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und Sallust, erklärten. Es waren dies Balthasar Fabricius Phacchus (Balthasar von Vacha), Georg Sibutus Daripinus, gekrönter Dichter und kaiserlicher Orator, und Otto Beckmann, ein Zögling der münsterischen Schule.

Bald nach Luthers entscheidender That vom 31. Oktober 1517, mit welcher das große weltgeschichtliche Drama der Reformation begann, erhielten die humanistischen Studien in Philipp Melanchthon den glänzendsten Vertreter. Am 29. August 1518 hielt er seine Antrittsrede über die Reform der Universitätsstudien, mit welcher er sein Lehramt der griechischen Litteratur eröffnete.1) Auf Reuchlins Empfehlung war der einundzwanzigjährige Docent berufen worden, der schon seit 1516 in Tübingen über einige Schriften des Cicero und über sechs Bücher des Livius Vorlesungen gehalten hatte. Der gepriesene ‘Lehrer Deutschlands', den eine seiner Einzeichnung in die Wittenberger Matrikel beigefügte Randbemerkung mit Recht als eine Zierde dieser Hochschule und einen ewigen Schmuck der Kirche rühmt,2) war der erste Lehrer der griechischen Litteratur in Wittenberg. Mit Begeisterung war Luther der Antrittsrede Melanchthons gefolgt, mit der dieser den Kampf gegen den scholastischen Wust eröffnete und in der er die Rückkehr zu der wahren Quelle der Theologie, der heiligen Schrift, empfahl; mit Begeisterung sprach er sich in Briefen über den bewundernswerten Mann aus, bei dem fast alles über das Maß des Menschlichen hinausgehe. 'Sein Hörsaal ist von Zuhörern vollgepfropft, sonderlich ziehet er die Theologen alle, vom vornehmsten bis zum geringsten, zum Studium des Griechischen.' Er nennt ihn den feinsten Griechen und den gelehrtesten Mann. Wir lernen alle Griechisch, um die Bibel verstehen zu können', so schrieb er voller Freude und Anerkennung an Spalatin einige Tage, nachdem Melanchthon seine Lehrthätigfeit begonnen hatte.) Und am 15. Dezember 1518 meldet er seinem Freunde Wenceslaus Link von dem Ameisenfleiße, mit dem

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1) De corrigendis adolescentium studiis. Corp. Reform. 11, 15-25. 2) Alb. 73: 'Vivat omne in aevum decus unicum Academiae huius et Ecclesiae ornamentum perpetuum, sit in recordatione felici et sempiterna beata anima Magni illius Melanthonis nostri. Amen.'

3) De W. 1, 140.

die Studien in Wittenberg betrieben werden.') 'Melanchthon wurde sofort von Luthers religiöser Natur vollkommen beeinflußt; er stellte das Rüstzeug seiner philologischen Gelehrsamkeit rückhaltslos in den Dienst der evangelischen Forschung.'2) Der Freundschaftsbund, welchen die beiden Säulen der evangelischen Kirche schon damals schlossen, bildet ein unverwelkliches Blatt in dem Kranze der Reformationsgeschichte. Aber dieser Bund ruhte nicht nur auf dem persönlichen Zusammenschließen zu gemeinsamer Arbeit an einem großen Werke, sondern er bedeutet nichts geringeres als die ideale Vereinigung zweier Principe, des evangelisch-christlichen mit dem des Humanismus. Wie sehr Luther von der Notwendigkeit dieser Vereinigung überzeugt war, beweist u. a. ein Brief an Eoban Hessus vom 28. März 1525, in welchem er sich über die Wichtigkeit der Poesie und Rhetorik für den echten Theologen äußert: 'Ich bin überzeugt, daß ohne Kenntnis der Wissenschaften die lautere Theologie nicht bestehen kann, wie sie bis dahin bei dem Verfall der Wissenschaften darniedergelegen ist. Ja, ich sehe, daß niemals eine Offenbarung des göttlichen Wortes geschehen wäre, wenn sie nicht den wieder aufgefundenen Sprachen und Wissenschaften den Weg bereitet hätte.') Der vorreformatorische Humanismus mit seiner rückhaltlosen Begeisterung für das klassische Altertum war in großer Gefahr, der Rückkehr zum klassischen Heidentum den Weg zu bahnen; hielten doch jene Humanisten die lateinische Sprache für die einzige würdige Schriftsprache, war doch ihr höchster Stolz die neulateinische Dichtung in einer bewundernden Nachahmung des Altertums. Da war es Luther, der die Erneuerung des religiösen Lebens auf der Grundlage des göttlichen Wortes und des heilsbedürftigen Menschenherzens anstrebte, und neben ihm Melanchthon, der, in der Ueberzeugung, daß nur gründliche klassische Bildung die rechte Erkenntnis des Christentums vermittle, wahre Gelehrte mache und das heilige Werk der Reformation unterstüße und fördere, die Erneuerung der Wissenschaften auf klassischer und evangelischer Grundlage betonte.

1) 'Studium nostrum more formicarum fervet' De W. 1, 193.
2) K. W. Nitsch, Geschichte des deutschen Volkes, 3, 403.

3) De W. 2, 313.

In jener Zeit schon, als Luther mit seinem kühnen Thesenanschlag den Kampf gegen Rom aufnahm, waren die Blicke aller auf ihn gerichtet; in noch höherem Grade wurde er der Gegenstand der Bewunderung, als er seine großen reformatorischen Schriften An den christlichen Adel deutscher Nation', das Manifest Deutschlands gegen die Verschuldung Roms, und den ‘Sermon von der Freiheit eines Christenmenschen', das Schönste und Tiefste, was Luther geschrieben hat, in die Welt hinaussandte; als er mit der Verbrennung der Bannbulle und der kanonischen Rechtsbücher sich offen vom Papst und von der römischen Kirche lossagte; als er in Worms mit heroischem Mute den Widerruf verweigerte. Von nun an wurde Wittenberg der Mittelpunkt der reformatorischen Bewegung; von hier aus brach sich auf allen Gebieten des wissenschaftlichen und socialen Lebens die neue geistige Strömung Bahn und wirkte befruchtend auf die innere und äußere Entwickelung der Gesellschaft. Wittenberg wurde in Wahrheit die nährende Mutter Deutschlands; denn von hier aus ergossen sich die Ströme evangelischer Wahrheit und evangelischen Lebens in alle Gaue des deutschen Reiches; von hier aus verpflanzten die zahlreichen Schüler Melanchthons die gewonnene, auf das Evangelium gestüßte humanistische Bildung in alle Orte Deutschlands. Und Wilibald Pirkheimer, der enthusiastische Freund des Humanismus, durfte mit vollem Rechte sagen: Mit nichts hätte Friedrich der Weise ein größeres, dauernderes und ehrenvolleres Andenken hinterlassen können, als mit der Stiftung einer so vortrefflichen Hochschule, welche mit den alten in Wettstreit treten kann und die gegenwärtigen nicht bloß erreicht, sondern größtenteils hinter sich läßt.'1)

Wie verhielten sich die beiden Häupter des Humanismus zu der großen religiösen Bewegung, die von Wittenberg ausging?

'Gottlob', rief Reuchlin begeistert aus, als Luther auftrat, 'nun haben sie einen Mann gefunden, der ihnen so blutsaure Arbeit machen wird, daß sie mich alten Mann wohl in Frieden werden hinfahren lassen.' Und Luther schrieb am 14. Dezember 1518 an Reuchlin: 'Du warst das Werkzeug des göttlichen Rat

1) Opera Pirkheimeri 246.

schlusses. Ich war einer von denen, welche Dir beizustehen wünschten, aber es fand sich keine Gelegenheit. Doch was mir als Kampfgenossen versagt war, wurde mir als Deinem Nachfolger aufs reichlichste zu teil. Die Zähne jenes Behemot fallen mich an, um die Schmach, welche sie durch Dich davongetragen, wo möglich wieder gut zu machen. Ich gehe ihnen mit geringeren Kräften des Geistes und der Gelehrsamkeit entgegen als Du, aber nicht mit weniger getrostem Mute.'1)

Reuchlin hatte dem Werke der Reformation nicht nur durch die Belebung des Sinnes für die griechische Sprache und das griechische Altertum, sondern auch durch die Beförderung der hebräischen Sprachstudien vorgearbeitet. Er schrieb 1506 seine hebräische Grammatik, mit deren Hilfe Luther die Fackel anzündete, die ihm weiter leuchten sollte auf seinem reformatorischen Wege.

Neben Reuchlin hatte Erasmus, der geistige Führer Deutschlands, um dessen Gunst sich Päpste und Kardinäle, Kaiser und Kurfürsten bewarben, das Studium der griechischen Sprache und Litteratur noch weiter vervollkommnet und besonders durch seine Ausgabe des griechischen Neuen Testamentes, die 1516 in Basel erschien und die Luther zu seiner Uebersetzung benußte, das Wort Gottes aus der Verborgenheit hervorgezogen. Aber auch er hatte, wie Reuchlin und seine Zeitgenossen, sich nicht gescheut die Schäden der Kirche und der Geistlichkeit mit großer Bitterkeit aufzudecken und hatte sich namentlich mit seinem berühmten Werke 'Lob der Narrheit', das noch zu Lebzeiten des Verfassers nicht weniger als 27 Auflagen erlebte, dem allgemeinen Kampfe der Humanisten gegen das mönchische Unwesen angeschlossen. Und doch war er kein Bundesgenosse Luthers. Ein Grieche oder Hebräer', schrieb Luther an Johann Lange in Erfurt am 1. März 1517 mit Bezug auf Erasmus, ist noch nicht durch seine Sprachkunst ein wahrer Christ. Augustinus ist auch mit seiner einzigen Sprache mehr wert gewesen als St. Hieronymus mit seinen fünferlei Sprachen.'2) Es kam zum Kampfe zwischen dem großen Humanisten und dem großen Theologen; aber wer den Sieg davontrug, das zeigt die evangelische Kirche, die noch heute be

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steht. Der unglückliche Mann hatte kein Vaterhaus, kein Vaterland, keine Kirche; er hatte nichts, wofür er sich selbst hätte aufopfern mögen. So ward er selbstsüchtig, furchtsam, zweideutig; es fehlte ihm die Liebe. Kein Wunder, daß er mit dem aufrichtigen, tapfern Luther, diesem treuen, liebevollen Seelsorger seiner Deutschen, völlig zerfiel.'1)

Die Humanisten haben auch ihren Anteil an der neuen Entwickelung des deutschen Geistes; aber da ihre Schriften alle in lateinischer Sprache, in der Sprache der Gelehrten, verfaßt wurden, so konnten sie nicht das Eigentum des Volkes werden, sondern ihre Wirksamkeit beschränkte sich auf die gelehrten Kreise. Da war es wieder Luther, der den rechten Griff that: seine großen reformatorischen Schriften sind in deutscher Sprache geschrieben. Von Anfang an war sein Streben darauf gerichtet, sein liebes deutsches Volk in deutscher Sprache zu belehren. Schon 1516, als er das Buch von der deutschen Theologie, dem er selbst erst den Namen verliehen hat, herausgab, sprach er in der Vorrede das bedeutungsvolle Wort: 'Ich danke Gott, daß ich in deutscher Zunge meinen Gott also finde und höre, wie ich und sie anher nicht funden haben, weder in lateinischer, griechischer, noch hebräischer Zunge.' Luther verlangte deutsche Predigt, deutsche Kirchenlieder. Sein größtes Verdienst, die Verdeutschung der Bibel, hat ihn zum Schöpfer der neuhochdeutschen Sprache gemacht. 'In seiner deutschen Bibel gab er der deutschen Nation ihr edelstes Bildungsmittel, ihr geistiges Einheitsband.' Selbst Goethe bekennt: Daß dieser treffliche Mann ein in dem verschiedensten Stile verfaßtes Werk und dessen dichterischen, ge= schichtlichen, gebietenden, lehrenden Ton uns in der Muttersprache wie aus einem Gusse überlieferte, hat die Religion mehr gefördert, als wenn er die Eigentümlichkeiten des Originals im Einzelnen hätte nachbilden wollen.'2) Von 1534 an erfuhr die deutsche Litteratur eine glänzende Bereicherung durch deutsch geschriebene Schriften.

Auch das Drama hat nach dieser Seite hin eine überraschende Wendung genommen. Es entstanden freilich auch noch

1) K. v. Raumer, Gesch. der Pädagogik. 3. Aufl. Stuttg. 1857. 1, 112. 2) Werke 22, 45.

Holstein, Die Reformation.

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