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ehrlich und ohne Anspruch auf eigenen Vortheil die Hand gereicht, und nur aus dem Grunde, weil Österreich in dieser verhältnissmässig kurzen Zeit sich nicht hatte entschliessen können, Preussen den Alleinbesitz der gemeinschaftlich erworbenen Länder zuzugestehen, war wohl nur von Jenen anzunehmen, die in die geheimen Gedanken des preussischen Cabinets eingeweiht waren.

Wie die Dinge heute liegen, kann freilich kaum ein Zweifel darüber bestehen, dass Graf Bismarck, der Leiter der auswärtigen Angelegenheiten Preussens, der bald nach seinem Amtsantritte, zu nicht geringem Erstaunen der Welt, verkündet hatte, der Leib Preussens sei zu schmal, und seine Politik werde eine Politik von Blut und Eisen sein, den Krieg gegen Dänemark nur unternommen hat, um die Herzogthümer für Preussen zu gewinnen, und dass er Österreichs Mithilfe nur desshalb angestrebt, um es für den Krieg vor dem übrigen Europa mit verantwortlich zu machen und sich dabei gleichzeitig den Rücken gegen dasselbe zu decken.

Ja er mochte sogar die grosse Verwicklung, die aus dem Widerstreite der beiderseitigen Interessen nothwendig resultiren musste, vorausgesehen haben und entschlossen gewesen sein, dieselbe zum Ausgangspunkte für Ereignisse zu nehmen, die Preussen endlich Machtvergrösserung und eine weitaus prädominirende Stellung in Deutschland auf Kosten der ihm widerstrebenden kleineren deutschen Staaten und unter Hinausdrängung Österreichs aus den Angelegenheiten Deutschlands geben konnten.

Graf Rechberg, der als Minister des Auswärtigen in Österreich sich zu der mit Preussen gemeinschaftlichen Action gegen Dänemark entschlossen hatte, mag diesen Ausgang der Dinge nicht geahnt haben.

Derselbe trat, nachdem er den Friedensvertrag noch mitunterzeichnet, von dem Ministerposten ab, den er seit 1859 innegehabt hatte, und übergab die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten dem FML. Alexander Grafen Mensdorff-Pouilly.

Es fiel somit diesem Staatsmanne die verantwortungsvolle und keineswegs leichte Aufgabe zu, sich über die durch den Krieg geschaffene Situation, über die zukünftige Gestaltung der Herzogthümer mit Preussen zu verständigen.

Die Schwierigkeiten dieser Aufgabe sollten sich nur zu bald in ihrer ganzen Grösse fühlbar machen.

Österreich und Preussen hatten während des Krieges auf der Londoner Conferenz Angesichts der Vertreter der andern Mächte in der Sitzung vom 28. Mai gleichstimmig die vollständige Trennung der Herzogthümer von Dänemark und deren Vereinigung als selbstständigen Staat unter dem Erbprinzen von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg verlangt und erklärt, dass

der Letztere nicht nur in den Augen Deutschlands die meisten Erbrechte geltend machen könne und der Anerkennung durch den Bundestag gewiss sei, sondern dass derselbe auch die unzweifelhafte Stimmenmehrheit der Bevölkerung dieser Länder besitze.

Auch nach geschlossenem Frieden blieb Graf Mensdorff dieser Anschauung getreu; Graf Bismarck jedoch wies dieselbe entschieden von sich, verneinte jeden Anspruch des Prinzen Friedrich von Augustenburg auf die Regierung in den Herzogthümern, steuerte mit immer grösserer Bestimmtheit auf die Gewinnung dieser Länder für die preussische Krone los, und liess sich in der Verfolgung dieses Zieles weder durch den Widerstand Österreichs, noch durch jenen des deutsch en Bundes, der in der Mehrzahl seiner Vertreter den österreichischen Standpunkt einnahm, irre machen.

In der Bundestagssitzung vom 5. December 1864 hatten Bayern, Sachsen, Württemberg sich dahin ausgesprochen, dass die Regelung der Erbfolge in den Herzogthümern dem Bunde zustehe. Graf Bismarck äusserte sich hierauf am 13. desselben Monats nach Dresden und München, dass wenn dieser Ausspruch am Bunde angenommen worden wäre wozu nur zwei Stimmen gefehlt, „die politische Selbstständigkeit Preussens gefährdet worden, und Preussen dadurch in die Lage gekommen sein ,,würde, dem zu Unrecht gefassten Beschlusse gegenüber, „von der durch die Verletzung der Verträge erwachsenden Freiheit des Handelns zur Wahrung seiner Rechte den "vollen Gebrauch zu machen."

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Österreich gegenüber erklärte Graf Bismarck gleichfalls am 13. December: Preussen könne sich über die Successionsfrage in den Herzogthümern nicht äussern, bevor seine Stellung zu dem künftigen Staate genau stipulirt wäre, der Vorschlag in Betreff des Prinzen von Augustenburg könne nicht angenommen werden, da ein solcher Act den Ansprüchen anderer Prätendenten vorgreifen und von den Höfen von Hannover, Oldenburg und Russland übel aufgenommen werden würde; - ferner: dass die Annexion der Herzogthümer an Preussen, obgleich ohne Österreichs Zustimmung nicht ausführbar, den deutschen Interessen im hohen Grade förderlich, den österreichischen nicht entgegen wäre.

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Auf diese Depesche konnte Graf Mensdorff am 21. December nur antworten: Österreich habe die Lösung der Frage im deutschen Interesse unternommen und wolle sie auch im deutschen Interesse zu Ende führen; Hannover mache keine Ansprüche, äussere nur Ansichten, Oldenburgs Ansprüche werde auch das österreichische Cabinet prüfen, Russland habe aber neuerdings erklärt, dass es die Entscheidung des Bundes als massgebend

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betrachten werde. Hätte Preussen Erbansprüche auf die Herzogthümer machen wollen, so hätte es dieselben zur Geltung bringen müssen, bevor es in London am 28. Mai die gemeinsame Erklärung mit Österreich abgab. Österreich könne in eine Einverleibung der Herzogthümer in Preussen nur gegen das Äquivalent einer ihm selbst zu gewährenden Vergrösserung seines deutschen Besitzes willigen 1). Österreichisches Blut sei nicht geflossen, um das Gleichgewicht der beiden deutschen Grossmächte durch einseitige Vergrösserung zu stören.

Die Controverse ruhte nun einige Zeit, ohne dass jedoch Preussen bezüglich seiner Pläne auf die Herzogthümer anderen Sinnes ward.

Um sich den Anschein zu geben, als ob es fremdes Recht nicht gänzlich missachten wollte, überwies das preussische Cabinet gegen Ende December die Prüfung der Erbansprüche auf die Herzogthümer seinen eigenen Kronjuristen, welche sowohl die Ansprüche der anderen Staaten als jene der preussischen Krone, die theils aus älteren brandenburgischen Erbrechten, theils aus dem letzten Friedensvertrage fliessen sollten, in's Auge zu fassen hatten.

Am 15. Jänner 1865 traf Prinz Friedrich Carl zum Besuche am kaiserlichen Hofe in Wien ein; er hatte für das ihm von Sr. Majestät dem Kaiser verliehene Commandeurkreuz des Maria Theresien-Ordens seinen Dank abzustatten und wohl auch die Glückwünsche zu seinen Siegen entgegenzunehmen; auf die nicht mehr guten Beziehungen der beiden Staaten hatte sein Besuch keinen besondern Einfluss.

Indessen bemächtigte sich auch die schleswig-holsteinische Bevölkerung der Discussion über die Schicksale ihres Landes.

Die Masse der Bevölkerung sprach sich, ihrer alten Gesinnung getreu, für die Selbstständigkeit ihres Landes als deutsches Bundesland unter der Regierung des Erbprinzen Friedrich von Augustenburg aus.

Auf ein am 7. December durch die Civil-Commissäre Österreichs und Preussens an die schleswig-holsteinische Beamtenschaft und Geistlichkeit gerichtetes Verlangen zur Ausstellung eines Reverses, die Erbfolgefrage nicht präjudiciren zu wollen, lief allgemein die Antwort ein, dass die Beamten und die Geistlichkeit die von dem Lande an den Tag gelegte Überzeugung hinsichtlich der verfassungsmässigen Landesrechte vollkommen theilten.

Nur eine Fraction von wenigen Grossgrundbesitzern, unter der Führung des Barons Scheel-Plessen, richtete zu Ende December eine Adresse an die verbündeten Souveräne, in welcher der Wunsch nach Einverleibung des

1) Natürlich auf Kosten Preussens.

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Landes in Preussen ausgesprochen war, doch rief diese wider die allgemeine Ansicht lautende Erklärung massenhafte Gegenerklärungen und Adressen hervor.

So namentlich sprach am 12. Jänner 1865 der Ausschuss der schleswig-holsteinischen Vereine zu Rendsburg in der sogenannten Vierziger Erklärung einer von 60,800 freien und selbstständigen Männern unterzeichneten Adresse aus, dass das Land die sittlichen Bande, welche zwischen ihm und dem Erbprinzen geknüpft seien, als unzerreissbar erachte, der Versuch, auch nur einem Theil des Landes einen andern Herrscher aufzudringen, als Treubruch aufgefasst werden und bei dem Volke jenen zähen Widerstand herausfordern würde, den es im Kampfe gegen Dänemark gelernt.

Am 19. Februar ward den Civil-Commissären eine von Abgeordneten fast aller Städte und Districte des Landes unterzeichnete Denkschrift über die Ubelstände des Provisoriums, und ungefähr einen Monat später, eine ähnliche von Deputirten der Kaufleute und Industriellen überreicht, und in der letzteren un baldige Beendigung des die Handelsinteressen so schwer gefährdenden Provisoriums gebeten.

In einer Erklärung vom 26. März 1865 formulirten mehrere Abgeordnete der schleswig-holsteinischen Landesvertretung die Zugeständnisse, welche der einstige Herzog unter Wahrung der Interessen der Herzogthümer zu machen berechtigt sei, und wiesen einen grossen Theil von Forderungen, welche mittlerweile in einer preussischen, am 21. Februar nach Wien gerichteten Depesche ausgesprochen worden waren, und welche wir gleich anführen werden, mit Entschiedenheit zurück.

Dieser Erklärung trat am 19. April eine Versammlung Delegirter von 117 schleswig-holsteinischen Vereinen bei 1).

Bei den verschiedenartigen Zwecken der Condominat - Regierungen musste es nothwendigerweise früher oder später auch zu Differenzen im Schosse der gemeinschaftlichen Landes-Regierungen kommen.

Bei aller Rücksicht für Preussen musste das Verhalten des österreichischen Regierungs-Commissärs den Kundgebungen des Volkes gegenüber ein anderes sein, als jenes des preussischen Commissärs, welcher in diesen eine Bedrohung der Absichten und Zwecke seiner Regierung sah.

Diese letzteren hatten indess theils in den Noten an Österreich, theils in den Erklärungen am Bundestage, immer mehr an Entschiedenheit und Präcision gewonnen.

1) Eine Denkschrift des Prinzen von Augustenburg vom 31. März 1865 über die möglichen Concessionen an Preussen theilte die Anschauungen des Landes.

In der schon erwähnten Depesche vom 21. Februar 1865 sprach Graf Bismarck die Bedingungen aus, deren Erfüllung das preussische Cabinet in den Herzogthümern zur Sicherstellung der Interessen. Preussens und Deutschlands verlangen müsse.

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1. Ewiges und unauflösliches Schutz- und Trutzbündniss der Herzogthümer mit Preussen, durch welches sich Preussen ,,zum Schutze und zur Vertheidigung gegen jeden Angriff verpflichte. „Dagegen stellen die Herzogthümer ihre ganzen Streitkräfte, die dem „Könige von Preussen den Fahneneid leisten, Letzterem zur Ver„fügung.

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2. Die Bundespflicht des Souveräns der Herzogthümer bleibt dieselbe wie bisher.

3. Rendsburg wird Bundesfestung und bleibt bis dahin von Preussen ,,besetzt.

4. Behufs des Schutzes der Herzogthümer werden an Preussen folgende Territorien mit voller Souveränetät abgetreten:

a) „die Stadt Sonderburg mit entsprechendem Gebiete auf beiden Seiten „des Alsen-Sundes;

b) zum Schutze Kiels die Festung Friedrichsort mit entsprechendem ,,Gebiete;

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c) an den Mündungen des von der Ost- in die Nordsee anzulegenden Canales das zur Anlegung von Befestigungen nothwendige Terrain, ferner „Bestimmung über die Richtung und Leitung des Baues und die Oberaufsicht. 5. „Die Herzogthümer treten mit ihrem ganzen Gebiete dem preussischen Zollsysteme bei.

6. „Das Post- und Telegrafenwesen der Herzogthümer wird mit dem ,Preussischen vereinigt.

„Die Übergabe der Herzogthümer an den künftigen „Souverän erfolgt nach Sicherstellung und Ausführung aller Vorstehenden Bedingungen. Kämen solche nicht zur Ausführung, so „träte Preussen in die aus dem Wiener Frieden ihm zustehenden Rechte ,,wieder ein, und behalte sich dasselbe die Geltendmachung aller sonstigen in „Betreff der Herzogthümer ihm zustehenden Ansprüche vor."

Graf Mensdorff beantwortete diese Forderungen am 5. März dahin, dass jede derselben dem Bundesrechte und der Selbständigkeit des neuen Bundeslandes widerspräche, und verlangte erneuert Selbständigkeit für das letztere und Regelung seines künftigen Verhältnisses zu Preussen innerhalb der Grenzen der Bundes-Gesetzgebung.

Mittlerweile war die Angelegenheit auch beim Bunde wieder zur Sprache gebracht worden.

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