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hundert im Orient nachweisbare Fabel vom Vater und Sohn mit dem Esel, die es niemand recht machen können, die sich zuerst in Ulrich Boners ‘Edelstein' findet1) und auch von Hans Sachs 1531 als Schwank 'vom Waldbruder mit dem Esel; der argen Welt thut niemand recht' bearbeitet worden ist, wurde von Joachim Greff zu einem Drama 'Mundus. Ein schön neues kurzes Spiel von der Welt Art und Natur' (Wittenb. 1537) be= nußt, in welchem er mit der Fabel eine Satire auf alle Stände verband. Der Sohn wünscht die Welt kennen zu lernen und bittet den Vater, der sich vor mehr als zwanzig Jahren nach dem Tode seiner Frau aus der Stadt in die Wüstenei' begeben hat, sie ihm zu zeigen. So ziehen sie denn mit ihrem Esel aus, und da sie es keinem recht machen können, weder dann wenn einer von ihnen reitet, noch wenn sie beide reiten, noch wenn sie beide nebenhergehen, noch wenn sie den Esel tragen, so beschließen sie in die Wüstenei zurückzukehren. Die ihnen nach einander begegnenden Personen, zwei Bauern, Bürger, Mönch, Landsknecht und Edelmann, klagen ein jeder über seinen Stand. Der Narr spricht im Eingang über den Inhalt des Spieles: Dies unser Spiel das zeiget an.

Wie ihr werd hören vom alten Mann,

Von der Bosheit dieser Welt,

Wie daß derselben nichts gefällt,

Und von ihrer Undankbarkeit,

Daß niemand jezt zu dieser Zeit

Auf Erden Dank verdienen kann 2c.

Die Welt nennt der Vater eine Versammlung der Menschen auf Erden, die allerlei Wohlthaten, alle väterliche Güte von Gott annehme, aber sie mit Hohn und Spott, mit Lästerung und Undank vergelte.

So gehts zu in der Welt zu aller Zeit:

Thu mir lieb, ich thu dir leid;

Helf mir auf, ich stoß dich nieder,
Ehr mich groß, ich schend dich wieder.

Die Bauern klagen über die Betrügereien der Kaufleute und Wirte und freuen sich, wie sie das Korn um hohen Preis

1) Nr. 52 der Sammlung. S. darüber Lessing in den Beiträgen zur Gesch. u. Litteratur. 1773. Werke (Hempel) 11, 2, 898 u. 979.

verkaufen, wie sie faule Eier, gefälschte Milch an den Mann bringen;
der Bürger flagt über die Bauern, der Bettelmönch über den
durch Luthers Lehre herbeigeführten Notstand der Geistlichkeit.
Hie komm ich armer Bruder Lolhart,
Ich bin gesandt zu dieser Fahrt,
Bin ausgesandt zu den Brüdern mein,
Ich soll ihr Terminarius sein;

Unser Kloster ist arm, der Brüder viel,
Und ein jeder den Bauch voll haben will.
Es ist doch jezt so wunderlich Leben,

Kein Mensch will uns nun was mehr geben,
Jedermann hat unser vergessen,
Niemand bestellt kein Seelenmessen,
Dazu auch kein Vigilien mehr,

Welchs alles macht des Luthers Lehr;

Des amächtigen verfluchten Kezers Wort
Weiß jedermann und hats gehort,

Wie daß das Leben der Mönche sei

Nur pure lauter Büberei,

Dazu das Leben der gottlosen Pfaffen,

Ich glaub, der Teufel hat den Keßer geschaffen.

Unser Küche wird so schmal,

Man weiß zu sagen überall

Von unser falschen Geistlichkeit 2c.

Nun belehrt auch der Vater den Sohn auf dessen Frage nach dem Bettelmönch über die Schalkheit und Büberei der Geistlichkeit. Der Landsknecht klagt über einen bevorstehenden Friedensschluß, da er lieber sein wüstes Kriegerleben fortseßen möchte; der Edelmann über die Vermischung der Stände, den Stolz der Bürger und die Kleiderpracht der Bürgerfrauen, die er neulich bei einer Hochzeitsfeier bemerkt habe. Der Vater schließt mit einer Klage über die Verderbtheit aller Stände und über die allgemein herrschende Verwirrung:

Niemand weiß, wer Koch und Kellner ist,
Summa: die Welt ist ein Quodlibet,

Drum der vorwahr am besten thet,

Der da wär nur von hinnen weit,

Weit von der Welt in dieser Zeit.

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Dann folgt noch ein siebenstrophiges schönes Lied von der Welt Sitten' mit Melodieen.

Greffs Spiel ist nicht ohne charakteristische Vorzüge. Wit und Spott sind aufs schönste mit einander verbunden, und die Belehrung voll unumwundenen Ernstes. Das Titelblatt trägt folgendes die Tendenz aussprechende Motto:

Wiltu wissen der Welt Art und Sinn,
Das magst du gänzlich lernen hierin,
In diesem Buch, wiewol nicht groß,
Doch wird dirs gefallen über die Moß,
Kaufs nur und lies darnach mit Fleiß,

Soll dich nicht reuen, vorwahr ich weiß.

Die lateinische Widmung gilt dem dem Verfasser befreundeten Georg Sabinus, von dem er viele Beweise des Wohlwollens empfangen habe; der vorzüglichste sei der, daß Sabinus allein vor vielen andern ihn zur dramatischen Dichtung veranlaßt habe. Die Anregung dazu habe er von ihm schon in Halle im Hause des Dr. Erhard Milde erhalten. Es sei hierzu bemerkt, daß Greff 1533 vor seiner Berufung nach Magdeburg bereits in Halle ein Schulamt verwaltete, wo er jedenfalls mit Sabinus zusammentraf, bevor dieser seine italienische Reise antrat.

Die Fabel vom Doktor und seinem Sohn mit dem Esel behandelte auch Sebastian Wild (1566) in einer aus dem Aesop gezogenen Tragödie',') jedoch in einer von Greff ganz verschiedenen Weise. Während bei Greff der Sohn die Belehrung vom Vater erhält, ist es bei Wild der Kaiser, der sich darüber beflagt, daß er troß seiner besten Absicht es den Leuten nicht recht machen könne, und sich nun vom 'Doktor aus India' gegen das Versprechen, daß er, wenn er sein Wort wahr mache, an seiner Stelle Kaiser werden solle, Rat erteilen läßt. Nun besteht zwar der Doktor die Probe nicht, denn er wird von einem Reitersmann für den größten Narren seiner Zeit erklärt, aber er wird doch vom Kaiser in den innersten Rat berufen. Wild hat seinem Spiel zugleich einen politischen Hintergund verliehen, indem er den Gedanken ausführt, daß keine Regierung den Dank der Unterthanen beanspruchen darf, wenn ihr die Uebereinstimmung der Ansichten in politischen Dingen fehlte.

1) Neudruck vou Tittmann, Schauspiele aus dem 16. Jahrh. Leipz. 1868. 1, 201—245.

Die von Greff dem Edelmann in den Mund gelegte Klage über den Kleiderluxus seiner Zeit findet sich auch in anderen Dramen, z. B. in dem 'Lustspiel von der Weiber Reichstag' (zuerst Nürnb. 1537), dessen unbekannter Verfasser 1) seinen Stoff den Colloquia des Erasmus entnahm. Von der Sorbonne waren die Gespräche des Erasmus verdammt, in Frankreich verboten, in Spanien verbrannt, von Rom aus der ganzen Christenheit untersagt. Obwohl das Buch die stärksten Ausfälle auf die Geistlichkeit und das Klosterleben enthielt, auch nicht frei von Obscönitäten war, so war es doch wegen der guten Latinität in den Schulen sehr verbreitet. Luther urteilte über die Colloquia sehr ungünstig: Wenn ich sterbe, will ich meinen Kindern verbieten, sie zu lesen; denn Erasmus redet und lehret in denselben viel gottlos Ding unter fremden erdichteten Namen und Personen, vorsäglich die Kirche und den christlichen Glauben anzufechten '.2) Der Verfasser jenes Lustspieles läßt zuerst den Narren Claus von dem Gebrauch der Alten, zu Fastnacht ein Spiel aufzuführen, reden und benut dazu den Prolog von Greffs Aulularia, was dieser in einer Bemerkung zum sechsten Akt seines Spieles auf das Osterfest (1542) ausdrücklich rügt. Dann giebt er seine Quelle an:

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Solcher Spiel haben die Römer viel erdacht,

Desgleich hat auch Erasmus gemacht
(Gott woll ihm die ewig Ruhe geben,

Denn er ist schon nimmer bei Leben)3)
In sein Colloquiis es stat,

Der Weiber Reichstag ers genannt hat.
Das ist aus Latein ins Teutsch gewendt,

Als weil es sich im Teutschen reimbt,
Drin er der Weiber Anschlag beschreibt,
Fehlt auch der Männer nit gar weit
Mit ihren Reichstägen und Concilien 2c.

1) Ein späterer Frankfurter Druck o. J., der Wendel Fut aus Weißenburg als Verfasser nennt, sonst in Weimar nachweisbar, ist leider nicht mehr vorhanden. Danach war das Spiel zu Hagenau durch Schüler aufgeführt worden.

2) Walch 22, 1612.

3) Erasmus war am 12. Juli 1536 zu Basel gestorben.

Die Idee dieses sehr beliebten Lustspieles (1539 erschien eine neue Auflage) wird am Schluß gegeben. Es soll zeigen,

Wie es mit menschlichen Wesen stet,

Mit allen Dingen schier weibisch zugeht,

Allein auf äußerliche Dingen,

Den innern thut man nicht nachdringen.

Und nun folgt eine Mahnung zur Selbsterkenntnis :

Ein jeder thu in sich selbs gehn,

Denn kein höher Tugend nicht ist,

Als man allenthalb in Büchern liest,

Denn sich selbs wol lernen kennen,
Die Weisen sagen, es sei kennen
Vom Himmel: Nosce te ipsum.
Frag sich jeder selbs drum,
Schau in sein Herz und Gewissen,

Daß es nindert [niemals] sei zerrissen.

Die beste Zucht ist, als man spricht,

Der sich selbst zeucht und zu gutem richt,

Nach dem laßt uns allzeit streben,

Dieweil wir haben das Leben.

Das 'künstliche kurzweilige Spiel des Mag. Matthias Brotbeihel von Abbildung der unzüchtigen leichtsinnigen Weibern' (Augsburg 1541), das der Verfasser aus trefflichen und ansehnlichen uralten Historien' zog, hat einen durchaus didaktischen Zweck, sowie die in Augsburg gedruckte Komödie 'Grysel', die von der Demut und dem Gehorsam der Frauen gegen die Ehemänner handelt.

Ein von Bürgern zu Basel aufgeführtes Drama 'Der Welt Spiegel' verfaßte Valentin Volz aus Ruffach (Basel 1551). Bartholomäus Ringwaldt bezog seine deutsche Komödie Speculum Mundi (Franff. 1590) auf die treuen Prediger, wie sie rechtschaffenen Christen angenehm sind und aus den Händen ihrer Widersacher gerettet werden, und Ambrosius Pape verfaßte unter dem Titel Mundus immundus (Magdeb. 1612) ein deutsches Drama, in welchem er zeigte, wie die jetzige Welt gesinnt sei.

Der Komödie des Mag. Martin Hayneccius, Rektors und und Professors zu Grimma, Hans Pfriem oder Meister Kecks'

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