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seits entwickelt er gesunde verständige Regierungsmaximen, ganz im Geiste seines edlen Landesfürsten, Herzogs Ernst des Frommen von Sachsen-Gotha, welcher die Wunden des dreissigjährigen Krieges durch milde Regentenweisheit in seinen Landen zu heilen suchte.

Fast eben so grosses Aufsehen, wie Hippolithus, erregte ein Buch unter dem Titel: »Severini de Monzambano de statu imperii Germanici ad Laelium fratrem liber, Genev. 1667«. Es ist diese Schrift so gehalten, als ob ein in Deutschland reisender italienischer Edelmann in Briefen seinem Bruder eine Beschreibung von der Staatsform des deutschen Reiches und der einzelnen Territorien gäbe. Als Verfasser dieses Buches wurde später entdeckt 15 Samuel Pufendorf 16, der gefeierte Meister des Naturund Völkerrechts, der grosse Befreier der Rechtswissenschaft aus Reichsobrigkeit sich beklagen.« Besonders eifert er auch gegen die Ansicht, dass der Landesherr an den Gütern seiner Unterthanen Eigenthum habe, >>wie etwa türkische und barbarische Herrschaften sich dergleichen anmassen.<< Es sei nichts, als »die hohe Botmässigkeit, was ihm über die Güter seiner Unterthanen zustehe.« Sehr beherzigenswerth ist auch, was er über die Besteuerung der Unterthanen sagt: »Die Steuern seynd Extraordinaranlagen und Einnahmen, welche ihrer rechten Art und Gelegenheit nach, freywillig und als gutherzige Beysteuern gereichet und dahero auch an etlichen Orten Bethen, das ist erbetene Einkünfte, anderswo auch Hülfen und Präsente genannt werden; denn es hat Gott Lob in Teutschland und den meisten christlichen Reichen, mit den Unterthanen diese Gelegenheit, dass dieselben nicht dörffen vor leibeigene Knechte gehalten und also nach des Eigenthumsherrn Willen mit ihrem Gut und Blut gebahret werden, als etwa bei barbarischen, unchristlichen tyrannischen Gewalten Gebrauch ist.« Wie ehrenwerth steht diese Gesinnung des praktischen deutschen Staatsmannes da gegen die damals übliche servile Schmeichelei der Hofpublicisten und der romanisirenden Theoretiker!

15) Längere Zeit wurde auch Conring als Verfasser dieser Schrift angesehen, Conringiana epistolica, Helmst. 1719, p. 92 und p. 98.

16) Geboren am 8. Januar 1632 zu Flöhe bei Chemnitz, Sohn eines Landpfarrers, studirte zu Leipzig und Jena. Unter dem weisen Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz wurde 1661 für ihn ein eigener Lehrstuhl für Natur- und Völkerrecht an der Universität zu Heidelberg gestiftet, der erste in Deutschland, 1670 folgte er einem Rufe nach Lund in Schweden, wo er seine berühmten Werke »de jure naturae et gentium« und »de officio hominis et civis« schrieb. Königl. schwedischer Historiograph, 1688 kur-brandenburgischer Geh. Rath zu Berlin, vom Könige von Schweden zum Freiherrn erhoben, † 1694. Abgesehen von der ältern Literatur, verdient ein geistvoller Aufsatz Bluntschli's im Staatsw. Bd. VIII. S. 425 über Pufendorf volle Berücksichtigung; von allgemeinem Standpunkte auch Julian Schmidt, Geschichte des geistigen Lebens in Deutschland, B. I. S. 131 ff., und Hermann Hettner, Literaturgeschichte des XVIII. Jahrhunderts, III. Theil, S. 83–90.

System des deutschen Staatsrechts.

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den Banden der Theologie und Scholastik. Hier kommt dieser hervorragende Denker nur so weit in Betracht, als er in der eben genannten Schrift seine Kräfte auch dem positiven deutschen Staatsrechte zugewendet hat. Seine Untersuchung über Form und Wesen des deutschen Reiches ist ein staatsmännisches Meisterstück. Im ersten Kapitel behandelt er den Ursprung des deutschen Reiches, wobei er die alten Phantasien von der translatio imperii widerlegt, im zweiten Kapitel werden die Reichsstände aufgeführt, welche die einzelnen Theile des Reiches als Landesherren regieren. Das Haus Oesterreich betrachtet er bereits, als völlig vom Reiche losgelöst, nur durch die rechtlich zufällige Innehabung der Kaiserkrone mit demselben persönlich verbunden "7. Im dritten Kapitel handelt er von der geschichtlichen Entstehung des deutschen Fürstenthums, im vierten von dem Reichsoberhaupte und seiner Wahl durch die Kurfürsten, im fünften über die beschränkte Macht des Kaisers, im sechsten von der Form des deutschen Reiches. Pufendorf stellt hier die Behauptung auf, dass die einzelnen Fürstenthümer sich wohl als eine Anzahl beschränkter Monarchien, die Reichsstädte als Aristokratien oder Demokratien betrachten liessen, dass aber das Reich selbst sich in die aristotelischen Kategorien der Staatsformen nicht einordnen lasse. Es sei keine wahre Aristokratie, da der Kaiser sich doch nicht als Unterthan der Reichsstände ansehen lasse, aber auch keine wahre Monarchie, weil die Reichsstände in allen wesentlichen Beziehungen vom Kaiser unabhängig seien und in ihren Ländern wie selbstständige Obrigkeiten regierten, die Verfassung des Reiches sei etwas Unregelmässiges, geradezu ein Monstrum; es sei ein Zustand, welcher zwischen dem äussern Scheine der Monarchie und dem Bunde selbstständiger Staaten hin- und herschwanke, aber sich mehr und mehr dem Staatenbunde nähere 18. In der Be

17) II., 1.: »De talibus sibi prospexere privilegiis, ut ubi alterius imperatoris auctoritatem agnoscere displiceat, statim dicere possint, sibi cum Germanico imperio nihil negocii esse, suas ditiones separatam efficere civitatem. «

18) VI., §. 9.: »Germaniam esse irregulare aliquod corpus, cujus simile puto in toto terrarum orbe non exstat, quod lapsu temporum, e regno regulari in tam male concinnatam formam est provolutum, ut neque regnum etiam limitatum amplius sit (liceat exteriora simulacra tale quid prae se ferant) neque exacte corpus aliquod aut systema plurium civitatum foedere nexarum, sed potius aliquid inter haec duo velut interjectum et fluctuans ad foederatorum aliquod systema ultro vergit.«

urtheilung der Krankheiten des deutschen Reichskörpers, welcher alle Nachtheile einer schlecht organisirten Monarchie und eines verworrenen Bundessystems vereinige (Kap. VII.), wie in der Angabe der anzuwendenden Mittel, offenbart Pufendorf einen wahrhaft staatsmännischen, ja fast prophetischen Geist.

Auch der grosse Leibnitz 19 versuchte sich unter dem Namen Caesarinus Fürsten erius auf dem Gebiete des deutschen Staatsrechts, indem er 1677 eine Abhandlung herausgab: » de jure suprematus ac legationis principum Germaniae sive de imperatoris Romani majestate ejusque prae ceteris regibus praerogativa, de electorum principumque Germaniae eminentia, nec non de territorii et jurisdictionis differentia.« Dieses gewandt geschriebene Buch sucht im Interesse der grössern Reichsfürsten, besonders des damals noch herzoglichen Hauses Braunschweig-Lüneburg, nachzuweisen, dass Kurfürsten sowohl wie andere deutsche Reichsfürsten das Recht hätten, zu internationalen Congressen (wie damals zu Nimwegen) Ambassadeure oder Gesandte ersten Ranges abzuschicken. Zu diesem Zwecke führt er ein ganz neues, vielfach auf Hypothesen beruhendes Lehrgebäude des deutschen Staatsrechts auf. Er unterscheidet nämlich noch von der gewöhnlichen Landeshoheit, superioritas territorialis, welche alle Reichsstände miteinander gemein hätten, die Souveräne tät oder den s. g. suprematus tamquam

19) Gottfried Wilhelm Leibnitz war geboren zu Leipzig 1646, studirte zu Leipzig und Jena Jurisprudenz, Philosophie und Mathematik, trat mit dem kur-mainzischen Minister von Boineburg in Verbindung und in kurmainzische Dienste, kam 1676 als Hofrath und Bibliothekar nach Hannover, wurde 1696 Geh. Justizrath, machte viele Reisen in England, Frankreich, Italien für wissenschaftliche und politische Zwecke, half die Akademie der Wissenschaften in Berlin errichten, wurde kaiserlicher Reichshofrath und Freiherr, † 1716. Die allseitigen Leistungen dieses umfassenden Genies kommen hier nicht in Betracht. Auf dem Gebiete des Staatsrechts hat Leibnitz, ausser dem oben genannten Werke, noch viele Staats schriften in den wichtigsten europäischen Angelegenheiten verfasst, so z. B. Deduktionen >> über die neue preussische Königskrone«, eine Denkschrift über die Anrechte des preussischen Königshauses auf die oranische Erbschaft 1702, auf das Fürstenthum Neuenburg 1707.

Näheres über das Leben von Leibnitz bei G. E. Guhrauer, Gottfried Wilhelm von Leibnitz, Breslau 1842, 2 Bde. Ausgabe der Leibnitz'schen Werke von Dutens, Genf 1768, 6 Bde., die juristischen Schriften finden sich im IV. Bande. Die Werke von Leibnitz, gemäss seinem handschriftlichen Nachlasse in der königl. Bibliothek zu Hannover von Onno Klopp. Erste Reihe, historische, politische und staatswissenschaftliche Schriften. Hannover, I. und II. Bd. 1864. Aufsatz über Leibnitz im Staatswörterbuche von Prantl, B. VI. S. 411. Hermann Hettner, Literaturgesch., Th. III. S. 115.

jus educendi militem et participandi negotia publica Europae. Diesen Supremat hätten nur solche Stände, die Kriegsvölker ins Feld stellen und an europäischen Staatshändeln theilnehmen könnten, die dann aber auch alle Vorrechte mit den andern europäischen Mächten gemein hätten 20. Zwischen Königen, Kurfürsten und alten Fürsten sei in Ansehung des suprematus kein Unterschied. Er sucht dabei die kaiserliche Oberhoheit mit der Souveränetät der Fürsten zu vereinbaren (darum nennt er sich Caesarinus Fürstenerius), indem er behauptet, dass der Reichsverband nur eine Union sei, durch welche der suprematus so wenig gehindert werde, dass auch die Verbindlichkeiten, die die Fürsten gegen das Reich hätten, der Souveränetät keinen Abbruch thäten. » Quid aliud enim imperium nostrum est, quam perpetuum sub unius capitis majestate, foedus aequissimis legibus initum ? «

Das Werk von Leibnitz, kurz nacheinander fünfmal aufgelegt, wirkte mehr aufregend und streitentzündend, als aufbauend und fortbildend, weil es an die Stelle fester staatsrechtlicher Grundsätze vielfach politische Convenienz, an die Stelle geschichtlicher Wahrheiten geistreiche Hypothesen setzte.

Seit dem westphälischen Frieden, noch mehr seit der Regierung Kaiser Leopold's I. und der seitdem thatsächlich permanent gewordenen Reichsversammlung, beginnt die Literatur des deutschen Staatsrechts so an Breite und Ausdehnung zu gewinnen, dass selbst hervorragende Schriftsteller nur beim Namen genannt, nicht im einzelnen weiter charakterisirt werden können. Im ganzen herrscht auch in der Behandlungsweise des deutschen Staatsrechts, von Conring etwa bis auf Cocceji, eine grosse Gleichförmigkeit, wenn auch die Confession, das amtliche Verhältniss, die Landesangehörigkeit einen gewissen Einfluss auf die Richtung hat, und man darnach wohl Cäsarianer, Kurfürstenianer und Fürstenianer unterscheiden kann.

Ausser den genannten epochemachenden Geistern dieser Zeit

20) Leibnitz nimmt 3 Klassen von Obrigkeiten an: 1. dominusjurisdictionis est, qui habet potestatem coërcendi privatos (der blosse Grund- und Gerichtsherr); 2. dominus territorii vero etiam totam communitatem militari manu in officio continere potest; tametsi autem quaedam in territorio jura vel regalia alteri reservata, nihilominus manet superioritas territorialis (der gewöhnliche kleine deutsche Reichsstand und Landesherr); 3. Quod si territorium tam sit amplum aut potens, ut aliquid momenti conferat ad rerum summam, suprematus a me vocatur et qui eum tenent » Souverains vel Potentats«.

zeichneten sich vom westphälischen Frieden an bis zum Anfange des XVIII. Jahrhunderts etwa folgende Männer auf dem Gebiete des Staatsrechts aus:

Nicolaus Myler von Ehrenbach 21, David Mevius 22, Ahasverus Fritsch 23, Johann Heinrich Boecler 24, Johann Friedrich Rhetz 25, Johann Georg Kulpis 26, Johann Nicolaus

21) Geboren 1610 zu Aurach in Würtemberg, Professor des Staatsrechts in Tübingen, herzoglicher Gesandter in vielen wichtigen Staatssachen, 1661 vom Kaiser geadelt, † 1677. Seine Hauptwerke sind ein ausführlicher Traktat de principibus et statibus imperii, ausserdem viel einzelne Abhandlungen, die bestimmt waren, ein grösseres Werk de jure publico zu bilden, 1. archologia s. principum et statuum prisca origine, 2. nomologia, 3. etologia, 4. gamologia, 5. metrologia, 6. asylologia, 7. hyparchologia, 8. stratologia. Viel Gelehrsamkeit, aber auch noch viel verkehrte Anwendung des römischen Rechts.

22) Geboren 1609 zu Greifswald, Professor zu Greifswald, Syndikus zu Stralsund, Vicepräsident zu Wismar, vielfach von der Krone Schweden zu Gesandtschaften gebraucht, † 1670. Seine berühmten Decisiones tribunalis Wismariensis, in 9 Theilen 1664-1681 erschienen, enthalten auch viel Staatsrechtliches. Ausserdem erschienen von ihm noch einzelne publicistische Abhandlungen vom Steuerwesen 1641, von der Amnestie 1643 u. s. w.

23) Geboren zu Mügeln in Sachsen 1629, fürstlich schwarzburg - rudolstädtischer Kanzler, † 1701. Ahasveri Fritsch exercitationes juris publici, Rudolst. 1667; pars II. 1668, pars III. 1670, append. partis III. Gerae 1670, volumen novum, Francof. 1675, vol. novi pars II. Francof. et Lipsiae 1679. 4. Corpus juris venatorio-forestalis Romano-Germ. Rudolst. 1675, ed. II. cum praef. Sam. Stryk, Lipsiae 1702. Fol.

24) Geboren 1611 in Franken, gefeierter Lehrer des Staatsrechts zu Strassburg, † 1675. Besonders berühmt geworden ist seine Notitia sacri Romani imperii, 1670, ein viel gebrauchtes Compendium des deutschen Staatsrechts. Ausserdem schrieb er Anmerkungen zu Grotius, Hippolithus und gegen das pfälzische Wildfangsrecht.

25) Gebürtig aus der Mark Brandenburg, seit 1660 Profess. der Rechte zu Frankf. a. d. O., seit 1683 Ordinarius der Juristenfakultät, zuletzt Staatsminister in Berlin. Joh. Frid. Rhetii disputationes juris publici undecim. Francof. ad Viadr. 1678. Institutiones juris publici Germanici Romani.

Francof. 1683, ed. II. 1698.

26) Geboren zu Alsfeld 1652, studirte zu Strassburg, promovirte zu Giessen, wurde 1683 Professor zu Strassburg, 1686 würtembergischer Oberrath, 1693 wirklicher Staatsminister, vom Kaiser geadelt 1694, würtembergischer Gesandter beim rysswickischen Friedenscongresse, † 1698. Zahlreiche staatsrechtliche Abhandlungen, z. B. de observantia imperii, 1685, de placitis ordinum imperii, 1686, de adoptionibus et emancipationibus principum, 1686. Sein bedeutendstes Werk ist aber: J. G. Sulpicii de studio juris publici recte instituendo et de scriptoribus eo pertinentibus, Stuttg. 1688, in verschiedenen Auflagen, zuletzt cum praef. J. G. Heineccii, 1739, der erste Versuch einer Literaturgeschichte des deutschen Staatsrechts. Jugler's Beiträge, B. I. S. 1.

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