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Wiederbelebung der Wissenschaften. Hans Nythart ließ 1486 in Ulm eine Verdeutschung des Eunuchus erscheinen, 'zu pflanzin tugend und vermeydung laster' und um zu zeigen, 'das comedia menschlichs wesens ain spiegel sein und ain pildung der warheit'. Der Ueberseßung Nytharts folgte 1499 die von einem Unbekannten. ausgegangene Straßburger Ueberseßung sämtlicher sechs Stücke. des Terenz, 'des hochgelerten und allerbruchelisten Poeten', wobei der Nythartsche Eunuchus benutzt wurde.

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Aber auch Plautus, dem sonst keine große Teilnahme widerfuhr, wurde schon frühzeitig in deutscher Sprache bekannt. Albrecht von Eyb, Domherr zu Bamberg, Eichstätt und Würzburg, einer der ersten Förderer deutscher Prosa, übersette zwei Lustspiele des Plautus (Menaechmi und Bacchides), welche mit der Ueberseßung der Komödie des Italieners Ugolino von Parma Philogenia' erst 1511, fast ein volles Menschenalter nach seinem Tode (1475), als Anhang seines Spiegels der Sitten', einer Sammlung von Denksprüchen und Beispielen, von seinem Neffen, dem Eichstätter Bischof Gabriel von Eyb, herausgegeben wurden. In seiner Uebersehung vermied Albrecht von Eyb sogar antike Namen und gab seinen auftretenden Personen die deutschen Namen Kunz und Lutz, Heinz und Friz, Grete und Nese. Ueberhaupt ist sie in Wahrheit eine Verdeutschung, die besonders dadurch noch an Vorzügen gewinnt, daß sie Bilder aus dem Leben des Volkes liefert.

So waren die Uebersehungen der beiden antiken klassischen Dramatiker die ersten Früchte der Bestrebungen des Humanismus, die Geistesschäße des Altertums denjenigen zugänglich zu machen, die der Kenntnis der lateinischen Sprache entbehrten.

Erstes Kapitel.

Der Humanismus und die Reformation.

An der Wende des fünfzehnten zum sechzehnten Jahrhundert beherrschte der Humanismus die gelehrten Kreise und wurde an Schulen und Universitäten gepflegt.

In der von Gerhard Groote, dem Stifter der Genossenschaft der 'Brüder vom gemeinsamen Leben' 1384 gegründeten Schule zu Deventer wurden die alten Sprachen gelehrt, deutsche Sprache und das Studium der heiligen Schrift gepflegt. Hier war Alexander Hegius von 1475 bis 1498 Rektor, unermüdlich im Kampfe gegen die mittelalterlichen Lehrbücher und im Hinweis auf die Bedeutsamkeit der lateinischen Klassiker; Erasmus von Rotterdam, Konrad Mutian und Hermann von dem Busch waren seine Schüler. Die Schule zu Schlettstadt, deren erster Rektor Ludwig Dringenberg war, zählte zu ihren Schülern Jakob Wimpfeling, Konrad Celtes, Johannes Reuchlin, Beatus Rhenanus, Johann von Dalberg und Georg Simler, den Lehrer Melanchthons in Pforzheim und Tübingen; der lezte Rektor der blühenden Schule war Johann Sapidus, unter dem dieselbe nicht weniger als 900 Schüler zählte; er gab sein Amt 1525 auf, weil Schlettstadt sich der Reformation nicht anschloß. In Münster wirkte der Domherr Rudolf von Langen, aus dessen Schule klassisch gebildete Männer hervorgingen, die er nach allen Seiten hin entsandte. Mit wahrer Simeonsfreude weissagte er, als er, ein hochbetagter Greis, Luthers Thesen las: 'Jezt nahet die Zeit, wo die Finsternis aus Kirchen und Schulen vertrieben wird und reine Latinität in die Schulen zurückkehrt'.

Unter den Universitäten waren Heidelberg und Tübingen die ersten Pflanzstätten des Humanismus. In Heidelberg hatte der vom Wormser Bischof Johann von Dalberg berufene Rudolf Agricola, der Begründer des neuen geistigen Lebens in Deutschland, bis zu seinem Tode (1485) gelehrt. Johannes Reuchlin fand, als er 1496 von Dalberg zum Universitätsbibliothekar und vom Pfalzgrafen Philipp zum ‘obersten Zuchtmeister' seiner Söhne berufen wurde, einen Kreis humanistisch gebildeter Männer, den

Kanzler Dietrich von Pleningen, den nachherigen Weihbischof Johannes Wacker (Vigilius), denen sich 1498 der von Speier zurückgekehrte Jakob Wimpfeling anschloß. Konrad Celtes hatte hier 1491 die Stiftung der berühmten Rheinischen litterarischen Gesellschaft' veranlaßt, zu der die vornehmsten Träger der Wissenschaft gehörten, wie Ulrich Zasius in Freiburg, Konrad Peutinger in Augsburg, Wilibald Pirkheimer in Nürnberg, Heinrich Bebel in Tübingen.

Die Universität Tübingen, die erst 1476 von dem Grafen Eberhard von Württemberg gestiftet war die päpstliche Bulle trägt das Datum des 9. November 1476, zählte zu ihren besten Lehrern Heinrich Bebel, den Professor der Poesie und Beredsamkeit, der 1501 in der Hofburg zu Innsbruck vor Kaiser Maximilian I. freimütig vom Lobe Deutschlands redete und den Kaiser als den Förderer der Wissenschaften feierte; der sich nicht scheute den Mönchen entgegenzutreten, die die klassischen Studien als antichristlich verwarfen.1) Neben ihm lehrte Johannes Brassicanus und beide wurden die Lehrer Melanchthons, der 1512 von Heidelberg, wo er seit 1509 studiert hatte, nach Tübingen gegangen war, weil man ihn in Heidelberg wegen seiner Jugend nicht zum Magister machen wollte.

In den beiden ersten Jahrzehnten des sechzehnten Jahrhunderts gehörte zu den berufensten Pflegestätten des Humanismus die Universität Erfurt. Hier wurden die lateinischen Schriftsteller erklärt und Nikolaus Marschalk, ein ausgezeichneter Kenner des Griechischen, beförderte 1501 als der erste Deutsche ein griechisches Buch Prisciani лɛρì ovvτáğɛor' zum Druck.2) Hier hatte sich eine Anzahl von Studierenden um den feinsinnigen Konrad Mutian geschart, der seit 1503 ein Kanonikat zu Gotha verwaltete und als das Haupt eines humanistischen Dichterbundes, des ‘Mutianischen Ordens', den Kampf gegen das scholastische Lehrsystem eröffnete. Zu seinen jungen Freunden zählte Georg Spalatin (Georg Burkhard aus Spalt in Franken), der 1498 die Universität Erfurt

1) Henr. Bebelius, Oratio ad regem Maximilianum de laudibus atque amplitudine Germanie. Phorc. 1504. 4.

2) Am Schluß: 'Hier hast du, freundlicher Leser, zwei Bücher des Priscian über die Wortfügung, in griechischen Lettern gedruckt, was in Deutschland vorher noch nie geschah'. Panzer, Annales typogr. 6, 493.

bezogen hatte und, schon auf der Schule zu Nürnberg für die klassischen Studien vorbereitet, 1501 Nikolaus Marschalks lateinisches Lob der Musen aus Hesiods Theogonia nebst Gedichten. des Lactantius, Ovid, Ausonius, Baptista Mantuanus und Politianus herausgab; dann Crotus Rubeanus, später einer der Hauptverfasser der Briefe der dunklen Männer, eine kurze Zeit auch Ulrich von Hutten, ferner Euricius Cordus, Petrejus Eberbach, später Justus Jonas, Justus Menius, Johannes Drach, Johann Lange. und Eoban Hessus, der Dichterkönig, der lange Zeit den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Lebens in Erfurt bildete. Als Martin Luther 1501 die Universität Erfurt zum Studium der Rechte bezog, wurde er unter dem Rektorat des Jodokus Trutvetter aus Eisenach, des Doctor Erfordiensis, immatrikuliert, desselben, den Luther in einem an ihn gerichteten Briefe 1518 als ersten Theologen und Philosophen anredet 1) und der von Eoban Heffus als der große Herold der göttlichen Eigenschaften gepriesen wurde, glänzend unter den Rednern wie Phöbus unter den Gestirnen. Trutvetter und Bartholomäus Arnoldi von Usingen wurden seine Lehrer in der Philosophie. Auch Luther konnte sich gegen die humanistische Richtung nicht verschließen; er vertraute sich eine kurze Zeit der Führung des humanistisch gebildeten Maternus Pistoris an; er las nach Melanchthons Zeugnis Cicero, Vergil, Livius, Ovid, Plautus und Terenz, aber er las sie, weil sie ihm als Lehrer und Bildner des menschlichen Lebens erschienen; ja, er nahm an den humanistischen Vorlesungen des Hieronymus Emser teil, der 1504 über Reuchlins Sergius unter großem Zudrang der Studierenden las und dadurch wohl den Namen Reuchlins in Erfurt zuerst bekannt machte. Aber niemals hat Luther sich jenem humanistischen Bunde angeschlossen, und nur mit Crotus Rubeanus und Johann Lange, die demselben angehörten, war er näher bekannt. Noch 1524 flagt er: Wie leid ist's mir ist, daß ich nicht mehr Poeten und Historien gelesen habe und mich auch dieselben niemand geleret hat. Habe dafür müssen lesen des Teufels Dreck, die Philosophos und Sophisten, mit großen Kosten, Arbeit und Schaden, daß ich genug habe daran auszufegen'.2) Als er dann 1505 in das Kloster trat, wurde die Brücke, die

1) De W. 1, 107.

2) An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes 2c. 1524.

ihn bisher durch seine Studien noch mit den Erfurter Freunden des Humanismus verbunden hatte, gänzlich abgebrochen.

Die während der Blütezeit des Humanismus entstandene Universität Wittenberg war eine Schöpfung des Kurfürsten Friedrich des Weisen. Martin Pollich von Mellrichstadt, einst der Begleiter des Kurfürsten auf seiner aus sunder Innigkeit und Andacht' unternommenen Wallfahrt nach Jerusalem, wurde ihr erster Rektor; Johann von Staupiß, der Ordensvikar der deutschen AugustinerKongregation, wurde der erste Dekan der theologischen Fakultät. Bei der feierlichen Einweihung der Universität, welche am 18. Oktober 1502 stattfand, hielt der vielgewanderte, weit berühmte Hermann von dem Busch, der Klassiker des Humanismus, die Eröffnungsrede. Die ersten Regungen humanistischer Bestrebungen gingen von Martin Pollich, von Hermann von dem Busch, der als Lektor der Rhetorik und Poetik d. i. der Philologie berufen war und über griechische und römische Schriftsteller las,1) und dem Juristen Christoph Scheurl aus, der 1507 in Wittenberg eintrat. Scheurt kam aus Bologna, wo er unter Johannes Campeggio und Ludovicus Bologninus die Rechte studiert und sich im Verkehr mit Philipp Beroaldus, dem feinen Kenner Ciceros, den Stil der italienischen Humanisten angeeignet hatte. Als er am 11. November 1505 in Bologna seine patriotische Rede vom Lobe Deutschlands und der sächsischen Kurfürsten hielt,2) pries er den Kurfürsten Friedrich als denjenigen Fürsten, der Wittenberg, ein abgelegenes Winkelnest, aus einer Ziegelstadt zur Marmorstadt gewandelt habe. Schon damals hatte er Beziehungen zu Wittenberg gewonnen; er war mit Staupig bekannt geworden, von diesem dem Kurfürsten empfohlen und hatte einen Ruf an die neue Universität erhalten. Bereits am 1. Mai wurde er einstimmig zum Rektor der Universität für das Sommersemester erwählt. In demselben Jahre erhielt der Lehrkörper eine weitere Verstärkung durch die Berufung des Mag. Jodokus. Die humanistischen Fächer vertraten mehrere Docenten, welche römische Autoren, nämlich Vergil, Valerius Maximus, Silius Italikus

1) Alb. Acad. Viteb. 2: 'Hermann Puschius Pasyphilus Monasteriensis artis oratoriae atque poeticae lector conductus.'

1) Libellus de laudibus Germanie et ducum Saxonie editus a Christophoro Scheurlo Nurembergensi i. u. Doct. Bonon. 1508. 4.

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