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Quellen, besonders den Reichsgesetzen und neuern Reichsstaatsschriften, schöpft.

Für das deutsche Fürstenrecht sehr wichtig wurde das bekannte Werk: Nic. Betsii de statutis, pactis et consuetudinibus familiarum illustrium et nobilium, illis praesertim, quae jus primogeniturae concernunt, tractatus nomicopoliticus ad usum Germaniae potissimum accommodatus. 1611 (neue Auflage von Schilter, Strassb. 1699). Hier wurde zum erstenmal der Versuch gemacht, die Grundlage des ganzen Privatfürstenrechts, die Familienautonomie, wissenschaftlich zu erörtern, wenn auch dieser Versuch noch sehr mangelhaft ausfiel 13.

Trotz aller dieser einzelnen literarischen Versuche war bis jetzt auf den Universitäten fast nichts für die Kultur des deutschen Staatsrechts geschehen. Höchstens wurden bei der Erklärung der aristotelischen Politik oder gewisser Titel der Pandekten oder des Lehenrechts einzelne, ins Staatsrecht einschlagende Bemerkungen angebracht.

Der Universität Jena gebührt die Ehre, dass an ihr das deutsche Staatsrecht zuerst zu einer eigenen akademischen Vorlesung erhoben wurde, wodurch für die selbstständige Kultur dieser Wissenschaft viel gewonnen war.

Der akademische Lehrer, welcher an dieser Universität das deutsche Staatsrecht zuerst zu einer eigenen Vorlesung machte, ist Dominicus Arumäus 14, »der Stammvater akademischer Publicisten. Sein Hauptwerk besteht aus fünf Quartbänden und ist unter dem Titel: Discursus academici de jure publico. Jenae, 1616 bis 1623, erschienen 15. Es ist dies eigentlich eine Sammlung

13) Nach Betsius ist das jus condendi statuta ein Ausfluss der jurisdictio : »Familia illustris potest vi jurisdictionis consuetudinem introducere et statuta condere; pacta et statuta de mutua successione inter principes, comites et barones in usu sunt frequentes, consuetudine confirmata.« Alle pacta gentilicia bezwecken: »>conservationem agnationis et prosapiae ac defensionem subditorum «<, besonders die Primogeniturordnungen.

14) Geboren zu Leeuwarden in Friesland 1579, stammte aus dem adligen Geschlechte derer von Arum, studirte zu Franecker, Oxford und Rostock, wurde 1600 Doktor der Rechte, 1602 ausserordentlicher Professor, 1605 ordentlicher Professor der Rechte, 1634 Ordinarius der Juristenfakultät zu Jena, vielfach in Staatsgeschäften und Gesandtschaften gebraucht, † 1637. J. F. Jugler's Beiträge zur juristischen Biographie, I. Bd. I. Stück. No. VI. S. 235. J. Günther, Lebensskizzen der Professoren der Univ. Jena, S. 56. Pütter, I. S. 165.

15) Was A. ausserdem über die goldene Bulle und vom Reichstage ge

staatsrechtlicher Abhandlungen, die keineswegs alle von Arumäus selbst herrühren, sondern von verschiedenen Autoren, besonders als Disputationen von Respondenten, abgefasst und deshalb auch von sehr ungleichem Werthe sind. Ein systematisches Werk über Staatsrecht hat Arumäus nicht geschrieben. Sein Hauptverdienst besteht in der Anregung, die er vielen strebsamen jungen Gelehrten gab, sich mit staatsrechtlichen Fragen zu befassen. Während sich sonst der akademische Unterricht einseitig nur mit den Fragen des römischen Privatrechts beschäftigte, erweiterte sich durch Arumäus der Horizont des akademischen Studiums in grossartiger Weise, und die Universität wurde durch ihn zugleich von nun an zu einer höhern staatsmännischen Bildungsanstalt. Unter dem Einflusse von Arumäus ging von Jena eine publicistische Schule aus, welche zum erstenmal das Staatsrecht als eigene Disciplin systematisch behandelte. Unter seinen Schülern haben sich als Schriftsteller auf dem Gebiete des Staatsrechts hervorgethan:

1. Daniel Otto 16, dessen Inauguraldissertation de jure publico Romani imperii, Jen. 1616, als das erste Compendium des Staatsrechts angesehen zu werden pflegt.

2. Quirinus Cubach" gab 1617 ein Werk heraus, dessen vollständiger Titel so lautet: Jurisprudentiae Germano-publicae h. e. constitutionum imperii, ut constitutionis religiosae, aureae bullae, schrieben, wird gerühmt, ist mir aber nicht zugänglich gewesen. Ein genaues Inhaltsverzeichniss seines grossen Hauptwerks giebt Pütter a. a. O. S. 166.

16) Geboren zu Oehringen in Franken, studirte seit 1606 zu Jena, woselbst er 1616 Doktor der Rechte wurde. Sein Werk erlebte mehrere Auflagen. Allerdings findet sich auch noch bei Otto das ganze unnöthige Gerede von den 4 Monarchien, der translatio imperii u. s. w. Doch hat er über die staatsrechtliche Form des deutschen Reiches richtige Ansichten: »imperium nostrum Romanogermanicum est monarchicum aristocratice temperatum non tamen tanta est ordinum potestas, ut caesareae majestatis sit aequalis, neque omnia majestatis jura statibus sunt communicata, sed quaedam capita sunt reservata.<< Gegen Bodin, der den monarchischen Charakter des deutschen Reiches bestreitet, bemerkt er sehr treffend: »Dann seien alle christliche Könige keine wahren Monarchen; denn alle seien durch ständische Rechte beschränkt, auch der König von Frankreich. Das Wesen der Monarchie sei nicht Willkühr und Schrankenlosigkeit.<<

17) Geb. 1589 zu Rossla an der Ilm in Thüringen (nach andern in Darnstedt im weimarischen Amte Apolda), studirte zu Jena und Helmstädt, wurde 1619 Professor der Geschichte zu Jena, † daselbst 1624. Chr. G. Jöcher Gelehrtenlex. B. I. S. 2239. J. Günther, Lebensskizzen der Professoren von Jena, 1858. S. 176.

ordinationis camerae, constitutionum de arrestis, oppignorationibus, pace publica etc. compendiose et methodice digestarum liber I. et II. Erfordiae 1617. Das erste Buch handelt nur von Religionssachen, das zweite de statu politico 18.

3. Georg Brautlacht, ein Westphale, welcher eine Zeitlang zu Jena docirte, gab 1620 eine epitome jurisprudentiae publicae in acht Büchern heraus 19. Dieser Grundriss des deutschen Staatsrechts übertrifft durch Methode und System die frühern derartigen Arbeiten.

4. Unzweifelhaft der bedeutendste Schüler des Arumäus ist der berühmte Johann Limnäus 20, »der Patriarch und Erzvater,

18) Cubach zeichnet die Methode der Forschung richtig vor: »>Quapropter ne constitutionem et administrationem imperii nostri platonice h. e. in idea et sine re praesenti tradam, sed ex ipsis imperii fundamentalibus legibus, ut aurea bulla, ordinatione camerae et aliis recessibus, vel scriptoribus, qui negotiis regni diu interfuerunt, arguam etc.«

19) Er sagt von seinem Werke: »Omnes materias, quae sub jurisprudentiae publicae jamjam renascentis nomine et methodo pertractandae sunt, in unum fasciculum collegi, quod antehac a nemine plenissime effectum.« Er scheidet richtig die Obergewalt des Kaisers von der subordinirten der Landesherren: »politica potestas duplex, alia imperii, summa sive superior, alia inferior superiori subjecta.« Aber auch die höchste Gewalt ist eine »restricta et limitata potestas. Der Kaiser ist nur in sehr uneigentlichem Sinne als legibus absolutus zu betrachten, »Libera potestas, quae numquam imperatoribus nostris competiisse videtur, nec etiam hodie Christianis regibus usitata.« Nach seiner Auffassung ist die Landeshoheit, »superioritas territorialis«, ein Institut, »jure civili scripto incognitum, consuetudine Germaniae introductum ;« er definirt sie: »hanc nuncupo principum, statuum et quorundam imperio immediate subjectorum, plenariam et omnimodam, imperio tamen et imperatori subjectam potestatem.« Die Landeshoheit ruht auf dem Territorium, »radicatur in territorio, sine quo esse et consistere non potest.« Bei der Erwerbung der Staatsgewalt handelt er nicht nur die Kaiserwahl, sondern auch das fürstliche Successionsrecht ab. Auch das Verwaltungs- und Kriegsrecht wird in aller Kürze besprochen.

20) Geboren 1592 zu Jena, wo sein Vater Professor der Mathematik war, studirte zu Jena unter Arumäus, dann zu Altorf unter Scipio Gentilis, hielt seit 1622 eine Zeitlang Vorlesungen zu Jena, machte dann, als Hofmeister verschiedener Prinzen und Edelleute, jahrelange Reisen durch den grössten Theil von Europa, wurde 1639 markgräflich Brandenburg-Anspachischer Geheimer Rath und Kanzler und diente diesem Fürstenhause in den wichtigsten Staatsgeschäften bis an seinen Tod, 1663. Jugler's Beiträge, II. Bd. I. Stück. S. 141-154. Pütter a. a. O. S. 194 ff., wo auch die ansprechende Charakteristik des Limnäus von J. S. Strebel mitgetheilt ist. Limnäus tritt als eifriger Verfechter publicistischer Studien auf: »Non me fugit, vivere nonnullos in puerili ista haeresi, studiosis juris, tanquam sirenes avocatorias, fugiendos omnium maxime juris publici commentarios, in privatum jus incumbendum unice . . Ad perfectionem autem jurisconsulti virique politici non sola juris privati scientia

auch das oraculum in jure publico « genannt. Sein Hauptwerk ist : Juris publici imperii Romano-Germanici libri IX. in drei Quartbänden, Strassburg, 1629-1633. Von diesem umfassenden Werke erschienen 1645 und 1657 neue Auflagen. Darauf folgte 1650 ein Band Zusätze, Tomus IV. Juris publici additionum ad priores I., und 1660 ein zweiter Band, Tomus V. add. ad priores II. Dazu fügte der schwarzburgische Kanzler Ahasverus Fritsch 1680 Additionum ad jus publicum Joh. Limnaei tomum novum ac tertium cum adnotamentis ad instrumentum pacis Osnabrugo-Monasteriensis. Eine neue Ausgabe der drei ersten Bände wurde 1699 von Schilter zu Strassburg veranstaltet.

Das Werk von Limnäus fand, als das erste umfassende System des deutschen Staatsrechts, grossen Beifall. Limnäus lieferte damit zum erstenmal eine Handbibliothek der ganzen Wissenschaft. »>Durch ihn wurde Deutschland den Deutschen erst

sufficiens est; multa requiruntur alia, si quis digne utriusque juris munus sustinere voluerit. Quos si tantum privati juris heluones fingamus, quis ambiget eos aeque ac si in alienum terrarum orbem delati essent, tunc non habere, quo pedem certo figant. Ego adolescentes existimo in scholis tam in jure privato, quam in publico exercendos aeque ac junctim esse, ut sive ad hanc sive ad illam abeant functionem parati veniant, nec ut asinus ad lyram!« (Auch für die Gegenwart beherzigenswerthe Worte. Er bezeugt, dass damals an vielen Universitäten staatsrechtliche Vorlesungen im Gange waren. » Hodie in aliquam multis imperii nostri academiis juris publici professores docere novimus feliciter. Quorum ego exemplo incitatus, praesertim vero Dn. Dominici Arumaei, quem Jenae primum in hoc studio praeceptorem habui, coepi in eadem academia et legendo et disputando hac in re ingenii mei explorare vires.« »Nunc vero singulari Dei gratia jus publicum majestati suae redditum, in dies splendorem debitum recepit et non absque utilitate et jucunditate, publicis in academiis passim traditur et excolitur.« Er dringt darauf: »dass ipsa Reipublicae germanicae forma nicht aus den lateinischen Rechten, oder Bartolo und Baldo, sondern vielmehr aus des Reichs löblichem Herkommen und daher rührenden alten Verfassungen, aus der Goldenen Bull, Kaiserlichen Capitulationen, des Reichs Abschied und Constitutionen zu nehmen sei. Die Form des Reiches erklärt er für eine gemischte: »imperium mixtum ex monarchia et aristocratia arbitramur, ita tamen, ut aristocratiae lumen clarius apparere statuamus.« Der Kaiser ist keineswegs in jeder Beziehung legibus absolutus, vor allem ist er an die Grundgesetze des Reiches gebunden: »Imperium nostrum suas habet leges fundamentales, ita dictas, quod his, ceu fundamentis, nitatur, per eas consistat, floreat, vigeat etc.« Das Staatsrecht des Limnäus zerfällt in 9 Bücher, das erste bespricht die allgemeinen Lehren, das zweite den Kaiser, das dritte die Kurfürsten, das vierte die Fürsten und sonstigen Reichsstände, das fünfte handelt von den erlauchten Familien und ihrer Genealogie, das sechste vom Adel und den Rittern, das siebente von den Städten, das achte von den Universitäten, das neunte von dem Reichstage, den Reichsgerichten u. s. w.

bekannt gemacht.« Bis zu den Zeiten Moser's behauptete sich dieses Werk in den Händen der Staatsmänner und Juristen. Ausser diesem Hauptwerke gehören von den Schriften des Limnäus noch hierher seine »observationes in auream bullam Caroli IV.« 1662 und seine Ausgabe der kaiserlichen Wahlcapitulationen von Karl V. bis auf Ferdinand III., mit lateinischen Bemerkungen, 1651. Auch diese beiden Schriften sind in mehreren Auflagen erschienen.

Minder bedeutend, aber doch nennenswerth, sind aus dieser Zeit noch folgende Schriftsteller: Christoph Besold 21, Caspar Klock 22, Jacob Lampadius 23 und Theodor Reinkingk 24. Letzterer machte sich besonders dadurch bemerklich, dass er die Staatsform des deutschen Reiches, im Gegensatze zu den übrigen Publicisten, für eine rein monarchische erklärte. Diese Lehre Reinkingk's rief in der folgenden Periode den heftigsten Widerspruch hervor.

§. 19.

III. Von Hermann Conring bis auf Johann Jacob Moser.

(Tiefere geschichtliche Begründung des deutschen Staatsrechts, jedoch mannigfach getrübt durch Hypothesensucht.)

Schon bei den spätern Schriftstellern der vorigen Periode zeigt sich ein Bestreben, die wirklich gegebenen deutschen Staatsverhältnisse gründlich zu erforschen und wissenschaftlich zu be

21) Geboren zu Tübingen 1577, studirte daselbst, wurde Advocat und 1610 Professor der Rechte ebendaselbst, 1635 österr. Regimentsrath und zuletzt Professor zu Ingolstadt, † 1638. Jugler's Beiträge, I. B. I. St. S. 82, wo ein Verzeichniss seiner zahlreichen politischen und staatsrechtlichen Schriften sich befindet.

22) Geboren zu Soest 1583, studirte zu Marburg; Kanzler zu Stolberg, Syndikus zu Braunschweig, Kanzler zu Minden und Hildesheim, † 1655.

23) Geboren 1593 zu Lauenstein im Herzogth. Braunschweig (hiess eigentl. Lampe), studirte zu Helmstädt, Marburg, Giessen, Heidelberg, wurde Docent zu Heidelberg, Geh. Rath und Vicekanzler zu Wolfenbüttel, vom dortigen Hofe viel in Gesandtschaften gebraucht, besonders beim westphälischen Friedenscongresse, † zu Münster 1649.

24) Geboren in Kurland 1590, studirte zu Köln und Marburg, wurde Lehrer der Rechte zu Giessen, Vicekanzler des Landgrafen von Hessen-Darmstadt, kam dann in mecklenburgische und bremische Dienste, wurde 1636 holsteinscher Kanzler und geadelt, † 1664 zu Glückstadt. Sein tractatus de regimine seculari et ecclesiastico exhibens brevem et methodicam juris publici delineationem erschien zum erstenmal zu Giessen 1616 und dann später in vielen Auflagen. Von der 5. Auflage an sind die Veränderungen des westph. Friedens eingerückt.

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