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Aber der Wissenschaft kommt es weniger auf Aehnlichkeit, als auf scharfe Unterscheidung der verschiedenen Staatenverbindungen an, die nun im einzelnen versucht werden soll.

§. 62.

Personalunion und Realunion.

I. In monarchischen Staaten ist es möglich, dass die physische Person, welche in einem Staate die Souveränetät innehat, durch Erbfolge oder Wahl auch zur Herrschaft in einem andern Staate berufen wird. Eine solche staatsrechtlich zufällige Gemeinsamkeit des Herrschers ist die Personalunion. Damit ist allerdings an und für sich noch keine nothwendige Verbindung der Staaten gegeben; sie können einander völlig fremd bleiben, wenn auch, besonders bei absolut beherrschten Staaten, der persönliche Einfluss des Herrschers gewöhnlich thatsächlich eine gewisse Einheit in der Politik herbeiführen wird.

Eine Personalunion kann entstehen durch Erbfolge oder Wahl. Das erste findet statt, wenn zufällig der Herrscher eines Staates auch durch das Erbfolgegesetz eines andern Staates auf den Thron berufen wird. So wurde Georg Ludwig, seit 1698 Kur– fürst von Hannover, 1714 als Georg I. König von Grossbritannien, weil ihn zufällig das englische Thronfolgegesetz, als cognatischen Urenkel Jacob's I., auch auf den Thron Grossbritanniens berief1. Dadurch entstand eine blosse Personalunion zwischen Hannover und Grossbritannien, welche mit dem Staatsrechte dieser Länder weiter nichts zu thun hatte.

Aber auch durch Wahl kann eine Personalunion begründet werden, wenn der Erbmonarch des einen Staates in einem andern Staate zum Staatsoberhaupte für seine Person gewählt wird. So entstand eine Personalunion zwischen Spanien und Deutschland, als der erbliche König Karl I. von Spanien 1519 als Karl V. zum Kaiser des römischdeutschen Reiches erwählt wurde, so zwischen Sachsen und Polen, als Kurfürst Friedrich August I. 1697 und Friedrich August II. 1733 als August II. und August III. die polnische Wahlkrone erhielten 2.

1) Ueber die Gelangung des Hauses Hannover auf den grossbritannischen Thron siehe Hermann Schulze, die Hausgesetze, B. I. S. 405.

2) Die Vereinigung zweier völlig verschiedener Herrscherpersönlichkeiten

Die Dauer der Personalunion hängt lediglich von der Dauer des durch den Herrscher begründeten persönlichen Bandes ab. Am schnellsten löst sie sich gewöhnlich, wenn die Herrschaft in dem einen Staate nur auf Wahl beruht, die Herrscherwürde somit nur eine lebenslängliche, rein persönliche ist. So hörte die Personalunion zwischen Spanien und Deutschland mit der Resignation Karl's V. augenblicklich auf, und beide waren nun wieder völlig getrennte Reiche. Wo zwei Erbreiche miteinander durch Personalunion vereinigt sind, kann ihre Verbindung für immer dauern, wenn dasselbe Erbgesetz, z. B. agnatische Linealprimogenitur, zufällig in beiden Staaten gilt. Auch bei Verschiedenheit der Erbfolgegesetze kann die Vereinigung lange dauern, wenn ihre differirenden Punkte zufällig nicht zur Anwendung kommen. So folgte, sowohl nach grossbritannischer wie nach hannöverscher Erbfolgeordnung, auf Georg I. 1727 sein Sohn Georg II., auf diesen sein Enkel Georg III. 1760, auf diesen sein Sohn Georg IV., auf diesen sein Bruder Wilhelm IV. Hätte es der hannöverschen Dynastie nicht an erbfähigen Söhnen gemangelt, so wären vielleicht die Kronen von Grossbritannien und Hannover noch Jahrhunderte lang beisammengeblieben. Als aber Wilhelm IV. ohne successionsfähige Descendenz starb, machte sich zum erstenmale die Differenz der grossbritannischen cognatischen und der hannöverischen agnatischen Successionsordnung geltend und so löste sich ipso jure am 20. Juni 1837 die Personalunion, welche 123 Jahre bestanden hatte, ohne dass es dazu irgend eines weitern staatsrechtlichen Aktes, etwa von Seiten des englischen Parlaments oder der hannöverischen Stände, bedurft hätte. Es ist dies eben die Konsequenz der Personalunion, wo das staatsrechtliche Band lediglich auf der Herrscherpersönlichkeit ruht.

II. Ganz anders verhält es sich bei der Realunion, wo nicht blos mehrere Staaten zufällig durch Ein herrschendes Subjekt vereinigt sind, sondern wo ihre Union, bei sonstiger staatlicher Selbstständigkeit, eine staatsrechtlich-nothwendige grundgesetzlich dauernde Verbindung ist. Die Personalunion ruhtlediglich auf der Person des Monar

in Einer physischen Person wird hier auch durch die Verschiedenheit der Namen und Zahlen angedeutet. So war Karl V. in Spanien Karl I., so Friedrich August I. von Sachsen in Polen August II.

chen, die Realunion auf den Staaten selbst3. Mit der Realunion ist dabei die grösste staatliche Selbstständigkeit der realiter verbundenen Staaten vereinbar, sie können ihre eigenen gesetzgebenden Körper, ihre besondern Ministerien, Truppen, Finanzen, kurz alles für sich haben, wenn nur ihre Zusammengehörigkeit als nothwendiges staatsrechtliches Princip feststeht.

Als typisch für die freieste Form der Realunion kann die Verbindung zwischen Schweden und Norwegen gelten. Norwegen ist ein durchaus selbstständiges Königreich mit eigener Verfassung, eigener Land- und Seemacht u. s. w., aber dennoch ist seine Union mit Schweden realer Natur, weil die Vereinigung mit dem Königreiche Schweden unter Einem Könige Verfassungsgrundgesetz beider Länder ist, weil die schwedische Successionsordnung vom 26. September 1810 auch zum norwegischen Grundgesetze erhoben ist und selbst beim Erlöschen der Dynastie immer wieder ein gemeinsames Staatsoberhaupt für beide Reiche bestellt werden muss *.

Man unterscheidet oft im gewöhnlichen Leben die Personalvon der Realunion so, dass bei der erstern nur die Person des Herrschers, bei der letztern auch noch andere staatliche Einrichtungen gemeinsam seien. Diese Unterscheidung giebt gar kein bestimmtes Princip. Es können auch, bei einer blossen Personalunion, besonders unter einem absoluten Herrscher, viele gemeinsame Einrichtungen administrativer Natur getroffen werden, wäh– rend bei einer Realunion vielleicht zwischen den vereinigten Staaten sehr wenige staatliche Einrichtungen gemeinsam sind. Es kommt vielmehr ganz allein darauf an, ob die Verbindung eine nur auf einem persönlichen Bande ruhende, im juristischen Sinne

3) Diese Unterscheidung ist der civilrechtlichen zwischen persönlichen und dinglichen Rechten nachgebildet, die unio personalis ist gewissermassen nur ein jus in personam, die unio realis ein jus in rem.

4) So bestimmt der erste §. der norwegischen Verfassung vom 4. November 1814: »das Königreich Norwegen ist ein freies, selbstständiges, untheilbares und unabhängiges Reich mit Schweden unter einem Könige vereinigt. §. 6. Die Erbfolge ist lineal und agnatisch, so wie sie sich in der von Schwedens Reichsständen beschlossenen und vom Könige angenommenen Successionsordnung vom 26. Septbr. 1810, welche diesem Grundgesetze in Uebersetzung beigefügt wird, bestimmt findet. « §. 7. bestimmt, wie beim Erlöschen der Dynastie für die Neubesetzung des Thrones gesorgt werden soll.

zufällige ist, oder ob sie auf einem nothwendigen staatsrechtlichen Grundsatze beruht und somit nicht blos das Herrschersubjekt, sondern auch die Staaten betrifft 5.

Mit Unrecht wird neben der Personal- und Realunion noch als dritte Form der Staatenverbindung unter Einem Herrscher die Inkorporation aufgeführt, wobei die staatliche Selbstständigkeit des einverleibten Staates ganz aufhört, so dass er von nun an einer ihm bis dahin fremden Staatsgewalt und einem fremden Grundgesetze unterworfen wird, und dagegen auch an der etwaigen Repräsentativverfassung des inkorporirenden Staates Antheil erhält. Es ist dies die sogenannte unio per suppressionem, d. h. eben die Aufhebung der Union und die Begründung des Einheitsstaates. Bei einer derartigen Inkorporation können den so einverleibten Bestandtheilen mancherlei eigenthümliche Rechte gelassen und eingeräumt werden, z. B. ihre Gesetzbücher und Statuten, ihre Municipalverfassung, ihre besondern Landestitel, wie Königreich, Grossherzogthum u. s. w. Demnach bilden unzweifelhaft England, Schottland und Irland nicht mehr, wie früher, unirte Staaten, sondern einen Einheitsstaat. Das Grossherzogthum Posen ist niemals etwas anderes gewesen, als eine inkorporirte preussische Provinz, und auch die neuesten Erwerbungen Preussens, die bis 1850 souveränen Fürstenthümer Hohenzollern, sind nicht unirt, sondern inkorporirt worden. Das Königreich Polen stand nach der Verfassung vom 27. November 1815 in Realunion mit dem russischen Kaiserreiche, seit dem Manifest vom 26. Februar 1832 ist es demselben inkorporirt.

§. 63.

Der Staatenbund.

Kraft eines Bundesvertrages vereinigen sich mehrere selbstständige Staaten zur gemeinsamen Erfüllung wesentlicher Aufga

5) So findet zwischen den Herzogthümern Schleswig und Holstein nach den alten Landesverträgen von 1460 eine wahre Realunion statt, während diese Herzogthümer mit der Krone Dänemark nur in einer Personalunion standen, obgleich manche Staatsanstalten administrativ vereinigt wa

ren.

Die Personalunion ist am 15. November 1863 gelöst, da in den Herzogthümern das dänische Thronfolgegesetz vom 31. Juli 1853 ebensowenig Gültigkeit hat, als die Lex Regia von 1665. Zu dieser Lösung bedurfte es keineswegs einer Zustimmung der ständischen Körper Dänemarks oder der

ben des Staatslebens. Eine solche Vereinigung wird ein Staatenbund genannt, welcher sich dadurch von einer blos vorübergehenden Alliance unterscheidet:

1) dass es immer wesentliche Aufgaben des Staatslebens sein müssen, für welche die Verbindung stattfindet (nicht etwa blos ein bestimmtes Benehmen für einen einzelnen Fall oder Vertheidigung gegen einen bestimmten Feind, sondern überhaupt äussere und innere Sicherheit, Aufrechterhaltung der Integrität u. s. w.). Es muss eine wahre Gemeinschaft politischer Interessen und staatlicher Angelegenheiten stattfinden;

2) dass der Staatenbund seinem Principe nach einen dauernden Charakter hat. Weil eben jene gemeinschaftlich gemachten wesentlichen Interessen eine fortwährende Fürsorge beanspruchen, muss auch der Bund, als Träger dieser gemeinsamen Besorgung, dauernd errichtet werden;

3) dass ein gemeinsames Organ vorhanden sein muss, welchem nach der Bundesverfassung die Leitung der gemeinsamen Angelegenheiten übertragen ist. Mit einem solchen leitenden Bundesorgane pflegen dann noch andere bleibende, gemeinsame Bundesanstalten verbunden zu sein.

Immer sind es aber beim Staatenbunde die Staaten selbst, welche zu dieser Vereinigung zusammentreten. Obgleich weit über eine blosse Alliance hinausgehend, hat ein solches Bundesverhältniss doch lediglich einen völkerrechtlichen Charakter. Der Staatenbund ist in seiner Einheit wohl eine völkerrechtliche Gesammtpersönlichkeit im auswärtigen Staatenverkehre, aber in seinen innern Beziehungen kein Gesammtstaat. Es giebt keine unabhängig herrschende staatliche Centralgewalt, sondern nur eine vertragsmässige Socialgewalt mit scharf begrenzter Kompetenz, ohne eigentliche Hoheitsrechte. Strenggenommen darf man von keiner gesetzgebenden, regierenden, richtenden Gewalt des Bundes reden.

Der Staatenbund ist eine Verbindung von Staaten, nicht von einzelnen Menschen. Die Staatsbürger der verbündeten Staaten, als solche, werden unmittelbar von dem Bundesverhältnisse gar

Herzogthümer, sie erfolgte ipso jure mit dem Todesmomente Friedrich's VII. Es ist ganz dasselbe Verhältniss wie 1837 zwischen Grossbritannien und Hannover, welche nach 123 jähriger Personalunion mit dem Todesmomente Wilhelm's IV. von selbst wieder auseinanderfielen.

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