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renzen vom 7. Februar, worin einige Regierungen Erklärungen über ihre Stellung zu dem bereits allseitig genehmigten. Entwurfe der Bundesverfassung abgaben. Bei weitem die meisten dieser Erklärungen sind dazu bestimmt, gewisse Partikularinteressen der betreffenden Staaten zu wahren; besondere Berücksichtigung seiner eigenthümlichen Verhältnisse forderte Hessen-Darmstadt, indem dasselbe durch nur theilweise Hereinziehung seines Gebietes in den norddeutschen Bund allerdings in eine schwierige Lage gerathen war, Mecklenburg reservirte sich eine Entschädigung für seinen Verzicht auf die Einnahme aus den Elbzöllen, fiir das Wegfallen des Transitzolles u. s. w., und machte für seinen Eintritt in den Zollverein als Voraussetzung geltend, dass das in seinem mit Frankreich im J. 1865 geschlossenen Handelsvertrage liegende Hinderniss vorher beseitigt werde; einige der kleinern Staaten, wie Schwarzburg, Reuss j. L. und Lippe, sprachen den Wunsch aus, dass bei der Ausführung der neuen Militärorganisation auf die Leistungsfähigkeit der kleinern Staaten billige Rücksicht genommen werde; eine ganze Reihe von Wünschen und Voraussetzungen gab Hamburg zu Protokoll, welche sich besonders auf die Annahme der neuen Bundesflagge und das Bundeskonsulatwesen bezogen. Von staatsrechtlichem Standpunkte am interessantesten sind indessen die Erklärungen von Oldenburg und Sachsen-Coburg-Gotha. Der oldenburgische Bevollmächtigte erklärte zur Vollziehung des Protokolls ermächtigt zu sein: »wenn gleich verschiedene von der grossherzoglichen Regierung bei den Berathungen wiederholt geltend gemachte Bedenken in Betreff wesentlicher Punkte, namentlich sofern sie sich auf die Ergänzung der Vertretung der Nation durch ein aus geeigneten Elementen zu bildendes Oberhaus unter entsprechender Beschränkung der Kompetenz des Bundesraths und Einsetzung eines Bundesministeriums, auf die Errichtung eines Bundesgerichts, auf die Vereinbarung eines Etats für die Militärausgaben an Stelle der im Entwurfe geforderten Pauschsumme und auf eine in näherem Anschlusse an die Principien des Art. 26 der Wiener Schluss-Akte veränderte Fassung des Art. 65 beziehen, zu seinem Bedauern bei der schlüssigen Redaktion des Entwurfes keine Berücksichtigung gefunden haben. «

Der Sachsen-Coburg-Gothaische Bevollmächtigte sprach sich im Namen seiner Regierung dahin aus: » die herzogliche Regie

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rung begrüsst mit lebhafter Freude die feste Einigung und die dadurch bedingte Machtverstärkung, welche die durchberathene Verfassung, wenn auch zunächst nur den nördlichen Staaten Deutschlands gewährt; sie erkennt in der ausschliesslichen Uebertragung der Präsidialbefugnisse an die grösste deutsche Macht die Garantie für die gedeihliche Entwickelung der neuen Bundesverhältnisse und würde ihrerseits einer noch weiteren Ausdehnung dieser Befugnisse bis zur Schaffung einer einheitlichen Centralgewalt gern ihre Zustimmung ertheilt und ein ge nügendes Aequivalent für die grösseren Opfer von Souveränetätsrechten darin gefunden haben, wenn einem mit den wesentlich konstitutionellen Rechten ausgestatteten Reichstage ein gleich berechtigtes Fürstenhaus an die Seite gestellt worden wäre. «

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Schliesslich hielt sich der preussische Bevollmächtigte für verpflichtet, darauf hinzuweisen: » dass die im Schlussprotokolle niedergelegten verschiedenen Erklärungen und Voraussetzungen einer Anzahl von Bevollmächtigten der mit Preussen verbündeten Regierungen nicht dazu angethan und bestimmt sein könnten, dasjenige Einverständniss abzuschwächen, welches von sämmtlichen Bevollmächtigten dahin erklärt worden ist, dass der in amendirter Form definitiv festgestellte Verfassungsentwurf, Namens der Gesammtheit der in der Konferenz vertretenen Regierungen, durch die Krone Preussen dem Reichstage vorgelegt werde. «<

Schon am 18. Januar war auf Preussens Antrag einstimmig folgender, für die formelle Geschäftsbehandlung wichtiger Beschluss gefasst worden:

» In Erwägung,

dass die wünschenswerthe Förderung des Verfassungswerkes eine einheitliche Vertretung der hohen verbündeten Regierungen gegenüber der gemeinschaftlich einzuberufenden Volksvertretung erheischt,

übertragen die in der Konferenz vereinigten Bevollmächtigten der Krone Preussen ad hoc die in den Artikeln 14 und 25 des von der Krone Preussen vorgelegten Verfassungsentwurfes :

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» Dem Präsidium steht es zu, den Bundesrath und den Reichsrath zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu schliessen.«

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Die Legislaturperiode des Reichstages dauert drei Jahre. Zur Auflösung des Reichstages während derselben ist ein Beschluss des Bundesraths unter Zustimmung des Präsidiums erforderlich darlund. Mokrý att.

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bezeichneten, dem Präsidium sowohl wie dem Bundesrathe eingeräumten Befugnisse, soweit sich dieselben auf den Reichstag beziehen und ermächtigen die Krone Preussen, dem Reichstage den Verfassungsentwurf, über den die verbündeten Regierungen sich geeinigt haben werden, vorzulegen und für dessen Vertretung, dem Reichstage gegenüber, die nöthige Vorsorge zu treffen. «

Nachdem so alle materiell und formell vorbereitenden nothwendigen Schritte gethan waren, erfolgten am 12. Februar die Reichstagswahlen in dem ganzen Gebiete des norddeutschen Bundes, worauf der König von Preussen, kraft der ihm ertheilten Rechtsbefugnisse durch ein am 13. Februar unterzeichnetes, am 14. publicirtes Patent, den Reichstag für den 24. Februar nach Berlin einberief.

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Zweiter Abschnitt.

Der erste Reichstag des norddeutschen Bundes1 vom 24. Februar bis 17. April 1867.

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Am 24. Februar 1867 eröffnete Seine Majestät der König von Preussen den ersten Reichstag des norddeutschen Bundes im

1) Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages des nordd. Bundes im J. 1867. I. Bd., II. Bd. Anlagen zu den Verhandlungen. Berlin 1867. Eine gute Zusammenstellung der Aktenstücke giebt: der norddeutsche Bund in seiner bisherigen Entwickelung und die Bündnissverträge mit den süddeutschen Staaten. Ein Handbuch für Landtagsmitglieder wie Zeitungsleser. Berlin 1867. »>Für die Verfassung des norddeutschen Bundes«<, ein Rechenschaftsbericht von Dr. Braun- Wiesbaden, Wiesbaden 1867. Bericht des Präsidenten Dr. Lette an seinen Wahlkreis. Berlin 1867. Die bundesstaatlich - konstitutionelle Fraktion auf dem Reichstage des norddeutschen Bundes von Ehrenreich Eichholz. Hannover 1867. Vergleiche auch die trefflichen »politischen Korrespondenzen« der preussischen Jahrbücher im März- und April hefte des J. 1867.

weissen Saale zu Berlin. Nachdem das Erhebende des grossen Moments gebührend betont worden war, charakterisirte die Eröffnungsrede den Weg und die Ziele des neuen Einigungsversuches in folgender Weise: »Niemals hat die Sehnsucht des deutschen Volkes nach seinen verlorenen Gütern aufgehört und die Geschichte unserer Zeit ist erfüllt von den Bestrebungen, Deutschland und dem deutschen Volke die Grösse seiner Vergangenheit wiederzuerringen. In diesem Sinne haben die verbündeten Regierungen, im Anschlusse an gewohnte frühere Verhältnisse sich über eine Anzahl bestimmter und begrenzter, aber praktisch bedeutsamer Einrichtungen verständigt, welche ebenso im Bereiche der unmittelbaren Möglichkeit, wie des zweifellosen Bedürfnisses liegen. Der vorzulegende Verfassungsentwurf muthet der Selbstständigkeit der Einzelstaaten zu Gunsten der Gesammtheit nur diejenigen Opfer zu, welche unentbehrlich sind, um den Frieden zu schützen, die Sicherheit des Bundesgebietes und die Wohlfahrt seiner Bewohner zu gewährleisten. Je mehr Sie, meine Herren, sich diese Schwierigkeiten vergegenwärtigen, um so vorsichtiger werden Sie bei Prüfung des Verfassungsentwurfes die schwer wiegende Verantwortung für die Gefahren im Auge behalten, welche für die friedliche und gesetzmässige Durchführung des begonnenen Werks entstehen könnten, wenn das für die jetzige Vorlage hergestellte Einverständniss der Regierungen für die vom Reichstage begehrten Aenderungen nicht wieder gewonnen würde. Heute kommt es vor allem darauf an, den günstigen Moment zur Errichtung des Gebäudes nicht zu versäumen; der vollendete Ausbau desselben kann alsdann getrost dem fernern vereinten Wirken der deutschen Fürsten und Volksstämme überlassen bleiben. «

§. 131.

Vorbereitende Geschäfte des Reichstages.

Am 25. Februar fand die erste Sitzung und vorläufige Konstituirung des Reichstages statt. In den folgenden Sitzungen wurden Wahlprüfungen, in der Sitzung vom 2. März die Wahl der Präsidenten und Schriftführer vorgenommen. Am 4. März legte Graf Bismarck, als Präsident der Bundeskommissare, den Verfassungsentwurf vor. Am 6. März wurde die Geschäftsordnung des preussischen Abgeordnetenhauses definitiv angenommen und der

Beschluss gefasst, dass die Vorlage der verbündeten Regierungen, ohne weitere Vorbereitung durch eine Kommission, sogleich einer Vorberathung im ganzen Hause und dann einer Schlussberathung unterzogen werden sollte. So konnte das Haus bereits am 9. März in die allgemeine Diskussion der Regierungsvorlage eintreten.

§. 132.

Allgemeiner Charakter des Regierungsentwurfes.

Der am 4. März dem Reichstage vorgelegte Entwurf wich von allen bisherigen deutschen und ausserdeutschen Verfassungen in auffallender Weise ab. Von einem planvoll durchdachten Systeme, von einer Feststellung allgemeiner Principien war keine Rede. Man suchte darin vieles vergeblich, was man in einer Verfassung zu finden gewohnt war und fand manches, was durchaus in keine Verfassungsurkunde, sondern lediglich in die Specialgesetzgebung, zu gehören schien. Man hatte einen Verfassungsentwurf aus einheitlichem Gusse erwartet und erhielt dafür ein Aggregat scheinbar willkürlicher und unzusammenhängender Einzelbestimmungen. Es ist daher nicht zu verwundern, dass der Entwurf bei seinem ersten Bekanntwerden eine gewisse Enttäuschung hervorrief, dass er keines der theoretischen Ideale befriedigte, welche man sich von einer deutschen Gesammtverfassung gebildet hatte. Erst bei näherer Betrachtung trat aus der rauhen Schale der gesunde Kern hervor; wenigstens wurde dem geübten politischen Blicke klar, dass der Entwurf aus keinen abstrakten Postulaten und theoretischen Schulbegriffen, sondern aus den realen Zuständen und praktischen Bedürfnissen der Gegenwart hervorgewachsen, dass er das Resultat der gegebenen konkreten Staatsverhältnisse sei, wie sie nach dem grossen Kriege in Deutschland thatsächlich vorlagen.

Allerdings stand Preussen im Sommer 1866 so mächtig da, wie nie zuvor. Durch Einverleibung der eroberten Länder war es zu einer festgeschlossenen Territorialmacht in Norddeutschland herangewachsen, welche nur noch durch kleine Enklaven durchbrochen wurde; dennoch waren ihm bei Verfolgung seiner Hauptaufgabe, der Neugestaltung Deutschlands, bestimmte Linien vorgezeichnet, die es nicht willkürlich überschreiten durfte. Zunächst hatte Preussen sich vertragsmässig gebunden, sein Einigungswerk

System des deutschen Staatsrechts.

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