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Die Schwierigkeiten, die Armee nur einigermassen mobil zu machen, waren gross. Vieles Material konnte in Folge des überraschend schnellen Einmarsches der Preussen gar nicht mehr herangezogen werden; der Mangel an Pferden bot unüberwindliche Hindernisse bei Mobilisirung des Armee-Trains; die Bespannung der Infanterie-Fuhrwerke war gar nicht mehr zu beschaffen. Die beim Artillerie-Depôt befindlichen 10 Geschütze mussten, um sie mitführen zu können, mit Pferden des königlichen Marstalles bespannt werden.

"

Proclamation des Königs von Hannover an sein Volk.
,,An Mein getreues Volk!"

„Seine Majestät der König von Preussen hat Mir den Krieg erklärt.

„Das ist geschehen, weil Ich ein Bündniss nicht eingehen wollte, welches die Unabhängigkeit Meiner Krone und die Selbständigkeit Meines Königreiches anta„stete, die Ehre und das Recht Meiner Krone demüthigte und die Wohlfahrt Meines "getreuen Volkes erheblich zu verletzen geeignet war.

„Eine solche Erniedrigung war gegen Mein Recht und wider Meine Pflicht, ,,und weil Ich sie zurückwies, brach der Feind in Mein Land.

„Ich verliess die augenblicklich gegen feindlichen Überfall nicht zu schützende „Residenz, die Königin und Meine Töchter, die Prinzessinnen, als theure Pfänder „Meines Vertrauens zu den getreuen Bewohnern Meiner Hauptstadt dort zurücklas,,send, und begab Mich mit dem Kronprinzen, wohin Meine Pflicht Mich rief, zu Mei„ner treuen, auf Mein Geheiss im Süden Meines Königreichs rasch sich sammelnden ,,Armee.

„Von hier aus richte Ich an Mein getreues Volk Meine Worte: bleibt getreu „Eurem Könige auch unter dem Drucke der Fremdherrschaft, harret aus in den Wech,,selfällen der kommenden Zeiten, haltet fest wie Euere Väter, die für ihr Welfenhaus ,,und für ihr Vaterland in nahen und fernen Landen kämpften und endlich siegten, „und hoffet mit Mir, dass der Allmächtige Gott die ewigen Gesetze des Rechtes und „der Gerechtigkeit unwandelbar durchführt zu einem glorreichen Ende!

„Ich, in der Mitte Meiner treu ergebenen, zu jedem Opfer bereiten Armee, ver„einige mit dem Kronprinzen Meine Bitten für Euer Wohl.

„Meine Zuversicht stehet zu Gott, Mein Vertrauen wurzelt in Euerer Treue. Göttingen, den 17. Juni 1866.

Georg Rex.“

Armee-Befehl des hannoverschen General-Lieutenants von
Arentsschildt bei Übernahme des Commandos.

"Soldaten!

„Aus vorstehender Proclamation seht Ihr, dass das Wohl und die Zukunft des „Vaterlandes, die Sicherheit unseres königlichen Herrn in Euren Händen ruht.

„Seine Majestät der König hat in dieser drohenden Lage mir den Oberbefehl „über Euch übertragen, den ich freudig übernommen habe, in dem festen Vertrauen „auf die gerechte Sache, auf die altbewährte Tapferkeit der Hannoveraner und deren „Liebe für König und Vaterland.

"Welche Anforderungen an Euch gestellt werden, Entbehrungen und Mühen, „Ihr werdet sie mit Festigkeit ertragen, vor Allem aber werdet Ihr freudig in einen „Kampf gehen, der in der gerechtesten Sache das Wohl Eueres Königs und des Vaterlandes Rechte zu wahren bestimmt ist.

Göttingen, den 18. Juni 1866.

Der commandirende General-Lieutenant v. Arentsschildt."

Die Intendantur und das Medicinalwesen konnte man nur sehr mangelhaft einrichten, für Feldspitäler erübrigten beinahe keine Mittel. Indessen wurde geleistet, was nur immer für die rasche Verwendbarkeit der Armee geschehen konnte, und es bleibt kein kleines Verdienst dieses in so misslicher Lage befindlichen Heeres, dass es, treu und gehorsam seinem Könige folgend, sich auf dessen Geheiss muthig mit dem Feinde schlug und selbst einen Sieg über denselben zu erkämpfen wusste.

Am 18. Juni hatte die hannoversche Armee bei Göttingen eine Stellung bezogen, die darauf berechnet war, sowohl gegen einen Angriff von Norden (Division Goeben und Manteuffel), als von Süden (Division Beyer in Cassel) Front machen zu können 1).

Die Brigade de Vaux war auf der Strasse gegen Nordheim, die Brigaden Bothmer und Bülow auf der Strasse gegen Minden und Witzenhausen vorgeschoben.

Die Reserve-Cavallerie lagerte zwischen den letztgenannten InfanterieBrigaden. Sicherheitstruppen umgaben die Armee in weitem Bogen. Um die Preussen an einer raschen Vereinigung ihrer Streitkräfte zu hindern, waren schon in der Nacht vom 15. zum 16. Juni die Schienenstränge der MindenBraunschweiger Bahn unterbrochen, und das Betriebs-Material nach Süden in Sicherheit gebracht worden.

Ebenso ward im Laufe des 18. und 19. Juni die Südbahn von Nordstemmen bis Salzderhelden und von Dransfeld gegen Cassel nach Möglichkeit unfahrbar gemacht.

Die auf dem rechten Werra-Ufer liegende Vorstadt von Münden liess man mit der Werra-Brücke zur Vertheidigung einrichten und durch 1 Compagnie und 1 Escadron besetzen; dessgleichen wurden die Leine-Übergange bei Reckershausen und Niedergandern durch Infanterie gesichert.

In der eben beschriebenen Aufstellung blieb die hannoversche Armee drei volle Tage unthätig, den 18., 19. und 20. Juni.

Man war im Hauptquartier nicht ganz klar, ob man in der Stellung bei Göttingen den Angriff des Feindes erwarten, oder sich in den Harz, wo eine längere Vertheidigung möglich schien, zurückziehen, oder endlich ob man gegen Süden weiter marschiren und die Verbindung mit den Bundestruppen suchen sollte.

Nachdem man sich endlich für Letzteres entschieden, schwankte man wieder zwischen dem zu nehmenden Wege, ob durch Hessen über Witzenhausen, oder über Eisenach.

Da der letztere Weg durch Thüringen weniger Schwierigkeiten und

1) Officieller Bericht (1. Theil, S. 17), dem auch alle übrigen auf die Operationen der Hannoveraner bezüglichen Daten entnommen sind.

günstigere Gefechts-Chancen zu versprechen schien, so ward schliesslich am 20. Juni Nachmittags der Abmarsch der Armee für den folgenden Tag nach Heiligenstadt und von da in 2 Colonnen über Mühlhausen und Wanfried nach Eisenach angeordnet. Die in Nordheim befindliche Avantgarde sollte bis zum Abend des 21. Juni daselbst stehen bleiben und hierauf, die Arrieregarde der Armee bildend, bis Göttingen zurückgehen.

Dessgleichen wurden die in Rotenkirchen, Moringen und Hardegsen aufgestellten Beobachtungsposten befehligt, sich erst am 21. Abends auf die Arrieregarde nach Göttingen zurückzuziehen.

Am 21. Juni marschirte, der erlassenen Disposition gemäss, die Armee nach Heiligenstadt, ab. Die neu formirte Arrieregarde, unter Commando des Obersten von der Decken, blieb bei Geismar stehen, die Spitze der an der Tête der Armee befindlichen Brigade Bülow wurde an der Strasse nach Mühlhausen bis Helmsdorf vorgeschoben.

Für den 22. war laut Disposition der Marsch der Armee in 2 Colonnen nach Wanfried und Mühlhausen angeordnet.

Auf die Meldung aber, dass sich preussische Abtheilungen auf dem Marsche nach Eschwege befänden, und in der Befürchtung, auch Wanfried nicht mehr frei vom Feinde zu finden, wurde diese Disposition in so weit geändert, dass man eine Colonne, statt über Wanfried, über Eigenrieden, die andere aber, nach der ursprünglichen Bestimmung, über Mühlhausen weiter vorrücken liess.

In Folge dessen nahm die hannoversche Armee am Abend des 22. Juni folgende Aufstellung ein:

Brigade Bülow mit dem Gros bei Seebach;

die Avantgarde, verstärkt durch die 2. reitende Batterie, bei Heroldshausen, 1 Bataillon und 1 Escadron nach Gross-Gottern vorgeschoben. Brigade Bothmer bei Eigenrieden, Vortruppen gegen Wanfried, Brigade de Vaux bei Struth,

Brigade Knesebeck in Mühlhausen, mit 1 Bataillon und 1 Escadron bei Felchta;

Reserve-Cavallerie bei Höngeda,

Hauptquartier und Reserve-Artillerie in Mühlhausen,

Arrieregarde in Dingelstädt.

Bisher hatte man mit Ausnahme einer Patrouille des 9. preussischen Huszaren-Regiments bei Hohengandern (am 21.) Nichts vom Feinde zu Gesicht

bekommen.

Am 22. Nachmittags meldete die Avantgarde, dass preussische Abtheilungen des Morgens in Langula gewesen wären, sich jedoch wieder zurückgezogen hätten.

Es erschien nun als möglich, die leicht zu vertheidigenden Defiléen des ,,Hainich" vom Feinde bereits besetzt zu finden; man befürchtete einen dadurch verlängerten Aufenthalt in dem wenig ressourcenreichen Waldgebirge, und der früher gefasste Marschplan ward nun neuerdings geändert, indem man mit der Armee zunächst auf Langensalza zu marschiren beschloss.

Demgemäss rückte am 23. die vorgeschobene Brigade Bülow, welcher die Reserve-Cavallerie folgte, über Mülverstedt, Weberstedt, Reichenbach nach Oster-Behringen, ihre Avantgarde nach Gross-Behringen; die Reserve-Cavallerie nebst einer ihr noch zugetheilten Batterie kam westlich von Tüngeda mit Vorposten gegen Sonneborn und Gotha zu stehen.

Die Brigaden Knesebeck und de Vaux marschirten nach Langensalza, wo sich noch Nichts vom Feinde befand, und schoben hierauf ihre Sicherheitstruppen in der Richtung gegen Gotha bis Henningsleben und in der linken Flanke bis Merxleben vor;

die Brigade Bothmer rückte nach Gross-Gottern;

Hauptquartier und Reserve - Artillerie kamen nach Langensalza, die Arrieregarde nahe an Mühlhausen.

Ein Bataillon und 1 Escadron der Brigade Knesebeck, welche die Aufgabe hatten, über Langula gegen die Debouchéen des „Hainich“ zu demonstriren, stiessen in der Nacht vom 23. bis zum 24. wieder zum Gros, ohne mit dem Feinde irgendwo in Berührung gekommen zu sein.

GL. v. Falckenstein war indessen der feindlichen Armee von Hannover aus nachgerückt.

Dem preussischen Ober-Befehlshaber war blos die Concentrirung der Hannoveraner bei Göttingen bekannt. Er musste zu diesem Zeitpunkte noch annehmen, dass dieselben vor Allem die Verbindung mit den Bayern oder dem VIII. Bundes-Corps anstreben, daher mit Beschleunigung nach dem Süden abrücken würden. Anderseits war ihm aber kein Geheimniss, dass sich das Corps des Prinzen von Hessen noch in der Formirung befand, sowie dass die Bayern weder Miene machten, in eine Cooperation mit dem österreichischen Hauptheere zu treten, noch bisher selbständig die Offensive ergriffen hätten.

GL. v. Falckenstein war daher bedacht, seine eigenen Kräfte zu concentriren, um dann je nach Umständen vorzugehen.

Das nächste Ziel blieb vorläufig die hannoversche Armee, da die Möglichkeit doch nicht völlig ausgeschlossen war, dieselbe noch isolirt zu erreichen. Die Division Goeben rückte schon am 19. von Hannover in südlicher Richtung bis Nordstemmen-Hildesheim, am 20. bis Alfeld und am 21. bis Eimbeck und Gandersheim vor; ihre Avantgarde kam an diesem Tage bis Immensen-Calefeld.

Österreichs Kämpfe 1866. I. Band.

12

Am 22. setzte die Division den Marsch fort. Da erhielt man sichere Nachricht, dass Göttingen von den Hannoveranern geräumt worden, in Folge dessen GL. v. Goeben die eben in Nordheim eingetroffene Colonne unter GM. Wrangel, verstärkt durch das 8. Huszaren-Regiment, sogleich gegen Göttingen entsandte, wo sie Mittags, der Rest der Division Nachmittags eintraf.

Inzwischen war die Eisenbahn von Hannover aus wieder in fahrbaren Zustand gesetzt und die Division Manteuffel mittelst derselben bis Seesen vorgeschoben worden.

Am 22. gelangte diese Division bis Nordheim; ihre Verbindung mit der Division Goeben war somit hergestellt.

Der nördliche Theil von Hannover blieb nur mit 3 Bataillons des Landwehr-Regiments Nr. 17 und dem 10. Landwehr-Huszaren-Regiment besetzt. Am 22. verlegte GL. v. Falckenstein sein Hauptquartier nach Nordheim und am 23. nach Göttingen.

Die preussischen Truppen sollten hier einen Rasttag halten, doch wurde auf die Nachricht, die Hannoveraner befänden sich in Folge eines unglücklichen Gefechtes bei Mühlhausen auf dem Rückzuge gegen Heiligenstadt, die Brigade Wrangel Abends dahin entsendet, die jedoch den Feind nicht fand und am 24. nach Göttingen zurückkehrte.

General Beyer hatte nach der Besetzung Cassels vom GL. v. Falckenstein den Befehl erhalten, die Bewegung gegen die Werra fortzusetzen und die Übergänge derselben zu beobachten, resp. zu besetzen, um ein Entkommen der Hannoveraner nach dieser Seite zu verhindern.

Die Ausführung dieses Befehls durch die genannte Division führte aber anfänglich nur zur Zersplitterung ihrer Streitkräfte, wodurch gerade das Gelingen eines etwa von den Hannoveranern ernstlich versuchten Durchbruches ermöglicht worden wäre.

Schon am 20. Nachmittags wurde ein Detachement der Brigade Glümer gegen Helsa entsendet, das dort nach Mitternacht eintraf und am 21., ohne die Verbindung mit dem an diesem Tage bis Eschwege nachgerückten Gros der Brigade hergestellt zu haben, bis Allendorf vorging.

GM. v. Schachtmeyer marschirte am 21. von Cassel aus mit 4 Bataillons, 4 Geschützen, 1 Escadron gegen Münden, das er von den Hannoveranern bereits verlassen fand und gegen Abend besetzte. Letztere hatten die Eisenbahn und die Brücke daselbst nachhaltig zerstört.

Der Rest der Division Beyer war an diesem Tage in Cassel verblieben. Als GL. v. Falckenstein am 22. Morgens die Meldung erhielt, dass Göttingen Seitens der Hannoveraner geräumt worden, erliess er an GM. Beyer den Befehl, mit seiner Division gegen Ottmannshausen vorzugehen. Doch die bezüglichen Weisungen konnten nicht mehr rechtzeitig an die bereits im Marsche

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