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siren, dem positiven Staatsrechte der einzelnen Staaten überlassen bleiben muss.

§. 60.

Die sogenannte gemischte Staatsform.

Zu diesen ursprünglichen drei aristotelischen Staatsformen glaubte man schon im Alterthume bisweilen eine vierte fügen zu müssen, welche aus mehrern dieser Staatsformen gemischt sei. Besonders berühmt ist der Ausspruch des Cicero1 geworden, welcher gerade darin den höchsten Vorzug der römischen Verfassung sieht, dass sie aus allen drei Staatsformen, Monarchie (Consuln), Aristokratie (Senat), Demokratie (Comitien), gemischt sei.

Auch in neuerer Zeit ist die sogenannte gemischte Staatsform viel gepriesen worden, insofern man dieselbe in der konstitutionellen Monarchie verwirklicht sah. Man glaubte hier Monarchie, Aristokratie und Demokratie in demselben Staate vereinigt zu sehen. Wenn man sich demnach drei Gewalten dachte, König, Oberhaus, Volkshaus, die als gleichberechtigte Inhaber der Souveränetät im Staate nebeneinander stehen sollten, so verfiel man mit dieser Auffassung der gefährlichen Irrlehre von der Theilung der Gewalten, welche die einheitliche Staatsgewalt auflöst und in sich schon einen Widerspruch enthält. Nimmt man aber nur eine selbstständige Geltung anderer Elemente, innerhalb der monarchischen Staatsform, an, so liegt darin gewiss ein grosser Vorzug der konstitutionellen Staatsform, dass hier ebensowohl berechtigte aristokratische, wie demokratische Elemente zur Anerkennung gebracht werden. Eine solche mannigfach gegliederte Staatsverfassung giebt dem Staatsleben eine reichere Entwickelung und dem Einzelnen eine grössere Bürgschaft der Freiheit, als wo der Wille eines einzelnen Menschen oder einer vielköpfigen Volksversammlung einseitig und schrankenlos waltet. Deshalb braucht aber die konstitutionelle Monarchie noch nicht als gemischte Staatsform gedacht zu werden; auch hier bleibt der

1) Cicero, de Rep. I. 29: » Quartum quoddam genus reipublicae maxime probandum esse sentio, quod ex his, quae prima dixi, moderatum et permixtum tribus. I. 45. Placet enim esse quiddam in republica praestans et regale, esse aliud auctoritate principum partum ac tributum, esse quasdam res servatas judicio voluntatique multitudinis.« Ueber diese Ansicht des Cicero von der gemischten Verfassung siehe K. S. Zachariä, staatswissensch. Betrachtungen über Cicero's Werk vom Staate, S. 99 ff.

Monarch immer wahrer Souverän, nur erscheint seine Souveränetät geläutert und ermässigt durch andere Elemente, welche neben ihm ihre selbstständige Geltung haben.

Mit viel grösserem Rechte kann man da von einer gemischten Staatsform reden, wo die andern Elemente nicht blos als ermässigende und theilnehmende Faktoren unter dem Souverän, sondern geradezu als Mitinhaber der Souveränetät gelten. In dieser Weise hat sich allerdings bisweilen die verfassungsmässige Monarchie historisch entwickelt, ohne dass diese Auffassung eine nothwendige Konsequenz derselben wäre. So war die Verfassung des deutschen Reiches in diesem Sinne eine gemischte, indem hier die Souveränetät bei Kaiser und bei Reich, d. h. bei der Gesammtheit der Reichsstände war. Der Reichstag hatte ein wirkliches co-imperium, ein condominium der Souveränetät. Dennoch war der Kaiser ein wahrer Souverän, ein Monarch, weil er als das höchste Glied in diesem Organismus, als das Oberhaupt des Reichstages, staatsrechtlich angesehen wurde, weil sein Recht einen selbstständigen, in seiner Sphäre unabhängigen Charakter hatte, was weder bei den Consuln der römischen Republik, noch bei dem Präsidenten von Nordamerika der Fall ist. Beide sind trotz ihrer hervorragenden Stellung immer nur als hohe Beamte oder Magistratspersonen zu betrachten. Zu einer ähnlichen Auffassung, wie sie im deutschen Reiche die officiell geltende war, neigt sich auch das engliche Staatsrecht, wenn es dem Parlamente, d. h. dem Könige und den beiden Häusern, die höchste Staatsgewalt zuspricht, dabei den König aber immer wieder als den Souverän, als das höchste Glied, als das Haupt in diesem Körper ansieht.

Aber auch, wo eine derartige Auffassung der Souveränetätsverhältnisse staatsrechtlich feststeht, darf man sich die Souveränetät nicht als getheilt zwischen mehreren selbstständigen Faktoren denken, was ihrem Wesen durchaus widerspricht, sondern es ist nur ein neues zusammengesetztes Subjekt der Souveränetät entstanden, so in Deutschland das Reich, d. h. Kaiser und Reichstag, so in England das Parlament, d. h. der König und die beiden Häuser. In sehr prägnanter Weise wird diese Einheit und Untheilbarkeit der Souveränetät in einem solchen zusammengesetzten Staatskörper in der alten hamburgischen Verfassung aus

gedrückt, wo dem Rathe und der erbgesessenen Bürgerschaft die Souveränetät gemeinsam zugesprochen wird 2.

Siebentes Kapitel.

Von der Verbindung mehrerer Staaten 1.

§. 61.

Einfache und zusammengesetzte Staaten.

Bei der bisherigen Darstellung der Staatsformen hatten wir immer nur den einfachen Staat vor Augen. Der einfache Staat (civitas simplex) hat in seinem Innern eine einheitliche Staatsgewalt als Mittelpunkt, welcher alle Gebietstheile als Provin

2) Hauptrecess von 1712, Art. 1., wonach »τò xuqiov oder das höchste Recht bei E. E. Rathe und der Erbgesessenen Bürgerschaft inseparabili nexu, conjunctim und zusammen bestehen soll«. Auch hier ist die Souveränetät keineswegs getheilt, sondern hat nur ein zusammengesetztes Subjekt erhalten. H. A. Zachariä, B. I. §. 23. S. 82. Stahl, Rechtsphilosophie, Theil II. Abth. II. S. 216.

1) Samuel de Pufendorf, diss. de systematibus civitatum (in seiner dissert. academ. sel. Upsalae 1677), p. 210. Die ältere, jetzt meist unbrauchbare Literatur findet sich angeführt bei Klüber, öffentliches Recht, §. 104. Vergl. auch H. A. Zachariä, Staatsrecht, B. I. §. 25. S. 90 ff. H. Zöpfl, Staatsrecht, B. I. §. 62-65. Die Begriffe » Staaten bund« und » Bundesstaat sind erst in neuerer Zeit wissenschaftlich erörtert worden. Die erste tiefer gehende Erörterung verdanken wir Karl Theod. Welcker, »>Ueber Bundesverfassung und Bundesreform, über Bildung und Grenzen der Bundesgewalt«, Leipzig 1834, welcher schon damals versuchte, die herrschende Unbestimmtheit und Verwirrung der Begriffe zu beseitigen. Aus der reichen Broschüren fluth des Jahres 1848 ragen besonders hervor: »Bemerkungen über die neuesten Vorschläge zur deutschen Verfassung «. München 1848 (wahrscheinlich von W. Dönniges) und Christian Carl Josias Bunsen, die deutsche Bundesverfassung und ihr Verhältniss zu den Verfassungen Englands und der Vereinigten Staaten. Frankfurt a. M. 1849. Bluntschli hat in der Geschichte seines schweizerischen Bundesrechts die Natur des Bundesstaates richtig bestimmt. Am tiefsten und scharfsinnigsten hat das Wesen des Bundesstaates erfasst und dargestellt G. Waitz in seiner Politik, Ausf. III. S. 152—218 (früher gedruckt in der Allgemeinen Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur, 1853). Er hat dabei besonders die nordamerikanische Verfassung vor Augen gehabt und wesentlich aus ihr (auf der Grundlage von Tocqueville's lichtvoller Auseinandersetzung) den Begriff des Bundesstaates abstrahirt. Vergl. auch Pözl's Aufsatz im Staatswörterb. B. II. unter dem Art. »Bundesstaat« und »>Staatenbund«<.

zen, alle Staatsgenossen als Unterthanen unterworfen sind; nach aussen, d. h. zu andern Staaten, hat er keine andern bleibenden rechtlichen Beziehungen, als die allgemeinen völkerrechtlichen, welche zwischen allen civilisirten Staaten europäischer Gesittung, nach den Grundsätzen des internationalen Rechts, bestehen. Völkerrechtliche Verträge, welche auf einzelne Gegenstände gerichtet sind, wie Handelsverträge oder Alliancen, sowie singuläre Beschränkungen durch völkerrechtliche Servituten zu Gunsten anderer Staaten, thun dem Begriffe des einfachen Staates noch keinen Eintrag.

Den einfachen Staaten stehen die zusammengesetzten Staaten, civitates compositae, Staatensysteme gegenüber. Hierunter versteht man bleibende Verbindungen mehrerer Staaten, welche trotz dieser Zusammengehörigkeit sich doch als Staaten mit einer mehr oder minder selbstständigen Staatsgewalt, nicht als blosse Provinzen eines grössern Ganzen, darstellen. So allgemein wird dieser Begriff absichtlich hier gefasst, damit die mannigfaltigen verschiedenen Staatenverbindungen unter demselben Platz finden, welche alsdann freilich wieder, nach ihrer verschiedenen Natur und ihrem eigenthümlichen Wesen, unterschieden und gewürdigt werden müssen.

Es sind verschiedene Bedürfnisse und Veranlassungen gewesen, wodurch solche bleibende Staatenverbindungen ins Leben gerufen worden sind. Bald fühlten sich mehrere kleine Staaten nicht stark genug, sich nach aussen zu schützen, bald waren sie selbst nicht einmal der vollständigen Lösung der innern Staatsaufgaben gewachsen. Was jeder Staat für sich zu leisten nicht im Stande war, suchten sie durch eine bleibende staatliche Verbindung mit andern Staaten zu erreichen. Anderwärts war eine Nation in verschiedene Staaten gespalten, dabei war der Drang der nationalen Einheit einerseits zwar nicht erloschen, aber andrerseits wieder auch nicht mächtig genug, um das Particularbewusstsein der einzelnen Stämme und Staaten zu überwinden. Hier stellte sich die Staatenverbindung ebenfalls als ein entsprechendes Auskunftsmittel, bisweilen auch als eine Uebergangsstufe zum Einheitsstaate dar. Bald machte sich aber auch wieder ein entgegengesetzter geschichtlicher Process geltend; der centrifugale Drang sprengte allmählich einen nationalen Einheitsstaat und verwandelte ihn in eine blosse Staatenverbindung. Anderwärts

waren es weniger tief gehende nationale Bedürfnisse und Bestrebungen centripetaler oder centrifugaler Richtung, sondern rein historische Zufälligkeiten, wie Vererbungen, Eroberungen, Friedensschlüsse, welche mehrere bis dahin völlig unabhängig nebeneinander stehende Staaten in eine bleibende Verbindung zueinander brachten, ohne dabei ihren staatlichen Charakter und ihre Selbstständigkeit ganz aufzuheben.

Es ist die Aufgabe der Staatslehre, die mannigfaltigen Formen, in welchen die Verbindung verschiedener Staaten sich verwirklicht hat, auf gewisse Hauptgattungen zurückzuführen.

Es ist ein doppelter Standpunkt, von welchem aus sich die verschiedenen Staatenverbindungen betrachten und eintheilen lassen. Man sieht entweder:

a. auf die Vereinigung mehrerer Staatsgewalten in Einem Herrschersubjekte (Union im engern Sinne, unio civitatum ex jure imperi, h. e. sub eodem imperante). Diese Union unter einem Herrscher ist entweder Personalunion oder Realunion;

b. oder man geht von einem bleibenden Bundesverhältnisse mehrerer Staaten aus (unio civitatum ex jure societatis), wo kraft eines Bundesvertrages entweder ein dauernder völkerrechtlicher Verein für wesentliche Aufgaben des Staatslebens Staatenbund, oder ein höheres staatsrechtliches Ganze mit einer eigenen, selbstständigen, staatsrechtlichen Organisation geschaffen ist Bundesstaat.

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Was die geschichtliche Entstehung der Staatenverbindungen betrifft, so werden mehr zufällige historische Momente, wie Erbfolge oder Eroberung, gewöhnlich zur Union des Herrschersubjekts, zur Personal- oder Realunion, bewusst nationale Bestrebungen gewöhnlich zur bundesmässigen Verbindung, zum Staatenbunde oder Bundesstaate führen.

Dagegen sind die blosse Personalunion und der Staatenbund darin verwandt, dass hier die einzelnen verbundenen Staaten zwar vollständig staatlich organisirt sind, nicht aber die Gemeinschaft. Dagegen ähneln sich die Realunion und der Bundesstaat darin, dass bei beiden Staatenverbindungen nicht nur die einzelnen verbundenen Staaten, sondern auch die Staatengemeinschaft einen wahrhaft staatlichen Charakter besitzt. Nur bei beiden letztern Formen ist man berechtigt, von einem Gesammtstaate zu reden.

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