Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Sihe von nun an ewiglich
Werden mich selig stetiglich
Preissn und lobn all kindeskind,

Die komen werdn und jßt sind.

Wie in fast allen evangelischen Weihnachtspielen, so erscheint auch in diesem Luthers Lied "Vom Himmel hoch da komm ich her.' Auch Teufel treten auf, Beelzebub und seine zwei Diener, welche darüber klagen, daß ihnen durch die Ankunft Jesu ihre Macht genommen sei. Der Weihnachtsgesang Luthers wurde 1608 vom Mag. Martin Hammer, Superintendent zu Glauchau, in Form einer ‘anmutigen' Komödie ‘vom herzlieben Jesulein und dessen Geburt' gestellt; doch erhalten wir statt der Komödie zehn Predigten.

1549 ließ der Mag. Christoph Lasius (Rauch), Pfarrer in Spandau, sein Spiel 'von der Geburt Christi und Herodis Bluthundes, als dieser leßten zeit fürbilde,' 1) in Spandau aufführen. Der Verfasser, 1504 in Straßburg geboren, studierte seit 1522 in Wittenberg, wohin ihn die neue Lehre Luthers zog, die in seiner Vaterstadt bereits viele Anhänger gefunden hatte, u. a. den Juristen und Historiker Nikolaus Gerbelius. Als Lasius 1527 noch einmal nach Wittenberg ging, um seine Studien zu vollenden, empfahl ihn Gerbelius in den wärmsten Ausdrücken an Luther, indem er seinen zuverlässigen Charakter und seine tüchtigen Kenntnisse in der Theologie sowohl als in den Humanitätswissenschaften rühmte.2) Nachdem Lasius seit 1537 ein Schulamt in Görliß, seit 1540 ein Pfarramt in Arnstadt und seit 1543 ein solches in Greußen verwaltet hatte, wurde er 1546 auf Melanchthons Empfehlung Pfarrer in Spandau, wo er die friedlichsten und glücklichsten Jahre seines Lebens zubrachte. Hier entstand sein Weihnachtspiel, das am 2. Februar 1549 in der Kirche aufgeführt wurde. Eine Wiederholung fand am 7. Mai 1562 statt, die Drucklegung des Spieles erfolgte erst 1586, vierzehn Jahre nach dem Tode des Verfassers. Die Anregung zur Abfassung desselben mag Lasius durch Luther und Melanchthon erhalten haben, wie sich dies von den meisten Dramendichtern, die früher in Wittenberg ihre Studien gemacht hatten, sagen läßt. Auch veranlaßte er andere dramatische Aufführungen, wie die der 1) Neudruck von J. Bolte, Märkische Forschungen 18, 109. 2) Brief v. 29. August 1527 bei Kolde, Analecta Lutherana 90.

Susanna (1552 und 1553), wobei man zur Begleitung der Gefänge das Clavierchordion eines Berliner Küsters benußte, bei dem die in einem Kasten liegenden Saiten durch Tasten angeschlagen wurden. Während die meisten Weihnachtspiele von einer polemischen Tendenz frei sind, hat Lasius im Prolog seine echt protestantische Gesinnung nicht verleugnet: als Eiferer wider das Papsttum betrachtet er den Papst als den Antichrist und sieht in Herodes das Vorbild der gegenwärtigen Feinde des Christentums. Dazu treibt uns auch die gefahr,

So wir gewertig sind dis jar,
Da Herodes mit seinm Gesind
Gar töricht worden ist und blind,
Treibt heuchelei mit großem schein,
Wie er den rechten glauben mein,
Drewet derhalb mit schwert und spieß
Und trachtet, wie er blut vergieß.
Da wil es uns von nöten sein,
Das wir uns können schicken drein
Und leiden alles mit gedult,
Man kan uns ja nichts geben schult,
Denn das wir evangelisch sind,
Gleuben ans new geborne kind,
Das man der Sünde werde los

Allein durch diesen heiland groß,
Des Papsts geplemper sei nichts wert,
Papst sei der antichrist auf erd,
Das sagen wir ohn alle schew,
Hoffen nicht, das es uns gerew,
Wens schon der teufel selber wer,
Es lebet ja der rechte Herr.

Lasius hat in der Folge- er blieb nur bis 1555 in Spandau

ein unstetes Leben geführt; er nahm an den theologischen Streitigkeiten seiner Zeit den lebhaftesten Anteil und hat mehrere Streitschriften verfaßt. Er starb 1572 in Senftenberg.

Nach Lasius haben noch verschiedene Dramatiker Weihnachtspiele verfaßt: Jakob Funckelin, dessen Spiel in Biel zu Neujahr 1553 und am 14. November 1554 bei der Huldigungsfeier des Basler Bischofs Melchior von Lichtenfeld von der jungen Bürgerschaft gespielt wurde, Hans Sachs (1557), Sebastian Wild (1566), Johannes Leon aus Ohrdruf, Schulmeister an

Holstein, Die Reformation.

9

St. Michael in Erfurt (1566), Benedict Edelpöck, ein Pritschmeister, der sein Spiel vom Jahre 1568 dem Erzherzog Ferdinand von Tirol widmete, Bartholomäus Krüger (Akt 2, Scene 1-5 seines S. 78 genannten großen Dramas von 1580), Ambrosius Pape (1582), Adam Colb von Buchen (1583), Johannes Cuno, Diakonus zu Kalbe a. S. (1595), Antonius Schwabe (1596), Georg Mauricius (1606) und Johannes Seger (1613). Besondere Erwähnung verdient noch die wahrscheinlich dem Domküster Georg Pfund in Berlin zugehörige Komödie von der Geburt des Herrn Christi, weil dieselbe 1589 von den Prinzen und Prinzessinnen des kurfürstlichen Hauses aufgeführt wurde.') Der fromme Kurfürst Johann Georg, der an geistlichen Spielen Gefallen fand, veranlaßte die Aufführung dieses einfachen und erbaulichen Weihnachtspieles durch seine eigenen Kinder. Das Christkind war der anderthalbjährige Markgraf Friedrich; die Markgrafen Christian und Joachim Ernst, acht- und sechsjährig, hatten die Rollen des ersten und zweiten Königs erhalten; die Markgräfinnen Magdalena und Agnes, fieben- und fünfjährig, erschienen als Engel, welche die Geburt Christi verkündigen. Die übrigen Rollen waren in den Händen von Mitgliedern angesehener adeliger Geschlechter: die Maria gab die Gräfin Elisabeth von Mansfeld, sechzehn Jahr alt, ‘ein wunderholdselige Jungfrau' (sie wurde die Gemahlin des Herzogs Johann Ernst des Dritten zu Sachsen-Eisenach und starb schon 1592 im Kindbett, ihren Wahlspruch im Munde: 'Gott wend' mein Elend'); den dritten König gab der junge Graf Johann Georg von Hohenzollern-Hechingen, den Joseph spielte Kaspar von Burkersroda u. s. w. Außerdem wirkten Kinder bürgerlicher Abkunft mit; im ganzen 23 Personen außer den als Engel ausgekleideten Musikanten und zehn Hohepriestern. Der Titel des Dramas trägt das Motto aus Gal. 4, 4 u. 5; die Hirten reden im Dialekt; fast alle Weihnachtslieder der Kirche, zumal der lutherischen, werden gesungen.

Es ist anzunehmen, daß das Weihnachtspiel Georg Pfunds, der zur Abfassung desselben die Spiele von Christoph Lafius und Ambrosius Pape benugte, nur für die Aufführung am kurfürstlichen Hofe gedichtet ist. Aber wie Kurfürst Johann Georg

1) Aus der Handschrift gedruckt von G. Friedländer. Berlin 1839.

sich hier den geistlichen Spielen geneigt zeigte, so begünstigte er auch die öffentlichen Aufführungen, die in der Mark hier und da stattfanden. Dagegen verbot sein Nachfolger Joachim Friedrich schon bald nach dem Antritt seiner Regierung durch eine Ordre vom 27. Februar 1598 die öffentlichen geistlichen Schaustellungen, indem er dieselben als Ueberreste der papistischen Zeit beseitigen zu müssen glaubte. Er hatte sich hierbei der Zustimmung der vornehmsten Geistlichkeit der Mark zu erfreuen und das in betreff der Passions- und anderer geistlicher Spiele erlassene Verbot veranlaßte den Zusammentritt der berlinischen Geistlichkeit und den einmütigen Beschluß vom 30. Mai 1598, 'daß mit der Darstellung der Angst und Schmerzen Christi in dem Häuslein am Dom am Palmsonntag billig nachzulassen sei, indem die geistliche Betrachtung des Leidens Christi dadurch verhindert und gleichsam in ein Komödienspiel verwandelt werde; daß die vermeinte Sepultur am Karfreitag abzuschaffen, das Fußwaschen spiritualiter und nicht wie ein Spiel zu halten, das Laufen der Jünger am heil. Ostertage einzustellen sei 2c.' Wir sehen aus dem Beschlusse, daß man trog der Einführung der Reformation noch lange Zeit an den hergebrachten Passionsspielen festgehalten hatte, deren Beseitigung jezt mit Entschiedenheit angeordnet wurde.

Der zwölfjährige Jesus (das Evangelium des 1. Sonntags nach Epiphanias) wurde der Gegenstand dramatischer Behandlung. Der Diakonus in Halle Samuel Cuno behandelte 1602 den Stoff in einem deutschen Drama Iesus amissus et repertus, der Mag. Joachim Burmeister aus Lüneburg, Lehrer am Gymnasium zu Rostock, nannte sein Spiel: Xocotòs repasμévos, der geoffenbarte Christus (1605), und der Mag. Joachim Leseberg in Wunstorf dichtete einen Iesus duodecennis (1610). In dem ersten dieser deutschen Dramen ist der dünne Stoff durch allerlei Prosa des Lebens (die Eltern borgen sich das Geld zu den Schuhen des Kindes, Prügelscenen zwischen bösen Buben auf dem Kirchhofe, Klage der Maria über die argen Sitten, Kleiderluxus und fremde Moden 2c.) zu vier, in dem zweiten zu fünf Akten angeschwellt;1) im dritten hält der Hohepriester ein Gebet in hebräischer Sprache und plattdeutsche Scenen füllen wie in anderen Dramen jener

1) Allg. Deutsche Biogr. 3, 629. 4, 643.

Zeit die Handlung aus. Die Tendenz dieser drei Dramen ist Kindererziehung; Leseberg faßt diese in folgende Verse zusammen: Die Eltern an den Kindern gleich

Verdienen Hell und Himmelreich.

54 Personen treten auf, die zu Anfang des Stückes in geordnetem Zuge meist paarweise über die Bühne schreiten. Die Aufführung des Lesebergschen Stückes ging nach beendetem Gottesdienst vor sich, um die Zuschauer zur Zeit der Fastnacht, die in Wunstorf eine 'Fraßnacht' war, vom Fressen und Saufen abzuhalten. Das Stück trägt die Widmung an das Stift Gandersheim und an die Städte Göttingen, Hannover, Northeim und Hameln. Unter den Gönnern, die den Verfasser mit lateinischen Gedichten beehrt haben, befindet sich auch der Mag. Johannes Sötefleisch, Generalsuperintendent und Senior des Stiftes Wunstorf, der Verfasser eines weit verbreiteten lutherischen Katechismus.

Das Evangelium des 2. Sonntags nach Epiphanias von der Hochzeit zu Cana ist von Paul Rebhun als ein Hochzeitsspiel 'dem gottgeordneten Ehestand zu Ehren und allen gottfürchtigen Eheleuten, Gesellen und Jungfrauen zu Trost und Unterricht gestellet' worden.') Der Dichter war 1538, in welchem Jahre dasselbe bei Wolfgang Meyerpeck in Zwickau erschien, Schulmeister in Plauen. Eine zweite Ausgabe veranstaltete er 1546, zum dritten mal gedruckt erschien es 1572. Dieses zweite Drama Rebhuns steht seiner Susanna in formeller Hinsicht bedeutend nach. Er wollte die fromme Ehe feiern, aber inzwischen war ihm, wie er selbst sagt, die Materie unter den Händen weiter gelaufen, als er gedacht. Er mußte nun, da er die bei einer etwaigen Aufführung entstehenden Schwierigkeiten sah, eine Reihe von Stellen durch Tilgungszeichen entfernen; er mochte fühlen, daß der Stoff sich überhaupt nicht für eine dramatische Behandlung eigene, und seßte gewissermaßen an die Stelle seines Dramas 1546 die Hochzeitspredigt von dem Hausfrieden, ein längeres Gedicht, in welchem er in einfacher, oft auch sehr drastischer Weise die fromme holdselige Hausfrau dem unfriedlichen zanküchtigen Eheteufel gegenüberstellt. Wolfgang Schmelzl benußte zu

1) Neudruck von H. Palm. Stuttgart. Litterar. Verein Nr. 49.

« ZurückWeiter »