti's entnommenen, lächerlichen Behauptung auch

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bereit sen, sich für Karl III. zu erklären, seit die dort stehenden Truppen Philipps nach Navarra abgezogen waren. Die Bewohner dieses Königreiches wollten nicht länger den angestammten Herrscher verkennen, und hinter den Katalanen zurückbleiben. Schon am 10. Juni las man an den Straßenecken von Saragossa einen Aufruf, das französische Joch abzuschütteln. Cifuentes, der alle katalanischen und aragonischen Milizen befehligte, lag dem König überdieß an, nicht nach Valenza, sondern nach Aragonien zu gehen, und ließ ihn hoffen, bei Einberufung der Stände jenes Landes eine Summe Geldes verwilligt zu erhalten, der er unumgänglich bedurfte. Dem mächtigen Grafen Cifuentes wollte man um so weniger Anlaß zum Mißvergnügen geben, als der König die treue Anhänglichkeit desselben oft erprobt hatte, und sich anderseits mit jedem Tage mehr überzeugte, wie Peterborough sich von ihm entferne, über dessen „selt= famen humor" sich Fürst Liechtenstein in seinen vertrau ten Briefen an den Prinzen Eugen schon öfter aussprach. Da nun auch aus Kastilien nicht die mindeste Nachricht einlief, so glaubte Karl III. wohl nicht ganz mit Un= recht, daß ein Marsch aus Valenza gegen Madrid in diesem Augenblick vorschnell wäre, und leicht in die Klasse der Abenteuer gereihet werden dürfte; indem man Gefahr liefe, durch einen gewagten Streich auch

nur einen Augenblick vertrauen konnte, wenn er anders nicht gerne solche gehässige Bemerkungen gegen Karl III. und überhaupt gegen Östreich aufzugreifen geneigt war; was viele Stellen seines Werkes leider vermuthen Lassen.

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