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vier sind die Namen der Verfasser nicht verzeichnet.1) Auch hier stand Terenz im Vordergrund, besonders das Mädchen von Andros, wovon vier Prologe, und die Adelphen, von denen zwei Prologe vorhanden sind. Die Seele des Unternehmens war und blieb Melanchthon, der in seinem Prolog zum Miles es selbst ausspricht, daß er in der Aufführung altklassischer Stücke nur die den Forderungen der Studien und des Alters gemäße Erneuerung einer alten Sitte sehe. Zugleich war er überzeugt, daß die Einübung der altklassischen Stücke der studierenden Jugend nicht nur in formaler Hinsicht Uebung in der lateinischen Sprache, äußere Gewandtheit, Sicherheit des Auftretens — einen großen Nußen gewähre, sondern daß in den Tragödien und Komödien der Griechen und Römer auch ein Reichtum ethischer Momente enthalten sei, der zu Nuß und Frommen sowohl der Spielenden als der Zuschauenden ausgebeutet und verwendet werden müsse. Es wurde daher in den eigens zur Aufführung gedichteten Prologen auf die Bedeutung der vorzutragenden Stücke in ethischer Beziehung aufmerksam gemacht; ferner sollte die studierende Jugend darin eine Aufmunterung zu weiterer Thätigkeit auf dem betretenen Wege sehen. Einigemale finden wir in den Prologen die Tadler dieser lateinischen Aufführungen, die besonders gegen den Inhalt der altklassischen Dramen eiferten und eine nachteilige Einwirkung auf die guten Sitten der Jugend fürchteten, scharf zurückgewiesen.

Unter diesen Umständen darf man nicht zweifeln, daß die Schüler Melanchthons durch den Vorgang des Lehrers zu eigenen dramatischen Versuchen angeregt wurden. So verfaßte 1545 Christoph Stymmel aus Frankfurt a. D., ein neunzehnjähriger Student, eine lateinische Komödie Studentes nach Terenzischem Vorbild, die wegen ihrer lebendigen Schilderung des Studenten

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1) Prologi aliquot scenicis actionibus praemissi exhibitis in academia Vitebergensi. Viteb. excusi apud haeredes Georgii Rhaw. Mense Septembri 1554. Die von Hilbrand Grathusen aus Uffeln gesammelten Epigrammata Melanchthonis (Viteb. 1560) enthalten eine unrichtige Ueberficht der Prologe. Die Treue dieser Sammlung ist schon von Bretschneider (Corp. Ref. 10, 466) mit Recht angezweifelt worden. Koch, Melanchthons Schola privata S. 67-81 folgt Grathusen.

lebens eine sehr beifällige Aufnahme fand, so daß 21 Ausgaben nachgewiesen werden können. Die einer Stettiner Ausgabe von 1576 beigedruckten drei Briefe Melanchthons beweisen, welchen Anteil der Lehrer an der gepriesenen Arbeit seines Schülers nahm. Auch erwähnt Johannes Cogeler in seiner Leichenpredigt auf Stymmel, der 1588 als Superintendent in Stettin starb, daß die Studentes zweimal vor Melanchthon in Wittenberg gespielt wurden, daran die Gelarten grossen gefallen getragen'.1)

Am 1. Januar 1553 führten Magister und Studenten in Torgau die Captivi des Plautus auf, um ihre Dankbarkeit für die freundliche Aufnahme zu bezeigen, die sie gefunden hatten, als die Pest ein Jahr vorher die Universität von Wittenberg vertrieben hatte. Es wurde dazu statt eines Prologes ein besonderer Akt gedichtet, in welchem die beiden Nachbarstädte Torgau und Wittenberg von Argelia und Leukoris vertreten wurden. Außerdem traten noch die Elbe und zwei Knaben auf. Leukoris ist nach Torgau gekommen, um ihre Zöglinge wieder zurückzurufen; Pater Albis ist von ihr vergeblich gerufen worden, das Getöse der Eismassen und das Geschrei der Krieger hielten sein Ohr verschlossen. Er wird nun eingeladen, der Aufführung der Captivi beizuwohnen, zu deren Einübung die Studenten nur wenig Zeit gehabt haben. Er freut sich über die herzliche Verbindung der beiden Schwesterstädte; Argelia wünscht, es möge diese Aufführung ihren Zöglingen eine Anregung zu ähnlichen weiteren Aufführungen geben. Zulegt lobt ein Knabe die Captivi wegen der Sittenreinheit, und ein zweiter sagt das Argument auf.2)

Es wird ausdrücklich bezeugt, daß auch Magister, also junge Docenten, sich an dem Torgauer Spiele beteiligt haben. Wir können daraus auf das innige Verhältnis schließen, das damals zwischen Lehrern und Studierenden in Wittenberg bestand. Daß Melanchthon ganz besonders bemüht war, dieses innige Verhältnis zu nähren, läßt sich bei der hervorragenden Stellung erwarten, die er als Universitätslehrer einnahm. Nicht genug, daß die

1) Bolte in den Märkischen Forschungen 18, 196.
2) Prologi aliquot etc. Bl. B 7b-D 1.

vielen Studierenden, die aus den fernsten Ländern, aus Frankreich, England, Polen, Dänemark, ja aus Italien und Griechenland, nach der Hauptlehranstalt Europas kamen, um die beiden großen Lehrer zu hören,') die rechte Anleitung zum Studium der Wissenschaften erhielten: es zogen auch die Docenten viele der Studenten zu ihren Familienfesten hinzu und pflegten geselligen Verkehr mit ihnen. Welche reiche Quelle der Belehrung, die sich uns in Luthers Tischgesprächen bietet, wäre uns entzogen, wenn er sich in starrer Einseitigkeit des anfrischenden Umganges mit Freunden enthalten hätte! Und wie sein Haus, so bildete auch Melanchthons Haus den Sammelplaß der bedeutendsten Geister der Zeit. Schon im November 1520 hatte Melanchthon seinen Hausstand begründet. Er führte Katharina Krapp, die Tochter des Bürgermeisters von Wittenberg, heim. 'Das gesellige Leben jener Tage darf man sich nicht öde und einförmig vorstellen. Die freundschaftlichen Zusammenkünfte in den Häusern wechselten mit großen öffentlichen Gelagen, bei denen häufig auch die Frauen zugegen waren; Promotionen und andere festliche Akte gaben dazu die Veranlassung. Die Studenten der Rechte ließen Einladungen an die Professoren und deren Frauen und Töchter zu Abendessen mit nachfolgendem Tanz ergehen. Der damalige Pfarrer von Wittenberg, Simon Brück, ein Bruder des Kanzlers, eiferte gegen diese Juristenbälle; allein Melanchthon erklärte, er hielte dies für ein Zeichen großen Wohlwollens der Lehrer gegen die Schüler, daß sie der Einladung Folge geleistet. Sittige Tänze wurden von Luther und Melanchthon empfohlen, nur wilde Wirbeltänze verdammt und sogar öffentlich vom Rektor den Studenten untersagt. Maskierte Umzüge, öffentliche Redeakte und Komödien der Studierenden, die selbst an Sonntagen auf

1) Bruno von Nola, Oratio valedictoria 1588 sagt: 'Ex omni gente, natione et disciplinatae Europae populo Itali, Galli, Hispani, Lusitani, Angli, Scoti, Polarium insularum incolae, item Sarmatae, Hunni, Illyrici, Scythae, ex Oriente, Meridie, Occidente et Aquilone Vitebergam confluxerunt'. Melanchthon schreibt an Justus Menius (18. August 1534): 'Linguae hodie in mea cena erant undecim: latina, graeca, ebraica, germanica, pannonica, henneta, turcica, arabica, graeca vulgaris, indica et hispanica'. (Corp. Ref. 5, 467.) Vgl. auch Mathesius, Luthers Leben, Predigt 8.

geführt wurden, Musikgesellschaften, Landpartieen, insonderheit Besuche bei Edelleuten und Pfarrern auf naheliegenden Ortschaften gaben mancherlei Unterhaltungen'.1)

Während Melanchthon, wie wir gesehen haben, die Aufführungen der Dramen des klassischen Altertums begünstigte, stand er den aus dem Alten und Neuen Testamente entlehnten Spielen der früheren Zeit, die nach Inhalt und Form oft sehr anstößig und widerwärtig waren, feindlich gegenüber und sprach seinen gerechten Unwillen darüber nachdrücklich aus. So bemerkt er in Bezug auf die Aufführung eines Passionsspieles, die wahrscheinlich in dem pommerschen Städtchen Bahn stattfand, daß der am Kreuz hängende Darsteller Christi durch den Stich des wachhabenden Soldaten eine tödliche Wunde empfangen und beim Herabfallen einen der unter dem Kreuze stehenden Leidtragenden tödlich getroffen habe; der Bruder des lezteren habe dann dessen Tod an dem Soldaten gerächt und sei später hingerichtet worden. So seien vier Menschen aus Anlaß eines Passionsspieles um das Leben gekommen. Mit dieser Strafe wolle Gott seinen Zorn zeigen gegen die Verächter der wahren Passion Christi, welche er nicht mehr dargestellt wissen wolle.2) In dieser Beziehung stimmte er mit Luther überein. Und indem sich Melanchthon nach einem Ersatz umsah, fand er diesen weder in der Uebersetzung der alt= klassischen Dramen noch in den Nachbildungen der Humanisten, sondern in dem Drama der griechischen und römischen Litteratur.

Drittes Kapitel.

Die evangelischen Schulordnungen und das Schuldrama.

Beim Eintritt der Reformation beherrschte noch das von den Humanisten gepflegte lateinische Drama die Bildungsstätten Deutschlands in der Weise, daß entweder Terenz, seltener Plautus, oder Nachahmungen der comoedia palliata zur Aufführung

1) Muther, Aus dem Universitäts- und Gelehrtenleben im Zeitalter der Reformation. Erlangen 1866. S. 332.

2) Manlii Collect. 9.

gelangten. Reuchlin, dem Schöpfer des lateinischen Schuldramas, folgten Konrad Celtes mit einem zu Ehren des Kaisers Maximilian I. bei der Einrichtung des Kollegiums der Dichter und Mathematiker in Wien veranstalteten Festspiele mit Tanz, Ludus Dianae, das am 1. März 1500 im Schlosse zu Linz aufgeführt wurde und in welchem außer dem Verfasser der Kanzler Petrus Bononius, der kaiserliche Sekretär Joseph Grünpeck und Vincentius Longinus aus Uelzen auftraten; Jakob Locher aus Ehingen, von den Zeitgenossen Philomusus genannt, der ein Lustspiel (ludicrum drama) 'de sene amatore', eine Nachbildung der Asinaria des Plautus, ferner 1502 ein Spectaculum, in welchem die christlichen Fürsten gegen die Türken den Krieg beschließen und gegen sie zu Felde ziehen (aufgeführt zu Ingolstadt am 13. Februar 1502, also in der Fastenzeit), und ein Iudicium Paridis (am 24. Juni 1502 zu Ingolstadt aufgeführt) schrieb; Heinrich Bebel mit einer Comoedia de optimo studio scholasticorum (Phore. 1504); Christoph Hegendorfinus mit seiner Komödie de sene amatore. und Comoedia nova (de duobus adolescentibus), einer Nachahmung der Terenzischen Hecyra, die 1520 erschien und dem Titel nach öfter vor einem Kreise der gelehrtesten Männer in Leipzig, dem Orte der Wirksamkeit des Verfassers, gespielt wurde. Ueberall, wo die Rektoren der Schulen von edler Begeisterung für die neu aufblühende klassische Wissenschaft erfüllt waren, kamen an Stelle der früher gebräuchlichen, meist an den hohen Festen auf dem Markte oder dem Rathaus aufgeführten geistlichen Spiele Stücke aus der klassischen Litteratur für die öffentlichen Schulaufführungen zur Darstellung. Eine solche fand 1518 in Zwickau, wohin Herzog Johann im Herbste 1517 seine Residenz verlegt hatte, bei Gelegenheit eines eine ganze Woche währenden Turniers statt, indem der Mag. Stephan Roth, der seit 1517 das Rektorat der Ratsschule verwaltete, die Erlaubnis erhielt, eine Komödie aufführen zu lassen, und der Chronist berichtet, daß der Eunuchus aus dem Terentio ordentlich und wohl gespielet worden sei. Zwischen diese Aktion hatte man eingefügt, so fährt der Chronist fort, wie sich sieben Weiber umb einen Mann gezanket und geschlagen, desgleichen wie sieben Bauernknechte umb eine Magd gefreiet haben, und ist dies alles zierlich

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