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ner Freunde, und unterhandelt erst spåter über den ihren Ältern dafür zu zahlenden Preis, der meistens in Waffen, Pferden, u. dgl. besteht. Der Vater sieht seinen Sohn gewöhnlich erst nach der Vermählung wieder, mit welcher Zeit die Wiederkehr in das väterliche Haus verbunden ist. Der Sohn wird hierbei mit großen Festlichkeiten empfangen, und dann, wenn er sich durch Heldenthaten ausgezeichnet, wird der Erzieher zum Edlen, oder, wenn er ein Leibeigener "gewesen, zum Freien erhoben.

Nicht lange aber duldet es den muthigen Mann zu Hause. Er zieht auf Jagden, oder sucht Gelegenheiten, den erworbenen Ruhm durch neue Thaten zu vermehren. Gewöhnlich vereinigt sich ein Haufe Gleichgesinnter zu einem neuen Raubzuge. Ist der Zug beschlossen, sey es gegen die Russen, oder gegen andere tscherkessische Stämme, so wählt sich die zu diesem Zwecke vereinigte Masse, auf die Dauer des Zuges, aus ihrer Mitte einen Anfüh rer, der natürlich vor Allen den größten Ruf der Tas pferkeit und Kühnheit haben muß. Nicht gering ist der Wetteifer unter den Prinzen und Edlen, diese Stelle zu erlangen. Vielleicht nirgends in der Welt dürfte in diesem Punkte der Ehrgeiz so weit getrieben werden. Die ganze Bildung, das ganze Streben der Prinzen und Edlen geht nur dahin, sich zu tüchtigen Anführern solcher Horden zu bilden.

Der Tscherkesse im Allgemeinen ist groß, und hat eine edle Gestalt. Er sucht, seinen Wuchs dadurch noch schlanker zu machen, daß er sich mit einem ledernen Riemen um die Lenden gürtet. Er rasirt seinen Kopf wie der Muhamedaner, und läßt sich den Bart wachsen, der das Schöne und Ausdrucksvolle seiner edlen

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Physiognomie noch mehr hebt. Er ist ein guter Reiter, und gut zu Fuß.

Seine Kleidung besteht in einem unten geschlof, fenen Pantalon, in einem Hemde von gefärbter Leinwand, Seide oder Wollzeug, und darüber einem Rock ohne Kragen, in Form unserer altdeutschen Röcke. An den Brusttheilen dieses Übergewandes sind zwei Reihen Hülsen, entweder von Holz, Rohr oder Metall, zur Aufbewahrung der Patronen angebracht. Die Fußbekleidung ist nur aus einem Stück Leder geschnitten. Den Kopf ziert eine phrygische, am unteren Rande mit einem langbärigen Pelze beseßte Mühe.

Der Reichthum der Tscherkessen besteht nur in ihren Waffen und Pferden. Der Tscherkesse, der kaum Kleidung und Obdach hat, besißt dennoch Gewehre, Säbeln und Dolche. Er schmückt sich damit, sobald er aus dem Hause geht. Das Gewehr trägt er mit einem Riemen überschwenkt; der Säbel hängt auf türkische Art an seiner Seite; den Dolch steckt er in den Gürtel, an welchen noch ein lederner Beutel mit Zündschwamm, Flintensteine und Messer, ein Tabaksbeutel, eine hübsch gearbeitete kleine Fettbüchse zum Einschmieren der Kugeln, ein Feuerstahl und endlich éin Schraubenschlüssel befestiget sind. In der Hand trägt er eine leichte Gabel, auf welche er im Zielen seine Flinte stüßt.

Der Art ist die Ausrüstung fast aller Völker des Kaukasus. Das Panzerhemd, das stählerne Kasket, die Armschienen und Handschuhe, welche ehemals so häufig im Gebrauche gewesen, kommen jeßt felten mehr in Anwendung. Sklaven dürfen keine Waffen tragen. Bei weiteren Ausflügen nimmt der Tscherkesse einen Mantel von Filz, und versieht sich auch auf mehrere

Lage mit Proviant, welcher nur in einem Brei von Hirsemehl und Honig besteht. Er hängt denselben, in einem Beutel verwahrt, am Sattel des Pferdes auf.

Wie im Felde, so beobachtet der Tscherbesse auch im Hause die größte Mäßigkeit. Die wenigen Speisen, mit welchen er wechselt, werden alle aus Hirse und Weizen bereitet. Nur bei großen Festlichkeiten genießt er gekochtes und gebratenes Fleisch. Als Getränk nimmt er faure Milch, Meth und eine Art aus Hirse gebrautes Bier.

Die Frauen der Tscherkessen, an Schönheit mit den Georgierinnen wetteifernd, sind mehr die Dienerin nen als die Lebensgefährtinnen ihrer Männer. Sie bes stellen den Haushalt und oft auch den Feldbau, während ihre Männer auf den Raubzügen abwesend sind. Nichtsdestoweniger haben sie einen äußerst lebhaften Geist, und find großer Leidenschaften fähig. Sie lieben den Ruhm, und sind stolz auf jenen, welchen ihre Männer im Kampfe erringen.

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Ein geschriebenes Gefeßbuch kennt der Tscherkesse nicht; Alles ist Herkommen. Im Allgemeinen basiren sich seine Ansichten über das Recht auf drei Hauptgrundgeseße:

1.) die Ausübung der Gastfreundschaft,

2.) die Achtung vor dem Alter, und

3.) das Recht der Blutrache.

Die Gastfreundschaft war dem Tscherkessen von jeher eine heilige Pflicht, die wir heute eben noch fo lauter finden, wie sie uns Homer, neun Jahrhunderte vor Christo, geschildert hat. Sie üben selbe gegen Jeden, der sie darum anspricht. Jeder Wirth vertheidiget feinen Gast mit der Gefahr seines und der Seinigen Leben. Er läßt ihn nicht fort, ohne ihm eine Bedeckung zu

Pferde zu geben, und ihn seinen Befreundeten empfoh len zu haben. Der Mord einer Person, die man gastfreundschaftlich empfangen, wird eben so gerächt, als der Mord eines nahen Verwandten.

Die Achtung vor dem Alter, wie überhaupt vor jeder älteren Person, ist eine nicht geringere Tugend der Tscherkessen. Wenn ein Alter irgendwo eintritt, fo müssen sich Alle von ihren Sißen erheben, selbst wenn der Eintretende vom geringerem Stande als die Unwesenden wäre. Der Ausspruch eines alten Mannes im Rathe, wenn er auch ein Leibeigener ist, gilt mehr als das Wort eines Prinzen. — Obwohl die Frauen sonst weniger Ansehen genießen, so werden die Uchtungsformen doch vor beiden Geschlechtern mit gleicher Strenge aus, geübt.

Die Blutrache ist das Recht der Wiedervergeltung, welches nirgends strenger und mit mehr Wuth als bei den Tscherkessen ausgeübt wird. Jedes vergossene Blut muß gerächt werden. Der nächste Verwandte erbt schon bei seiner Geburt die Verpflichtung, früh oder spät den Urheber des an seinem Verwandten begangenen Mordes, entweder mit Gewalt oder durch List, zu vers tilgen. Eben so muß der Wirth seinen Gast rächen. Im Unterlassungsfalle würde der Betreffende zu befürchten haben, seiner Feigheit wegen vertrieben zu werden. › Dieser Haß, der sich von Generazion zu Generazion fortpflanzt, ergreift manchmal ganze Familien und Tribus. *) Selbst wenn der Schuldige gefallen ist, werden oft die Angehörigen und Verwandten noch so lange vers

*) Eine Art Kreise oder Bezirke.

folgt, bis die Rache völlig gesättiget, oder durch hinreichende anderweitige Entschädigungen getilgt ist. Am fürchterlichsten jedoch sind die Prinzen und Adeligen in ihrer Rache; da sie in keinem Falle die ihnen angebote= nen Entschädigungen annehmen, sondern durchaus Blut für Blut verlangen. Diesem Abscheu erregenden Grundsaße sind die unaufhörlichen Kämpfe, die Furcht und das Mißtrauen, welches fortwährend unter den tschertessischen Familien herrscht, zuzuschreiben. Doch aber scheint diese unchristliche Rache, die mit der humanen Gastfreundschaft und mit der Achtung vor dem Alter so im Widerspruche steht, nicht so sehr eine Folge des bösen Karakters zu seyn, sondern vielmehr aus der übertriebenen Sorgfalt für Verwandte, Freunde und Fremde hervorzugehen, durch welche sich der Tscherkesse verpflich tet glaubt, die denselben zugefügten Beleidigungen blutig rächen zu müssen.

über wichtige Vorfälle entscheiden Versammlungen, die in den Wäldern gehalten werden, und bei welchen die Urtheile der Alten das meiste Gewicht haben. Leibeigene, Edle und selbst Fürsten haben nur eine berathschlagende Stimme. Die Zahl dieser Richter hängt von der Wichtigkeit des Gegenstandes ab; so z. B. werden deren fünfzehn über einen verübten Mord ge= wählt. Diesen Gerichten sind die Prinzen wie die Leibeigenen unterworfen. Außer ihnen gibt es weder einen feststehenden Gerichtshof, noch eine Polizei. Kleinere Vers gehen werden übersehen, oder wenigstens nicht strenge bestraft. Bei entdeckten Diebstählen muß gewöhnlich der doppelte oder auch der mehrfache Werth des Entwen= deten zurückgezahlt werden. Der nicht entdeckte Diebs stahl ist, wie bei den Lacedämoniern, ein Gegenstand

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