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gelungenste seiner Dramen (Iulium ego omnibus comoediis [meis] antepono) bezeichnet, von seinem Bruder Jakob 1592 übersezt und von Jakob Ayrer zu einer elenden Komödie 'Von Deutschlands Auffnemen und Lob, der wider lebendig gemacht Kaiser Julius' (1598) benußt. Das von edler, warmer Begeisterung für das deutsche Vaterland zeugende Stück macht Frischlin alle Ehre, und mit Recht konnte er ausrufen: Wer will es tadeln, daß ich, von Liebe zu meinem Vaterlande getrieben, ein deutscher Mann, dieses Spiel zu Deutschlands Lob verfaßt habe?' Er läßt die vom Tode erstandenen römischen Schriftsteller Cicero und Cäsar auf einer Reise durch Deutschland die schönsten Städte aufsuchen. Da trägt Straßburg, 'ein Hort und eine Zier des Vaterlandes', den Sieg davon; von Augsburg meinen sie, Rom sei mit seinen alten Quiriten dorthin ausgewandert, und von Nürnberg heißt es, es sei Deutschlands Corinth,

Betrachtet man der Künstler Wunderwerke;

Doch siehst du auf die Mauern und Basteien,
Wird es kein Mummius so leicht erobern.

Eine Aufführung des Iulius redivivus fand 1592 in Halle statt. In den drei weniger bedeutenden Schulstücken Dido (1581), Venus (1584) und Helvetiogermani (1589) hat Frischlin den rein pädagogischen Zweck verfolgt: es sind Dramatisierungen des vierten und ersten Buches der Aeneide Vergils und des ersten Buches von Cäsars Kommentarien über den gallischen Krieg zur Einübung der Phrasen und Förderung der lateinischen Rede. In allen seinen Dramen hat er an der klassischen Form der römischen Komödiendichtung festgehalten, namentlich galt ihm Terenz viel: er beabsichtigte einen Terentius christianus zu schaffen. Die Geschichte Josephs sollte eine ganze Trilogie liefern: der Eunuchus sollte Joseph in Aegypten, Adelphi Joseph und seine Brüder, Heautontimorumenos den alten Jakob darstellen, wie er sich über den vermeintlichen Verlust seiner drei Söhne selbst quält. Ferner beabsichtigte er aus der Geschichte der Ruth eine Hecyra zu machen. Einen Teil dieser Vorfäße hat Frischlin noch in den lezten Jahren seines Lebens ausgeführt. In der Kerkereinsamkeit auf Hohenurach im Frühjahr 1590 entstanden die Prologe zu den drei Stücken und die Inhaltsanzeigen der

einzelnen Akte in deutschen Reimen. Er sandte sie an den herzoglichen Rat zu Stuttgart, aber sie fanden nicht den Beifall der Censoren und so unterblieb die weitere Ausführung. Ebenso hatte er eine fünfaktige deutsche Komödie 'Ruth' übersandt, aber auch sie wurde infolge der ungünstigen Beurteilung des Hofpredigers Lukas Osiander als ein 'unnotwendiges Werk bei der Hand behalten'.1)

Das nach dem Vorbild des Terenz geschaffene neulateinische Drama erlangte endlich auch einen Ausdruck in der Schilderung des Studentenlebens. Der schon erwähnte Christoph Stymmel aus Frankfurt a. D. schilderte in seiner Komödie Studentes, comoedia de vita studiosorum (1545) 'in offenbarer Anlehnung an Gnapheus' Acolastus dem Charakter nach verschiedene Studenten, den fleißigen Philomathes und seine Jugendfreunde Acolastus und Acrates, von denen der erstere alles mit Weibern, der andere alles mit Spielen vergeudet. Zulegt muß Acolastus ein Mädchen, das er entehrt hat, heiraten; Acrates aber bestiehlt seinen Vater, um seine Spielschulden zu bezahlen. Troß vieler Schwächen erzielte das Drama einen großen Erfolg und wurde für andere Dramatiker vorbildlich. So schrieb Albert Wichgrev aus Hamburg, Prediger zu Allermode im Billwerder, seinen Cornelius relegatus, der 1600 von Studenten zu Rostock aufgeführt wurde und in welchem die sittlichen Zustände der damaligen studierenden Jugend treu abgespiegelt sind. 1603 wurde diese Komödie von Johannes Sommer aus Zwickau, Pastor zu Osterweddingen, 'auf etlicher gutherziger Leute Bitte' verdeutscht, weil dieselbe der heutigen leimstenglerischen cornelischen Jugend in Stadt und hohen Schulen mores und Sitten artig als mit lebendigen Farben abmale'. Auch er will sein Drama als einen Spiegel betrachtet wissen, wie es heut oder morgen den cornelischen Gassenjunkern möchte ergehen', damit sie frühzeitig dem Uebel vorbeugen.2)

Was Frischlin beabsichtigte, führte Cornelius Schonäus aus Gouda, Rektor in Harlem, aus, indem er seine von 1580 an verfaßten 17 lateinischen Dramen in seinem Terentius christianus

1) F. D. Strauß, Leben und Schriften des Dichters und Philologen Nikodemus Frischlin. Frankfurt a. M. 1855.

2) E. Schmidt, Komödien vom Studentenleben. Leipzig 1880.

(zuerst 1591) vereinigte. Schonäus wollte die sittlichen Bedenken, die man gegen Terenz erhoben hatte, beseitigen. Er entnahm den Stoff meist der Bibel und schloß die Liebeshändel aus, wodurch er erreichte, daß seine Stücke in den Schulen Eingang fanden; aber er blieb troßdem nicht frei von Obscönitäten und platten Gemeinheiten, die in dem fremden Gewande weniger anstößig erschienen.

Der schon genannte Sirt Birck, erst in Basel, seit 1536 in Augsburg im Schulamt thätig, schrieb eine Reihe biblischer Stücke zum teil ursprünglich deutsch und überseßte sie dann selbst ins Lateinische, zeigte also eine nicht allen Dramatikern jener Zeit eigentümliche Gewandtheit. Ihn veranlaßten die sittlich bedenklichen Themata des Terenz zur Abfassung von Dramen, welche sich durch eine echt protestantische Gesinnung auszeichnen. In protestantischem Sinne schrieb auch Jakob Schöpper, Presbyter zu Dortmund, seine sechs lateinischen Schuldramen meist biblischen Inhalts, obgleich er ein Anhänger der alten Kirche blieb. Die Reformation kam in Dortmund erst allmählich zum Durchbruch; aber an dem bereits 1543 vom Rate der Stadt gestifteten evangelischen Gymnasium wurden auch noch später Schöppers Komödien unbedenklich aufgeführt.

Das neulateinische Drama, ursprünglich eine Schöpfung des Humanismus, steht seit 1529 unter dem Einflusse der Reformation und der durch sie geschaffenen Organisation des höheren Schulwesens; der vielgelesene Terenz verliert seine Bedeutung und wird durch die dramatische Dichtung der Schulmänner erseßt; aus den gelehrten Kreisen stammt die dramatische Produktion und stellenweise vermischt sie sich mit der volkstümlichen, aber der ganze Prozeß hat seinen Ausgangspunkt von der Reformation genommen und wird durch sie beeinflußt.

Fünftes Kapitel.
Hans Sachs.

Nirgends fand die Reformation einen fruchtbareren Boden als in Nürnberg. Hier hatten Männer wie Wilibald Pirkheimer, Lazarus Spengler, Christoph Scheurl, Hieronymus Baumgartner,

Holstein, Die Reformation.

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Hieronymus Ebner, Sixtus Tucher, schon längst die Befreiung ihres eigenen Denkens und Lebens in der Rettung der deutschen. Nation von den unerträglichen Fesseln der römischen Kirche mit heißem Verlangen ersehnt. Luthers Thesen wurden hier schnell bekannt, jene Thesen, von denen ein Zeitgenosse Luthers, Friedrich Myconius, sagt, daß sie, ehe vierzehn Tage vergingen, ganz Deutschland und in vier Wochen schier die ganze Christenheit durchlaufen hatten, als wären die Engel selbst Botenläufer und trügens vor der Welt Augen. Pirkheimer und Spengler verteidigten in Schriften Luthers Vorgehen, und dieselbe Bulle, die Luther als Kezer verdammte, belegte auch sie mit dem Banne. Die ganze große Bewegung hatte Hans Sachs erlebt und war von ihr tief ergriffen. Mit Begeisterung las er Luthers Schriften; im Jahre 1521 besaß er selbst schon vierzig Schriften Luthers und seiner Freunde und vertiefte sich so sehr in das Studium derselben, daß seine poetische Thätigkeit zwei Jahre lang gänzlich ruhte. Aber nachdem er sich von der unverbrüchlichen Wahrheit der neuen Lehre überzeugt und die hohe Bedeutung der Lutherschen Uebersetzung des Neuen Testamentes erkannt hatte, begrüßte er in seinem Gedicht von der Wittenbergisch Nachtigall, die man jezt höret überall' (1523) mit den Ausdrücken wahrer Herzensfreude die ersten Strahlen der in der Reformation aufgehenden Sonne und gab ein kräftiges Zeugnis, wie tief und wie richtig er Luthers Ziel verstanden. Hans Sachs, der Schuhmacher, der Sohn des Volkes, begleitete seinen Meistergesang mit einer allen Liebhabern evangelischer Wahrheit gewidmeten Vorrede, welche, in ungebundener Rede geschrieben, ein wertvolles Denkmal der deutschen Sprache bildet.

Während sein kühner Gesang von Luthers entschiedenem Auftreten bei den Anhängern der neuen Lehre freudige Aufnahme fand und als Flugschrift allenthalben nachgedruckt wurde, suchten die Gegner, die 'Römischen', das Gedicht als das Erzeugnis eines unwissenden Laien, der besser thäte, sein Schusterhandwerk zu treiben, an den Pranger zu stellen. Aber der tolle Schuster' ließ sich nicht irre machen. In vier in kunstvoller Prosa abgefaßten, auf einem sorgfältigen Studium des Neuen Testamentes ruhenden Dialogen, die wegen ihrer Lebendigkeit fast dramatischen Wert

haben, geißelte er mit schneidigen Worten die Gebrechen der Kirche, besonders die Scheinwerke und die Gelübde der Geistlichen, und trug durch sie mächtig zur Ausbreitung der Reformation bei. Als dann 1527 der lutherische Pfarrer an St. Lorenz Andreas Osiander die aus dem dreizehnten Jahrhundert stammenden, nach seiner Aussage im Kartheuserkloster zu Nürnberg aufgefundenen, in Wahrheit aber einem Druckwerk von 1515 entnommenen Weissagungen des Kalabreser Mönches Joachim über das Papsttum und seine Geschicke mit vierzeiligen, die Gemälde erklärenden Versen von Hans Sachs erscheinen ließ, wurde dem Dichter vom Rate der Stadt, in Erwägung, daß dies Büchlein mehr eine Aufregung und Erbitterung des gemeinen Mannes denn etwas anderes verursache, dazu dem Rate allerlei Nachteil und Gramschaft bei vielen erfolgen möge', der ernste Befehl erteilt, daß er seines Handwerkes und Schuhmachens warten, sich auch enthalten möge, einig Büchlein oder Reimen hinfür ausgehen zu lassen: ein ehrbar Rat würde sonst ihre Notdurft gegen ihn handeln.') Man schien die Sache sehr ernst zu nehmen, allein bald brach sich eine mildere Ansicht Bahn. Am 13. Juni wurde der Befehl erteilt, dem Drucker und Formschneider Hans Guldenmund, welcher die Bilder geliefert hatte, die geschnittene Form der Prophezeiung' zurückzugeben, weil sich erfunden, daß dergleichen Drucke vor vielen Jahren auch ausgegangen seien, aber die gedruckten Büchlein, deren Auslieferung dem Osiander befohlen war, sollten bei Handen behalten werden. Und am 3. August erhielt Guldenmund die Erlaubnis, das Buch, das den Fall des Papsttums anzeigen solle, mit den Bildern zu drucken und zu verlegen, aber ohne die Erläuterungen Osianders und ohne die Reime Hans Sachs des Schusters.

Luther, der schon seit 1517 in lebhaftem Briefwechsel mit Christoph Scheurl und Wenceslaus Link stand und alle Nürnberger Vorgänge erfuhr, erhielt ein Exemplar dieser Schrift, deren prophetische Bilder er in einem Briefe an Spalatin (29. April 1527) Hieroglyphia nannte 2), und hatte die Absicht, dieselbe in

1) Ratsprotokoll vom 27. März 1527.

2) De W. 3, 169. Burkhardt 117.

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