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lateinische Dramen; sehr viele derselben haben Männer zu Verfassern, die der alten Kirche treu blieben. Andrerseits glaubte man auch den Schulen das lateinische Drama nicht entziehen zu dürfen, damit die lateinischen Schulen auch in dieser Beziehung ihrem Namen Ehre machten. Doch ehe wir dies weiter begründen, haben wir zu untersuchen, wie sich die Reformatoren zum Drama stellten.

Zweites Kapitel.

Die Stellung der Reformatoren zum Drama.

Martin Luther.

Luther fand die Passions-, Fastnacht- und andere Spiele vor. Ob er sich jemals bei einer Aufführung, sei es auf der Schule oder auf der Universität, beteiligt hat, ist nicht bekannt; aber sicherlich hat er solchen dramatischen Aufführungen, die überall im Schwange waren, beigewohnt. Daß in Wittenberg. dergleichen Aufführungen stattfanden, ersehen wir aus einem Briefe Luthers an Spalatin vom 16. Februar 1525, in welchem er ihn bittet, ihn am nächsten Sonntag abends zu besuchen und einem Komödienspiel der Studenten, der Jugend unseres poetischen. Reiches', in seinem Hause, dem ehemaligen Augustinerkloster, beizuwohnen. Zugleich sprach er die Bitte aus, der Freund möchte. zu der der dramatischen Aufführung folgenden Bewirtung der jungen Künstler für etwas Wildpret besorgt sein.1) Und an Nikolaus Hausmann in Zwickau schreibt Luther am 2. April 1530: Ich würde es nicht ungern sehen, daß Christi Thaten in den Schulen, lateinisch und deutsch ordentlich und unverfälscht zusammengestellt, aufgeführt würden zu ihrem Gedächtnis und zur Belebung des ästhetischen Sinnes der Jugend (propter rei memoriam et affectum iunioribus augendum)'.2) Als Dr. Johannes Cellarius, der seit 1539 Pfarrer in Dresden war, ihn wegen jenes schlesischen Schulmeisters fragte, der, nicht ungelehrt, sich

1) De W. 2, 626; Burkhardt 79.

2) De W. 3, 566.

vorgenommen eine Terenzische Komödie zu agieren, aber viel Widerspruch erfahren habe, 'gleich als gebührete einem Christenmenschen solch Spielwerk aus heidnischen Poeten nicht', erwiderte Luther: 'Komödienspielen soll man um der Knaben in der Schule willen nicht wehren, sondern gestatten und zulassen, erstlich daß sie sich üben in der lateinischen Sprache, zum andern, daß in Komödien fein künstlich erdichtet, abgemalet und fürgestellet werden solche Personen, dadurch die Leute unterrichtet und ein jeglicher seines Amtes und Standes erinnert und vermahnet werde, was einem Knecht, Herrn, jungen Gesellen und Alten gebühre, wohl anstehe, und was er thun soll; ja es wird darinnen fürgehalten und für die Augen gestellet aller Dignitäten Grad, Aemter und Gebühr, wie sich ein jeglicher in seinem Stande halten soll im äußerlichen Wandel, wie in einem Spiegel'.

'Zudem werden darin beschrieben und angezeigt die listigen Anschläge und Betrug der bösen Bälge; desgleichen was der Eltern und jungen Knaben Amt sei, wie sie ihre Kinder und junge Leute zum Ehestande ziehen und halten, wenn es Zeit mit ihnen ist, und wie die Kinder den Eltern gehorsam sein und freien sollen 2c. Solches wird in Komödien fürgehalten, welches denn sehr nüz und wohl zu wissen ist. Denn zum Regiment kann man nicht kommen, mag auch dasselbige nicht erhalten, denn durch den Ehestand. Und Christen sollen Komödien nicht ganz und gar fliehen, darum daß bisweilen grobe Zoten und Bühlerei darin seien, da man doch um derselben willen auch die Bibel nicht dürfte lesen. Darum ists nichts, daß sie solches fürwenden und um der Ursache willen verbieten wollen, daß ein Christ nicht sollte Komödien mögen lesen und spielen'.1)

Eine andere Aeußerung machte Luther in einem Tischgespräche am 29. Mai 1538: 'Komödien gefallen mir sehr wohl bei den Römern, welcher fürnehmste Meinung, causa finalis und endliche Ursache ist gewest, daß sie damit als mit einem Gemälde und lebendigem Exempel zum Ehestand locken und von Hurerei abziehen. Denn Polizeien und weltliche Regiment können nicht bestehen ohne den Ehestand. Deshalb suchten jene geistreichen

1) Tischreden, herausgegeben von Förstemann und Bindseil 4, 592.

Männer aufs trefflichste die Jugend durch Komödien wie durch Gemälde zur Ehe zu bewegen. Eheloser Stand, der Cölibat und Hurerei sind der Regiment und Welt Pestilenz und Gift'.1)

Wir sehen aus diesen Aeußerungen, daß Luther die dramatischen Aufführungen billigte und zwar einerseits in Rücksicht auf den Nugen, welcher für die formale Bildung der Jugend daraus erwuchs, wobei ihm besonders die Uebung im Lateinsprechen wichtig erschien, andrerseits mit Rücksicht auf die ästhetische Bildung, wobei er besonders das sittliche Moment der altklassischen Dramen im Auge hatte. Dabei warnte er jedoch vor übertriebenem Kultus der alten Komödiendichter und ermahnte, man solle die heilige Schrift nicht lesen, wie ein Schulmeister den Knaben Terentium in der Schule lieset.2)

Waren diese gelegentlichen, in Briefen oder im Freundesfreise kundgegebenen Aeußerungen Luthers über das Drama nur wenigen bekannt geworden, so nahm man mit Freuden wahr, wie er biblische Stoffe zur Dramatisierung warm empfahl, als er die Bibelübersehung 1534 mit der Uebersehung der alttestamentlichen Apokryphen schloß und in demselben Jahre die erste Gesamtausgabe der deutschen Bibel erscheinen ließ. Die Bücher Judith und Tobias schienen ihm Dichtungen zu sein, jenes eine gute, ernste, tapfere Tragödie, dieses eine feine, liebliche, gottselige Komödie. So sagt er in der Vorrede zum Buche Judith: 'Und mag sein, daß sie (die Juden) solche Gedichte gespielt haben, wie man bei uns die Passion spielet und anderer Heiligen Geschichte, damit sie ihr Volk und die Jugend lehreten, als in einem gemeinen Bilde oder Spiel, Gott vertrauen, fromm sein und alle Hilfe und Trost von Gott hoffen in allen Nöten wider alle Feinde. Darum ists ein fein, gut, heilig, nüßlich Buch, uns Christen wohl zu lesen, denn die Worte, so die Personen hier reden, soll man verstehen, als rede sie ein geistlicher Poet oder Prophet aus dem heiligen Geist, der solche Personen fürstellet in seinem Spiel und durch sie uns predigt'.3) In der Vorrede

1) Seidemann, Lauterbachs Tagebuch 89.

2) Tischreden 3, 374.

3) Walch 14, 83.

zum Tobias heißt es: 'Was man von dem Buche Judith gesaget, das mag man auch von diesem Buche Tobia sagen: Ists eine Geschichte, so ists eine feine heilige Geschichte. Ists aber ein Gedicht, so ists wahrlich auch ein recht schön, heilsam, nüßlich Gedicht und Spiel eines geistreichen Poeten, und ist zu vermuten, daß solcher schöner Gedichte und Spiele bei den Juden viel gewest sind, darin sie sich auf ihre Feste und Sabbath geübt und der Jugend also mit Lust Gottes Wort und Werk eingebildet haben, sonderlich da sie in gutem Frieden und Regiment gesessen sind, denn sie haben gar treffliche Leut gehabt, als: Propheten, Singer, Dichter und dergleichen, die Gottes Wort fleißig und allerlei Weise getrieben haben, und Gott gebe, daß die Griechen ihre Weise, Komödien und Tragödien zu spielen, von den Juden genommen haben, wie auch viel ander Weisheit und Gottesdienst, denn Judith giebt eine gute, ernste, tapfere Tragödie, so giebt Tobias eine feine, liebliche, gottselige Komödie'.1) Aehnlich spricht Luther in der Vorrede auf die Stücke in Esther und Daniel: 'Der Text Susannä, des Beel, Abacuc und Drachen siehet auch schönen geistlichen Gedichten gleich, wie Judith und Tobias. Denn die Namen lauten auch dazu, als: Susanna heißt ein Rosen, das ist ein schön fromm Land und Volk oder armer Haufe unter den Dörnen, Daniel heißt ein Richter und so fortan, ist alles leichtlich zu deuten auf eine Polizei, Dekonomie oder frommen Haufen der Gläubigen, es sei um die Geschicht wie es fan'.2)

Diese Worte waren den ehemaligen Schülern Wittenbergs, die zu Luthers Füßen gesessen hatten, der Mahnruf, sich auf das dramatische Gebiet zu wagen und in ihren Versuchen die von ihm so warm empfohlenen biblischen Stoffe zu bearbeiten. So wurde Luther gewissermaßen der geistige Urheber des biblischen Dramas, das von da ab einen besonderen Zweig der Litteratur bildet und namentlich in Sachsen die reichste Blüte trieb. Auch war Luther von dem Wesen der Komödie und Tragödie und ihrem Unterschiede wohl unterrichtet und sinnig erläutert er ein

1) Walch 14, 89.

2) Walch 14, 92.

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mal diese beiden Dramengattungen nebst der Tragikomödie, der aus beiden gebildeten Mischform, an dem Schicksal der anmutigen Tochter seines Freundes Melanchthon, der unglücklichen Gattin des ruchlosen Georg Sabinus. Dieser hatte das Jahr 1537 mit seiner Gattin an dem üppigen Hofe des prachtliebenden Kardinals Albrecht in Halle verlebt. 1538 war er wieder in Wittenberg. Am 8. April 1538 schreibt Luther an Justus Jonas: 'Melanchthons Tochter Hanna ist hier mit Mann und Kind. Sie kamen von Halle, weil es dem Manne ein Trost ist, hier zu kommunicieren. Auch diese Tragödie, fange ich nun an zu hoffen, werde ein gutes Ende nehmen und in Zukunft die beste Komödie werden, so daß wir rühmen können, es sei eine Tragikomödie gewesen'.1)

Wie man auf Luther sah, wenn es sich um die WiederHerstellung der gestörten Ordnung handelte, so galt er auch einmal als der Vermittler eines Streites, der die Aufführung von geistlichen Spielen betraf. Es war in Dessau, wo der Dramatiker Joachim Greff seit 1537 als Schulmeister stand. Greff hatte zum Palmensonntag 1543 die Aufführung eines geistlichen Spieles mit Figuralmusik in Aussicht genommen, aber er war dabei auf den Widerspruch seines Pfarrers gestoßen. Dieser war jedenfalls Severinus Star, seit 1540, wo man ihn dem Johann Freder aus Hamburg vorzog, im Dessauer Amte, zuvor evangelischer Prediger an der Nikolaikirche der Bernburger Neustadt, ehedem katholischer Pfarrer. Unterstützt wurde Star wohl durch einen der beiden Kapläne oder Diakonen, Johann Brusch, der mit Star gemeinsame Sache machte. Der Streit zwischen Greff und seinen beiden Pfarrherren entbrannte so heftig, daß sich Greff an den Fürsten Georg und an' Georg Helt wandte, die ihn beauftragten, die Angelegenheit, die auch eine principielle Bedeutung hatte, durch die Wittenberger Herren zum Austrag bringen zu lassen. Er begab sich also nach Wittenberg und holte von dort fünf Gutachten ein. Die Frage Greffs, um die es sich handelte, lautete: 'ob es erlaubt sei, heilige Geschichten in Reimen wie Komödien dem christlichen Volke an jedem heiligen oder profanen

1) De W. 5, 105.

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