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Der Geschichte und der Sage der Heimat entsprang das Drama von Wilhelm Tell, das schon früh, wahrscheinlich 1530, zu Uri gespielt und in einer Bearbeitung des Chirurgen Jakob Rueff am Neujahrstag 1545 von der jungen Bürgerschaft zu Zürich aufgeführt wurde. Zu den wenigen deutschen Dichtungen, die uns Nikodemus Frischlin hinterlassen hat, gehört seine Frau Wendelgard, ein am 1. März 1579 am Stuttgarter Hofe aufgeführtes Drama, 1) in welchem die Gattentreue verherrlicht wird. Der Graf Ulrich von Buchhorn, Herr im Binzgau am Bodensee, kehrt nach vierjähriger Abwesenheit als Bettler und unerkannt in seine Heimat zurück. Seine Gattin, eine Tochter des Kaisers Heinrich I., hat inzwischen das Klostergelübde genommen, wird aber nach der Wiedererkennung ihres Gemahls vom Abt des Klosters des Gelübdes entbunden. Gar rührende Scenen werden dem Leser und Hörer vorgeführt, und wie Hieronymus Megiser aus Stuttgart, der Herausgeber des Frischlinschen Dramas (Tüb. 1580) in der Widmung an die Herzogin Dorothea Ursula von Württemberg sagt, habe Frischlin in seiner Wendelgard' den Frauen ein schön herrlich Exempel der Tugend und Sitte geben wollen, das außerhalb der göttlichen Schrift aufbewahrt sei. Mir zweifelt nicht, so fährt Megiser fort, es werde sich E. F. Gn. wie andere christliche gottesfürchtige Fürstinnen und Frauen auch viel belustigen mit Lesen sonderlich der heiligen Schrift, die neben dem, daß sie uns den Weg zum ewigen Leben nach diesem zeitlichen Jammerthal weiset, auch allerlei Tugenden und gute Sitten zum Wohlstand dieses zergänglichen Lebens fürschreibt und deren scheinbarlich Exempel fürstellt. Ob nun wohl selbige Exempel in heiliger Geschrift viel eigentlicher beschrieben, auch mehr Ansehens haben sollen, als diejenigen, welche in heidnischen Büchern oder auch anderen Schriften begriffen sein, so sind doch auch diese nit vergeblich aufgeschrieben und von den alten Scribenten aufgezeichnet worden, damit wir unser Thun und Lassen nach allen guten und löblichen Exempeln regulieren, anstellen und zu allem Wohlstand anrichten mögen'.2)

1) Neudruck von D. Fr. Strauß. Stuttg. Litt. Verein Nr. 41.

*) Neuerdings hat Rudolf Genée den Sagenstoff der Frau Wendelgard

in einem Schauspiel 'Die Klausnerin' bearbeitet.

Dem christlichen Sagenstoff entnahm Johannes Wagner aus Bremgarten, ein Schwestersohn des Propstes Johann Al in Solothurn, die Sage von St. Ursus und St. Victor, den um ihres Christenglaubens willen gemarterten Rittern der thebaischen Legion und Schußpatronen von Solothurn, zu einem St. Ursenspiel, das 1581 zu Solothurn gehalten wurde. Dasselbe besteht aus zwei Teilen: Mauritiana Tragoedia und Ursina Tragoedia und ist in der Handschrift des Verfassers erhalten.1)

Die Sage vom h. Mauritius behandelte Heinrich Eckstorm, Pfarrer zu Walkenried, der Verfasser des Chronicon Walkenredense, in einem Drama 'von dem löblichen Kaiser Mauritius, wie er in wahrer Erkenntnis seiner Sünde und beständiger Geduld neben seiner Gemahlin und Kindern von dem Tyrann Phokas um das Leben gebracht' (Halberst. 1593), in welchem er zeigen wollte, wie das Glück mit hohen Personen oft abwechsele; wie solche Leute auch fehlen, ihre Gebrechen haben und deswegen von Gott heimgesucht werden; wie oft anstatt gottseliger und frommer Oberherren gottlose und schädliche Tyrannen aufkommen'.

Auch die Romandichtung bot den Dramatikern vielfachen Stoff. Die reiche Litteratur der Volksbücher, die schon am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts in Aufnahme kamen, bildete eine anziehende Lektüre für das Volk und stand troß des Einspruches der Geistlichkeit in hohem Ansehen. Darum verschmähten es die Dramatiker nicht, auch Romane zu dramatisieren. Die sieben weisen Meister und Octavianus behandelte Sebastian Wild (1566), Walter und Griseldis Georg Pfund (1590) und Georg Mauricius (1606), Fortunatus, Melusine und Magelone wurden von Hans Sachs bearbeitet. Von dem König, der sich überhebt und deshalb durch Demütigung gebessert wird, den Hans Sachs Julianus nennt, andere Quellen aber mit einem anderen Namen oder gar nicht benennen, lieferte Johannes Römoldt in Duderstadt, 'ein fein christlich und nüßlich Spiel von dem greulichen Laster der Hoffart' (Eisleben 1563). 2) Seine Quelle war

1) Pfeiffers Germania 2, 504.

2) Neudruck von K. Goedecke. Hann. 1855. Wenn Römoldt in der Zuschrift an Bürgermeister und Nat der Stadt Waltershausen den Magistrat Patron seines lieben Vaterlandes d. i. seiner Vaterstadt nennt, so folgt

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das Tugendspiel' d. i. Wilibald Pirkheimers Ludus virtutis oder
Theatrum virtutis et honoris. Der König heißt bei ihm Balenicus,
und der Epilog erläutert die Moral des Stückes:
Balenicus zeigt uns zu der Frist,

Kein Glück so groß nie worden ist,
Auch kein Reichtum so hoch nie kommen,
Das Unglück nicht het unternommen,
Darumb, wenn ein das Glück anlacht,
Bringt ihm groß Reichtum, Gewalt und Macht,
Daß er in großer Wohlfart steht

Und, wie man sagt, auf Rosen geht,
Daß er von Unglück nicht kann sagen,
Sondern lebt in guten Tagen,
Nicht viel weiß von Gefährlichkeit,
Von Betrübnis oder Klag und Leid,
Und so in aller Wollust lebt,

Daß ihm auch gar nichts widerstrebt,
Der soll sich hüten allezeit

Für Hoffart und Vermessenheit

Und soll sich darum nicht erheben,
Sondern stets in Gottes Furchten leben
Und Gott allzeit für Augen han,

So bleibt er wol auf rechter Bahn.

Römoldts Spiel gehört zu den besten Dramen jener Zeit. 'Unabhängig vou den biblischen Historien hat der Verfasser einen profanen Gegenstand zu erfassen und ganz im Sinne der Zeit d. i. im reformatorischen Sinne zu behandeln gewußt'.')

In Straßburg dichtete um 1550 Martin Montanus mehrere Spiele, die er teils der französischen und italienischen Novelle, teils dem römischen Sagenstoffe entnahm. Von seinen drei Spielen handelt das erste von dem durch die Königin von Frankreich vertriebenen Grafen, das zweite vom untreuen Knechte, der nach Bologna ritt, das dritte von den beiden Römern Titus Quintus Fulvius und Gisippus. In dem leßtgenannten Spiele daraus noch nicht, daß er daselbst geboren ist; vielmehr möchte sich diese patria daraus herleiten lassen, daß sein Vater Paul Römoldt Pastor zu Waltershausen war und der Sohn dort seine Jugendzeit verlebte. Der Verfasser nennt sich Besensis: er stammte wohl aus Ober- Bösa im Kreise Weißensee.

1) K. Goedecke, Joh. Römoldt S. 73.

dramatisierte er die im Mittelalter weit verbreitete Geschichte von der Selbstverleugnung der beiden Freunde Athis und Prophilias, die er auch im Wegkürzer' und in der 'Gartengesellschaft', zwei Sammlungen von Schwänken, behandelte, durch welche sich Montanus in der Litteratur der Schwankdichtung einen geachteten Namen erworben hat.

Den Stoff zu dem Spiel vom Ritter Julianus (Augsb. 1564) hatte Hieronymus Linck aus Glaß einer Erzählung der Gesta Romanorum entnommen, und der Stadtschreiber und Schulmeister Zacharias Liebhold zu Silberberg legte seiner Komödie von dem frommen und gottesfürchtigen Kaufmanu aus Padua (Breslau 1596) eine Novelle des Boccaccio zu Grunde.

Der fast allen Litteraturen bekannte Roman von Peter von Provence, dem Ritter mit den silbernen Schlüsseln, und der schönen Magelone, der die Trennung und Wiedervereinigung zweier Liebender schildert und die Beständigkeit treuer Liebe verherrlicht, verdient deshalb vor andern unsere Beachtung, weil der aus dem Französischen gemachten Ueberseßung Veit Warbecks, welche 1536 zu Augsburg erschien, ein Sendbrief Georg Spalatins beigegeben ist, der uns den vertrauten Freund Luthers und Melanchthons, den trefflichen Historiographen des kurfürstlich sächsischen Hauses, von einer noch nicht bekannten Seite kennen lehrt. Zuvor sei bemerkt, daß über den Uebersezer des Romans bisjezt noch nichts bekannt war. Veit Warbeck stammte aus Gemünden in Unterfranken und studierte, nachdem er in Paris zum magister artium promoviert war, von 1514 an in Wittenberg.) Er wurde frühzeitig mit Spalatin bekannt und von diesem in einem Briefe vom 3. August 1517 aufgefordert, sich um eine Stiftsstelle beim Georgenstift zu Altenburg zu bewerben. Schon in Paris hatte sich Warbeck mit dem Studium der französischen Sprache beschäftigt; diese Kenntnis der französischen Sprache hatte Spalatin veranlaßt, ihn dem Kurfürsten für die kurfürstliche Hofmeisterstelle zu empfehlen, mit welcher dann ein Kanonikat am Stift zu Altenburg verbunden werden könne.

1) Alb. 51: Vitus Warbeck Gemundianus dioc. Augusten. Arcium

Magister Parisien.

1519 war Warbeck bereits Kanonifus, trat in den Dienst des Kurfürsten Friedrich des Weisen und reiste im Auftrage desselben nach Frankfurt. Ueber die Leipziger Disputation scheint er einen längeren Bericht verfaßt zu haben, wie er auch dem Herzog Johann über den Einzug Luthers in Worms berichtet hat. Zum Reichstag in Worms hatte ihn der Kurfürst wegen seiner Kenntnis der französischen Sprache mitgenommen. Sehr viele noch vorhandene Briefe Spalatins an Warbeck zeugen von der innigsten Freundschaft beider. Spalatin machte ihn zum Mitwisser der wichtigsten Angelegenheiten, z. B. als es sich um seine Verheiratung und um seine Berufung nach Altenburg als Oberpfarrer und Superintendent handelte. Melanchthon bat ihn in einem Briefe vom 2. Januar 1526, er möchte ihm bei der Beschaffung eines im Franziskanerkloster befindlichen Gerätes behilflich sein. Ebenso wird Warbeck in Luthers Briefen genannt, einmal scherzhaft Mag. Vitus victor scacaticus. Nach 1526 hören wir nichts mehr von ihm. Die von ihm gelieferte Uebersehung des Romans von der schönen Magelone gab Spalatin 1536 mit einer Widmung an die ehrenfeste und tugendhafte Frau Elisabeth von Einsiedel auf Gnandstein, 'meine liebe Gevatterin' (Datum am ascherigen Mittwoch 10. Februar Anno 1535), heraus. Sie war eine Gemahlin Heinrich Hildebrands II. von Einsiedel, des Freundes Luthers und des eifrigen Beförderers der Refor= mation, eine geborne von Haugwiz. Nachdem er, schreibt Spalatin, zu mehreren malen gebeten worden sei, die lustige und züchtige Historie vom Grafen Peter und der schönen Magelone, die sein lieber Herr und Freund Mag. Veit Warbeck in die deutsche Sprache gezogen, im Druck ausgehen zu lassen, so habe er endlich solchen Bitten stattgegeben, nicht allein darum, daß es ein sehr lustig und lieblich Büchlein, sondern auch daß es fast züchtig gehet und daß ein Exempel daraus genommen werden solle, deutsche Bücher für Frauen und Jungfrauen zu schreiben; denn es sei gewiß ein wahres, altes Sprichwort: Man darf den Teufel nicht malen, denn er findet sich selbst wohl 2c.

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Im Jahre 1539 brachte ein Student die Historia Magelonä spielweis in deutsche Reimlein und ließ sein Werkchen mit einem

Holstein, Die Reformation.

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