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die in Gastein vorbehaltenen Verhandlungen behufs einer Ausgleichung mit uns als abgeschlossen und stellt in der Herzogthümerfrage alles den Entschliessungen des Bundes anheim, welchen sie im voraus ihr Anerkenntniss zusichert. Die königliche Regierung kann in dieser Erklärung des Wiener Hofes nichts Anderes als die ausdrückliche Lossagung von dem Gasteiner Vertrage erkennen, durch welche die in demselben getroffenen Verabredungen hinfällig werden. Wir stehen somit wiederum auf dem einfachen Boden des Wiener Friedens vom 30. Oktober 1864 und Seine Majestät der König wird den General von Manteuffel mit der Wahrung der Preussen aus diesem Vertrage zustehenden Souveränitätsrechte von Holstein beauftragen. Im Principe mit Berufung der Stände einverstanden, müssen wir doch der kaiserlichen Regierung das Recht, sie nach ihrer Lossagung vom Gasteiner Vertrage noch einseitig vorzunehmen, absprechen. Damit dieselbe gesetzliche Wirkung habe, ist unsere Zustimmung und eine nicht von Oesterreich allein, sondern von beiden Souveränen ertheilte Vollmacht erforderlich. « Noch energischer wurde dieser Standpunkt in einer Note vom 4. Juni an die europäischen Mächte gewahrt 23. Am 7. Juni marschirten preussische Truppen in Holstein ein, um zur Wahrung der Kondominatsrechte Preussens die nicht von österreichischen Truppen besetzten Theile Holsteins zu besetzen «<, worauf die kaiserliche Statthalterschaft unter Protest gegen diesen angeblichen Gewaltakt am 12. Juni Holstein mit

zwischen den deutschen Mächten und Dänemark bestehenden Vertragsverhältnisse hinfällig würden, behalten die Höfe von Preussen und Oesterreich sich vor, die künftigen Verhältnisse der Herzogthümer nur im gegenseitigen Einverständnisse festzustellen. Zur Erzielung dieses Einverständnisses werden sie eintretenden Falls die sachgemässen weiteren Abreden treffen; sie werden jedenfalls die Frage über die Erbfolge der Herzogthümer nicht anders als im gemeinsamen Einverständnisse entscheiden«<.

23) »Nous avons déjà protesté à Vienne contre cet acte inexcusable et unilatéral, comme aussi contre la disposition également inexcusable de nos droits, par leur remise à la diète. Mais je ne peux pas m'empêcher de déclarer, que dans ce procédé du gouvernement autrichien nous sommes incapables devoir autre chose que l'intention d une provocation directe et le désir d'amener forcément une rupture et une guerre. Tous nos renseignements sont d'accord pour établir, que la détermination de faire la guerre contre la Prusse est fermement résolue à Vienne.

Le fait de la guerre est résolu à Vienne; la seule question est de choisir le moment favorable pour commencer«. Staatsarchiv XI. S. 72.

ihren Truppen räumte. In Folge dieser angeblich den Verträgen zuwiderlaufenden Besetzung Holsteins durch die preussischen Truppen brach Oesterreich am 12. Juni die diplomatischen Beziehungen zu Preussen ab. Der Krieg zwischen Preussen und Oesterreich war damit so gut wie erklärt. Es kam nur Oesterreich noch darauf an, den deutschen Bund auf seine Seite zu ziehen und den Krieg zu einem Bundeskriege gegen Preussen zu stempeln. Diesem Zwecke sollte der am 11. Juni 1866 gestellte österreichische Antrag auf Mobilmachung sämmtlicher nicht preussischer Bundesarmeecorps dienen.

§. 120.

Der Bundesbeschluss vom 14. Juni 1866.

Am 11. Juni 1866 erklärte Oesterreich in der Bundesversammlung:

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>> Ungeachtet die Gasteiner Konvention die Ausübung aller Souveränetätsrechte, die Verwaltung und militärische Besetzung Holsteins, in die Hände Seiner Majestät des Kaisers von Oesterreich gelegt hat, haben die preussischen Truppen die Grenze Holsteins überschritten und sich über das ganze Land verbreitet. Die kaiserliche Regierung muss dies als einen Bruch der Gasteiner Konvention bezeichnen Preussen hat somit zum Schutze vermeintlich verletzter Rechte den Weg der Selbsthülfe betreten. Es liegt demnach der im Art. XIX. der Wiener Schlussakte vorgesehene Fall vor, und die Bundesversammlung ist berufen, der unternommenen Selbsthülfe Einhalt zu thun. Nach diesem gewaltthätigen Vorgehen, welchem Preussens umfangreiche Rüstungen zur Seite stehen, kann nur in Aufbietung aller übrigen verfügbaren militärischen Kräfte des Bundes eine Gewähr des Schutzes für die innere Sicherheit Deutschlands und die bedrohten Rechte seiner Bundesglieder gefunden werden. Die kaiserliche Regierung erachtet die schleunige Mobilmachung sämmtlicher, nicht zur preussischen Armee gehörigen Armeecorps des Bundesheeres für nothwendig. «

Hierauf gründete Oesterreich den Antrag, »Hohe Bundesversammlung wolle den Beschluss fassen:

1) die Mobilmachung des I., II., III., VII., VIII., IX., X. Bundesarmeecorps anzuordnen und an die betreffenden Höchsten

und Hohen Regierungen das Ersuchen zu stellen, ihre Bundeskontingente nach der angenommenen Kriegsformation in der Stärke des Haupt- und Reservekontingents ungesäumt auf den Kriegsstand zu setzen und selbes in den innehabenden oder einzunehmenden Standquartieren binnen 14 Tagen derart marsch- und schlagfertig aufzustellen, dass es auf ergehende Anforderung innerhalb 24 Stunden mit allem Kriegsbedarf abmarschiren könne;

2) dieselben Höchsten und Hohen Regierungen ferner zu ersuchen, auf die Bildung der Ersatzkontingente Bedacht zu nehmen ;

3) dieselben Höchsten und Hohen Regierungen zu ersuchen, in möglichst kurzer Frist, jedenfalls innerhalb der nächsten 14 Tage, bei der Bundesversammlung den Vollzug dieser Anordnungen anzuzeigen;

4) dieselben Höchsten und Hohen Regierungen zu ersuchen, die nöthigen Einleitungen zu treffen, damit die Bundesversammlung im Sinne des §. 46 der Bundeskriegsverfassung baldigst wegen des Oberbefehls Beschluss fassen könne und weiter die im VII., VIII., IX. und X. Abschnitte der Bundeskriegsverfassung vorgesehenen Ernennungen und Aufstellungen zu bewirken, resp. zu vereinbaren ;

5) den Ausschuss in Militärangelegenheiten anzuweisen, sich mit der Militärkommission wegen Durchführung dieses Beschlusses ins Einvernehmen zu setzen. «<

Die Mehrheit der Bundesversammlung sprach sich dahin aus, die Abstimmung über den vorliegenden Antrag drei Tage später, also am 14. Juni, vorzunehmen.

In dieser Sitzung selbst brachte Oesterreich zur Anzeige, dass seine eigenen drei Bundesarmeecorps bereits vollständig mobil gemacht seien. Darnach konnte überhaupt nur noch die Mobilisirung der übrigen, vier nichtpreussischen Bundesarmeecorps in Betracht kommen.

Vor der Abstimmung legte Preussen gegen jede geschäftliche Behandlung dieses » formell und materiell bundeswidrigen « österreichischen Antrages Protest ein. Trotzdem erfolgte die Abstimmung und es wurde der österreichische Antrag1 ange

nommen.

1) Mit Ausnahme von Nr. 4 des Antrages, welche sich auf den Oberbefehl und andere durch die Bundeskriegsverfassung vorgesehene Ernennungen bezog, wofür sich keine Majorität ergab.

Von den 16 aktiven Stimmen des Plenums 2 stimmten für den Antrag Oesterreich, Bayern, Sachsen, Hannover, Würtemberg, Kurhessen, Hessen-Darmstadt, die XIII. und XVI. Kuriatstimme, dagegen: Preussen, Luxemburg, die XII., die XIV., die XV., die XVII. Kuriatstimme; Baden stimmte für Verweisung an einen Ausschuss, eventuell, wenn dies keine Zustimmung finden sollte, enthielt es sich der Abstimmung.

Die Kuriatstimmen waren aber keineswegs sämmtlich durch Uebereinstimmung aller betheiligten Glieder derselben zu Stande gekommen. In der XII. Kurie überstimmten Sachsen-Weimar, Koburg-Gotha und Altenburg den Herzog von Meiningen, welcher dem österreichichen Antrage beitrat. In der XIII. Kurie stimmte Nassau für den Antrag, Braunschweig dagegen; nach dem vertragsmässig bestehenden Turnus hatte aber gerade Nassau das Entscheidungsrecht, so dass die XIII. Kurie als beitretend angesehen werden musste. In der XVII. Kurie überstimmten Hamburg, Lübeck und Bremen das für Oesterreich votirende Frankfurt. Die Abstimmung in der XVI. Kurie zu Gunsten Oesterreichs wurde von Preussen angefochten und das Resultat der Stimmziehung officiell in einer Note des Ministerpräsidenten vom 21. Juni als ein >>Falsum« bezeichnet. Wird daher diese falsch

2) Die Stimme von Holstein-Lauenburg war noch suspendirt.

3) Graf Bismarck erklärte: » Bei der Abstimmung über den österreichischen Mobilisirungsantrag gab der Stimmführer der 16. Kurie das Kuriatvotum für den österreichischen Antrag mit dem Bemerken ab, dass Lippe, Waldeck und Reuss j. L., also die Hälfte der Stimmen sich nicht für denselben erklärt hätten, dass er jedoch für die Kurie ihm zustimmen zu müssen glaube. Dieses Votum des pp. Strauss hätte nur dann ein richtiges sein können, wenn die Regierung von Schaumburg-Lippe mit Liechtenstein und Reuss-Greiz zustimmend instruirt hätte: denn dann nur hätte mit drei gegen drei Stimmen das Kuriatvotum für Oesterreich fixirt werden können. Schaumburg-Lippe hat uns aber mittelst amtlicher Note berichtet, dass keine solche Instruktion an den pp. Strauss abgegangen ist. Das Votum der 16. Kurie ist also ein Falsum«. Staatsarchiv XI. S. 141. Gegen diesen Vorwurf, welchen das preuss. Ministerium Herrn Strauss in Bückeburg gemacht hat, hat derselbe sich in einem Schriftchen: »Mein Antheil an der Abstimmung der Bundesversammlung vom 14. Juni 1866« zu vertheidigen gesucht, indem er behauptet, dass die Mehrheit der Stimmen innerhalb der Kurie für alsbaldige Beschlussfassung gewesen sei, von den vier Stimmen, welche dieselbe bildeten, wären zwei für, zwei gegen den österreichischen Antrag gewesen, bei Stimmengleichheit hätte der Gesandte nach einem Kuriatvertrage vom 2. April

abgegebene Kuriatstimme den preussenfreundlichen Stimmen zugezählt, so sinkt die österreichische Majorität auf 8 herab. Da aber Baden, welches sich der Abstimmung enthielt, nach der Geschäftsordnung, der Majorität beigezählt werden muss, so hebt sich die österreichische Mehrheit wieder auf die Anzahl von 9 Stimmen, welche zu einem Beschlusse des engern Rathes erforderlich ist.

Kann diese Majorität auch nicht in Abrede gestellt werden, so muss doch der Bundesbeschluss selbst als formell und materiell rechtswidrig betrachtet werden. In formeller Beziehung erscheint das ganze Verfahren des Präsidialhofes als ein tumultuarisches, welches ebenso mit § 24. der Geschäftsordnung vom 16. Juni 1854 wie mit der Praxis der Bundesversammlung im schneidendsten Widerspruche steht. Nachdem Oesterreich sich mit seinen Anhängern im Geheimen vorher verständigt hatte, wollte man durch Ueberraschung über die Gegner siegen; daher brachte Oesterreich bereits am 11. Juni den verhängnissvollen Antrag auf Mobilisirung sämmtlicher nichtpreussischer Armeecorps ein und schon am 14. Juni wurde über diesen wichtigsten aller Anträge abgestimmt, ohne dass auch nur eine Kommission darüber vernommen worden wäre*.

1816 der Mehrheit der Bundesversammlung sich anzuschliessen gehabt, und diese wäre für den Antrag gewesen. Dies ist aber unrichtig, denn indem Reuss j. L. für Verweisung an den Ausschuss stimmte, war es offenbar gegen den Antrag auf alsbaldige Mobilmachung, eine Auslegung, wofür ausserdem die stets preussenfreundliche Richtung der jüngern Linie und ihrer Regierung sprach, welche seit Jahren am Bundestage mit Sachsen-Weimar und Koburg-Gotha zu gehen pflegte; demnach standen drei Stimmen Lippe, Waldeck, Reuss j. L. gegen die alsbaldige Mobilisirung und nur zwei, Liechtenstein und Reuss ä. L., für dieselbe. Der Stimmführer war daher verpflichtet, gegen den österreichischen Antrag zu stimmen, so dass der ihm vom Grafen Bismarck gemachte Vorwurf aufrecht erhalten werden muss; wenn auch nicht von einem »Falsum«< im juristischen Sinne die Rede sein kann. Befremdend ist die Behauptung, dass Schaumburg-Lippe nicht instruirt habe. Gab es denn keinen Telegraphen, der vom 11. bis 14. Juni aus der Residenz Bückeburg die Instruktion rechtzeitig einholen konnte? Es scheint, dass man sich durch absichtliches Nicht-Instruirtsein nach beiden Seiten hin decken wollte. Unrichtig ist dagegen die von preussischer Seite mehrfach ausgesprochene Behauptung, dass durch diese falsche Stimmabgabe in der XVI. Kurie die Majorität bei dieser weltgeschichtlichen Bundesabstimmung bewirkt worden sei; diese stand schon ohnedies fest.

4) Es war eine bittere Ironie, dass die greisenhafte und altersschwache Institution des deutschen Bundes schliesslich noch an Uebereilung zu Grunde gehen musste.

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