Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Die preussische Regierung hatte zur Invasion in Sachsen, Kurhessen und Hannover alle Massregeln im Vorhinein getroffen.

Gegen Hannover und Kurhessen waren drei Divisionen bereit, welche in ein Corps unter Commando des General-Lieutenants Vogel v. Falckenstein vereinigt, später vielfach verstärkt die Main-Armee bildeten.

Ursprünglich zählte dieses Corps circa 50.000 Mann mit 78 Geschützen '). Die Division Goeben stand am 15. Juni bei Minden, die Division Beyer bei Wetzlar, und die Division Manteuffel in und nächst Altona concentrirt.

Hannover hatte sich weder an den Conferenzen der Mittelstaaten in Augsburg, noch an jenen in Bamberg betheiligt; es bewahrte stets eine isolirte Stellung, um jede Provocation Preussens zu vermeiden, und unterliess demnach auch jede auf die rechtzeitige Augmentirung seines Heeres abzielende Massregel, während alle übrigen Staaten von gleicher politischer Tendenz doch Einiges für ihre Kriegsvorbereitungen gethan hatten.

Vielleicht fühlte sich auch die hannoversche Regierung durch die eigene Kammer gelähmt, welche noch am 15. Juni auf Benningsen's Antrag mit einer Majorität von 8 Stimmen sogar die Nichtausführung des Bundestagsbeschlusses vom 14. Juni und die Entlassung der Minister verlangte. Erst jetzt, nachdem der König die preussischen Forderungen zurückgewiesen, ward, natürlich zu spät, die Mobilisirung der hannover'schen Armee angeordnet.

Zwischen dieser Verfügung und dem wirklichen Ausbruche der Feindseligkeiten lagen nur mehr wenige Stunden, und alle Anstrengungen, die nun gemacht wurden, um der durch Unentschiedenheit herautbeschworenen Lage zu entgehen, wurden in der Folge durch neue Unentschiedenheit vollends vergeblich.

Ganz ähnlich handelte der Kurfürst von Hessen, und auch der kurhessische Landtag verweigerte mit grosser Majorität noch am 15. Juni die Mittel zur Mobilisirung der Truppen und verlangte stricte Neutralität.

Nur mit Noth glückte es dem Kurfürsten, seine Truppen vor einer Katastrophe zu retten, indem er sie am 16. Juni in aller Eile gegen Fulda und Hanau abrücken liess.

Dieselben befanden sich noch auf dem Friedensstande (die Artillerie hatte nicht einmal den Feldschiessbedarf). Doch ward Manches in der Folge wieder gut gemacht; viele Landeskinder eilten freiwillig zu ihren Fahnen und verstärkten den Stand der Regimenter, die hierauf ihre Verwendung beim VIII. Bundes-Armee-Corps, resp. als Besatzung der Bundesfestung Mainz fanden.

1) Ordre de bataille siehe Beilage zum VII. Abschnitte Nr. 1,

Der Kurfürst selbst blieb in seiner Residenz Wilhelmshöhe zurück. Schon am 13. Juni hatte der König von Preussen folgenden Befehl an den General-Lieutenant Vogel v. Falckenstein gerichtet:

„Sollte das Verhalten Hannovers bei der morgenden Abstimmung am ,,Bundestage über den österreichischen Antrag Mich zur Kriegserklärung "gegen erstgenanntes Königreich veranlassen, so werden Sie Meinen Befehl „zum Einrücken in dasselbe auf telegraphischem Wege erhalten. Ich lege in „diesem Falle die weiteren Operationen vertrauensvoll in Ihre Hand.

,,Für dieselben steht zu Ihrer Verfügung die 13. Division, welche Sie „den Umständen gemäss und nach eigenem Befinden durch disponible Land„wehrtruppen aus dem Bereiche Ihres General-Commandos verstärken können. „Ferner steht am 15. d. M. bei Altona eine Division von etwa 14.000 Mann ,,aller Waffen unter dem General-Lieutenant v. Manteuffel bereit, um mit Ihnen zu cooperiren, und ist der genannte General angewiesen, Ihre Befehle ,,darüber entgegen zu nehmen.

[ocr errors]

Die Nachrichten über den Stand der hannover'schen Armee erge,,ben, dass dieselbe noch nicht in voller Kriegsstärke und nicht völlig vorbe„reitet ist, sich auf höchstens 15.000 Mann aller Waffen beläuft und sich „theils bei Stade und Lüneburg, theils bei Hannover, Burgdorf und Celle ver,sammelt. Ausserdem scheint aber auch die etwa 4-5000 Mann starke „österreichische Brigade Kalik bei Harburg verblieben zu sein. Es muss ,,Ihnen überlassen bleiben, genauere Nachrichten über diese Verhältnisse einzuziehen.

,,Bei den von Ihnen zu unternehmenden Operationen wird es weniger ,,auf Besetzung gewisser Punkte, als vielmehr darauf ankommen, die hanno,,ver'schen Truppen durch Entwaffnung oder durch Angriff auf dieselben „ausser Wirksamkeit zu setzen. Sollte Ihnen bei Beginn der Operationen „über eine Kriegserklärung zwischen Preussen und Österreich noch Nichts ,bekannt sein, so haben Sie den etwa im Königreich Hannover verbliebenen ,,commandirenden österreichischen Officier von dem Kriegsfall zwischen „Preussen und Hannover amtlich in Kenntniss zu setzen, damit er in der „Lage ist, sich mit seinen Truppen dem thätlichen Conflict entziehen zu können. Sollte derselbe demungeachtet in Verbindung mit hannover'schen „Truppen sich an deren Operationen gegen Sie betheiligen, so haben Sie auch ,,ihn als Feind zu behandeln.

[ocr errors]
[ocr errors]

,,Sie haben eintretenden Falles bei Ihren Operationen den Gesichts„punkt festzuhalten, dass durch ein schnelles Agiren Ihre Truppen sobald als möglich für Operationen auf einem anderen Kriegsschauplatze verwendbar ,,werden.

Berlin, den 13. Juni 1866.

"gez. Wilhelm."

General v. Falckenstein, welcher sich bei der Division Goeben befand, beorderte diese am 16. Morgens gegen Hannover aufzubrechen; gleichzeitig erliess er folgenden Armee-Befehl :

Hannover, Sachsen und Kurhessen, mit denen wir bis jetzt in Frieden und Freundschaft lebten, haben auf Ansuchen Österreichs beschlossen, eine „Executions-Armee gegen Preussen in's Feld zu stellen. Es ist nicht unsere „Sache, die Gründe dafür zu erforschen; aber selbstverständlich ist dieserhalb Sr. Majestät unserm Allergnädigsten Könige Nichts übrig geblieben, als den „übermüthigen Regierungen jener Kleinstaaten den Krieg zu erklären. Heute „rücken wir nun als Feinde ein. Nichtsdestoweniger wollen wir es uns ange,,legen sein lassen, den ruhigen Landes-Einwohnern gegenüber, denen diese ,,Vorgänge gar nicht lieb sind, auch unsererseits zu zeigen, wie wir es beklagen, ,,zu einem brudermörderischen Kriege herausgefordert zu sein. Soldaten „des westphälischen Armee-Corps! In diesem Sinne lasst uns den bevorstehen„den Krieg durchkämpfen; wir wollen unseren gegenwärtigen Feinden zeigen, ,,dass eine mehr denn fünfzigjährige Freundschaft in uns eine zu schöne Er„innerung zurückgelassen hat, um uns sofort zu rücksichtslosen Feinden umstimmen zu können.

Der commandirende General gez. v. Falckenstein."

Es rückten nun die preussischen Divisionen Manteuffel und Goeben, die eine von Altona, die andere von Minden im Königreiche Hannover ein, während die Division Beyer von Wetzlar aus das Kurfürstenthum Hessen occupirte.

General - Lieutenant Manteuffel überschritt noch vor erfolgter Kriegserklärung die Grenze Hannovers. Unter dem Vorwande, die Eisenbahn zur Fahrt nach Minden in Westphalen benützen zu wollen, ward Harburg am 15. Juni Nachmittags von der Avantgarde des GL. Manteuffel (Brigade GM. Flies) besetzt.

Am 16. gelangte der Rest der Division (gegen 10.000 Mann) über die Elbe, und deren Avantgarde wurde bis Lüneburg vorgeschoben; das Hauptquartier des GL. Manteuffel kam nach Harburg.

Noch am Abende desselben Tages wurden zwei Kanonenboote gegen Brunnshausen entsendet, und die dort befindliche, von den Hannoveranern nicht bewachte Strandbatterie (mit 8 schweren Kanonen) in Besitz genommen. Am 17. Juni verfügte GL. Manteuffel den Überfall der kleinen hannoverschen Festung Stade durch das 1. Bataillon des 25. Infanterie-Regiments. Das Bataillon ward an diesem Tage Abends 10 Uhr auf den Kanonenbooten Loreley und Cyclop und einem Privatdampfer in Harburg eingeschifft und lan

dete Nachts 1 Uhr bei Twilenfleth, von wo es sich gegen Stade in Bewegung setzte.

Bevor noch die kleine Besatzung sich gesammelt hatte, ward das Festungsthor eingeschlagen, worauf nach kurzem Hin- und Herschiessen die Capitulation der Festung erfolgte 1).

Den Preussen fielen hier viele Vorräthe, darunter 34 Geschütze, 14.000 neue gezogene Gewehre etc. in die Hände 2).

Das Gros der Division Manteuffel rückte indessen in 2 Colonnen weiter vor und gelangte am 18. Juni bis Lüneburg und Heber (Strasse nach Celle). Die bei Lüneburg stehende Colonne wurde sodann in der Nacht zum 19. mittelst Eisenbahn nach Hannover befördert, wo sie am 20. Rastlag hielt, während die andere Colonne (Brigade Flies) am 19. nach Bergen und am 20. nach Celle marschirte.

Die Division Goeben war am 16. bis Stadthagen gekommen und rückte schon am 17. Abends in der hannover'schen Hauptstadt ein.

Die preussische Division Beyer, welche Kurhessen zu besetzen hatte, concentrirte sich am 15. von Wetzlar aus an der hessendarmstädtischen Grenze in der Nähe von Giessen.

Am 16. Morgens 2 Uhr erfolgte der Einmarsch in Hessen ").

Nach 3 forcirten Märschen, während deren durch die Zerstörung der Cassel-Bebraer-Bahn bei Melsungen ein nicht unbedeutendes Kriegsmaterial, das nicht mehr nach dem Süden hatte befördert werden können, erbeutet wurde, gelangte eine Brigade dieser Division im Laufe des 19., der Rest am 20. Juni nach Cassel, ohne auf dem Wege dahin auf Widerstand zu stossen, da die kurhessischen Truppen, wie erwähnt, mittlerweile schon nach Fulda resp. Hanau abgerückt waren *).

1) Die Besatzung bestand, nebst der Artillerie, aus Rekruten der Depôt-Abtheilungen des 4. (Stader) Infanterie-Regiments. (Officieller Bericht Seite 4).

2) Nach dem Überfall von Stade wurden am 19. die Weser-Forts, welche von den Hannoveranern bereits verlassen waren, durch Abtheilungen des Arminius und Cyclop besetzt. Emden und die Strandbatterie an der Ems, wo der Hannoversche Commandant, Oberstlieutenant von Freitag, ohne Widerstand zu leisten, capitulirte, fielen am 22., endlich die Insel Norderney am 27. Juni in die Hände der Preussen. Damit endete auch die Wirksamkeit der preussischen Flottille in diesem Feldzuge.

3) Es versteht sich von selbst, dass alle preussischen Generale Proclamationen an die Bevölkerungen der invadirten Länder erliessen. Wir glauben uns der Reproduction dieser Ansprachen überheben zu können.

4) Während des Vormarsches hatte General Beyer nebst der Cassel-Bebraer auch die gegen Frankfurt führende Eisenbahn, der sich hier ansammelnden Bundestruppen wegen, an mehreren Punkten zerstören lassen.

Der auf Wilhelmshöhe zurückgebliebene Kurfürst wurde nach dem Einrücken der Preussen in Cassel zum Staatsgefangenen erklärt und anfänglich nach Minden, später nach Stettin abgeführt.

Wie aus dem früher citirten Erlasse des Königs von Preussen hervorgeht, war des General-Lieutenants von Falckenstein nächste militärische Aufgabe, so rasch als möglich die hannoversche Armee unschädlich zu machen. Die Abtheilungen dieser Armee, welche schon theilweise im Marsche nach 4 verschiedenen Übungslagern (Verden, Harburg, Burgdorf, Liebenau) begriffen waren, hatten nach einem am 15. Mittags in Herrenhausen abgehaltenen Conseil noch im Laufe dieses Tages telegraphisch Befehl erhalten, sich bei Göttingen zu versammeln.

Von hier aus wollte der König, wo möglich, den Anschluss an andere Bundestruppen zu gewinnen suchen.

Nach 3 Tagen war die gesammte Armee, mit Ausnahme dreier Compagnien des in Stade belassenen Artillerie-Bataillons und einzelner Detachements, in und um Göttingen vereinigt. Der König mit dem Kronprinzen kam schon am Morgen des 16. Juni daselbst an und war nun bestrebt, die in Eile concentrirte Armee für ihre Verwendung im Felde möglichst zu organisiren.

Dieselbe ward in 4 Infanterie-Brigaden, ferner in eine Reserve-CavallerieBrigade und die Reserve-Artillerie getheilt 1).

Jede der 4 Infanterie-Brigaden bestand aus 5 Bataillons Infanterie, einem Cavallerie-Regiment, einer Batterie und einem Sanitätszuge; die ReserveCavallerie-Brigade aus 2 Cavallerie-Regimentern und einer Batterie; die Reserve-Artillerie aus 3 Batterien (16 Geschütze). Den Brigaden Bothmer und Bülow wurden später beim Abmarsche von Göttingen noch je eine PionnierCompagnie zugetheilt ).

Die ganze Armee zählte bei Beginn der Operationen annähernd 15.000 Mann Infanterie (darunter 2000 Mann erst vor 2 Monaten eingestellter Rekruten), 2200 Pferde und 42 Feldgeschütze.

Hiezu kamen noch:

1. Eine Munitions-Colonne mit 40 Fuhrwerken;

2. ein bewegliches Artillerie-Depôt, dem ein Park von 10 Reserve-Geschützen beigegeben war, und die eintretenden Falles auch als Positions-Geschütze hätten verwendet werden können.

3. Der Armee-Train, welcher ausser den Chargen und weniger Mannschaft nur aus unmilitärischen Elementen bestand.

Den Befehl über die gesammte Armee übernahm GL. von Arentsschildt3).

1) Ordre de bataille der hannoverschen Armee, Beilage zum VII. Abschnitte Nr. 2. 2) Das Infanterie-Bataillon war durchschnittlich 700 Mann, das Cavallerie-Regiment 350 Pferde stark, und die 5 bei den Brigaden eingetheilten Batterien zählten 26 Geschütze.

3) Die Ansprache des Königs aus dem Hauptquartier Göttingen an die Bevölkerung, und die des Generallieutenants von Arentsschildt an die Armee lauteten:

« ZurückWeiter »