Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

5

den Tyrannenlaunen K. Friedrich's I. von Würtemberg, der einen wahrhaft orientalischen Sultanismus auf deutschen Boden einführte *. Wieder anders vollzog sich der Umgestal— tungsprocess in Bayern unter dem wohlwollenden Könige Max Joseph und seinem reformeifrigen Minister Montgelas", als in Westphalen, wo das fremde Element mit seiner spürenden Polizei, seiner Sitte und Sprache, unter den schamlosen Orgien eines leichtfertigen französischen Prinzen, am schonungslosesten und zersetzendsten in das deutsche Wesen und die althergebrachten Lebensformen eingriff'.

Trotz dieser verschiedenartigen Nuancen ist es aber doch ein und derselbe Grundtypus, welcher uns aus allen diesen staatlichen Schöpfungen, Reformen und Organisationen der Rheinbundsstaaten entgegentritt. Es ist das System der Nivellirung und des schrankenlosen Absolutismus, es ist die Revolution ins Monarchische übersetzt.

Die neuerworbene Souveränetät wurde fast durchgängig als schrankenlose Herrscherwillkühr aufgefasst, welche ständische Rechte und verfassungsmässige Schranken ohne jeden Skrupel vernichtete, welche selbst die wohlerworbenen Rechte der Privaten, der Korporationen, der Gemeinden ohne Bedenken in jedem Augenblicke der s. g. Staatsräs on opferte. So wurden die ständischen Verfassungen in den meisten Rheinbundsstaaten durch willkührliche Kabinetsordres beseitigt. Den Anfang machte auch hier der König von Würtemberg, welcher am 30. Dec. 1805 die altehrwürdige Verfassung seines Landes >> als

4) Ueber Würtemberg unter K. Friedrich I. s. bes. Perthes, S. 433 ff. Häusser III. S. 230 ff.

5) Ueber Max Joseph und Bayern unter seiner Regierung siehe Perthes, S. 373 ff. Häusser, B. III. S. 223. von Lerchenfeld, Geschichte Bayerns unter Max Joseph 1. Berlin 1854. B. I. Pözlim Staatswörterb. B. I. S. 703 unter dem Art. Bayern.

6) Ueber Maximilian Joseph (nachherigen Grafen) von Montgelas siehe das Staatswörterb. B. VI. S. 771, wo sich ein gründlicher Artikel von Pözl über diesen Staatsmann findet.

7) Ueber Westphalen siehe Perthes, S. 359. Häusser, B. III. S. 237.

8) So verkündigte Montgelas, kurz nach Erlass der bayerischen Verfassung, ganz offen, dass für Rechte von Privaten, die durch Kabinetsedikte aufgehoben seien, keine Entschädigung stattfinde. Lerchenfeld a. a. O. S. 42. Häusser, B. III. S. 225.

10

eine nicht mehr in die itzigen Zeiten passende Einrichtung « aufhob. Darauf folgte Baden am 23. Mai 1806 mit der Aufhebung der Stände im Breisgau: » weil für das Beste der Unterthanen schon durch die Staatsbehörden hinreichend gesorgt werde « 1o; ein gleiches geschah in Hessen-Darmstadt am 1. Okt. 1806 11, in Bayern am 1. Mai 1808 12. Dagegen wurden mehrere Rheinbundsstaaten mit Verfassungen nach französisch-napoleonischem Muster beschenkt. Die von Napoleon I. dem Königreiche Westphalen gegebene Konstitution vom 15. Novbr. 1807 (Winkopp IV. S. 474) ordnete eine allgemeine Landesvertretung von 100 Deputirten an, welche aber nicht direkt vom Volke, sondern von den Departementskollegien gewählt wurden; letztere wurden aber wieder, nach gewissen Verhältnissen und Kategorien, vom Könige ernannt. Aber auch diesem Trugbilde einer Nationalrepräsentation gewährte man doch nur eine berathschlagende Stimme in Gesetz- und Finanzsachen. Auf ähnlichen Grundsätzen beruhte auch die übrigens niemals ins Leben getretene bayerische Verfassung vom 1. Mai 1808 (Winkopp B. VII. S. 1-14), ebenso die Verfassung des Grossherzogthums Frankfurt vom 16. Aug. 1810. Damit dem schweren Ernste der Zeit auch die Karrikatur nicht fehlte, publicirte der Herzog von Anhalt-Köthen am 28. Dec. 1810 eine Verfassung, worin er die Institutionen des französischen Kaiserreiches für sein Duodezländchen vollständig kopirte 13.

9) R. von Mohl, würtemb. Staatsr. Th. I. S. 22. Winkopp, B. I. S. 138.

10) Winkopp, B. I. S. 140.

11) Winkopp, B. I. S. 388. Weiss, Hessisches Staatsr. S. 50 ff. 12) Winkopp, B. VI. S. 468.

13) Dieser Fürst glaubte seinen Unterthanen »keine heilbringendere Konstitution geben zu können, als diejenige, welche der grösste Gesetzgeber der Welt, Napoleon der Grosse, seinen Völkern, welche er als Vater liebt, gegeben hatte. Winkopp, B. XVIII. S. 97. Viel solidere Grundsätze in Betreff der Landesverfassungen befolgte man im Königreiche Sachsen und den sächsischen Herzogthümern. Der Herzog von Sachsen - Hildburghausen erklärte es am 5. Aug. 1807 für ein »verläumderisches Gerücht«, dass er die landständische Verfassung aufzulösen beabsichtige. Winkopp, III. S. 485. In SachsenGotha, im Königreiche Sachsen wurden wie früher die Landtage gehalten. In Sachsen-Weimar vereinigte der treffliche Karl August 1809 die Landstände von Weimar, Eisenach und Jena. Ueberhaupt machte sich in Mittel- und Norddeutschland das französische Vorbild viel weniger geltend, als im Süd

Den neuen staatlichen Institutionen der Rheinbundsländer ist der bonapartisch - französische Stempel unverkennbar aufgeprägt. Nicht in einem lebenskräftigen volksthümlichen Organismus, nicht in der Erweckung eines öffentlichen Gemeingeistes, nicht in der Selbstständigkeit der Gemeinden und Korporationen, sondern in der mechanischen Vollkommenheit der Staatsverwaltung, in der strengsten bureaukratischen Uniformität sah man das Höchste, was sich im Staatswesen erreichen liess. Die Staatsweisheit jener Tage suchte alles zu entfernen, was von körperschaftlichen Rechten, von kommunaler Selbstregierung, von ständischen Freiheiten noch irgendwo vorhanden war. Aber das Bild hatte auch seine Kehrseite. Es ist nicht zu verkennen, dass die Periode des Rheinbundes auch unendlich viel Ueberlebtes und Veraltetes beseitigte, welches sich jahrhundertelang nur durch das Gesetz der Trägheit erhalten hatte. Die Gleichberechtigung der christlichen Konfessionen trat an die Stelle der Intoleranz und der bis dahin bestandenen Ausschliesslichkeit 14. Zeitwidrige Adelsvorrechte, Steuerprivilegien, drückende Grundlasten, Leibeigenschaft, Feudalität, träge Mönchs- und Klosterwirthschaft wurden vielfach abgeschafft. Aus den lächerlichen Kontingenten der vordern Reichskreise wurden in der strengen Schule des grossen Eroberers geübte kriegstüchtige Armeen. Kurz, es verschwand die Kleinstaa-terei wenigstens in ihren winzigsten und lebensunfähigsten Gestaltungen.

So hat die harte, gewaltsame Zeit des Rheinbundes in negativer Beziehung allerdings Bedeutendes gewirkt, sie hat Schutt und Trümmern überlebter Zustände bei Seite geschafft, sie hat den Boden vorbereitet und gereinigt, aber sie war nicht im Stande, die Fundamente eines staatlichen Neubaues zu legen, die positiven Grundlagen zu beschaffen, welche die Neugestaltung des Staats- und Volkslebens in Deutschland dringend erforderte. westen, wo auch viel grössere Territorialveränderungen vor sich gegangen

waren.

14) So wurden durch das Religionsedikt vom 10. Januar 1803 allen christlichen Religionsparteien gleiche politische und bürgerliche Rechte in Bayern eingeräumt, wo bis dahin sogar die Niederlassung von Protestanten verboten gewesen war; dagegen wurde durch den Posener Frieden, Art. V., und durch die Accessionsurkunden der norddeutschen Rheinbundsstaaten den Katholiken Gleichberechtigung und Kultusfreiheit zugestanden.

Dazu musste man erst zu dem ächten Urquell deutschen Lebens zurückkehren, wie ihn Stein in seinen grossen staatlichen Schöpfungen zu eröffnen gesucht hatte 15, dazu musste vor allem erst das Joch der Fremdherrschaft gebrochen werden.

§. 100.

Auflösung des Rheinbundes.

1

Am 9. April 1809 erklärte Oesterreich abermals den Krieg an Frankreich, wurde aber durch die Schlacht von Wagram am 6. Juli gezwungen, am 14. Okt. den Frieden von Wien zu schliessen, welchen es abermals durch bedeutende Gebietsverluste vom Sieger erkaufte; so musste es einen Theil von Galizien an das Herzogthum Warschau, das Gebiet von Montefalcone, die Stadt Triest, Krain, einen Theil von Kärnthen u. s. w. an Frankreich, Salzburg, Berchtesgaden, das Innviertel und einen Theil des Hausruck viertels an den Rheinbund, zu Napoleon's Disposition, abtreten. Mit den letztgenannten deutschen Gebieten wurde Bayern belohnt, ebenso mit Baireuth und Regensburg, es musste dafür sich aber bedeutenden Gebietsabtretungen an Würzburg und Würtemberg unterziehen. Eine neue Dotation ́erhielt der nun zum Grossherzoge von Frankfurt erhobene Primas durch Fulda und Hanau 3. Nach der willkührlichen Laune des Protektors fand im Jahre 1810 abermals ein Wechseln und Tauschen der Länder und Bevölkerungen statt, welches die Welt

15) Vergleiche besonders den zweiten Band des Stein'schen Lebens von Pertz. Häusser, B. III. Abschn. II. S. 120. Auch meine kleine Schrift: Der Frhr. von Stein und seine Bedeutung für Deutschlands Wiedergeburt. Jena 1850.

1) Traité de paix entre S. M. l'Empereur d'Autriche et S. M. l'Empereur des Français signé à Vienne le 14 Oct. 1809. Avec Appendice: Convention de Paris du 30 Août 1810, bei G. v. Meyer, S. 113.

2) Traité entre S. M. l'Empereur des Français etc. et S. M. le Roi de Bavière pour l'exécution du traité de Vienne du 14 Oct. 1809; signé à Paris le 28 Févr. 1810, bei Meyer a. a. O. S. 118.

3) Traité entre la France et le Prince-Primat concernant la formation et la composition du Grand-duché de Francfort; signé à Paris le 16 Févr. 1810, bei Meyer a. a. O. S. 111. Zugleich wurde aber das Grossherzogthum zu einem erblichen weltlichen Staate gemacht, welcher nach Dalberg's Tode an Napoleon's Stief- und Adoptivsohn Eugen kommen sollte. Acte, par lequel l'Empereur Napoléon dispose du grand-duché de Francfort en faveur du Prince Eugen Napoléon en date du 1 Mars 1810, bei Meyer a. a. O. S. 113.

an die ephemere Natur aller dieser Staatsschöpfungen recht eindringlich mahnen musste. Aber den Höhepunkt despotischer Willkühr, den äussersten Grad der Rechtlosigkeit bezeichnen dié Reunionen vom Dec. 1810. Durch ein s. g. organisches Senatuskonsult vom 13. Dec. 1810 wurden Theile vom Grossherzogthum Berg, ein grosser Theil von Westphalen und Hannover, die Länder der Rheinbundsfürsten von Oldenburg, Salm und Aremberg, endlich Lauenburg und die drei Hansestädte (ein Gebiet von 605 M. und 1,200,000 Einwohnern) dem französischen Reiche als Departements der obern Ems, der Weserund Elbmündungen einverleibt 5.

Dieser schreienden Rechtsverletzung, welche selbst die eigenen Verbündeten nicht mehr schonte, folgte aber bald die Katastrophe. Nach den furchtbaren Verlusten Napoleon's in Russland sprach die Proklamation von Kalisch am 25. März 1813 die Auflösung des Rheinbundes aus. Durch den Vertrag von Ried am 8. Okt. 1813 sagte sich bereits Bayern vom Rheinbunde los. Nach der Schlacht von Leipzig erfolgte seine wirkliche und gänz– liche Auflösung von selbst, aber nie durch einen förmlichen Akt,, sondern stillschweigend durch entsprechende Handlungen 6.

Drittes Kapitel.

Die Gründung des deutschen Bundes 1.

§. 101.

Ereignisse bis zum Zusammentritte des Wiener Kongresses.

Nach dem Untergange »der grossen Armee « in Russland verbündete sich Preussen mit Russland durch den Vertrag von

4) Die Verträge, welche sich auf die Territorialveränderungen unter den süddeutschen Rheinbundsstaaten, namentlich Würzburg, Bayern, Würtemberg, Baden und Hessen - Darmstadt, beziehen, nebst den Besitzergreifungsund Entlassungspatenten sind zusammengestellt bei Meyer a. a. O. S. 121 ff.

5) Dieses organische Senatuskonsult steht bei Meyer a. a. O. S. 105. Schon längst war Napoleon seiner feierlichen Erklärung, das Gebiet Frankreichs nie auf das rechte Rheinufer ausdehnen zu wollen, untreu geworden, indem er bereits durch ein Dekret vom 21. Januar 1808 wichtige Punkte des rechten Rheinufers wie Kehl, Kastel bei Mainz, Wesel und andere dem

« ZurückWeiter »