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Lebens böse Zeit, in welcher mehr Unglück und Herzeleid als Glück und Freude gefunden werde. Dann wird gezeigt, wie Gott alle Unzucht strafe. Die Fürsten sollen lernen nicht allzu schnell zum Kriege und Streit bereit zu sein. Jede Person erscheint als ein Typus: Menelaus ist der Typus der Rachgier, Agamemnon der eitlen Ehrsucht, Klytämnestra der Wollust und Freude, Iphigenia der Vaterlandsliebe; der Rat der Alten zeigt, wie alle Diener ihre Sache anstellen sollen, um Ruhm und Ehre zu erjagen. Im Epilog begegnet der Verfasser denjenigen, welche die Aufführung heidnischer Dramen tadeln. Es ist, sagt er, mit guter Absicht geschehen,

Damit gar fein sehen die leut,
Wie Gottes wort zu aller zeit
Verdunkelt worden, wies jederman

Nach seim gefallen hat wollen verstan.

Es lag nahe, den Opfertod der Iphigenia mit der Opferung Isaaks durch Abraham zu vergleichen, allein mit Rücksicht darauf, daß hier Gott befohlen, dort Agamemnon aus eitler Ehre gehandelt habe, hat Bapst von einem Vergleich Abstand genommen.

Fast zu derselben Zeit begann der Mag. Wolfhart Spangenberg aus Mansfeld 1), nachdem er seinen Wohnsig in Straßburg genommen hatte, griechische Dramen zu übersehen. Er wurde für die Entwickelung des Straßburger Theaters sehr einflußreich, indem er zunächst für die Aufführungen griechischer Dramen deutsche Argumente oder Inhaltsangaben nebst Vorrede und Beschluß behufs der Orientierung der Zuschauer nach Art eines Theaterzettels verfaßte. So geschah es 1598 bei der Aufführung der Euripideischen Medea. Als aber diese deutschen Argumente dem Bedürfnisse nicht mehr genügten, schritt man zur Aufführung griechischer Dramen in deutscher Uebersehung. Der in Straßburg als Bürger' lebende Spangenberg verdeutschte 1604 des Euripides Alcestis, 'eine artige Tragödie, darin ein Exempel treuherziger Liebe zwischen rechten Eheleuten vorgebildet wird',

1) Wolfhart Spangenberg, ein Sohn des Chriakus Sp., war zu Neujahr 1590 in Tübingen Magister geworden, wie aus einem Briefe seines Vaters an seinen Vetter Joh. Eckhard in Nordhausen hervorgeht (H. Rembe, Nindarts Jubel-Komödie, Eisl. 1885, Einl. S. 15).

indem er dabei die lateinische Uebersehung des Schotten Georg Buchanan zu Grunde legte. Im folgenden Jahre überseßte er die Hekuba des Euripides nach der lateinischen Ueberseßung des Erasmus von Rotterdam.

Unter den Sophokleischen Dramen stand besonders der Ajax Lorarius in Ansehen. In der lateinischen Uebersehung des jüngeren Scaliger wurde er im Juli 1587 und in der nach dieser veranstalteten deutschen Ueberseßung Spangenbergs am 7. Juli 1608 in Straßburg aufgeführt.

Des Aristophanes Wolken wurden im August 1613 unter der Leitung des Professors der griechischen Sprache Nikolaus Ferber in griechischer Sprache zu Straßburg aufgeführt; in demselben Jahre erschien daselbst auch eine Uebersehung des Mag. Isaak Fröreysen.

Viertes Kapitel.

Das humanistische Drama.

Schon sehr früh zeigte sich bei den gelehrten Schulmännern, katholischen und protestantischen, das Streben, in treuer Nachahmung des Terenz eigene lateinische Dramen teils zum Zwecke der Schullektüre teils zur dramatischen Aufführung durch Schüler zu schaffen. So bildet das lateinische Drama des sechzehnten Jahrhunderts eine neue Litteraturgattung, die wegen ihrer Bedeutung nach Form und Inhalt vorteilhaft auf das deutsche Drama des sechzehnten Jahrhunderts wirkte; denn zu sehr vielen dieser lateinischen Dramen wurden von deutschen Schulmännern poetischer Uebersetzungen geliefert. Die Hauptvertreter des neulateinischen Dramas finden wir in den Niederlanden: Wilhelm Gnapheus und Georg Macropedius. Sie schrieben beide nur lateinische Dramen, denen teils ein biblischer teils ein antikhistorischer Stoff zu Grunde liegt.

Wilhelm Gnapheus, geboren 1493, vorgebildet im Kreise der 'Brüder vom gemeinsamen Leben', begann seine Lehrthätigkeit in seiner Vaterstadt s'Gravenhaag, wurde früh von der refor

matorischen Bewegung ergriffen, mußte aber die ausgesprochene Abneigung gegen Ceremonien und Mönchswesen anfangs 1523 mit mehrmonatlicher Kerkerhaft in Delft büßen. Wegen einer Flugschrift, in der er das Mönchswesen heftig angriff, wurde er im Mai 1525 durch eine päpstliche Inquisitionskommission aufs neue eingekerkert und im September jenes Jahres zu einer dreimonatlichen klösterlichen Strafhaft verurteilt, während sein Leidensgenosse Jan de Bakker (Johannes Pistorius) aus Vörden am 15. September 1525 den Feuertod erleiden mußte.') Aus der Haft entlassen, widmete sich Gnapheus wiederum dem Schuldienst im Haag und verfaßte seine erste lateinische Komödie Acolastus sive de filio prodigo, welche 1529 erschien. Die Widmung vom 1. Oktober 1528 gilt dem Johannes Sartorius zu Amsterdam. Er spricht seine Verwunderung über die Vernachlässigung der Komödiendichtung aus, und doch lobe Cicero die Komödie als die Nachahmung des täglichen Lebens (cotidianae vitae imitatio), als einen Spiegel der Gewohnheit (speculum consuetudinis), als ein Abbild der Wahrheit (imago veritatis). Er habe es zuerst gewagt einen biblischen Stoff nach Art der römischen Komödienschreiber zu gestalten und empfiehlt sein Stück zu öffentlichen Aufführungen. Aber obgleich er jeden Angriff vermieden, nirgends die streitige Lehre berührt, so hatte ihm doch die böswillige Mißgunst einiger seine Lieblingsstudien verleidet, ihn aus seiner litterarischen Muße getrieben und noch härteren Leiden aufbewahrt. In der That war seines Bleibens nicht länger in der Heimat. In der Fastenzeit des Jahres 1528, wo Gnapheus auf Reisen gewesen war, hatte man seine Hausgenossen der Uebertretung der Fastengebote beschuldigt, seine alte Mutter in Eisen gelegt, seine Schwester in das Gefängnis geworfen und sein Haus mit bewaffneten Knechten beseßt. So entschloß er sich den heimatlichen Boden zu verlassen. 1531 kam er nach Elbing, wo er zu Michaelis 1535 im Auftrage des Stadtrates ein Gymnasium im Brigittenkloster eröffnete. 1541 wurde er Rat des Herzogs Albrecht von Preußen, dann Rektor des neugestifteten Pädagogiums

1) Gnapheus schrieb 1529 das Martyrium des Johannes Pistorius, des ersten Opfers der Reformation in den nördlichen Niederlanden.

und Docent an der neuen Universität zu Königsberg. 1547 von da vertrieben, ging er nach Ostfriesland, wo ihn die Gräfin Anna zum Erzieher ihrer Söhne und zu ihrem Sekretär machte. Zuleßt war er gräflicher Rentmeister in Norden. Hier starb er 1568.

Von seinen vier Dramen ist das einflußreichste das schon genannte Drama vom verlornen Sohn; es wurde ein Volksbuch der gelehrten Kreise; denn es lassen sich aus den Jahren 1529 bis 1581 mindestens 39 Drucke nachweisen, ja, eine Pariser Ausgabe von 1554 erschien sogar mit dem reichhaltigen Kommentar des Gabriel Prateolus Marcossius (Gabriel Dupréau) nebst einem Sach- und Wortverzeichnis. Eine französische Uebersetzung lieferte 1564 Antoine Tyron.

Das Gleichnis vom verlornen Sohn, welches dem Akolast des Gnapheus zu Grunde liegt, war schon im Mittelalter von Rudolf von Ems in seinem Barlaam und Josaphat in einem Gedicht von 92 Zeilen bearbeitet worden und wurde in den ersten Jahren der reformatorischen Bewegung als ein Mittel benut, um den katholischen Gegnern den Nachweis zu liefern, daß die Rechtfertigung vor Gott nicht durch die Werke, sondern allein durch den Glauben erfolge. Schon vor Gnapheus hatte der Arzt Reiner Snoy zu Gouda denselben Stoff in Prosa behandelt, 1523 hatte Michael Styfel aus Eßlingen, der ein Jahr vorher dem Augustinerorden entsagt hatte und Prediger bei Hartmut von Cronberg geworden war, das Evangelium vom verlornen Sohn ausgelegt, Nikolaus Vogel dichtete ein schönes geistliches Lied und Burkart Waldis ließ 1527 sein berühmtes Fastnachtspiel in Riga aufführen.

Das Gnapheussche Drama bewahrt im allgemeinen die Form der römischen Komödie, aber der Ernst des Inhaltes nötigte den Verfasser doch stellenweise zur Wahl des tragischen Stiles. Sollte aber der Terenzische Charakter des Dramas bewahrt bleiben, so durften die bekannten Figuren des altrömischen Lustspieles nicht fehlen; es finden sich daher viele komische Scenen. Auch findet sich am Schluß, wie in allen biblischen Dramen jener Zeit, eine moralisch - religiöse Nuzanwendung; denn es liegt im Charakter der lateinischen Schulkomödie der Reformationszeit, daß sie sich nicht nur auf dem Boden der antifen comoedia

palliata bewegt, sondern auch als Vermittlerin der alten und neuen Zeit die reformatorischen Ideen, wie sie durch die Bibel im Volke erweckt waren, zu verbreiten suchte und, wie das Drama überhaupt, als Waffe der Reformation auftrat. Wenn dies Bestreben im Acolastus des Gnapheus nicht so scharf ausgeprägt erscheint, als in anderen Komödien jener Zeit, so findet dies seine Erklärung darin, daß der Verfasser mit diesem Stücke seine dramatische Thätigkeit begann und bei der Gefahr, die ihm alle Tage von dem Gericht des Oberkeßerrichters Jodokus Lovering, des Statthalters von Mecheln, drohte, direkte Angriffe vermied. Ueberhaupt zeigt sein ganzes Leben, daß Gnapheus wohl ein ehrenwerter, aber kein starker Charakter war, daß er an den religiösen Kämpfen der Zeit wohl teilnahm, daß er aber kein entschlossener Führer war.

Seine übrigen Dramen stehen gegen den Acolastus, der im Laufe der Zeit eine geradezu kanonische Bedeutung erlangte, bedeutend zurück. In die Zeit seiner Elbinger Thätigkeit fällt sein Morosophus, worin er die Aufgeblasenheit unwissender Gelehrter verspottet. Ihm folgten Hypocrisis und Misobarbus.

Der bedeutendste neulateinische Dramatiker ist Georg Macropedius (Langhveldt), wahrscheinlich 1475 zu Gemerten bei Herzogenbusch geboren, zuerst Priester des Ordens des heil. Hieronymus, hierauf Rektor der schon 1425 gegründeten Schule zu Herzogenbusch, dann Rektor zu Lüttich, zuleßt in Utrecht und daselbst bis 1552 thätig. Er starb in seiner Heimat im Juli 1558. Durch Reuchlin angeregt, begann er schon früh lateinische Komödien zu dichten. und setzte diese Beschäftigung bis gegen das Ende seines Lebens fort. Die erste Frucht seiner dramatischen Studien war der Asotus, das Drama vom verlornen Sohn, der Hauptsache nach wohl schon 1507 entstanden, aber erst 1535 zum Druck befördert. Obwohl Macropedius nicht der neuen Lehre beitrat, so zeigen seine Dramen doch reformatorische Ansichten. Der Prolog zum Asotus bemerkt ausdrücklich, daß das folgende Stück nicht aus Possen und Wigen bestehe, sondern daß der Stoff aus dem Munde der Wahrheit geflossen sei; der alte Eumäus sei der himmlische Vater, der verlorne Sohn sei der reuige Sünder, der von Gott Gnade und das Kleid der Unschuld (stola innocentiae)

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