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und wohlgereimt agieret worden. Eine zahlreiche Versammlung von Fürsten, Grafen und Herren wohnte dieser Fest= vorstellung bei.1)

Nachdem Luther in der im Juni 1520 verfaßten Schrift 'An den christlichen Adel deutscher Nation' seine Ansichten über die Reform der Universitäten und die Notwendigkeit der Gründung von Unterrichtsstätten niedergelegt und in seiner Vermahnungsschrift 'An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen' (1524) den Stiftungsbrief der deutschen Gymnasien erlassen hatte, verband sich mit der Reformation der Kirche auch eine in die bisherigen Schulverhältnisse tief einschneidende Reform des Unterrichtswesens, welche mit einem so großen Eifer begonnen wurde, daß schon 1524 die Umgestaltung oder Neueinrichtung von zehn deutschen Gymnasien erfolgte. Da hierzu in der Regel die Mithilfe der Reformatoren erbeten wurde, so sind die Ordnungen der meisten im reformatorischen Geiste geschaffenen höheren Schulen auf die vereinigte Thätigkeit Luthers und Melanchthons zurückzuführen. Für unsern Zweck handelt es sich bei der Betrachtung der evangelischen Schulordnungen des Reformationszeitalters um den Nachweis von der Aufnahme des Terenz als Klassenlektüre in den Lehrplan der Schulen und von der Stellung der betreffenden Schulordnung zur öffentlichen Aufführung lateinischer und deutscher Schauspiele.

Wenn fast in allen damaligen Schulordnungen die Lektüre des Terenz empfohlen wurde, so können wir darin die Signatur der Zeit erkennen, die, der mittelalterlichen Tradition folgend, in diesem Schriftsteller, der als der Hauptrepräsentant der lateinischen Umgangssprache und als der Meister der Weisheit in hohem Ansehen stand, anstandslos den Mittelpunkt des klassischen Unterrichtes sah. In der ersten, unter dem Einflusse des Humanismus und der Reformation entstandenen Schulordnung, der der lateinischen Schule zu Nördlingen von 1522, heißt es: 'In der ersten Session Nachmittag soll der Schulmeister den Terentium auslegen'.2) Die von Stephan Roths Nachfolger, dem Mag. Leonhard Natter aus

1) Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 1, 54.

2) Archiv f. Litteraturgesch. 13, 51.

Holstein, Die Reformation.

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Lauingen1) entworfene Schulordnung der Ratsschule zu Zwickau vom Jahre 1523 sezte für die 3. Klasse fest: 'Auswendig gelernt werden sollen der ganze Terentius, etliche Comoediae Plauti'.2) Bei der Errichtung der lateinischen Schule zu Eisleben durch den Grafen Albrecht von Mansfeld hatten die beiden Reformatoren selbst die ersten Anordnungen getroffen; im August 1525 eröffnete Johann Agricola, ein Eisleber Kind, die Schule als erster Rektor und Melanchthon feierte diesen Akt mit herzlichen Wünschen in einem an Agricola gerichteten lateinischen Gedichte, das noch erhalten ist. In dem von Agricola und Hermann Tulich ausgearbeiteten Lehrplane von 1525 wird für die zweite Klasse Terenz als Lektüre und zum Auswendiglernen teils behufs der Förderung der sprachlichen Gewandtheit, teils behuss der Aneignung einer reichen Fülle praktischer Lebensweisheit verlangt.3) Agricola trieb Terenzische Studien mit solcher Vorliebe, daß er während seiner Eisleber Schulthätigkeit, die bis 1536 dauerte, eine lateinischdeutsche Ausgabe der Andria veranstaltete, die aber erst 1543 im Druck erschien. Die an den Herzog Erich II. von BraunschweigLüneburg gerichtete Widmung vom 24. Dezember 1543 erwähnt, daß dies eine Arbeit seiner jüngeren Jahre sei, die er bereits vor mehr als den sprichwörtlichen neun Jahren begonnen habe. Die Arbeit Agricolas besteht nicht eigentlich in einer Ueberseßung oder in einem fortlaufenden Kommentar, sondern die deutsche Uebersetzung ist in den Text dazwischen geschoben und dann und wann sind lateinische Anmerkungen und Erklärungen hinzugefügt. Agricolas Absicht, auch die übrigen Komödien des Terenz in gleicher Weise wie die Andria zu bearbeiten, ist nicht zur Ausführung gekommen. Aber Luther muß darum gewußt haben, denn als er eines Tages die Terenzausgabe des Johann Rivius, dessen Textesrecension Agricola seiner Ausgabe zu Grunde gelegt hatte, in der Hand hatte, sagte er mit spöttischer Bezugnahme auf Agricola: "Terenz kann gar nicht ordentlich ins Deutsche

1) Ein Brief von Natter an Andreas Althamer findet sich in Ballens städts Althameri Vita, Wolfenb. 1740, und ein zweiter Brief in Althamers Coder der Wolfenbüttler Bibliothek.

2) Weller, Altes aus allen Teilen der Geschichte 2, 678-696.
3) F. L. Hoffmann, der Eisleber Lehrplan. Hamburg 1865. S. 6.

übersetzt werden; unsere Sprache leidets nicht, sie ist zu schwerfällig; eher ginge es an, ihn ins Französische zu übertragen, denn das ist geschmeidiger'.1)

Als Nürnberg besonders auf Anlaß zweier durch herrliche Geistesgaben und gründliche Bildung gleich ausgezeichneter Männer, der Ratsherren Hieronymus Baumgartner und Lazarus Spengler, sein Gymnasium stiftete, sollte Melanchthon das Rektorat übernehmen; er lehnte ab, aber er sorgte für die Berufung zweier Humanisten ersten Ranges, des Joachim Camerarius, seines treuen Schülers, und des Eoban Hessus, und am 23. Mai 1526 eröffnete er das Nürnberger Aegidiengymnasium mit einer trefflichen lateinischen Weihrede.2) In demselben Jahre erschien der wohl von Melanchthon verfaßte Studienplan für die Schule zu Nürnberg (Ratio scholae Norembergae nuper institutae), nach welchem zu den Schriftstellern, an denen die lateinische Grammatik durch die Lektüre einzuüben ist, auch Terenz gehört.

Die auf Melanchthons Normen ruhende kursächsische Schulordnung von 1528 sagt: 'Wenn nu die kinder Esopum auf diese weise gelernet, sol man ihnen Terentium fürgeben, welchen sie auch auswendiglernen sollen, denn sie nu gewachsen und mehr erbeit zu tragen vermögen. Nach dem Terentio sol der schulmeister den kindern etliche fabulas Plauti, die rein sind, fürgeben, als nemlich Aululariam, Trinummum und Pseudolum u. dergl.' Bugenhagens hamburgische Schulordnung von 1529 sette fest: 'Den kinderen im drüdden loco legge man vör Terentium hora prima und lathe ehn ock davan buten lehren, wente se können nu mehr vordragen, denn de vorigen kinder; doch schall men se nich mehr beschweren, alß se dragen können. Wenn se dar wohl in geövt sind, so mag man ehn ock vorleggen etlicke von den ehrligsten Fabulis Plauti'. Daß in der lateinischen Schule zu Wittenberg ebenfalls die Lektüre des Terenz gepflegt wurde, ist flar, weil diese Schule unter der unmittelbaren Einwirkung der Reformatoren entstanden war. Es heißt in der Wittenberger

1) Bindseil, Colloquia lat. 1, 192.

2) Corp. Ref. 11, 106. Bei der 300 jährigen Stiftungsfeier des Gymnasiums wurde Melanchthons Bildsäule vor dem Gymnasialgebäud? aufgestellt.

Schulordnung von 1533: 'Darnach (nach dem Gebet) soll der Supremus in summa Classe Terentium auf einen Tag exponieren und negsten Tag hernach reposcieren und alsdann Constructiones und Declinationes hören; so Terentius aus ist, mag man etliche Plauti fabulas oder de amicitia Ciceronis nemen'. Ebenso wurde in der vom Kurfürsten Johann Friedrich errichteten 'Fundation der Universität Wittenberg' von 1536 für die Artistenfakultät, welche die philologische Vorbildung der Studierenden bezweckte, an vier Tagen der Woche je eine Stunde Terenzlektüre festgesezt. Aber schon Friedrich der Weise hatte eine Professur für Terenz errichtet. Er liebte diesen Schriftsteller sehr und wußte 'viel guter Sprüche' desselben auswendig. Gerade dies veranlaßte ihn für die Lektion des Terenz einen besonderen Lehrstuhl zu errichten. Als Mathesius, der fromme Biograph Luthers, 1529 die Universität Wittenberg bezog,1) las Mag. Kaspar Cruciger den jungen Studenten im Pädagogium d. i. in dem für die philologische Ausbildung der Anfänger bestimmten Kollegium den Terenz.2) Und der Kanzler Brück schrieb an den Kurfürsten, nächst dem Unterricht im Katechismus sei die Lektüre des Terenz für die Jugend das Beste.

Die Schulordnung des Jakob Micyllus für Frankfurt a. M. vom Jahre 1537 ordnete für die grammatici d. i. für die Schüler der 3. Klasse die Lektüre der Bucolica des Vergil und der Komödien des Terenz an. Johannes Sturm in Straßburg stellte in seinen Opuscula de institutione scholastica (1538) Terenz gleich hinter Cicero und nannte die Sprache des Komödienschriftstellers rein und echt römisch. Für die sechste Klasse waren Cäsar, Terenz und Plautus bestimmt. In der schleswig-Holsteinschen Schulordnung von 1542 heißt es: 'Unde thor öuinge der Grammatica Lese man ene den Therentium, de tho hopesettinge der wort van en forderen unde dat se de Regulens Grammatices uthwendig upseggen. Terentium scholen se uthwendig leeren, darna moth man en etlicke Comedias Plauti und de ardigesten edder selectas

1) Album 135.

2) Mathesius, Luthers Leben, 8. Predigt, enthält eine sehr treue und lebhafte Schilderung des Zustandes der Universität Wittenberg zur Zeit des Verfassers.

epistolas Ciceronis lesen'. Die evangelischen Schulordnungen von Düsseldorf (1545), Goldberg (1546, verfaßt von Trogendorf), Magdeburg (1553), Augsburg (1553), die württembergische (1559), die pommersche (1563), die brandenburgische (1564), die von Breslau (1570), Walkenried (1570), Gandersheim (1571), Brieg (1581), Wesel (1585), Aschersleben (1589), Stralsund (1591), Soeft (1618) empfahlen sämtlich die Lektüre des Terenz und teilweise auch das Auswendiglernen. In der Breslauer war bestimmt, ‘daß die Knaben der zweiten Klasse den Terenz als ihren fürnehmen und ganz eignen Autor auswendiglernen, also daß man die Personas der Jugend austeile und sie wöchentlich nach Tische eine Stunde oder zwei recitieren lasse und sie also in der Pronunciation und Aktion übe’.

Aber die Lektüre und Uebung in der Recitation allein genügte nicht, auch die Aufführung von Terenzischen Komödien wurde in den Schulordnungen warm empfohlen. Schon 1518 sprach sich Petrus Mosellanus Protegensis (d. i. Peter Schade aus Proteg an der Mosel), Lehrer der lateinischen und griechischen Sprache an der Universität Leipzig, in seiner Paedologia in puerorum usum conscripta, einem in jener Zeit weitverbreiteten, von Luther und Melanchthon angelegentlich empfohlenen Büchlein, das Gespräche über die verschiedensten innerhalb des Gesichtskreises der Schüler liegenden Gegenstände des Lebens enthält und das zugleich von einem sorgfältigen Studium des Terenz zeugt, in einem Gespräche de spectaculis comoediarum tragoediarumque exhibendis dahin aus, daß der Gegenstand eines solchen Dramas ernster Natur sein möchte; auch er scheint die Passionsspiele (tragoediae cruciatuum, quos pro nobis tulit servator Christus) zu verwerfen: ich wünschte, läßt er den einen Sprecher sagen, in einem solchen Spiele lieber die Rolle des hartherzigen Soldaten oder des Scharfrichters zu spielen als die Rolle Christi; denn obwohl, wie ich vermuten darf, nur eine Dichtung (res ficta) dargestellt wird, so kann es doch nicht fehlen, daß der Darsteller Christi viele Beschwerden auf sich nehmen muß.1)

1) Petrus Mosellanus, geb. 1493, gest. 19. April 1524, erhielt nach dem Abgang des Engländers Richard Crocus das Lehramt der griechischen Sprache an der Universität Leipzig. Er trat sein Amt mit einer akademischen Rede über die Erwerbung einer gründlichen Sprachkenntnis (de variarum

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