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gegen Handelsschiffe, bald gegen Uferstädte fuhren,joder auch zu einem reichen Fang an andern Stellen der Küste Tandeten. Auf diese Weise gefährdeten sie die Schifffahrt, und machten sich so zu Herren des Meeres. Von den Bewohnern am Bosporus wurden sie häufig in ihre Hä= fen aufgenommen, wo sie sich, gegen Abgabe eines Theiles ihre Beute, von Neuem mit Lebensmitteln vers sahen. Zurückkehrend in ihre Heimat, nach gemachtem Geschäfte, oder wenn sie sich auf offener See nicht mehr halten konnten, trugen sie ihre Schiffe auf den Schultern in die von ihnen bewohnten Wälder. - Hier sind sie streckenweise von ihren Anführern beherrscht, die sie bald wieder auf neue Raubzüge zu Lande ausführten. Sie strichen in die nächsten Gegenden, plünderten, machten Gefangene, und führten selbe zum Verkaufe fort. Gewöhnlich aber suchten selbe einen sicheren Rückhalt, und unterhandelten gleich auf der Stelle mit den Beraubten. Oft gegen mäßige Entschädigungen gaben sie die Beute wieder zurück. Die eigenen Fürsten unterworfenen Stâmme suchten, sich durch stehende Truppen vor solchen Eins fällen zu schüßen, und verfolgten auch die herumziehenden Banden, um ihnen ihre Beute und ihre Schiffe wegzu= nehmen. Den meisten Einfällen waren die den Römern' zugehörigen Gebietstheile ausgeseßt; da dieselben von den Statthaltern sehr vernachlässiget wurden."

Ganz ähnlich dieser Schilderung sind jene, welche uns Massoudi im Jahre 900, Interiano im Jahre 1551, und die Reisebeschreiber der neuesten Zeit von den Tscherkessen geben. Alle führen die Land- und Sees räuberet und den Sklavenhandel als das Hauptgeschäft dieses Volkes an. Ungeachtet dieser Urtheile darf man sich aber nicht verleiten laffen, die Tscherkessen allein nur für

zügellose Räuberhorden anzusehen. Sie haben im Verlaufe der Zeiten auch schon manchen Beweis nazionalen Aufschwunges und des gemeinschaftlichen Zusammenwirkens gegeben, und dürfen in einigen Beziehungen ihrer Lebensweise sogar als nachahmungswürdiges Vorbild aufgestellt werden. Durch die fortwährenden Kämpfe, und die neuesten Eriegerischen Unternehmungen der Russen gegen sie, besonders dem Militär interessant geworden, dürfte es nicht am unrechten Orte seyn, hier eine nähere Schilderung des gegenwärtigen Zustandes dieses Volkes folgen zu lassen.

Die eigentlichen Tscherkessen, beiläufig nur 600,000 Seelen zählend, theilen sich in viele selbstständige klein e Fürstenthümer, im Ganzen aber in fünf Klassen: in Fürsten, Edle, Freje, Leibeigene und Sklaven.

Den Titel Fürst erwirbt man nur durch Geburt. Es wird strenge darauf gehalten, daß der Stamm durch Mißheirathen sich nicht verunreinige. Wenn kein Nachfolger vorhanden ist, so überträgt die Tochter das Fürs stenthum an Jenen, welchen sie heirathet. Das Weib allein ist, nach den Begriffen des kriegerischen Volkes, nicht fähig, die Regierung fortzuführen. Die Macht der Fürsten hängt von der Menge ihrer Vasallen und Verbündeten ab. Übrigens stehen die Fürsten in Bezug des Ranges unter sich alle gleich.

Die Edlen sind die Waffenträger der Fürsten, und bedienen dieselben am Tische. Sie haben, nach der Zahl ihrer Verbindungen mit andern Familien, mehr oder weniger Einfluß, ohne aber verschiedene Rechte zu ge nießen.

Die in die Klassen der Freien gehörigen, sind entweder in Folge wichtiger Dienstleistungen frei gewor

dene Leibeigene, oder solche Sklaven, die verkauft was ren, und nun mit einigem Vermögen zurückgekehrt sind, mit welchem sie Grundstücke angekauft haben. Die Freis heit vererbt sich in der Familie.

Die vierte Klaffe, die Leibeigenen, leben unter der Herrschaft eines Prinzen oder Edlen, bears beiten in Friedenszeiten dessen Felder, und ziehen im Kriege unter deffen Anführung aus, oder schüßen ihn vor Unfällen.

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Zu der fünften Klasse, zu den Sklaven, wird jeder auf Streifzügen oder im Kriege gemachte Gefan= gene, fo wie auch jeder Fremde gerechnet, der nicht von irgend einem Tscherkessen in gastfreundschaftlichen Schuß -genommen worden ist. Dieselben werden an die Türken und Egypzier verkauft, oder es läßt sie auch der Fürst oder Edle in seinem Gebiete ansiedeln, und daselbst heirathen, um durch sie und ihre Kinder die Zahl seiner Vasallen und Sklaven zu vermehren.

Ungeachtet dieser Ungleichheit der Stände unterfcheiden sich die vier ersten Klassen nur sehr wenig an der Kleidung und in ihrer häuslichen Lebensweise; so daß im Stande des Friedens der Einfluß der Fürsten von kaum bemerkbarer Bedeutung ist. Jeder Prinz, jeder Edle, selbst jeder Freie, gehorcht nur sich selbst. So wie im ganzen Volke, so lebt auch in jeder einzelnen Fami lie der Geist der Unabhängigkeit. Selbst der Leibeigene ist nicht in Person seinem Herrn unterworfen; sondern er kann, wenn es ihm irgendwo nicht gefällt, mit seiner ganzen Familie in ein anderes Gebieth ziehen. Auf diese Weise kreuzen sich tausend Interessen, und zerstückeln die Bewohner in eine Unzahl von unabhängig lebenden, oft einander neidisch und feindselig gegenüber stehenden

Familien; woher es auch kommt, daß es in der ganzen ausgedehnten Landschaft, die vielleicht an 100,000 Krieger stellen kann, nie einem Fürsten þat gelingen wol. len, in irgend einem Kriege eine Übereinstimmung in den Angriffs oder Vertheidigungsplan zu bringen.

Tscherkessien hat, wie in den frühesten Zeiten, auch jezt noch, weder Städte, noch Flecken, noch eigentliche Dörfer. Jeder Tscherkesse, da er selbstständig leben will, wählt sich seine Wohnung weit von seinem Nachbar, gewöhnlich am Ausgange eines Gehölzes, wohin er sich, im Falle eines Angriffes, mit seiner Familie flüchten kann. Sein Haus ist gewöhnlich von Holz. Das Dach besteht aus Brettern, die mit Stroh überdeckt sind. Selbst in der fürstlichen Wohnung findet man keine an= deren Verzierungen, als an den Wänden aufgehängte Waffen.

Jeder bearbeitet das Feld um seine Wohnung. Gewöhnlich wird Hirse oder Getreide gebaut. Unges wöhnlich viele Mühe gibt sich der Tscherkesse, seine Felder mit Blumen einzufaffen, um denselben die, unter dem warmen Klima, ihnen so nöthige Feuchtigkeit zu bewahren. Meistens bleiben auch mitten in den Feldern noch einzelne Bäume stehen; wodurch die ganze Landschaft, auf den ersten Anblick, das Ansehen eines Waldes erhält, die dann bei näherer Betrachtung um so mehr an Reiz gewinnt, da die Gebäude unter dem verschiedes nen Grün und Laub oft ganz versteckt sind.

Die in diesem Lande zahlreich vorkommenden Hausthiere, wie Pferde, Rindvieh, Schafe, Ziegen, u. dgl., sind von besonderer Güte, aber von kleiner Race. Wilde Bienen und wildes Obst findet sich in großer Menge. Der Weinstock wächst ebenfalls wild.

Ein schwacher todter Zaun, welcher die ganze Wirthschaft umgibt, ist die einzige VertheidigungsMaßregel gegen Anfälle. Eine gewisse Anzahl dieser weit und breit zerstreuten Wirthschaften nimmt nun, je nachdem sie zu einem Fürsten gehören, oder durch sonstige Interessen verbunden sind, einen eigenen Namen an, welcher, so wie bei unsern altdeutschen Gauen, gewöhnlich von dem diese Gegend durchfließenden Fluß oder Bach abgeleitet wird.

Die Erziehung der Jugend steht natürlich in vollem Einklange mit der Lebensweise der Eltern. Gleich nach der Geburt werden die Kinder im Flusse ge= badet, abgehärtet, und theilen nach und nach die Gei fahren ihrer Eriegslustigen Väter. Die Söhne der Reichen, der Fürsten und Edlen, werden schon im dritten Jahre einem Vasallen zur Erziehung übergeben, der dieselben gleich auf das Pferd sißen läßt, und mit zunehmendem Alter in allen Leibesübungen, wie Reiten, Fechten, und auch im Kriegführen, unterrichtet. Besonders lehrt er sie, wie sie sich in gefährlichen Unternehmungen der List bedienen sollen. Die Prinzen lernen auch die große Kunst der Beredsamkeit, damit sie in den Versammlungen, in welchen es sich um das Wohl des Volkes handelt, glänzen können. Der Erzieher erhält von den Eltern weder für die Mühe, noch für den Unterhalt des Kindes eine Bezahlung. Erst wenn der Zögling in das Jünglingsalter getreten, gebührt ihm der beste Theil der Beute, welche der Lehrling bei Plünderungen oder im Kriege unter seiner Leitung machen konnte. Der Erzieher übernimmt ferner die Sorge, feinen Zögling zu verheirathen. Sobald er ein Mädchen gefunden, das ihm passend scheint, so entführt er selbes init Hilfe sei

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