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vermöge ihres eigenthümlichen Grundprincips, auch eine durchaus verschiedene Methode der wissenschaftlichen Bearbeitung.

§. 23.

II. Methode des positiven deutschen Staatsrechts der Gegenwart. A. Staatsrecht der Einzelstaaten, s. g. Landesstaatsrecht. Trotz der grossen Verschiedenheit der staatlichen Einrichtungen in den einzelnen deutschen Staaten besteht auch heutzutage noch gemeines deutsches Staatsrecht, welches nicht nur zur Erklärung, sondern auch zur Ergänzung der Partikularrechte dienen kann (S. 10). Das gemeine Recht ist nicht nothwendig allgemein gültig, weil an manchen oder vielen Orten ihm partikuläres Recht entgegengetreten ist. Sein Wesen besteht nur darin, dass es aus einer, an sich oder durch sich selbst für ganz Deutschland gültigen Quelle geschöpft wird.

Diesen noch vorhandenen gemeinrechtlichen Kern blosszulegen und wissenschaftlich festzustellen, ist die erste Aufgabe der deutschen Staatsrechtswissenschaft.

Aber dieser gemeinrechtliche Kern darf nicht ungebührlich erweitert und unjuristisch verallgemeinert werden. Es muss anerkannt werden, dass das heutige gemeine Staatsrecht allerdings ein lückenhaftes und fragmentarisches ist, und dass deshalb ein vollständiges System des gemeinen deutschen Staatsrechts somit juristisch unmöglich ist.

Neben dieser praktisch ergänzenden Bedeutung des wirklich gemeinen Rechts kommt aber auch die wichtige theoretische Aufgabe der deutschen Staatsrechtswissenschaft in Betracht, welche darin besteht, ein wissenschaftliches Erklärungsmittel der Partikularstaatsrechte zu sein. Vieles im Systeme des heutigen deutschen Staatsrechts kann wirklich nur in der Weise einer Nebeneinanderstellung der einzelnen Landesverfassungen behandelt werden. Gegeben wird hier nicht gemeines, sondern allgemeines Recht und zwar in verschiedener Ausdehnung, als ein in allen, vielen oder wenigstens einigen Ländern in Deutschland geltendes Recht. Eine wohlgeordnete und geschickte derartige Rechtsstatistik macht es möglich, den gesammten Stoff des geltenden Staatsrechts, wenigstens annäherungsweise, in seiner ganzen Fülle darzustellen, indem man ihn richtig gruppirt, also die über

einstimmenden Rechtssätze verschiedener Staaten zusammenstellt und erörtert.

Darzustellen ist endlich aber auch öfter rein partikuläres Staatsrecht eines einzelnen Landes, und zwar theils, weil es zur lebendigen Veranschaulichung und Exemplification dient, theils weil das gemeine Staatsrecht grossentheils nur Grundsätze des Verfassungs- und Regierungsrechts der deutschen Staaten liefert und nur wenige im einzelnen ausgeprägte positive Gestaltungen, welche von jeher mehr der partikulären Rechtsbildung überlassen worden sind.

Es ist daher unrichtig, wenn die Aufgabe des deutschen Landesstaatsrechts so formulirt wird, dass nur gemeines deutsches Staatsrecht dargestellt werden solle. Auch ist die so gestellte Aufgabe von keinem Schriftsteller bei der Durchführung festgehalten worden. Es sind in der That drei verschiedene Elemente in der Darstellung zu vereinigen, nämlich wirklich gemeines Recht, ferner allgemeines Recht und blos partikuläres Recht.

Nur so lässt sich die, durch das praktische Bedürfniss bestimmte, Aufgabe der deutschen Staatsrechtswissenschaft zweckentsprechend lösen.

Methodisch ist nur zu verlangen, dass der Lehrer und Schriftsteller auch diese drei verschiedenen Elemente in der Darstellung hervortreten lasse und scharf voneinander trenne, insbesondere dass er blos allgemein rechtliche oder gar partikularrechtliche Sätze nicht wie gemeinrechtliche vortrage und behandle. Nur juristischer Takt und strenge Gewissenhaftigkeit sind im Stande, aus diesen verschiedenartigen und verschieden geltenden Elementen ein System des deutschen Landesstaatsrechts aufzubauen, welches alle wissenschaftlichen und praktischen Bedürfnisse gleichmässig befriedigt.

B. Oeffentliches Recht des deutschen Bundes.

Wie bereits oben (S. 8) ausgeführt ist, muss die Methode des deutschen Bundesrechts ganz verschieden sein von der des Landesstaatsrechts. Beim Bundesrechte liegt die Sache viel einfacher, indem in den Bundesgrundverträgen und weitern Bundesbeschlüssen die Quellen gegeben sind, aus welchen das öffentliche Recht des deutschen Bundes geschöpft wird. Obgleich das Bundesrecht an und für sich einen mehr vertragsmässigen, völkerrechtlichen Charakter hat, so muss dasselbe doch überall mit dem deutschen

Staatsrechte in Verbindung gesetzt und als ein integrirender Theil desselben behandelt werden.

S. 24.

III. Systematische Anordnung des Ganzen.

Philosophische Grundansichten und historische Vorkenntnisse sind für das wissenschaftliche Verständniss des positiven Staatsrechts unentbehrlich. Es kommt jedoch darauf an, sie nicht mit der Darstellung des positiven Rechts der Gegenwart ungehörig zu vermengen. Daher empfiehlt sich die strenge Trennung dieser propädeutischen Lehren von der eigentlichen systematischen Darstellung des heutigen Staatsrechts, wodurch unsere oberste Eintheilung in einen vorbereitenden und einen systematischen oder dogmatischen Theil gerechtfertigt ist.

Der systematische Theil zerfällt wieder in das Bundesrecht und das Staatsrecht der Bundesstaaten (s. g. Landesstaatsrecht).

Es ist bis jetzt meistens von den Staatsrechtslehrern, nach der alten Gewohnheit der Reichspublicisten, das öffentliche Recht der deutschen Gesammtverfassung an die Spitze des ganzen Systems gestellt worden. Dieser Platz entsprach allerdings dem Reichsstaatsrechte; denn dies war das öffentliche Recht eines wirklich herrschenden Oberstaates, welcher wenigstens de jure über den einzelnen Territorien stand. Anders beim Bundesrechte. Dieses erhält durch die Stellung an der Spitze des ganzen Systems eine ganz ungehörige Bedeutung. Es erscheint dadurch gewissermassen als das höhere, bestimmende, primitive Recht, während es sich hier doch gar nicht um eigentliches Staatsrecht, sondern nur um ein, auf das Staatsrecht influenzirendes, Socialverhältniss der einzelnen deutschen Staaten, nicht um eine politische Centralgewalt, sondern um eine blos conventionelle, scharf begrenzte Collegialgewalt der Regierungen handelt.

Es ist von Wichtigkeit, dass das Bundesrecht, als ein gewissermassen nur anhangsweise darzustellendes Recht, an das Ende des ganzen Systems zu stehen kommt. Nur so kann dasselbe, als eine mehr völkerrechtliche, nur ausnahmsweise ins Staatsrecht herübergreifende Lehre richtig aufgefasst und correct dargestellt werden.

Bei dem deutschen Landesstaatsrechte haben wir es dagegen mit wirklichen Staaten und eigentlichem Staatsrechte zu thun.

Das positive Staatsrecht jedes Staates wird naturgemäss in zwei Haupttheile zerlegt, in das Verfassungs- und das Regierungsrecht.

Das Verfassungsrecht behandelt den Staatsorganismus als festen, bleibenden Bestand. Als Lehre von der Beherrschungsform erörtert es besonders die Subjekte der politischen Gewalt, das rechtliche Grundverhältniss zwischen Herrscher und Volk, und die Art und Weise, wie die Staatsgewalt erworben und verloren wird. (Es beantwortet die Frage: wie ist der Staat constituirt?)

Das Regierungsrecht untersucht die Art und Weise, wie die Staatsgewalt nach ihren verschiedenen Funktionen in Wirksamkeit tritt und die Einrichtungen, die hierauf Bezug haben. Es umfasst die Rechtsnormen, welche sich auf die Ausübung der Staatsgewalt und ihrer einzelnen Hoheitsrechte, innerhalb der durch die Verfassung gezogenen Grenzen, beziehen. (Es beantwortet die Frage: wie wird der Staat regiert?)

Diese Eintheilung in Verfassungs- und Regierungsrecht setzt die Existenz einer wirklichen Staatsgewalt voraus; sie passt daher sehr wohl für das deutsche Landesstaatsrecht, wird aber nur mit Unrecht auf die Behandlung des Bundesrechts übertragen, weil der deutsche Bund keine staatliche Centralgewalt mit eigentlichen Regierungsrechten besitzt. Es ist daher eine bedenkliche Verirrung, wenn manche Publicisten von einem Bundesregierungsrechte sprechen (S. 98).

Die systematische Anordnung des Ganzen gestaltet sich demnach in folgender Weise:

I. Vorbereitender Theil :

A. Grundzüge des allgemeinen Staatsrechts oder philosophische Begründung. (Erstes Buch.)

B. Geschichtliche Entwickelung des staatlichen Rechtszustandes in Deutschland oder historische Begründung. (Zweites Buch.)

II. Systematischer Theil:

A. Staatsrecht der Bundesstaaten oder Landesstaatsrecht. 1. Verfassungsrecht der deutschen Bundesstaaten.

(Drittes Buch.)

2. Regierungsrecht der deutschen Bundesstaaten.

(Viertes Buch.)

B. Oeffentliches Recht des deutschen Bundes. (Fünftes Buch.)

I.

Vorbereitender Theil.

A. Grundzüge des allgemeinen Staatsrechts.
(Philosophische Begründung.)

B. Geschichtliche Entwickelung des staatlichen Rechts

zustandes in Deutschland.

(Historische Begründung.)

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