Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Wittenberg wieder aufzulegen, weil sie ihm den Lauf und das Schicksal des Papsttums mit wunderbarer Eigentümlichkeit vorauszusagen schien. Auch sein Bild mit der Sichel gefiel ihm, doch trug er Bedenken, die Rose auf sein ‘Zeichen', auf seine persönliche Wirksamkeit zu deuten; vielmehr bezog er sie in seiner Bescheidenheit auf das evangelische Amt.') Osiander hätte nämlich eins der Bilder geändert, aus einem Papste mit der Rose in der einen Hand und einer Sichel in der anderen (daneben auf der Erde ein Feuerstrahl und ein menschliches Bein) einen Mönch gemacht und dies Bild mit Bezug auf Luthers Wappen auf diesen gedeutet, wie er alles Fleischliche wie Gras abschneiden und das Feuer der christlichen Liebe wieder anzünden werde.

Das tet der helt Martinus Luther,

Der macht das evangeli lauter.

All menschenler er ganz abhaut

Und selig spricht, wer Got vertraut.

Es war Luther lieb, daß in der Hauptstadt des deutschen Handels die neue Lehre einen festen Boden gewonnen hatte; aber er meinte, es könne nicht fehlen, daß in einer solchen großen Stadt unter so großem Haufen Bürger der Teufel auch seine Kunst versuche und etliche anfechte, daß sie das Wort Gottes und die Schulen verachten; und wenn es ihm gelänge, so würde er damit ein Exempel stiften, das im ganzen deutschen Lande ein gewaltig Ansehen und allen Schulen in anderen Ländern einen harten Stoß thun werde, 'denn', sagt er in der Widmung seiner Schrift 'Predigt, daß man Kinder zur Schule halten solle' an Lazarus Spengler (1530), 'Nürnberg leuchtet wahrlich in ganz Deutschland wie eine Sonne, Mond und Sterne, und gar kräftiglich andere Städte beweget, was daselbst im Schwange geht'.2) Und in einem Briefe an Eoban Hessus (April 1528) rühmt er die vielseitige Beredsamkeit Nürnbergs, indem er es das Auge und Ohr Deutschlands nennt, das alles sieht und hört, was vielleicht niemals zu uns gelangen möchte.3)

1) Brief an Wencesl. Link v. 19. Mai 1527 bei de W. 3, 178, wo 3. 3 v. u. valde probo statt valde probe zu lesen ist.

2) De W. 4, 117.
3) De W. 3, 307.

Doch kehren wir zu Hans Sachs zurück. In der That stellte er seine auf die Polemik gerichtete schriftstellerische Thätigkeit, die der strenge Rat bei seinem Verbote wohl hauptsächlich im Auge gehabt hatte, ein und widmete sich von nun an ausschließlich der Dichtkunst. Er nahm seine dramatische Thätigkeit, die er 1517 mit dem Fastnachtspiel Das Hofgesinde Veneris' begonnen hatte, jezt wieder auf und sezte sie dann ohne große Unterbrechungen fort, erfüllt von dem epochemachenden Gedanken, 'die ganze poetische Welt aus der epischen Form in die dramatische überzusehen. Es sind recht eigentlich volkstümliche Stücke, in denen sich das Leben und Treiben der Nürnberger abspiegelt. Mit ihnen hat Hans Sachs die Stimmung der fröhlichen Fastnachtgäste erhöht und die schwermütigen Herzen ermuntert, mit ihnen in den Jungen und Alten seiner Zeit die Liebe zum Guten und den Haß gegen das Böse entzündet. Er hat, wie er selbst 1567 sagt, im ganzen 208 Dramen gedichtet, davon sind 198 erhalten. Er selbst bezeichnet sie als Komödien, Tragödien, Fastnachtspiele oder Spiele überhaupt. Im allgemeinen giebt er der Komödie einen heiteren, glücklichen, mindestens tröstlichen, der Tragödie einen traurigen Ausgang, aber er bleibt sich nicht immer gleich und hält die Unterscheidung nicht fest. Seine Komödien und Tragödien stehen den Fastnachtspielen hinsichtlich des dramatischen Wertes bedeutend nach. Die letteren sind neben den Meisterliedern und Spruchgedichten das Beste, was seine Muse geschaffen hat. Unter dem derben Humor, der sie durchweht, 7 verbirgt sich eine sittliche Idee; die Handlung ist wirkungsvoll, die Sprache volkstümlich und lebhaft. Aber die Schauspiele, namentlich die auf biblischer Grundlage ruhenden, entbehren fast alle der dramatischen Technik; das Hauptziel ist die Scenierung des biblischen Stoffes, um die Gottseligkeit, Furcht und Liebe Gottes in die Herzen einzubilden und zu pflanzen'. In dieser Hinsicht verfolgt er das Ziel fast aller Dramendichter der Reformationszeit, zu belehren und zu nüßen, den Inhalt der Bibel und der heiligen Geschichten dem Volke vermittelsst anschaulicher Darstellung zugänglich zu machen. Aber indem er mehr als die anderen bestrebt war die biblischen Geschichten im Sinne Luthers zu deuten oder einzelnen Stücken Luthers Lehre zu Grunde zu legen, hat

[ocr errors]

er zur Ausbreitung der lutherischen Lehre wesentlich beigetragen. Und so hatten auch seine weltlichen Schauspiele eine Tendenz. Er schöpfte den Stoff aus dem Altertum und suchte seinen Zeitgenossen jene Schäße, die die Humanisten gehoben hatten, in dramatischer Form vorzuführen, aber er wollte dabei auch Sittlichkeit und Vaterlandsliebe, Gerechtigkeit und Treue und alle Tugenden, die den Menschen zieren, vor Augen stellen, das Herz veredeln und vor 1 den Sünden, Gebrechen und Lastern seiner Zeit eindringlich warnen. Bei der Fülle der dramatischen Leistungen des Nürnberger Dichters ist es unmöglich, auch nur eine gedrängte Uebersicht zu geben. Er verfaßte etwa 50 biblische Dramen; sie entstanden alle erst, nachdem Luthers Bibelüberseßung erschienen war, mit der er sich eifrig beschäftigte. Die Opferung Isaaks und den Tobias (1533) hatte er schon vorher den einzelnen Teilen der Bibel, die gesondert erschienen waren, entnommen. Am 7. Oktober 1536 vollendete er die Komödie von der Esther. Dann ließ er eine elfjährige Pause eintreten. Aber von 1547 an verfaßte er fast in jedem Jahre ein oder mehrere biblische Dramen, doch vorwiegend alttestamentliche. Die Jahre 1550 bis 1558 waren für seine dramatische Thätigkeit die fruchtbarsten. Einige Stoffe sind von ihm wiederholt bearbeitet worden. Mit besonderer Vorliebe wandte er sich dem Stoffe von den ungleichen Kindern der Eva zu. Nachdem er ihn 1546 in einem Meisterliede im zarten Ton Frauenlobs bearbeitet hatte, verwandte er ihn 1553 zu einem 'Spiel von Adams Kindern' und zu einer Komödie 'Die ungleichen Kinder Evä, wie sie Gott der Herr anredet', zuleßt 1558 zu einem Schwant. Die liebliche Fabel, die der Meister der deutschen Sagenforschung Jakob Grimm zu einem sinnigen deutschen Märchen umgestaltet hat, war dem Dichter nach seiner eigenen Aussage durch Melanchthon bekannt geworden.

Ein comedi und lieblich gedicht,
Das ursprünglich hat zugericht
Im Latein Philippus Melanchthon,

Und nun zu gut dem gemeinen mon
Auch in teutsche sprach ist gewendt.

Im Schwank von 1558 bezeichnet er seine Quelle nur im allgemeinen:

Die glerten haben zugericht

Vor jaren ein liebreich geticht.

Allerdings hatte Melanchthon in einem Briefe an den Grafen Johann IV. von Wied vom 23. März 1539, der noch in demselben Jahre in Frankfurt a. M. gedruckt erschien,1) die Geschichte, die er einem lateinischen Gedichte entnommen hatte, beiläufig wegen ihres lehrreichen Inhaltes in Bezug auf die göttliche Ordnung der Stände erzählt; denn als Abel und Seth ihre Prüfung bestehen, werden sie von Gott zu einem Priester und einem Fürsten, Kain aber, der nicht besteht, wird zu einem Knecht bestellt. Allein nicht Melanchthons Brief diente dem Nürnberger Meister als Quelle, sondern, wie sich aus einem Vergleiche ergiebt, das Gespräch zwischen Gott, Adam, Eva, Abel und Kain von der Schlangen Verfürung und Gnade Christi unseres Heilandes' des Erasmus Alberus (1541), der in der Widmung an die Markgräfin Hedwig von Brandenburg erklärt, das Argument des Gespräches aus Melanchthons Brief an den Grafen Johann von Wieda gezogen zu haben. Außerdem scheint Hans Sachs auch Heinrich Chnustins Tragedia von Verordnung der Stände oder Regiment, Und wie Cain Abel, seinen Bruder, erschlagen' (Wittenb. 1539) benußt zu haben. Uebrigens hatte schon Johann Agricola in seiner Sprichwörtersammlung (1528) denselben Stoff erzählt und bereits zu Pfingsten 1516 war er in Freiberg vor dem Herzog Georg und seinem Hofe dramatisch dargestellt worden, wie wir aus einem Bericht des Andreas Moller in seinem Theatrum Fribergense ersehen; auch erscheint es nicht unwahrscheinlich, daß Hans Sachs die dort gespielte Komödie von den ungleichen Kindern Evä gekannt hat, da in derselben, wie in seiner Komödie, sechs ungeratene Söhne der Eva genannt werden. Hans Sachs fand in der Fabel einen wichtigen Reformationsgedanken; es handelte sich für ihn um zweierlei: einmal wollte er den Wert des lutherischen Katechismus darlegen; denn die

1) Auch Corp. Ref. 3, 663. Eine Uebersehung dieses Briefes gab Kaspar Brusch 1544 heraus: “Von Eua der ersten Mutter und Abel, Seth vnd Cain jren Sünen, eine Christliche vnd liebliche Narration oder fabel, einer historien nicht fast vnehnlich, Aus einer des Herrn Philippi Melanchthonis Epistel, gezogen vnd verdeutscht. Anno 1544.' Widmung an Michael Bufler in Leipzig.

Kinder der Eva müssen zeigen, wie sie sich den Wortlaut des Katechismus angeeignet haben, und nach dem Ausfall der Prüfung erfolgt die Bestimmung ihres Berufes; andrerseits wollte er den Segen der von Gott gewollten Ordnung der Stände darstellen. Am Schlusse zieht der Ehrenhold aus der vorgestellten Komödie vier schöne Lehren und zeigt, wie an den auftretenden Personen 1) der Fluch des menschlichen Geschlechtes vor Gott durch den Sündenfall, 2) die gottesfürchtigen Menschen, 3) die gottlosen Menschen, 4) die Gnade Gottes in Christo abgebildet seien. So suchte der vom protestantischen Geiste erfüllte Dichter das geistliche Spiel des Mittelalters in das protestantische Bewußtsein einzuführen.

Unter seinen weltlichen Dramen sind mehrere, die auf antiken Vorbildern ruhen. Wir haben schon gehört, daß er je ein Stück des Plautus, des Terenz und des Aristophanes nach einer Prosaüberseßung in eine dramatische Form brachte. 1527 schrieb er eine Lucretia und 1530 eine Virginia nach Livius; 1530 behandelte er den Streit zwischen der Tugend und der Wollust in der Komödie 'Pallas und Venus', die ein fleißiger und ehrliebender Student' in Wittenberg 1536 mit einigen schlechten Aenderungen neu auflegen ließ, worin er aber dem Reformationsliede eine Stelle einräumte, indem er die Pallas sagen läßt:

Hie sichstu helm, schilt und sper,
Den ich vertraw heut und immer:
Eine recht Burgk ist unser Gott,
In dem wir dulden alle nott;
Auf diesem schloß ist mein beschuß,

All deine lust vertreib ich mit truş.

1531 übersette Hans Sachs Reuchlins Henno. Der Ehren

hold sagt:

Zu euch komb wir auff gut vertrawen,
Ein teutsch comedi hie zu machen,
Kurzweilig fein und gut zu lachen.
Schrieb im Latein der hoch gelehrt

Doctor Reuchlin, der rechten gelehrt,
Von einem bawren, genannt Henno.

Es scheint, als hätte dem Dichter das Original vorgelegen, denn er lieferte eine treffliche Uebersehung, die beste unter allen späteren. Wir kennen noch die des Nürnbergers Johann

« ZurückWeiter »