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145 Personen am ersten Tage der Aufführung, 95 am zweiten - und Martin Böhme (1618). Außerdem wissen wir von Aufführungen des 'Tobias' zu Schwerin (1561), Schaffhausen (1575), Speier (1577) und Windsheim (1619); in Windsheim spielte der Rektor Christoph Cellarius den alten und jungen Tobias, es wurde eine Einnahme von 4 Gulden 23 Kreuzer 1 Heller erzielt. Außer Schonäus, dessen Drama 1585 im akademischen Gymnasium zu Straßburg aufgeführt wurde, lieferten noch Balthasar Crusius (1585) und Johannes Ment (1586) lateinische Dramen. Zu den Tobiasdramen gehört auch Georg Schwanbergers, Pfarrers zu Rodersdorf, geistliche Komödie vom Engel Raphael wider Asmodeum den Eheteufel (1615), in der ebenfalls der Ehestand verherrlicht werden sollte.

Aus 2. Maccab. 7 zog Matthäus Scharschmid, Vikarius im Domstift zu Zeit, den Stoff für seine Tragödie 'von den sieben Märtyrern und ihrer Mutter' (1589), indem er die Glaubenstreue der sieben Brüder pries, die mit ihrer Mutter unter dem syrischen König Antiochus IV. den Märtyrertod erlitten.

Einen sehr dankbaren Stoff bot den Dramatikern die Geschichte der Esther, jener schönen Jüdin, die infolge ihrer Erhebung zur Gemahlin des Perserkönigs Ahasverus die Retterin ihres unterdrückten Volkes wurde. Nach Hans Sachs (1536) verfaßte 1537 Valten Voith 'ein lieblich, nüglich und tröstlich Spiel aus dem Buche Esther',1) um anzuzeigen, wie Gott allezeit die Hoffahrt und den Eigenwillen der bösen, die Demut und Gottesfurcht der frommen Männer und Weiber gestraft und belohnet hat. Er widmet sein Spiel dem Mag. Georg Major, den er als den Beförderer seiner dramatischen Studien bezeichnet, und spricht sich in der Vorrede und im Beschluß über den ethischen Zweck seines Spieles aus: Vasthi und Haman werden zur Warnung, Esther und Mardachai zur Nachahmung hingestellt. Daran schließt sich eine symbolische Deutung: Das Mahl, das der König Ahasverus zu Susan bereiten will, gleicht dem Gastmahl, zu welchem Gott die Menschen einladet; Esther vertritt die Menschen, die der Einladung folgen, Vasthi die, welche sie verschmähen;

1) Neudruck von H. Holstein. Stuttgart. Litterar. Verein Nr. 170.

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Mardachai bedeutet Christus, Haman die Judenschaft, die Christus verwirft. Dann folgen noch acht Mahnungen, die teils an die Frauen, teils an die Fürsten und Herren, teils an die Knechte 2c. gerichtet sind. Entsprechend der Aufgabe des Dramas der Reformationszeit sollte Voiths Spiel die Predigt unterstüßen, und zwar die Predigt vom großen Abendmahl des Herrn. Von dieser Tendenz war der Schreib- und Rechenmeister Markus Pfeffer in Braunschweig so erfüllt, daß er 1621 in seiner ‘Esther', ohne seine Quelle anzugeben, Voiths Drama an den meisten Stellen wörtlich auszuschreiben keinen Anstand nahm.') Das lateinische Drama des Thomas Naogeorg Hamanus (1543), in welchem die Verleumdungen und die Tyrannei der Mächtigen. getadelt und ein frommes und gottesfürchtiges Leben gelobt wird, fand in Johannes Chryseus (1546) sowie in Johann Mercur aus Mörsheim und dem Mag. Johann Posthius aus Germersheim (um 1570) Ueberseßer. Der erstere lieferte seine Uebersezung mit Vorwissen des Autors. Deutsche Bearbeitungen der Esther lieferten noch Andreas Pfeilschmidt aus Dresden, Geiger und Buchbinder zu Corbach, wo das Stück 1555 von der Bürgerschaft gespielt wurde, Wolfgang Künzel (1564), Josias Murer (1567), Damian Lindtner der ältere (1607) und Georg Mauricius (1607). Josias Murer, dessen Spiel am 11. Februar 1567 in Zürich aufgeführt wurde, wollte zeigen, wie Gott sein Volk durch Hester von dem mördlichen Aufsah Hamans erlöst und ihn gestürzt und gestraft hat, zur Lehre, daß niemand seine Gewalt oder Wohlstand mißbrauche, sondern demütig sei. Auch in den Komödien der englischen Komödianten (1620) erscheint eine Komödie von der Königin Esther und dem hoffährtigen Haman, vermischt mit modernen Einflüssen durch Hinzufügung des Clown und des Hans Knapkäse zur Belustigung des Publikums. Aufführungen der Esther fanden 1552 in Biel, 1561 in Windsheim, 1575 in Dortmund und noch 1654 in Schiltach statt. Von der Windsheimer Aufführung meldet der Chronist: 'Heute ist auf unserm Rathause vor einem ehrbaren Rat, den sämtlichen hiesigen Eheweibern und ihren Kindern die Komödie vom König Ahas

1) Archiv f. Litteraturgesch. 12, 46.

verus und der Esther agieret worden, hernach den 21. desselben Monats (Februar), als ein hochedler Rat dies Schauspiel mit sattsamem Content genossen, hat derselbe großgünstig erlaubt, dasselbe auf dem Rathause auch vor einer ganzen Gemeinde zu geben'.

Das ganze Jahrhundert hindurch gehörte die Geschichte von der Susanna) zu den bevorzugtesten Stoffen des deutschen Dramas; ihre Keuschheit, ihre Tugend sollte den Frauen als Vorbild dienen, der buhlerische Sinn der beiden Alten, die der Susanna weibliche Ehre beflecken wollen, die Bestrafung derselben wird den Männern zur Warnung hingestellt. So stehen die Susannadramen gewissermaßen auch im Mittelpunkt derjenigen Dramen, in welchen die fromme Ehe gefeiert wird. Die aus dem fünfzehnten Jahrhundert stammende Wiener Susanna verrät keine Spur von Komposition, keinen Ansaß zur Charakteristik und ist überaus roh in Sprache und Versbau. Die erste im Reformationszeitalter entstandene Bearbeitung von Sixt Birck ist zugleich das erste von einem gelehrten Schulmann verfaßte Drama. Es wurde 1532 von den jungen Bürgern zu Basel aufgeführt und wurde für andere wie Kolroß und Rebhun vorbildlich, be= sonders wegen der metrischen Vorzüge richtige Jamben mit stumpfem Ausgang und wegen der in Form der sapphischen Ode angereihten Chorgesänge. Die Frische der Darstellung zeigt sich besonders in den Gerichtsscenen, in denen Birck ein Bild der damaligen Rechtspflege liefert. Als das Stück nach zwölf Jahren auf dem Fischmarkt zu Basel eine neue Darstellung erlebte, war seine Wirkung eine ebenso großartige als das erste mal. Bircks Susanna, von welcher 1538 eine lateinische Bearbeitung erschien, die aber mit der deutschen nichts weiter gemein hat als die Einrichtung des Stoffes, ist ein Muster von Sauberkeit, in gewandter und schmiegsamer Sprache geschrieben, mit leicht an= gedeuteter, aber kräftiger und angemessener Charakteristik'. Ihr folgte die anonyme Susanna, welche zuerst als Anhang zur zweiten Ausgabe des Magdeburger Spieles von Jakob und seinen

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1) Pilger, Zeitschrift für deutsche Philologie 11, 129–217. Goedeke, Gött. gel. Anz. 1880, 641-655.

zwölf Söhnen 1535 erschien. Sie entstand in Magdeburg die Nürnberger Ausgabe ist nur ein veränderter Nachdruck der Magdeburger Susanna 1) —. Es war ein eigentliches Schuldrama, was aus dem Prolog ersichtlich ist:

Wolweise, achtbare Herren,

Euer Weisheit und Würden zu ehren,

Sind wir ißund herauf [auf das Rathaus] kommen,
Nach altem Brauch fürgenommen

Ein deutsch Spiel euch fürzutragen,

Damit man nicht möchte sagen,

Wir wären undankbar eurer Weisheit,
Welch mit großer Fürsichtigkeit

In guten Künsten und Tugend
Uns Kinder ist in der Jugend

Zu unterweisen verschafft hat,

Welchs ist das beste Kleinod der Stadt.

Dieser Eingang läßt nicht nur auf die hergebrachte Sitte der Aufführung deutscher Dramen in Magdeburg, sondern auch auf die mit der Errichtung des altstädtischen Gymnasiums in Verbindung stehende Einführung der sogenannten Schuldramen schließen.

Dann verseßt uns der Prolog nach dem Orte der Handlung:
Nu zu Babylon dies geschicht,

Das ist zu einem Spiel gedicht,
In eim Garten sich begeben hat,
Wie im Daniel beschrieben stat,
Hie ist nu Babylon behend,
Doch so das Spiel erreicht sein End,
Magdeburg es wieder werden soll,
Gott mach sie aller Gnaden voll.

Magdeburg wird in dem Nürnberger Nachdruck in Nürnberg geändert. Die Scenerie ist eine sehr einfache: die wohlweisen, achtbaren Herren mußten sich den Garten hinzudenken, während in Basel große Zurichtungen gemacht und selbst das Bad nicht gespart war. Darum heißt es:

Das ist auch der schöne Garten,

In dem die zween Alten warten,

1) E. Schmidt, Anz. f. deutsch. Altert. u. deutsch. Litt. 5, 145. Scherer, Deutsche Studien 3, 21. Pilger a. a. D. 11, 151. Hülße in den Geschichtsbl. f. Stadt und Land Magdeburg 16, 271.

Die Susanna zu bezwingen,
Es wollt ihnen doch nicht gelingen.
Dieser Garten ist gar schön,

Von Kreutern und viel Beumen grün,
Welchen so euch zu sehen gelüft,

Gar scharfe Brillen ihr haben müst.

In Frischlins Susanna findet sich zur Gartenscene folgende Bühnenanweisung: 'Wann man diese Komödie spielen und halten will, muß man mitten auf dem Plage ein Gärtlein machen, mit Matten, Gras und eim schön Röhrbrünnlein gemacht, also daß es zwo Thüren habe und dieser ganze Aktus darinnen verrichtet werden soll, daß die Leut dennoch alles hören und sehen mögen'.

Einen ziemlich sicheren Beweis für die Entstehung der Susanna von 1535 in Magdeburg finden wir in der Erwähnung des Ortes Brumby, womit nur eins der beiden zum Magdeburgischen Gebiet gehörigen Dörfer gemeint sein kann.

Balach, ir sagts als gleich heraus,
Samt sind ir Herr in eurem Haus,
So doch bei euch Doctor Sieman
Die Herberg hat lassen bestan;
Wollt ir den Speck zu Brombey holen,
War euch doch nu ein Aug geschwollen,
Da ir spracht, ir hett euch gestoßen,

Es geschicht mir oft solcher moßen.

Es ist sogar die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß hier auf einen bestimmten Fall angespielt wird. Mindestens bleibt der Ort Brombey für Nürnberg schwer zu erklären. Im übrigen schließt sich, dem Zweck des Schuldramas entsprechend, die Darstellung eng an den Gang der biblischen Geschichte an. Das Stück ist in vier Akte zerlegt, von denen der lezte die Verurteilung und die Rettung der Susanna zugleich enthält. Nach der Verurteilung fleht Susanna in ihrer Unschuld zu Gott und bittet um die Erlaubnis, ehe sie ihren lehten Weg antritt, zum Volke reden zu dürfen; sie wendet sich hierbei besonders an die Frauen und schließt:

Demnach ich hie bitte all,

Wolt Gott für allen Dingen lieben,
In seinem Wort euch fleißig üben,
Der euch für Leid wol schüzen kan.

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