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Pfennig, angeordnet worden 3. Dieser den Reichsständen, gerade wegen seiner Gleichmässigkeit und Gerechtigkeit, verhasste Steuerfuss erhielt sich bis in die Mitte des XVI. Jahrhunderts. Unter Karl V. kamen die s. g. Römermonate auf. Bei diesem Steuerfusse wurde die Wormser Reichsmatrikel von 1521 zu Grunde gelegt. In derselben war, wegen des damals von Karl V. beschlossenen Römerzuges, auf die einzelnen Reichsstände eine gewisse Anzahl Truppen gelegt. Ihr Sold wurde zugleich dahin bestimmt, dass monatlich für einen Fussgänger 4, für einen Reiter 10 (später 12) Gulden gegeben werden sollten. Wenn gleich jener Römerzug gar nicht zu Stande kam, so gebrauchte man doch die einmal verfertigte Matrikel dazu, um nach dem darin für die Mannschaft bestimmten monatlichen Solde die Geldbeiträge der Reichsstände zu ausserordentlichen Reichsbedürfnissen zu bestimmen. Trotz ihrer grossen Mangelhaftigkeit bildete diese Wormser Matrikel bis zum Ende des Reiches die Grundlage des völlig zerrütteten und planlosen Reichssteuerwesens. Die s. g. Usualmatrikeln von 1698 und 1737 blieben blosse Privatarbeiten 5.

Die nach Römermonaten von den Reichsständen zu bezahlenden Gelder mussten an die dazu bestimmten Orte (Legstädte) abgeliefert und von dem Reichskassirer verrechnet werden. Der Eingang dieser Gelder war aber so unregelmässig, dass kaum die Hälfte eines matrikelmässigen Römermonats wirklich einging 6.

§. 90. Reichspolizei 1.

Die Reichspolizeigewalt, welche sich mit der Polizei des deutschen Reiches im ganzen beschäftigte, stand nicht dem Kaiser

3) Lang, histor. Entwickelung der deutschen Steuerverfassung, S. 187. Gerstlacher a. a. O. S. 813.

4) Am besten abgedruckt bei Gerstlacher, S. 815.

5) Heinrich Sigmund Georg Gumpelzhaimer, die Reichsmatrikel aller Kreise nebst der Usualmatrikel des K.- und R.-K.-G. Ulm 1796.

6) Statt dass nach der Wormser Matrikel ein Römermonat 128,000 Fl. betragen sollte, betrug er nach der Usualmatrikel nur 58,280 Fl. Aber man musste froh sein, wenn auf einen Römermonat 50,000 Fl. einkamen, in Kriegszeiten war es noch viel weniger. Häberlin, B. II. S. 259.

1) Pütter, inst. §. 331 ff. Häberlin, II. S. 551. Leist, §. 173 ff. Häberlin's Repert. B. IV. Art. Polizei. Gerstlacher, corpus juris

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allein, sondern in allen wichtigern Beziehungen dem Kaiser und dem Corpus der Reichsstände zu 2. Ihre Wirksamkeit war aber durch die Landesstaatsgewalt in die engsten Grenzen eingeschlossen, da die Ausführung aller Massregeln, die Mittel, wirksam einzugreifen, lediglich in den Händen der Einzelstaaten lagen. Die Reichspolizeigesetzgebung welche theils in eigenen Polizeiordnungen, theils in einzelnen Verordnungen über polizeiliche Gegenstände sich ausgesprochen hatte, war in hohem Grade lückenhaft, wurde wenig befolgt und gerieth fast ganz in Vergessenheit, da die allenthalben erlassenen Landespolizeigesetze für sie kaum noch ein Gebiet der Anwendung übrig liessen. Obgleich die Reichspolizeiordnung von 1577 weit hinter den Anforderungen der Zeit zurückblieb, so konnte man, trotz aller Anläufe, sich nicht über eine allgemeine Reichspolizeiordnung vereinigen; die von 1577 blieb die neueste, nur einzelne, die Reichspolizei betreffende Reichsschlüsse wurden publicirt 5.

Bei der grossen staatlichen Zerstückelung des südlichen und westlichen Deutschlands war hier die Kreispolizei von grosser Bedeutung. Viele Gegenstände, die sonst der Landespolizei zufielen, wurden in diesen noch aktiven Reichskreisen der Kreispolizeigewalt überlassen, welche theils auf Uebertragung der Reichsstaatsgewalt, theils auf freiwilliger Uebereinkunft der Kreisgenossen beruhte.

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germ. B. I. Kap. IX. S. 426. Derselbe, Handb. der deutschen Reichsgesetze. Th. IX.

2) J. P. O. VIII. §. 2. 3. : »In proximis comitiis de reformatione politiae ex communi statuum consensu agatur et statuatur«.

3) Die erste Reichspolizeiordnung ist von 1530 (N. Sammlung der R.-A. Theil II. S. 332-345); nachdem man sie 1532 verbessert hatte, wurde 1548 eine ganz neue erlassen. Die neueste R.-P.-O. von 1577 steht in der N. Samml. Th. III. S. 379-398. O. Stobbe a. a. O. B. II. S. 200.

4) Solche wurden genommen auf dem westph. Friedenskongresse und auf dem Reichstage, 1661-1681; auch wurde es dem Kaiser zur Pflicht gemacht, für die Verbesserung der Reichspolizei zu sorgen in der Wahlk. VII. §. 1.

5) So sind wegen Abstellung der Handwerksmissbräuche (1731 und 1772), wegen der Duelle (1668), wegen der geheimen Verbindungen auf Universitäten (1793) besondere Reichsschlüsse abgefasst worden und im Jahre 1793 wurde >>die Verbreitung der Freiheits- und Gleichheitsgrundsätze« durch einen Reichsschluss verboten. Håberlin, II. S. 558.

6) Moser, von der Kreisverfassung. Kap. XIV. S. 728.

Sechster Abschnitt.

Das Territorialstaatsrecht.

§. 91.

Die Landeshoheit im allgemeinen 1.

Der erste Schritt zur Entstehung der Landeshoheit war die Auflösung der alten Gauverfassung, der zweite das Erblichwerden der Herzogthümer und Grafschaften. Aus den erblich gewordenen Reichsämtern der Herzöge, Markgrafen und Grafen, und aus den Immunitätsbezirken der geistlichen und weltlichen Grossen sind die deutschen Landesherrlichkeiten emporgewachsen 2. Das Wort » Landeshoheit« lässt sich erst seit dem XVI. Jahrhundert nachweisen. Bis dahin fehlte es an einem technischen Ausdrucke für ein Verhältniss, welches selbst noch schwankend und im Werden begriffen war. Mit der Gerichtsbarkeit » Zwing und Bann«, dem eigentlichen Mittelpunkte der Landesherrlichkeit, waren gewöhnlich, aus besondern historischen Titeln, noch andere Regalien verbunden, durch kai– serliche Verleihung oder Herkommen, welche aber keineswegs als logische Folgerungen aus dem Begriffe der Landeshoheit abgeleitet werden konnten. Anfangs nur ein Aggregat vieler, zu

1) Ueber die geschichtliche Entwickelung der Landeshoheit siehe bes. Eichhorn, Staats- und Rechtsgeschichte, B. II. §. 221–223. 299–314. B. III. §. 396. 400. 418-434. 439. B. IV. §. 525. 526. 540-551. 595-598. 600-602. H. Zöpfl, deutsche Rechtsgeschichte (3. Aufl.), §. 53. S. 487 ff. §. 77. S. 569. Schulte, Reichs- und Rechtsgesch., §. 68 und 69. S. 147 ff. §. 76. S. 191. §. 102. S. 278. An einer umfassenden geschichtlichen Entwickelung der Landeshoheit fehlt es noch immer. Einen Anfang dazu giebt Joseph Berchtold, die Entwickelung der Landeshoheit in Deutschland in der Periode von Friedrich II. bis einschliesslich zum Tode Rudolf's von Habsburg staatsrechtlich erörtert. I. Theil. München 1863. Ueber die Landeshoheit nach neuerem Reichsstaatsrechte handeln besonders J. J. Moser, von der Landeshoheit der deutschen Reichsstände überhaupt, 1773. Derselbe, von der deutschen Reichsstände Landen, deren Landständen, Unterthanen u. s. w. 1769. Pütter in seinen Beiträgen, 1777. Th. I. No. VI. XVII. XVIII. XIX. Pütter, inst., §. 28 seqq. Häberlin, B. II. Buch V. S. 1-117. Leist, Staatsr. §. 20 ff. Ch. G. Biener, comm. de natura et indole dominii in territoriis Germaniae. Halae 1780. K. S. Zacharia, Geist der deutschen Territorialverfassung. Leipz. 1800.

2) Dieser ganze Entwickelungsgang ist ausführlich dargestellt in meiner Schrift über das Recht der Erstgeburt. S. 55-95.

fällig mit einander verbundener Berechtigungen, entwickelte sich die Landeshoheit seit dem XV. und XVI. Jahrhundert zu einer wirklichen Staatsgewalt. Diese Ausbildung der Landeshoheit ging, wie alle Umgestaltungen dieser Art, nur allmählich und unmerklich vor sich. Die Reichsgesetze anerkannten und bekräftigten blos, was sich, im Laufe der Jahrhunderte, thatsächlich gebildet hatte. Von besonderer Wichtigkeit war namentlich die Wahlkapitulation und der westphälische Frieden. J. P. O. Art. VIII. §. 1.

In ihrer vollendeten Ausbildung war die Landeshoheit eine wahre Staatsgewalt über einen deutschen Partikularstaat, welche von dem Inhaber in eigenem Namen und aus eigener Macht, jedoch in Unterordnung unter die Reichsstaatsgewalt ausgeübt wurde.

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Reichsstaatsrechtlich war die Landeshoheit in allen deutschen Staaten sich völlig gleich, wenn sie auch durch die Verfassungen der Einzelstaaten mehr eingeschränkt oder erweitert sein konnte und sich thatsächlich natürlich die staatlichen Einrichtungen, besonders in administrativer Beziehung, anders gestalteten in einem grossen, wie in einem kleinen Territorium.

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Der Landesherr war als solcher keineswegs Eigenthümet des Landes *; Patrimonialrechte mussten in jedem Lande von den staatsrechtlichen Territorial- und Hoheitsrechten geschieden werden, doch wurde die Landeshoheit selbst, nach der eigenthümlichen Auffassung des deutschen Staatsrechts, als ein auf dem Territorium haftendes, politisches oder öffentlich-rechtliches Immobiliarrecht angesehen 5.

Nirgends aber gab es in Deutschland de jure eine unbe

3) Henniges mant. de super. territ. §. 17.: »Superioritas territorialis non majus jus involvit in principe vel electore, quam in praelato, comite aut civitate«. Moser, von der Landeshoheit überhaupt, Kap. XVI. §. 9.: »Es haben zwar einige Staatsrechtskünstler denen Reichsständen von denen niedrigen Klassen die Landeshoheit nicht in eben dem Grade eingestehen wollen, wie denen höhern, aber ohne zureichenden Grund«. Häberlin, II. S. 100. Der Leibnitzische Supremat und der Lynker'sche Potentat waren grundlose Behauptungen.

4) Partikularstaaten, die modo herili, wie Ludolf und Biener sich ausdrücken, besessen worden wären, kannte das deutsche Staatsrecht nicht. Leist, S. 72.

5) Siehe mein Recht der Erstgeburt, S. 79. §. 23. S. 229.

schränkte, willkührliche oder despotische Gewalt; wo eine solche geübt oder beansprucht wurde, war es eine rechtlose Usurpation, welche den Fundamentalsätzen des deutschen Staatsrechts und dem Herkommen der deutschen Nation widersprach 6.

Beschränkt war die Landeshoheit:

I. Durch die Landesverfassung der einzelnen Territorien, besonders durch die Rechte der Landstände'. Wo es aber dergleichen, etwa in ganz kleinen Ländern, nicht gab, bildeten doch die wohlerworbenen Rechte der Unterthanen, der Gemeinden, Korporationen, der Kirche u. s. w. bedeutsame Schranken gegen die Willkühr.

II. Durch die allgemein anerkannte Unterordnung der landesherrlichen Gewalt unter die Reichsgewalt 8.

Die Subordination der Landeshoheit unter die Reichsgewalt machte sich besonders in folgenden Punkten geltend : a) der Reichsgewalt stand ein allgemeines Oberaufsichtsrecht über die Landesregierungen zu, kraft dessen besonders darüber gewacht wurde, dass die Landesherrn sich, bei der Ausübung ihrer Staatsgewalt, nach den reichsgrundgesetzlichen Vorschriften richteten; b) kein Landesgesetz durfte absolut verbietenden Reichsgesetzen widersprechen oder die Verpflichtungen gegen den Reichsverband verletzen; c) die Unterthanen durften wegen Missbrauchs der Landeshoheit nicht nur aussergerichtlich bei dem Kaiser, sondern auch bei den höchsten Reichsgerichten Hülfe und Beistand suchen, Wahlk. XIX. §. 6. 7.; d) alle Streitigkeiten zwischen deutschen Landes

6) Moser, von der Reichsstände Landen, sagt B. IV. Kap. 7. §. 2.: >> Haben es einige Stände zu einer willkührlichen Herrschaft gebracht, so besteht ihr ganzes Recht darin, dass sie 100,000 Mann auf den Beinen haben und keinen Richter über sich oder selbigen nicht zu fürchten haben«<. An anderer Stelle sagt derselbe: »Wir leben indessen in einer Zeit, da viele grosse Herrn vieles hoch- und übertreiben. Aus dem deutschen Staatsrechte will ein militärisches Staatsrecht und aus der Landeshoheit eine despotische Gewalt gemacht werden, alles zu thun und zu lassen, was einem Regenten, seinen Ministern und Lieblingen beliebt. Ein grosser Militäretat ist das Mittel, es durchzusetzen, und sowenig ein Subaltern über die Ordre seines kommandirenden Officiers raisonniren darf, so will man nun auch Land und Leute regieren

u. s. w. «

7) Häberlin, B. II. S. 28-80.

8) Häberlin, B. II. S. 80-106. Pütter's Beiträge zum deutschen Staats- und Fürstenrechte. Th. I. No. XVII. XVIII.

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