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Jean Jacques Rousseau, du contrat social, 1762. Ueber ihn Bluntschli im Staatsw. B. VIII. S. 744, in der Geschichte S. 292.

Heinrich Gottfried Scheidemantel, das Staatsrecht nach der Vernunft und den Sitten der vornehmsten Völker betrachtet. 3 Theile. Jena 1770-73. Derselbe, das Allgemeine Staatsrecht überhaupt u. nach der Regierungsform. Jena 1775.

August Ludwig Schlözer, Allgemeines Staatsrecht und Staatsverfassungslehre. Göttingen 1793.

Immanuel Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre. Königsb. 1797. Das Staatsrecht wird behandelt §. 43–53 (S. 159—214).

Johann Gottlieb Fichte, Grundlage des Naturrechts nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre. Jena und Leipzig 1796. II. Theil oder angewandtes Naturrecht. Ebendaselbst 1797. Ueber Fichte's spätere staatsphilosophische Ansichten siehe besonders den Aufsatz von J. H. Fichte im Staatswörterb. B. III. S. 514 ff.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Naturrecht und Staatswissenschaften im Grundrisse. Berlin 1821. Neue Auflage von Eduard Gans, Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse. Berlin 1840. Die Staatslehre findet sich §. 257 bis §. 360, S. 305 bis 432.

Jacob Friedrich Fries, Philosophische Rechtslehre. Jena 1803. Derselbe, vom deutschen Bunde und deutscher Staatsverfassung, 1817. Neue Ausgabe unter dem Titel: die Verfassung und Verwaltung deutscher Staaten nach staatsrechtlichen Ansichten, historisch - philosophisch dargestellt und geprüft. Heidelb. 1831. Derselbe, Politik oder philosophische Staatslehre, herausgegeben von E. F. Apelt. Jena 1848.

Karl Chr. Fr. Krause, Abriss des Systemes der Philosophie des Rechtes. Göttingen 1828. (Organismus des Staates, S. 177-195.)

Karl Theodor Welcker, die letzten Gründe von Recht, Staat und Strafe. Giessen 1813.

Wilhelm Joseph Behr, System der allgemeinen Staatslehre. Bamberg 1804. Johann Jacob Wagner, der Staat. Würzburg 1815.

Karl Salomon Zachariä, vierzig Bücher vom Staate, Umarbeitung, 7 Bände, Heidelb. 1839-1842.

Friedrich Schmitt henner, Grundlinien des allgemeinen oder idealen Staatsrechts. Giessen 1845 (bildet das siebente Buch des Gesammtwerkes : Zwölf Bücher vom Staate).

K. L. von Haller, Restauration der Staatswissenschaften oder Theorie des natürlich-geselligen Zustandes, der Chimäre des künstlich-bürgerlichen entgegengesetzt. I-VI. Winterthur 1816-1825. V. 1834. Ueber ihn bes. Mohl, B. II. S. 529-560.

Adam Müller, die Elemente der Staatskunst. 3 Bände. Berlin 1809. Friedr. Julius Stahl, die Philosophie des Rechts. I. Band. Geschichte der Rechtsphilosophie. 2. Aufl. Heidelb. 1847. II. Band. Rechts- und Staatslehre auf der Grundlage christlicher Weltanschauung. Erste Abth. enthaltend die allgemeinen Lehren und das Privatrecht. 3. Aufl. Heidelb. 1854. Zweite Abth. enthaltend die Staatslehre und die Prinzipien des Staatsrechts. 3. Aufl. 1856.

F. C. Dahlmann, die Politik auf den Grund und das Mass der gegebenen Zustände zurückgeführt. I. B. 2. Aufl. 1847.

Chr. A. Brandis, die Lehre vom Staate, aus Schleiermacher's handschriftlichem Nachlasse herausgegeben. Berlin 1845.

Constantin Rössler, System der Staatslehre. A. Allgemeine Staatslehre. Leipz. 1857.

Const. Frantz, Vorschule zur Physiologie der Staaten. Berlin 1857.

Adolf Trendelenburg, Naturrecht auf dem Grunde der Ethik. Leipz. 1860. (Die Staatslehre befindet sich S. 281-501.)

Joseph Held, Staat und Gesellschaft vom Standpunkte der Geschichte der Menschheit und des Staates, in 3 Theilen. I. Th. Leipz. 1861. II. Th. 1863. Georg Waitz, Grundzüge der Politik, nebst einzelnen Ausführungen. Kiel 1862.

Heinrich Escher, Handbuch der praktischen Politik. Leipzig. B. I. 1863. B. II. Erste Abth. 1864.

Karl von Kaltenborn, Einleitung in das constitution. Verfassungsrecht. Leipz. 1863.

J. C. Bluntschli, Allgemeines Staatsrecht. 2 Bde. 3. Aufl. München 1863. (Siehe meine Beurtheilung der ersten Aufl. von 1852 in den Heidelberger Jahrbüchern, 1853. No. 36.)

Erstes Kapitel.

Begriff des Staates.

§. 25.

Verfahren bei der Begriffsbestimmung des Staates.

Jedermann lebt im Staate und hat eine mehr oder minder klare Vorstellung vom Wesen desselben. Sobald aber die Aufgabe gestellt wird, den Staat wissenschaftlich zu begreifen, tritt die grösste Verschiedenheit in den Ansichten über den Staatsbegriff hervor. Die Zahl der verschiedenen abweichenden Staatsdefinitionen ist sehr gross 1; eine Aufzählung und Kritik derselben wird hier nicht beabsichtigt. Es kommt hier zunächst nur darauf an, die richtige Methode festzustellen, welche bei der Begriffsbestimmung des Staates eingehalten werden muss.

Vor allem ist darin gefehlt worden, dass man den Begriff des Staates a priori, auf rein philosophischem Wege finden wollte. Der Staat ist eine universalgeschichtliche Erscheinung, ein

1) Eine Zusammenstellung der wichtigsten Staatsdefinitionen giebt H. A. Zachariä, B. I. §. 12. S. 36.

Gegenstand historischer Erfahrung. Die ganze Entwickelungsgeschichte der Menschheit geht in der äussern Form des Staates vor sich. Wir können daher zu einer klaren Einsicht in das Wesen des Staates nur gelangen, wenn wir von den geschichtlichen Thatsachen, von dem ganzen Reichthume concreter Staatserscheinungen ausgehen und die denselben zu Grunde liegende vernünftige Idee aufsuchen. Es kommt darauf an, in der ganzen Fülle der geschichtlichen Erscheinungen das Wesentliche von dem Unwesentlichen zu scheiden. Wir dürfen, nach den Regeln der Logik, den Begriff nicht zu weit fassen, indem wir wesentliche Merkmale bei Seite lassen, aber wir dürfen ihn auch nicht ungehörig verengern, indem wir unwesentliche Momente, als wesentliche Merkmale des Begriffs, in unsere Definition aufnehmen.

Auch ist nicht zu verkennen, dass es bei den mannigfaltigen Richtungen des Staatslebens in der Vergangenheit, bei dem Reichthume der staatlichen Beziehungen in der Gegenwart, bei der uns noch unbekannten Entfaltung zukünftiger Staatsentwickelungen, keine Definition des Staates geben kann, welche für alle Zeiten und Völker, für alle Kulturstufen durchaus erschöpfend und richtig ist. Uns gilt es hier, vom Standpunkte der gegenwärtigen europäischen Gesittung, die wesentlichen Merkmale des Staatsbegriffes aufzusuchen und dieselben zu einer wissenschaftlichen Definition zusammenzustellen.

Als wesentliche Merkmale erscheinen aber folgende Momente:

§. 26.

I. Eine Menge von Menschen.

Das, was uns beim ersten Blicke zunächst entgegentritt, ist eine Menge von Menschen, die im Staate vereinigt sind. Die Zahl der Staatsgenossen in den einzelnen Staaten ist freilich sehr verschieden. Es giebt Staaten von vielen Millionen, andere von wenigen Tausenden. Ein bestimmtes Minimum, etwa von 10,000 Mann, ist nicht festzustellen. Nur so viel ist klar, dass der Kreis einer blossen Familie überschritten sein muss. Die Urfamilie ist nicht der Urstaat, sondern nur die Grundlage, der Keim des werdenden Staates1. Aus der Familie eines Erzvaters oder Patriarchen

1) Dahlmann, Politik, sagt: »Die Urfamilie ist Urstaat, jede Familie, unabhängig dargestellt, ist Staat.« Dies ist nicht haltbar. Die Familie ist ihrer

kann ein Staat sich entwickeln, aber erst wenn die Familie sich in eine Reihe von Familien verzweigt hat, wenn die Verwandtschaft zur Völkerschaft geworden ist, wird eine wirkliche Staatenbildung möglich.

Was beim ersten oberflächlichen Anblicke nur als eine äusserlich vereinigte Masse von vielen Menschen erscheint, ist, bei tieferer Betrachtung, die aus Familien gegliederte Völkerschaft. Ohne Völkerschaft giebt es keinen Staat.

§. 27.

II. Landgebiet.

Die im Staate geeinigte Völkerschaft bedarf eines bestimmten Landgebietes. Zum Volke gehört das Land. Schon das Wort >> Staat weist auf einen bleibenden Zustand, eine gewisse Stabilität hin, welche ohne die sichere Grundlage fester Wohnsitze undenkbar ist. So unterscheidet sich der Staat von der Bande der Wilden, von der Horde wandernder Hirten.

Die blosse persönliche Grundlage der Volksgenossenschaft reicht nicht hin, ein dauerndes Band zu bilden. Ohne Heimath zerstiebt ein Volk in seine Atome. Die wandernden germanischen Stämme der Völkerwanderung befanden sich in einem Uebergangszustande zum Staate; nur diejenigen, welche bleibende Wohnsitze, wenn auch auf fremdem Boden, fanden, erhielten sich und wurden wirkliche Staaten 1.

§. 28.

III. Organisches Gemeinwesen.

Auch das sesshafte Volk ist an und für sich noch kein Staat;

Natur nach blos ein Hauswesen, während erst mit der Commune ein Gemeinwesen entsteht; die Commune ist ein Complex von Familien, die zusammenwohnen, in ihr findet sich schon ein Gegensatz zwischen Gemeinwesen und Hauswesen, ein trennendes und verbindendes Princip, wie es in jeder Rechtsordnung vorhanden sein muss. Die Gemeinde, nicht die Familie, ist der Urstaat. Richtig sagt dagegen Waitz: »Aus der Familie entwickelt sich auch der Staat, er entsteht, sowie die Familie sich zum Volke erweitert.<<

1) So gingen die Cimbern und Teutonen unter, weil es ihnen nicht gelang, von den Römern ein Landgebiet zu erwerben. Die wandernden Gothen, Vandalen, Sueven waren lange nur wandernde Stämme unter Königen und Häuptlingen, Staaten wurden sie erst, als sie in Italien, Gallien, Spanien und Afrika feste Sitze gewonnen hatten.

dazu gehört erst die Vereinigung zu einem einheitlichen organischen Gemeinwesen. Der Staat ist kein Mechanismus, keine künstlich eingerichtete Maschine', sondern ein lebendiger Organismus, wo jedes Glied nicht blos Mittel, sondern zugleich Zweck ist, um, indem es zum Besten des Ganzen mitwirkt, durch die Idee des Ganzen wiederum seiner Stellung und Funktion nach bestimmt zu werden.

Der Staat wird zwar von seinen Gliedern getragen und gebildet, ist aber ein von ihnen unterschiedenes Wesen, eine höhere Gesammtpersönlichkeit, eine moralische Person.

§. 29.

IV. Obrigkeit.

Nur die Menschen, als physische Personen, haben von Natur schon einen Willen; moralische Personen, wie der Staat, bedürfen einer Einrichtung, wodurch der Gesammtwille zur Darstellung kommt. Wenn die verschiedenen Kräfte und Richtungen eines Volkes im staatlichen Organismus vereinigt werden sollen, so muss der Staat auch durch einen obersten Willen in Einheit zusammengehalten und geleitet werden. Dieser Gesammtwille, der keineswegs immer auf der Uebereinstimmung des Willens aller Theilhaber ruht, verkörpert sich in der Obrigkeit oder Staatsgewalt. Dem staatlichen Gesammtwillen muss aber auch die Gesammtkraft zu Gebote stehen, d. h. die Staatsgewalt

1) Dies ist der Standpunkt der ältern Schule; so sagt z. B. Schlözer: »>Die instructivste Art, Staatslehre abzuhandeln, ist, wenn man den Staat als eine künstliche, überaus zusammengesetzte Maschine, die zu einem bestimmten Zwecke gehen soll, behandelt.« Dieser mechanischen Auffassung des Staates gegenüber, ist die Betonung seines organischen Wesens von grossem Gewichte. Freilich ist mit diesem Worte auch grosser Missbrauch getrieben worden, indem die naturphilosophische Schule den Staat als ein organisches Gebilde, nicht im Sinne einer vielseitigen und reichen Einrichtung mit einem gemeinschaftlichen Mittelpunkte, sondern als ein naturwüchsiges Erzeugniss der Weltordnung mit einer, dem lebendigen Wesen ähnlichen Natur, einer Staatsseele oder yuzń, betrachtet. Auch kann von einem mystischen Zusammenhange des Staates mit dem menschlichen Organismus, sei es nun dem leiblichen oder geistigen, nicht die Rede sein. Richtig bezeichnet dagegen Waitz die eigentliche Natur des Staates, wenn er sagt: »Der Staat erwächst als ein Organismus, aber nicht nach den Gesetzen und für die Zwecke des Naturlebens, sondern er ruht auf den höhern sittlichen Anlagen der Menschen, in ihm walten sittliche Ideen, er ist kein natürlicher, sondern ein ethischer Organismus.<<

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