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Orte zum Anhören oder Anschauen vorzuführen'. Luther ging gern auf Greffs Bitte ein und schrieb in dieser Sache am 5. April 1543 einen Brief an den Fürsten Georg von Anhalt. Er bemerkte darin, daß der Anlaß seines Schreibens die Klage des Schulmeisters zu Dessau sei, daß der Pfarrer und Prediger die Leute bewege und unruhig mache, daß sie Lieder und Gesänge des Palmentages und ander mehr Narrenwerk und Lotterreime schelten. Er trat kräftig ein und meinte, solche Neutralia, wenn sie in unschädlichem Gebrauch und nicht ärgerlich, solle man gehen lassen. Der Fürst möge nicht leiden, daß ein toller Kopf die Neutralia Damnabilia schelte.') Die übrigen vier gutachtlichen Schreiben sind von Melanchthon, Georg Major, Hieronymus Nopus und Paul Eber abgefaßt und sämtlich an Georg Helt in Dessau, den früheren Lehrer des Fürsten Georg, gerichtet. Melanchthon beklagt es in seinem Schreiben vom 5. April tief, daß es jezt, wo Deutschland durch innere Kriege so zerrissen werde und der Antichrist so große Truppenmassen herzuführe, noch Leute gebe, die über ganz unnötige Dinge eiferten. Er meint, daß die Jugend durch die Darstellung der Auferstehung Christi und anderer wahrer Geschichten geübt werde und daß diejenigen zum Schweigen zu bringen seien, die diese Uebungen tadelten, die besser thäten, wenn sie in diesen traurigen Zeiten den Frieden der Kirche suchten.) Als der dritte Schiedsrichter erscheint Georg Major. Er sagt in seinem Briefe an Georg Helt, 'Joachimus noster' habe seine Ansicht über biblische Schauspiele gefordert, die einige anhaltische Pfarrer gemißbilligt hätten. Es sei allen Menschen anbefohlen, das Wort Gottes zu fördern und auszubreiten auf alle mögliche Weise, nicht nur durch Worte, sondern auch durch Schrift, Gemälde, Schnißwerk, Psalmen, Gesänge, Instrumentalmusik. Durch solche Schauspiele, die doch ernsthaft und mäßig seien, nicht durch Gaukeleien, wie vorzeiten im Papsttum, werde das Wort Gottes gefördert. Dergleichen Schau

1) De W. 5, 553.

Buckhardt 424 verbessert nur das Datum nach dem Original in Dessau. Es sind aber noch folgende Aenderungen zu machen: zu Dessen diese Zeddel hielte bewegten — unruhig machten

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Lotterreymen

Geistlin.

2) Corp. Ref. 5, 86.

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spiele werden vom Volke angeschaut und bewegen bisweilen mehr als die öffentliche Predigt. Er wisse, daß in Niederdeutschland, wo die Predigt des Evangeliums verboten sei, durch Schauspiele viele mit der evangelischen Lehre bekannt geworden und für sie gewonnen seien. Wenn also dergleichen Schauspiele, die von ernstem und gemäßigtem Charakter sein müßten, in der guten Absicht, die evangelische Wahrheit zu fördern, veranstaltet würden, so seien sie keineswegs zu verdammen.1) Hieronymus Nopus, ein ehemaliger Lehrer Greffs in Zwickau, seit 1537 Rektor in Schneeberg, der damals in Wittenberg verweilte, um die theolo gische Doktorwürde zu erlangen, schrieb an Georg Helt in demselben Sinne wie Luther, indem er die öffentlichen dramatischen Aufführungen empfahl; doch müsse Wahrheit, Ernst, Ehrfurcht uud gebührendes Maß darin herrschen, dagegen wunderliche Dichtung, Lüge, Leichtsinn, Possenreißereien und Unehrerbietigkeit fehlen. Dergleichen Schauspiele seien nichts anderes als redende Ceremonien und eine äußere Darstellung der heiligen Geschichten, welche den jugendlichen Gemütern den Gegenstand tiefer einprägen könne, als die einfache Erzählung. Als Ort der Darstellung empfiehlt er Haus, Markt und Kirche.2) Paul Eber endlich, damals Adjunkt der philosophischen Fakultät in Wittenberg, sprach seine Ansicht dahin aus: wenn Würde und Andacht bei der Aufführung geistlicher Spiele in Anwendung kämen,

1) Dieser Brief wird von De Wette 5, 553 fälschlich Luther zuge= schrieben. Er trägt bei De W. keine Unterschrift, wohl aber hat er im Cod. XXXVI der Ratsschulbibliothek zu Zwickau, der auch die Briefe von Nopus und Eber enthält, die Unterschrift: Georgius Maior. Joachim Feller, der in seinen Cygni quasimodogeniti, Lips. 1686, diesen (Daumschen) Coder benußte, schreibt die Autorschaft des Briefes ebenfalls dem Georg Major zu. Ein weiteres Zeugnis liefert die Uebereinstimmung der Aufschrift des Briefes 'Clarissimo et doctissimo Viro, Domino Magistro Georgio Helt Forchemio, Domino ac Patrono suo observandissimo' mit der eines anderen in Dessau befindlichen Briefes Majors an Helt von Martini 1541: 'Doctissimo viro domino Magistro Georgio Helt Forchemio, amico et patrono observando suo'.

2) Hieronymus Nopus stammte aus Herzogenaurich bei Erlangen, war von 1519 bis 1536 Lehrer an der Ratsschule zu Zwickau und genoß auch auswärts als Erklärer der griechischen Dichter einen großen Ruf. Er wurde 1537 Rektor in Schneeberg, 1543 Superintendent in Regensburg und starb 1551 auf einer Reise zu Nürnberg.

so sähe er nicht ein, wie dieser so treffliche Versuch, den Unwissenden die Bekanntschaft mit den heiligen Geschichten leicht zu vermitteln, getadelt werden könne.1)

So sehen wir, wie Luther und seine Freunde in Wittenberg über die Bedeutung des geistlichen Schauspiels dachten. Nur das Passionsspiel schloß Luther aus; im Sermon von der Betrachtung des heiligen Leidens Christi' sagt er, es sei besser, daß ssich jemand im Leiden Christi übe und die Früchte seines Leidens genieße, denn daß er alle Passion höre: das Leiden Christi solle ein Beispiel sein unseres ganzen Lebens.2) Wenn also das Anschauen des Passionsspieles bis dahin als ein Mittel religiöser Erbauung betrachtet wurde, aber wie Procession und Wallfahrt nur ein äußeres Werk war, so mußte Luther dies Mittel verwerfen. Auch wehrte er den Passionsspielen deshalb, weil sie eine ungesunde, sentimentale Auffassung des Leidens Christi beförderten: man dürfe Christum nicht wie einen unschuldigen Menschen beklagen und beweinen. So bewirkte Luthers Einfluß, daß die Passionsspiele in den Gegenden, in welchen die Reformation Eingang fand, aufhörten, weil man einsah, daß sie zu einer Volksbelustigung herabgesunken waren, bei denen aller heiliger Ernst verloren gegangen war.

Philipp Melanchthon.

Melanchthon hatte schon auf der Schule zu Pforzheim nicht bloß den Terenz kennen gelernt, sondern auch selbst sich an der Aufführung lateinischer Dramen beteiligt. Wir wissen, daß er im Jahre 1508 seinen Verwandten Reuchlin, der zum Besuche seiner Schwester, der Großmutter Melanchthons, nach Pforzheim kam, mit der Aufführung des Reuchlinschen Henno überraschte, den er schnell mit mehreren Mitschülern eingeübt hatte. Sein

1) Paul Eber, geb. 1511 zu Kişingen, studierte seit 1532 in Wittenberg, wurde 1536 Magister, 1537 Adjunkt der philosophischen Fakultät, 1549 Prof. der lateinischen Sprache, 1557 Prof. der Theologie, 1558 Generalsuperintendent und Pfarrer in Wittenberg, starb 10. Dezember 1569. C. H. Sirt, Dr. Paul Eber. Heidelberg 1843 und Ansbach 1857.

2) Werke Erl. Ausg. 11, 151.

Lehrer war damals Georg Simler, der den Henno, eine beliebte Schullektüre, seinen Schülern erklärte und in demselben Jahre selbst eine Ausgabe desselben mit Kommentar veröffentlicht. hatte. In der Folge hat Melanchthon, ein begeisterter Freund der klassischen Studien, dieselben stets hoch geschäßt und warm empfohlen. Insbesondere empfahl er das Studium des Terenz. Nachdem er 1514 in Tübingen zum Magister befördert war, las er daselbst über Vergil und Terenz. Von lezterem veranstaltete er 1516 eine Ausgabe, in der die einzelnen Stücke metrisch abgeteilt sind. Die Widmung an Geräander enthält eine Empfehlung des Terenz als eines Lehrers des Lebens und der Rede.) In dem Vorwort zu seiner Ausgabe von 1525 sagt er, fast kein Buch sei würdiger, in aller Hände zu sein, als Terenz. Er lobt die Angemessenheit des Ausdrucks, namentlich die rhetorische Färbung, und rühmt die sittliche Reinheit des römischen Dichters. Terenz sei im stande das Urteil über die Welt besser auszubilden als die meisten philosophischen Schriften. Er preist die Staaten glücklich, deren Jünglinge, durch die Schule des Terenz gebildet, zu den Staatsämtern gelangten. Bei einer anderen Gelegenheit empfiehlt er das tägliche Auswendiglernen von zehn Versen des Terenz.2) In seiner Privatschule, die er bald nach seiner VerHeiratung 1521 anlegte, aber wegen der Ungunst der Zeit und wegen der Last der Amtsgeschäfte 1529 aufgeben mußte, bildete Terenz den Mittelpunkt des lateinischen Unterrichtes. Melanchthon führte mit seinen Schülern klassische Dramen auf, aber er zog auch die Studierenden hinzu, und die schon erwähnte Einladung Luthers an Spalatin bezog sich ebenfalls auf den Besuch einer solchen dramatischen Aufführung der Studierenden. Die Prologe zu verschiedenen Stücken, die noch erhalten sind, schrieb Melanchthon nicht nur, wie man allgemein anzunehmen scheint,3) für seine schola privata, sondern auch für die dramatischen Auf

1) Corp. Ref. 19, 657.

2) Corp. Ref. 10, 70.

3) Koch, Melanchthons Schola privata. Gotha 1859. S. 32. 56 D. France, Terenz und die lateinische Schulkomödie in Deutschland. Weimar 1877. S. 21.

führungen der Studenten, die in Wittenberg fast regelmäßig stattfanden.

Solche Aufführungen fanden auch an anderen Orten statt, 3. B. in Erfurt, wo Johann Drach (Draconites), ein Mitglied des Humanistenkreises, der 1521 nach Wittenberg gegangen war, um Luther und Melanchthon zu hören, und 1522 Pfarrer in Miltenberg wurde, häufig seine Lustspiele als Redeübungen aufführte und dafür von Eoban Hessus mit dem Ehrennamen eines Roscius und Terenz belohnt wurde.1)

Wollen wir nun die in Wittenberg zu Melanchthons Zeiten auf die Bühne gebrachten Stücke übersehen, so brauchen wir uns nur die Reihe der noch vorhandenen Prologe vorzuführen, mit denen nach griechischer und römischer Sitte die Stücke eingeleitet wurden. Da finden wir von Euripides die Hekuba, von Seneca den Thyestes und Hippolytus, von Terenz die Andria, den Eunuchus,2) die Adelphen und den Phormio. Von Plautus erscheinen nur der Miles mit dem Prologe Melanchthons und die Menächmen mit dem Prologe des Angelus Politianus, obwohl Melanchthon in dem Schulplan seines Visitationsbüchleins (1528) auch die Aulularia, den Trinummus und den Pseudolus für rein erklärt und den Pädagogen für die Jugend empfohlen hatte. Außerdem lieferte Melanchthon noch einen Prolog zum Phormio, die übrigen sind von Joachim Camerarius (Andria, Eunuchus, Phormio), Jakob Micyllus (Andria und Adelphen) und Paul Eber (Andria und Hippolyt, letterer im August 1554 verfaßt); bei den übrigen

1) Eoban Hessus (Epistolae familiares 254) entschuldigt sich, daß er einer von seinem Freunde Johann Drach veranstalteten Aufführung nicht habe beiwohnen können: 'Hodie rogatus a te satis familiariter in tua scena esse non potui. Quam vellem in eo me fuisse spectaculo, quo peream, si Erphurdia vidit elegantius. Tuae iuventuti gratulor, qui contemptis videlicet istis larvarum ac lemurum sannis ordinem latinum tuis pulcherrimis et doctissimis ludis illustras. Cedet ea res in honorem et famam minime parvam. Sine igitur istos qui praeter garrire sciunt nihil, et vale, vale, mi comoede, mi Terenti, mi Rosci'.

2) In einer kurzen Zuschrift an Camerarius vom 22. Januar 1525 gedenkt Melanchthon eines von ihm der Notiz beigefügten Prologes mit den nackten Worten: 'Meum prologum els Eunuchum tibi mitto, ne dovußółws tuo carmine fruamur' (Corp. Ref. 1, 722).

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