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»imperium absolutum«, welchem gegenüber der Unterthan kein Eigenthum, kein Urtheil, kein Gewissen und selbst keine Religion hat, wie Rousseau's3 »volonté générale«, die nicht Unrecht thun kann, dienen gleichmässig dem Staatsabsolutismus.

Ausser diesen sittlich - natürlichen Schranken, welche in jedem Staate, auch dem absolut - monarchischen, der Staatsgewalt gezogen sind, giebt es noch geschichtlich gewordene, positivrechtliche Schranken für die Staatsgewalt. Diese können sowohl durch Staatsverträge mit andern Staaten, wie durch Staatsgrundgesetze gegeben sein, solche Schranken sind z. B. in Deutschland die Bestimmungen der Bundesakte, die landständischen Verfassungen. Je reicher gegliedert und je inniger mit dem Volksleben verwachsen eine Verfassung ist, eine um so kräftigere Schutzwehr stellt sie der Willkühr entgegen. Ja, die bedeutsamsten Schranken der Staatsgewalt bestehen nicht einmal immer in positivrechtlichen Sanktionen und geschriebenen Verfassungsurkunden, sondern oft nur in einer kräftigen, freiheitlichen Gesinnung der Nation und einer bestimmt ausgeprägten Volkssitte. So hat sich auf christlich-germanischer Grundlage in den Kulturstaaten des westlichen Europa eine so feste, sittliche Ueberzeugung, ein so feines, persönliches Ehrgefühl ausgebildet, dass die Staatsgewalten der civilisirten Völker Europa's viele Dinge nicht wagen dürfen, die sich ein asiatischer Despot jeden Tag erlaubt, ohne nur darüber Tadel zu erfahren.

§. 52.

Wort und Begriff Souveränetät in seiner geschichtlichen Entwickelung '.
In dem modernen europäischen Sprachgebrauche wird die

4) Hobbes, de cive V. 2. Nach ihm machen nur Staatsgesetze Recht und Unrecht; auch die Religion ist rein politisch, der Staat bestimmt Kultus und Gottesverehrung nach Gutdünken, die Kirche ist ein abhängiges Moment des Staates, das Gesetz des Staates ist das einzige Gewissen des Bürgers.

5) Rousseau, du contr. soc. I. 6. Die Grundbedingung des Socialvertrages ist: »l'aliénation totale de chaque associé avec tous ses droits à toute la communauté... de plus l'aliénation se faisant sans réserve, l'union est aussi parfaite, qu'elle peut l'étre et nul associé n'a plus rien à réclamer.« Nach Rousseau kann kein Gesetz Unrecht sein, weil alle Gesetze Akte der »volonté générale« sind und niemand sich selbst Unrecht thun kann (II. 6.).

1) H. A. Zacharia, B. I. §. 14. S. 43 ff. Fr. Ancillon, über Souveränetät und Staatsverfassung. 2. Aufl. Berlin 1816.

Staatsgewalt mit dem romanischen Ausdrucke »Souverän etät«< bezeichnet, der Inhaber der Staatsgewalt aber der Souverän genannt, mag derselbe eine physische oder moralische Person sein, wenn ihm nur die höchste Staatsmacht zu selbstständigem Rechte zusteht.

Nach der Idee des Mittelalters war der römisch-deutsche Kaiser das weltliche Oberhaupt der Christenheit; der Theorie nach waren alle Könige und Fürsten ihm untergeben, er war dominus mundi, der König der Könige (S. 49).

Aber je mehr das nationale und monarchische Selbstgefühl bei den übrigen Völkern und Herrschern Europa's erstarkte, um so unhaltbarer wurde diese Theorie. Vor allem sträubten sich die grössern Könige, eine solche Unterordnung, wenn auch nur theoretisch, anzuerkennen, vor allen und zuerst die Könige von Frankreich. Aber man ging nicht gleich so weit, die ganze tiefgewurzelte Theorie umzustürzen; man bestritt dem Kaiser principiell nicht sein dominium mundi, sondern behauptete nur für sich eine Ausnahme, eine Exemtion von dieser Gewalt. Kraft eines eximirenden Titels, sagten die Könige, seien sie von dieser kaiserlichen Gewalt befreit, ihre Herrschermacht sei ebenso unmittelbar von Gott, wie die des Kaisers 2 und somit eine höchste Gewalt, suprema potestas, supremitas, suprematia, suprematus. Hieraus entstand in Frankreich, welches sich zuerst für unabhängig erklärte, das Wort souveraineté. Den rechtlichen Charakter einer solchen suprema potestas suchte man in der Abwesenheit jeder Unterordnung unter eine andere irdische Gewalt, besonders die kaiserliche. An eine Unbeschränktheit der Staatsgewalt im Innern, den Unterthanen gegenüber, dachte man im Mittelalter dabei noch nicht, wie ja eine solche auch nirgends bestand.

Erst als das Königthum in Frankreich alle ständischen Schranken beseitigt hatte, wurde auch die Souveränetät in absolutem Sinne verstanden, als völlig unabhängige, unbegrenzt herrschende Staatsgewalt. In diesem Sinne machte

2) Um ihre Gleichheit mit der kaiserlichen Würde auszudrücken, legten sich Könige bisweilen bei einzelnen Gelegenheiten auch den Kaisertitel bei, so die Könige von Frankreich in den Verhandlungen mit der hohen Pforte und deren Unterstaaten; so wird die grossbritannische Königskrone bis auf den heutigen Tag »>the Imperial crown of Greatbritain « genannt. Dagegen dauerte es noch lange, ehe die deutsche Reichskanzlei den Titel: Majestät, auch den Königen gab.

Ludwig XIV. die Souveränetät zum Wahlspruche des Königthums 3.

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Die deutschen Fürsten hatten, so lange das Reich bestand, in keinem Sinne des Wortes » Souveränetät«<. Wenn ihnen auch gefällige Hofpublicisten und ausländische Schmeichler bisweilen den Souveränetätstitel beilegten, so gab es doch bis zum Jahre 1806 von Rechtswegen in Deutschland nur Einen Souverän, den Kaiser 5. Innerhalb Deutschlands waren alle Fürsten der Reichsgewalt unterworfen. Erst die Auflösung des Reiches machte die deutschen Fürsten zu Souveränen, indem sie seitdem keinen Oberherrn, keine höhere Reichsgewalt mehr anzuerkennen brauchten. Mehrere Rheinbundsfürsten 6 fassten aber die Souveränetät als völlig schrankenlose Gewalt auf, auch ihren Ständen und Unterthanen gegenüber, wodurch sie sich zur Aufhebung der bestehenden landständischen Verfassungen berechtigt hielten, eine Missdeutung des Souveränetätsbegriffes, welche jedoch auch energischen Widerspruch fand 7.

3) Als wissenschaftlicher Begründer der Souveränetätslehre im Sinne des französischen Absolutismus erscheint besonders Bodinus. Siehe Bluntschli, Geschichte des Allgem. Staatsrechts, S. 22 ff.

4) Bezeichnend genug für die Absicht der Franzosen ist, dass es in den zum westphälischen Frieden von Frankreich gemachten Propositionen Art. VIII. heisst: »Que tous les Princes et Etats en général et en particulier, seront maintenus dans tous les autres droits de souveraineté qui leur appartiennent«. Was sie bereits damals im Schilde führten, brachten sie endlich 1806 zur Ausführung. Die Souveränetät der Partikularstaaten war das Danaergeschenk Frankreichs an Deutschland!

5) J. J. Moser, von der Landeshoheit überhaupt, S. 17.

6) Aber keineswegs die Rheinbundsakte selbst, welche, Art. 26., die Rechte der Souveränetät aufzählt: »Les droits de souveraineté sont ceux de législation, de juridiction suprême, de haute police, de conscription militaire ou recrutement et d'impót «. Art. 27. bezeichnet sie diese Rechte als essentiellement inhérents à la souveraineté«, dagegen findet sich in der Rheinbundsakte kein Wort, wodurch diese behauptete Unbeschränktheit der Gewalt gerechtfertigt werden könnte.

7) Gegen diese Auffassung der Souveränetät war besonders die berühmte Erklärung des Grafen Münster vom 14. Oktober 1814 gerichtet: »In dem Begriffe der Souveränetät liegt keine Idee der Despotie. Der König von Grossbritannien ist unläugbar eben so souverän, als jeder andere Fürst, und die Freiheiten seines Volkes befestigen seinen Thron, anstatt ihn zu untergraben.« Klüber's Akten, B. I. S. 68. Selbst Metternich stimmte mit dieser Auffassung überein, indem er erklärte: »dass in neuern Zeiten des potische Rechte, dergleichen man nicht begehren könne, mit dem Worte Sou

Die durch die Auflösung des Reiches begründete, durch die Rheinbundsakte und die Bundesakte anerkannte Souveränetät bildet auch heutzutage noch die Grundlage des deutschen Staatsrechts.

Nach einer geläuterten wissenschaftlichen Auffassung unterscheiden wir im Souveränetätsbegriffe zwei Momente:

a. die völkerrechtliche Seite, welche im Verhältnisse nach aussen, zu andern Staaten, hervortritt. Hier nennen wir einen Staat und einen Herrscher souverän, wenn er keinen Oberherrn, keine höhere Gewalt über sich anerkennt,

b. die innere staatsrechtliche Seite bezeichnet die Fülle staatlicher Hoheit und Macht, die Vollständigkeit der Regierungsrechte, worin aber keineswegs Schrankenlosigkeit, Despotismus und Rechtlosigkeit der Unterthanen liegt. Diese missbräuchliche Bedeutung des Wortes Souveränetät, welche Ludwig XIV. auf der schwindelnden Höhe seiner, sich selbst vergötternden Macht aufbrachte, ist im Staatsleben ebenso gefährlich, wie in der Wissenschaft unhaltbar und verwerflich.

§. 53.

Zuständigkeit der Souveränetät'.

Seit Rousseau und der französischen Revolution ist eine Ansicht aufgestellt worden, welche überall, mit unbedingter Allgemeingültigkeit, dem Volke die Souveränetät zuspricht. Das Princip der Volkssouveränetät ist zu Zeiten in der Wissenschaft, wie im Leben, zu einer solchen Macht gelangt, dass es altbegründete Gewalten über den Haufen warf und neue Staatsord

freilich meist sehr ephemerer Natur, ins Leben rief. Es bedarf daher hier einer nähern Beleuchtung und Kritik dieser Lehre.

Obgleich diese Theorie schon früher von sehr entgegengesetzten Parteien verfochten worden ist 2, so können wir doch Rous

veränetätsrechte confundirt worden, da doch letztere nur Regierungsrechte enthielten. Conferenzprotokoll vom 22. Okt. 1814. Klüber, B. II. S. 109.

1) Ueber die Begriffe Volkssouveränetät, Staatssouveränetät u. s. w. H. A. Zacharia a. a. O. §. 18. S. 60. H. Zöpfl, B. I. §. 54. S. 89 ff. Bluntschli, B. II. Cap. II. S. 5 ff. Friedrich Murhard, die Volkssouveränetät im Gegensatze der s. g. Legitimität. Kassel 1832. Ludwig Thilo, die Volkssouveränetät in ihrer wahren Gestalt. Breslau 1833.

seau, als den einflussreichsten Vertreter der Volkssouveränetät, hier vorzugsweise ins Auge fassen.

Das Volk ist, nach dieser Auffassung, die Summe der Individuen, die zum Staate zusammentreten; man löst den Staat in Gedanken in seine Atome auf und spricht dieser unorganischen Masse die höchste Gewalt zu. Der allgemeine Wille »volonté géné― rale « ist der einzig wahre Souverän. Die Staatsgewalt kann keinem andern Subjekte zukommen, als diesem Willen, welcher das beständige Ergebniss der sämmtlichen gleichberechtigten Willen aller Einzelnen ist. Die Souveränetät ist unveräusserlich bei der Gesammtmasse. Volk, Staat, Souverän, allgemeiner Wille sind darum ganz dasselbe. Da alle Staatsgewalt nur im Auftrage des Volkes ausgeübt wird, so kann sie von demselben in jedem Augenblicke wieder an sich gezogen, von ihm selbst ausgeübt und anderwärtig vergeben werden 3.

Die Lehre von der Volkssouveränetät hat, wie Stahl richtig bemerkt, darin ein Stück, freilich schief ausgedrückter, Wahrheit: >> dass der Staat unbestreitbar zuletzt auf dem Volkswillen beruht«. Selbst der absolute, völlig unbeschränkte Monarch regiert insofern nur kraft Volkswillens, als das Volk seine Herrschaft tolerirt, als er augenblicklich aufhören würde, zu regieren, wenn das ganze Volk oder seine überwiegende Majorität seine Regierung

2) Die Lehre von der ursprünglichen und unveräusserlichen Souveränetät des Volkes ist zu allen Zeiten, bei tiefgehenden staatlichen Bewegungen, von Feinden der bestehenden Gewalt behauptet und als mächtiges Angriffsmittel benutzt worden. So von F. Hotomann in seinen Kämpfen gegen Heinrich III. und die Ligue, von Junius Brutus und Buchanan im Anfange der englischen Umwälzung. R. von Mohl, Encykl. S. 111. Aber auch die Jesuiten Bellarmin und Mariana nahmen die Volkssouveränetät in Schutz, um die von der Menge abgeleitete Gewalt des Königthums herabzusetzen und sie der päpstlichen unterzuordnen, die allein von Gott eingesetzt sei. L. Ranke's hist. polit. Zeitschr. II. S. 606.

3) Völlig bodenlos erscheint diese Theorie, wenn man nicht nur von einer Souveränetät des ganzen Volkes, sondern jedes Einzelnen im Volke spricht. So heisst es in einer officiellen Erklärung Lamartine's: »Jeder Franzose, der das Mannesalter erreicht hat, ist Staatsbürger, jeder Bürger ist Wähler. Jeder Wähler ist Souverän! Das Recht ist gleich und ist ein absolutes für alle. Es kann kein Bürger zum andern sagen: du bist im höhern Masse Souverän als ich. Erwägt Eure Macht, bereitet Euch, dieselbe auszuüben und seid würdig, in den Besitz Eurer Macht einzutreten.« Lamartine, hist. de la révolution de 1848, II. p. 149. Bluntschli a. a. O. S. 8. Eine solche Auffassung ist mit jeder Staatsordnung, selbst einer demokratischen, unverträglich, sie ist eben die offene Proklamation der Anarchie!

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