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nastie. Es bleibt ihnen Alles erhalten, was sie aus Privattiteln erworben haben, dahin gehört Alles, was aus Ersparnissen der Civilliste angeschafft worden ist, reine Privat- oder Schatullgüter, keineswegs gehören aber dazu Domänen- und Kammergüter, welche der Fürst nicht als Privatmann, sondern als Landesherr und Staatsoberhaupt besessen hat, wenn auch die Erträge derselben ganz oder theilweis zu seinem, seiner Familie und seines Hofes Unterhalt verwendet wurden. Die Auseinandersetzung zwischen der neuen Regierung und der depossedirten Dynastie kann hier nur mit genauer Berücksichtigung der speciellen Landesrechte erfolgen. Jedenfalls wird es für Preussen von Werth sein, durch billige Rücksichtnahme auf die standesgemässen Bedürfnisse der entthronten Dynastien den Verzicht derselben auf die ihnen entzogenen Lande zu erhalten, denn wenn völkerrechtlich zur Beendigung des Krieges auch kein Friedensschluss mit den depossedirten Fürsten nothwendig ist, so wird doch durch einen derartigen Verzicht die immerhin nicht unwichtige dynastische Rektifikation des Besitztitels erreicht".

Eine derartige Regelung wäre auch der augustenburgischen Linie gegenüber zu wünschen, deren Erbfolgerecht nicht nur von den ersten Autoritäten der deutschen Rechtswissenschaft, sondern von der Krone Preussen selbst bei verschiedenen Gelegenheiten früher anerkannt worden ist. Ein durch einen Vergleich hervorgerufener Verzicht der entschieden nächst berechtigten Linie würde den letzten Einwand gegen Preussens Herrschaft in den Herzogthümern Schleswig-Holstein auch in den Augen der dortigen Bevölkerung beseitigen und staatsrechtlich wichtiger sein, als der Verzicht der jüngern gottorpischen Linie, deren even

6) Ueber das Domänenrecht der einzelnen deutschen Staaten giebt die beste Auskunft: A. L. Reyscher, Die Rechte des Staates an den Domänen nach dem gemeinen Rechte und den Landesgesetzen. Leipzig 1863.

7) >>Die Legitimation einer usurpirten Staatsgewalt«. Erste Abtheilung. Habilitationsschrift von Siegfried Brie. Heidelberg 1866. Ueber die verschiedenen Beziehungen der Legitimität zu andern Staaten, zu den Unterthanen und zur entthronten Dynastie vergl. besonders Zöpfl's Staatsrecht, Bd. II. §. 202 ff. 8) Vom rechtlichem Standpunkte ist es gleichgültig, ob ein Fürst bereits die Regierung angetreten hat oder nicht; sein Successionsrecht beruht auf der Abstammung vom ersten Erwerber, bei dem Erbprinzen von Augustenburg also auf seiner Abstammung vom K. Christian I., seine Berufung erfolgt durch den Tod des letzten Inhabers kraft der Successionsordnung; dies war für den Erbprinzen eingetreten durch den Tod Friedrich's VII. am 15. Nov. 1863.

tuelles Erbrecht an und für sich nicht geläugnet werden kann, jedenfalls aber.dem der augustenburgischen Linie nachsteht.

Mag man indessen über die Rechtmässigkeit der neuern Erwerbungen, für welche sich Preussen, Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt gegenüber, lediglich auf das Recht der Eroberung, den Herzogthümern gegenüber ebenfalls auf das Recht der Eroberung, ausserdem auf den Vertrag von Gastein für Lauenburg und auf den Prager Frieden für Schleswig-Holstein beruft, übrigens juristisch denken, wie man will, so viel steht fest, dass diese Inkorporationen bereits Thatsachen geworden sind, welche ohne neue grosse Umwälzungen nicht rückgängig gemacht werden können. Sie werden sich in das Rechtsbewusstsein der deutschen Nation allmählich so einleben, wie die umfassenden Mediatisirungen des Jahres 1806, welche man selbst bei dem allgemeinen Restaurationsprocesse des Jahres 1815 doch nicht wieder rückgängig machen konnte, obgleich für sie keineswegs dieselben Gründe sprachen, wie für die preussischen Erwerbungen des Jahres 1866, denn:

1) hatten die 1806 gewaltsam subjicirten Fürsten und Reichsstädte den Rheinbundsgliedern gegenüber nicht die geringste Feindseligkeit begangen, es bestand z. B. zwischen der Krone Bayern und der Stadt Nürnberg, dem Könige von Würtemberg und den Fürsten Hohenlohe kein Kriegszustand und also auch kein Recht der Eroberung. Ihre Unterwerfung war eine Gewaltthat, für welche das Völkerrecht keinen Titel kennt. (§. 98, S. 286);

2) geschah die gewaltsame Vernichtung jener Staaten im Jahre 1806 nicht für eine höhere nationale Idee, sondern lediglich aus dynastischem Eigennutz, nicht für die Einigung Deutschlands, sondern zur Stärkung des Partikularismus im Dienste eines fremden Despoten.

Uebrigens haben sämmtliche bestehende deutsche Staaten diese von Preussen in Norddeutschland vollzogenen Territorialveränderungen bereits in völkerrechtlich bindender Weise anerkannt, so dass von ihrer Seite jede Anfechtung derselben ausge

9) Vertrag, betreffend den Verzicht Oldenburgs auf alle Rechte in Bezug auf Schleswig-Holstein und Gebietsabtretungen von Seiten Preussens vom 27. September 1866 nebst einer Denkschrift dem preuss. Landtage übergeben. Staatsarchiv Bd. XI. S. 430.

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schlossen ist. Vom Standpunkte des preussischen Staatsrechts aus ist die Einverleibung, welche nur in Gesetzesform erfolgen konnte, ebenfalls in verfassungsmässiger Weise zu Stande gekommen. Nur die erste neue Erwerbung, das Herzogthum Lauenburg, wurde durch Besitzergreifungspatent vom 15. September 1866 mit der preussischen Krone lediglich in Personalunion gebracht, nicht dem preussischen Staate als solchem einverleibt, ein Verhältniss, welches bis auf den heutigen Tag fortdauert.

In gleicher Weise beabsichtigte die Krone, vorläufig auch das Verhältniss von Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt a/M. zu ordnen, indem die Königliche Botschaft vom 14. August auf Art. 55 10 der Verfassung Rücksicht nahm und die definitive Regulirung der Beziehungen dieser Länder nach Art. 2 der Verfassungsurkunde 11 einem besondern, später zu erlassenden Gesetze vorbehalten wollte.

Durch einen sachgemässen Verbesserungsantrag des Hauses der Abgeordneten kam aber das definitive Gesetz vom 20. September 1866 in folgender Fassung zu Stande 12:

§. 1. »Das Königreich Hannover, das Kurfürstenthum Hessen, das Herzogthum Nassau und die freie Stadt Frankfurt werden, in Gemässheit des Art. 2 der Verfassungsurkunde für den preussischen Staat, mit der preussischen Monarchie für immer vereinigt.

§. 2. Die preussische Verfassung tritt in diesen Landestheilen am 1. Oktober 1867 in Kraft. Die zu diesem Behufe nothwendigen Abänderungs-, Zusatz- und Ausführungsbestimmungen werden durch besondere Gesetze festgestellt. «<

Ein gleichlautendes 13 Gesetz wurde am 24. December für die Herzogthümer Schleswig-Holstein publicirt.

10) Art. 55: »Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König nicht zugleich Herrscher fremder Reiche sein«.

11) Art. 2: »Die Grenzen des Staatsgebietes können nur durch ein Gesetz verändert werden «<.

12) Vergleiche die beiden gründlichen Berichte der XIII. Kommission über den Gesetzentwurf, betreffend die Vereinigung von Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt und der Herzogthümer Schleswig-Holstein, erstattet vom Abg. Kanngiesser.

13) Nur die Worte » für immer« wurden weggelassen wegen der an den Grossherzog von Oldenburg vorzunehmenden kleinen Gebietsabtretung und

System des deutschen Staatsrechts.

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Darnach sind jetzt Hannover, Kurhessen, Nassau, Frankfurt aM., sowie die Herzogthümer Schleswig-Holstein dem preussischen Staatsgebiete gesetzlich einverleibt, befinden sich aber bis zum 1. Oktober 1867 in einem Uebergangszustande, indem erst von diesem Termine ab die preussische Verfassung in diesen neu erworbenen Gebietstheilen in Kraft treten wird.

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Aus der Reihe der ehemaligen Bundesstaaten sind somit fünf verschwunden: das Königreich Hannover, das Kurfürstenthum Hessen, das Herzogthum Nassau, die freie Stadt Frankfurt a/M.! und das Herzogthum Holstein und Lauenburg, das Herzogthum Schleswig ist dagegen nicht blos für Preussen, sondern für Deutschland neu erworben. Der ganze Zuwachs des preussischen Staatsgebietes durch diese sog. Annexionen und durch Abtretungen von Bayern und Hessen-Darmstadt beträgt 1308 Q.-M. mit einer Volkszahl von 4,815,000 Seelen. Preussens gesammtes Staatsgebiet ist damit zu einem Umfange von 6395 Q.-M. mit 23,590,543 E. angewachsen. Erst durch diese geographische Abrundung im nördlichen und mittlern Deutschland ist Preussen ein auf solider territorialer Grundlage ruhender, in sich gefestigter Grossstaat geworden, welcher ruhig und selbstbewusst dem Gange der europäischen Politik folgen und seine grosse deutsche Aufgabe mit sicherer Hand hinausführen kann 14.

§. 124.

Das Ende des deutschen Bundes.

Nachdem am 14. Juni der Bundestag mit 9 gegen 7 Stimmen den österreichischen Mobilisirungsantrag angenommen hatte, erklärte Preussen den Bundesvertrag für gebrochen und trat augenblicklich aus dem Bunde aus, verwahrte alle seine Ansprüche auf das bisherige Bundeseigenthum und rief seinen Bundestagsgesandten ab. Seinem Beispiele folgten einige kleinere norddeutsche Regierungen, so Oldenburg', Lippe-Detmold, Sachsenwegen der im Prager Frieden vorbehaltenen Abstimmung der nördlichen Distrikte Schleswigs.

14) Vergl. meine Schrift über die Friedensbestimmungen Nr. IV: »die Annexionen<<.

1) Annahme des Bündnisses mit Preussen vom 19. Juni 1866. Durch Einsicht und Patriotismus zeichnet sich auch die Vorlage der oldenburgi

H

Altenburg, Anhalt u. a. m. Am 16. Juni erklärte indessen die Bundesversammlung, »dass die in der letzten Sitzung erfolgte Austrittserklärung Preussens rechtlich ungültig sei und dass die Beschlüsse der Bundesversammlung für Preussen fortwährend verpflichtend seien.« Für diesen Beschluss stimmten auch mehrere Regierungen, die gegen den Antrag vom 14. Juni gewesen

waren.

Mit dem siegreichen Vordringen Preussens im Osten und Westen mehrte sich die Zahl der austretenden Bundesglieder von Woche zu Woche3; am 3 Juli, dem entscheidenden Tage von Königgrätz, waren noch 13 Bundesglieder vertreten, unter denen sich freilich auch die bereits depossedirten Fürsten von Hannover, Kurhessen und Nassau befanden. Da diese 13 Bundesglieder aber meist Inhaber von Virilstimmen waren, so hatte der Bundestag im engern Rathe immer noch die 9 zur Beschlussfassung nöthigen Stimmen; eine Plenarversammlung war dagegen schon damals wegen Mangels der nöthigen Stimmen nicht mehr zusammenzubringen. Am 11. Juli fasste die Bundesversammlung den Beschluss: >>mit Rücksicht auf die gegenwärtigen Verhältnisse, um ihre Thätigkeit ungehemmt und ihren Verkehr mit den bundestreuen Staaten ungestört zu erhalten, ihren Sitz provisorisch nach Augsburg zu verlegen «*.

Diese Uebersiedelung des Bundestages nach Augsburg fand am 14. Juli statt, gerade einen Monat nach jenem verhängnissvollen Beschlusse vom 14. Juni. Aber das endliche Schicksal des

schen Staatsregierung an den dortigen Landtag aus. Staatsarchiv

a. a. O. S. 151.

2) Bemerkenswerthe Proklamation des Herzogs von Sachsen-Altenburg vom 23. Juni 1866. Staatsarchiv Bd. XI. S. 148.

3) Der Austritt ging in folgender Reihenfolge vor sich: den 21. Juni Oldenburg und Lippe-Detmold, 23. Sachsen-Altenburg, 25. Anhalt, SchwarzburgSondershausen und Waldeck, den 29. Schwarzburg-Rudolstadt und Schaumburg-Lippe, Hamburg, Bremen und Lübeck, den 1. Juli Coburg-Gotha, Reuss j. L. und Mecklenburg, den 5. Juli Sachsen-Weimar, den 26. Juli SachsenMeiningen, den 2. August Baden, den 4. August Braunschweig. Die mit Preussen Frieden schliessenden Staaten erkannten in den Friedensschlüssen die Auflösung an, 5 Bundesstaaten wurden inkorporirt, Liechtenstein ignorirt; für das Herzogthum Limburg wurde die Auflösung jedes staatlichen Verbandes mit dem ehem. deutschen Bunde völkerrechtlich sanktionirt durch den Londoner Vertrag vom 11. Mai 1867.

4) Für die Vorgänge am Bundestage, nachdem derselbe Frankfurt verlassen hatte, folgen wir den officiösen Mittheilungen der Augsb. Allg. Zeitg.

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