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Ausserdem bestimmt Art. V.: »dass die Bundesstaaten ein gemeinsames und einheitliches Zoll- und Handelsgebiet bilden sollen.« Während so die Kompetenz der Bundesgewalt ziemlich genau umschrieben ist, bleibt die Art der Umgestaltung des bisherigen Bundesorgans der Vereinbarung mit dem einzuberufenden Parlamente überlassen. Bis diese Umgestaltung des Bundestags vollzogen sein wird, soll das Stimmenverhältniss vorläufig in Kraft bleiben, welches für die Mitglieder des Bundes auf dem bisherigen Bundestage gültig war.

Der Bundesgewalt wird in Art VII. das Recht beigelegt, Krieg zu erklären und Frieden sowie Bündnisse und Verträge zu schliessen, in völkerrechtlicher Vertretung des Bundes Gesandte zu ernennen und zu empfangen.

Als eine wichtige Abweichung vom früheren Bundesrechte ist die Bestimmung zu betrachten, dass künftighin zu einer Kriegserklärung, abgesehen von dem Falle einer feindlichen Invasion des Bundesgebietes, die Zustimmung der Souveräne von mindestens der Bevölkerung des Bundesgebietes erforderlich sein soll. Es zeigt sich hierin die schon oft ausgesprochene allgemeine Tendenz Preussens, das Stimmengewicht mehr den realen Machtverhältnissen anzupassen, als dies bisher der Fall war, und zugleich die specielle Absicht, sich gegen eine etwaige Majorität am Bundestage zu schützen, welche Preussen, wie es im Jahre 1859 nahezu der Fall gewesen war, in einen, seinen und Deutschlands Interessen zuwiderlaufenden Krieg einmal hineindrängen könnte.

Am ausführlichsten geht der Entwurf auf Marine und Heeresorganisation ein. Es soll eine einheitliche Kriegsmarine unter preussischem Oberbefehle errichtet werden, der Kieler Hafen und der Jahdebusen sollen Bundeskriegshäfen werden; als Massstab der Beiträge zur Gründung und Erhaltung der Kriegsmarine und der damit zusammenhängenden Anstalten dient im allgemeinen die Bevölkerung >> unter Feststellung eines Präcipuums zu den Lasten der Uferstaaten und der Hansestädte nach Massgabe des Lastengehaltes der Handelsmarine der einzelnen Staaten «. Nach diesen Grundsätzen soll ein Marinebudget vereinbart werden.

Während so der Oberbefehl über die neu zu schaffende Marine ein einheitlicher ist, soll die gesammte Landmacht des Bundes in zwei Bundesheere eingetheilt werden, die Nord- und die Südarmee,

über jene soll der König von Preussen, über diese der König von Bayern, in Krieg und Frieden, den Oberbefehl führen. Die beiden Oberfeldherren der Landmacht haben innerhalb der von ihnen befehligten Armee für Vollzähligkeit und Kriegstüchtigkeit ihrer Kontingente Sorge zu tragen. Diejenigen Kommandos, unter welchen mehr als ein Kontingent steht, besetzt der Oberfeldherr ; auch hat dieser das Recht, in den, nach seiner Ueberzeugung dringenden Fällen die kriegsbereite Aufstellung jedes Theiles der von ihm befehligten Bundesarmee innerhalb des Gebietes der letzteren, vorbehaltlich späterer Genehmigung durch Bundesbeschluss, anzuordnen.

Für jedes der Bundesheere wird ein gemeinschaftliches, mit der Nationalvertretung zu vereinbarendes Militärbudget für Feldarmee und Festungswesen aus Matrikularbeiträgen der zu dem betreffenden Heere ihre Truppen stellenden Regierungen gebildet.

Bei dieser Theilung des militärischen Oberbefehls war aber keineswegs an eine Beschränkung der Bundesreform auf Norddeutschland, oder an einen engern Bund nördlich der Mainlinie gedacht, denn Bayern und die andern süddeutschen Staaten sollten der Bundesgewalt unterworfen sein und ein gemeinsames Parlament besitzen, mit welchem für jede der beiden Armeen das Militärbudget, wenn auch getrennt, vereinbart werden sollte. Die Kontingente aller Bundesstaaten sollten durch Bundesbeschluss bestimmt, dagegen die Organisation und Formation, die Vorschriften über Ausbildung der Mannschaften, Qualifikation der Officiere von jedem der Oberfeldherrn festgestellt werden.

Schliesslich bestimmt Art. X. des Entwurfes: »die Beziehungen des Bundes zu den deutschen Landestheilen des österreichischen Kaiserstaates werden nach erfolgter Vereinbarung über dieselben mit dem zunächst einzuberufenden Parlamente durch besondere Verträge geregelt werden.<«<

Jedenfalls kommt diesen »Grundzügen « deshalb eine hohe Bedeutung zu, weil Preussen sie in allen Verträgen mit seinen Verbündeten, wie in den Friedensschlüssen mit seinen ehemaligen Gegnern, als Basis der neuzubegründenden Bundesverfassung festgehalten hat. In ihnen ist somit der erste fundamentale Grundriss der norddeutschen Bundesverfassung gegeben.

1.

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Während die Grundzüge vom 10. Juni unverkennbar noch die engere Vereinigung des ganzen ausserösterreichischen Deutschlands, auf Grundlage einer parlamentarischen Verfassung, vor Augen haben, tritt unterdessen die oben erwähnte Wendung der Dinge ein, welche Preussen bestimmt, die von ihm angestrebte engere bundesstaatliche Verfassung vorläufig nur auf die deutschen Staaten nördlich des Maines zu beschränken. I

Mittelst identischer Noten vom 16. Juni hatte die preussische Regierung folgende norddeutsche Staaten: Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen-Meiningen, Sachsen - Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Anhalt, Schwarzburg - Sondershausen und Rudolstadt, Waldeck, Reuss ältere und jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Lübeck, Bremen und Hamburg eingeladen, mit ihr ein Bündniss auf den Grundlagen einzugehen, welche mit einem baldigst zu berufenden Parlamente zu vereinbaren sein würden, ferner ihre Truppen auf den Kriegsfuss zu setzen und Sr. Majestät dem Könige von Preussen zur Vertheidigung ihrer Unabhängigkeit und ihrer Rechte zur Verfügung zu halten und an der Einberufung des Parlamentes theilzunehmen, sobald diese von Preussen erfolge. Dagegen wurde preussischer Seits die Zusage ertheilt, dass den genannten Staaten die Unabhängigkeit und Integrität ihres Gebietes >>nach Massgabe der Grundzüge zu einer neuen Bundesverfassung vom 10. Juni 1866« von Sr. Maj. dem Könige von Preussen werde gewährleistet werden. Nur zwei der vorgenannten Staaten hatten die Einladung abgelehnt, Sachsen - Meiningen und Reuss ä. L. Auf Grundlage der von den übrigen Staaten angenommenen Einladung legte die preussische Regierung am 4. August 1866 den genannten Staaten den Entwurf eines Bündnisses vor, welches lediglich darauf gerichtet war, die Voraussetzungen und Zusicherungen der identischen Note vom 16. Juni in eine vertragsmässige Form zu erheben1. Die Unterzeichnung dieses Vertrags erfolgte am 18. August zu Berlin von Seiten sämmtlicher

1) Staatsarchiv Bd. XI. S. 200. Nr. 2378.

genannter Staaten mit Ausnahme der beiden Grossherzogthümer Mecklenburg.

Kraft dieses Bündnissvertrages schliessen die genannten Regierungen » ein Offensiv- und Defensiv bündniss zur Erhaltung der Unabhängigkeit und Integrität, sowie der äussern und innern Sicherheit ihrer Staaten und treten sofort zur gemeinschaftlichen Vertheidigung ihres Besitzstandes ein, welchen sie sich gegenseitig durch dies Bündniss garantiren.<< (Art. I.). Die Zwecke des Bündnisses sollen definitiv durch eine Bundesverfassung auf der Basis der préussischen Grundzüge vom 10. Juni 1866 festgestellt werden, unter Mitwirkung eines gemeinsam zu berufenden Parlamentes. Art. II. Zu diesem Behufe werden die verbündeten Regierungen gleichzeitig mit Preussen die auf Grund des Reichswahlgesetzes vom 12. April 1849 vorzunehmenden Wahlen der Abgeordneten zum Parlamente anordnen und letzteres gemeinschaftlich mit Preussen einberufen. Zugleich werden sie Bevollmächtigte nach Berlin senden, um den Bundesverfassungsentwurf festzustellen, welcher dem Parlamente zur Berathung und Vereinbarung vorgelegt werden soll. Art. V. Die Truppen der Verbündeten sollen unter dem Oberbefehle des Königs von Preussen stehen. Art. IV. Die Dauer des Bündnisses ist bis zum Abschlusse des neuen Bundesverhältnisses, eventuell auf ein Jahr festgesetzt, wenn der neue Bund nicht vor Ablauf eines Jahres abgeschlossen sein sollte. Art. VI.

Die beiden Grossherzöge von Mecklenburg traten dem Bündnissvertrage am 21. August bei, jedoch mit dem ausdrücklichen Vorbehalte, dass sie für mehrere wichtige Punkte des Bündnissvertrages, besonders für Art. II. und V. die landesverfassungsmässige Zustimmung ihrer Landstände einzuholen hätten. Diese wurde ausgesprochen in dem Landtagsabschiede vom 4. Oktober 18662. Unterdessen waren durch die obenerwähnten Friedensschlüsse auch das Grossherzogthum Hessen für seine nördlich des Mains gelegenen Gebietstheile, Sachsen-Meiningen und Reuss ä. L. beigetreten. Zuletzt erfolgte der Beitritt des Königs von Sachsen in dem am 21. Oktober abgeschlossenen Friedensvertrage. Damit war der ganze beabsichtigte Gebietsumfang umschrieben und die Grundlage des zu errichtenden norddeutschen Bundes vertrags

2) Staatsarchiv Bd. XI. S. 368 ff. Nr. 2421. 2422. 2533.

mässig festgestellt. Es galt nun, das bloss völkerrechtliche, auf ein Jahr eingegangene Schutz- und Trutzbündniss von 22 Staaten in ein bleibendes, staatsrechtliches und verfassungsmässiges Verhältniss überzuführen.

Dazu waren zwei Schritte nöthig, einerseits Einleitung zu treffen zur Berufung des norddeutschen Parlaments, wozu vor allem der verfassungsmässige Erlass eines Wahlgesetzes erforderlich war, andererseits Regierungsbevollmächtigte nach Berlin zu entsenden, um den Verfassungsentwurf festzustellen, welcher dem Parlamente zur Berathung und Vereinbarung vorgelegt werden sollte,

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Das Wahlgesetz für den Reichstag des norddeutschen Bundes.

In dem Art. IV, der Grundzüge vom 10. Juni hatte die preussische Regierung bereits in Vorschlag gebracht, dass die Nationalvertretung nach den Bestimmungen des Reichswahlgesetzes vom 12. April 1849 gewählt werden sollte. Den verbündeten Staaten war noch während des Krieges der Wunsch ausgesprochen, dass sie die Vorbereitungen zu den Parlamentswahlen auf Grund des Reichswahlgesetzes vom 12. April 1849 durch Abtheilung der Wahlkreise und Wahlbezirke soweit einleiten möchten, dass im gegebenen Zeitpunkte sofort zur Aus-schreibung der Wahlen geschritten werden könne. Es war nun nothwendig, dass für Preussen selbst diesen Wahlen die erforderliche gesetzliche Grundlage gegeben werde. Zu diesem Zwecke legte die königliche Regierung am 12. August 1866 dem Landtage das Reichswahlgesetz vom 12. April 1849 mit einigen nothwendigen Veränderungen als Wahlgesetz zum Reichstage des norddeutschen Bundes vor1.

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In dem Abgeordnetenhause wurde indessen dieser von der Regierung eingebrachte Entwurf mehreren, nicht unwesentlichen Veränderungen unterzogen. Am wichtigsten ist diejenige Veränderung, wodurch die ganze rechtliche Stellung des zu berufenden Reichstages wesentlich alterirt wurde. Während die Grundzüge vom 10. Juni ausdrücklich die Vereinbarung der neuen Bun

1) Staatsarchiv Bd. XI. S. 262. Nr. 2393.

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