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frei und ruhig gehabt haben. Von Diderich Weigers unmittelbaren Vorfahren haben wir aus öffentlichen Archiven nichts erforschen können. Auch die Familien-Papiere der noch blühenden Familie von Weiher geben hierüber keinen Aufschluß. Nach der Ahnentafel stammt die Familie von Weiher aus der Gegend bei Würzburg im Frankenlande. Der Stammvater zog mit dem Deutschen Kaiser Friedrich I. Barbarossa, dem großen Hohenstaufen, nach Palästina zur Befreiung des heiligen Grabes, und ward auf diesem Kreuzzuge in Asien 1190 nach einem glücklichen Kampfe mit den Sarazenen vom Kaiser zum Ritter geschlagen. Die Nachkommen glänzten als Ritter auf Turnieren und erwarben Ruhm und Ehre im kühnen Waffenspiel, Gregor von Weiher 1235 in Würzburg, Claus von Weiher 1311 zu Ravensburg, Görge von Weiher 1337 zu Ingolsheim. Ein Theodorich (Diderich) von Weiher zog mit einer Schaar Kreuzfahrer aus Franken nach Preußen zum Kampfe gegen die Ungläubigen, und erhielt zum Lohn seiner Tapferkeit und seiner treuen dem Deutschen Ritterorden geleisteten Dienste die Erbvoigtei zu Lebemünde. Nach der Ahnentafel und allen übrigen Aufzeichnungen alter Familien - Mitglieder aus dem 16. und 17. Jahrhundert geschah diese Verleihung sogar schon 1217. Das Jahr ist offenbar falsch, da die Deutschen Ritter zuerst 1230 nach Preußen gekommen, erst 1308 die Burg Danzig erobert, erst 1310 die Mark Danzig käuflich erworben und erst 1357 dem Weichbilde Lebemünde eine Verfassung gegeben. Sollte das Jahr 1373 gemeint sein, so fällt es auf, daß dem Diderich Weiher die in dem Verleihungsbriefe vom 9. Juni 1373 beschriebenen Güter und Gerechtigkeiten, so,,quidt und frig" gegeben und verliehen werden, „alse sine Vorfahrt vorhen de quitest vnd frigeft gehat end beseten." Also schon die Vorfahren von Diderich Weiger d. i. Weiher haben Lebemünde besessen. Da wir von dem ersten Schultheißen der Lebemünde, von Heinrich Flemming dessen Herkunft und Schicksalen nichts wissen und auch die Vorfahren von Diderich Weiger urkundlich nicht nachweisen können, von 1357 bis 1373 aber nur ein Zeitraum von 16 Jahren liegt, so liegt die Vermuthung sehr nahe, daß Heinrich Flemming, nur bei seinen Vornamen benannt, der Vorfahr von Diderich Weiger ist.

Die nächste Urkunde, die uns vorliegt, ist von 1389. Wiederum liegt (seit 1373) ein Zeitraum von 16 Jahren dazwischen. Der Komthur zu Danzig, Wolff von Zülenhart (Zolnhart) verleiht auf Geheiß des

Hochmeisters Conrad Zöllner von Rotenstein dem Edelen, lieben getreuen Manne Niclaus Weiher erblich alle Güter, so seine Vorfahren quitest und frigest besessen und auf ihn vererbt, erstlich die Erbvoigtei zur Lebemünde, so wie die Wassermühle zur Lebemünde, sodann freie Fischerei auf dem Sarpsker und Lebeschen See, soweit die Züge des Ordens gehen, mit kleinen Garnen, mit Kalißfen, Klippen, Stackneßen und Reusen, freie Fischerei in der salzen See d. i. in der Ostsee und am Strande nach Pomucheln, Lachsen, Aalen und allen Fischen, die im Meere gefangen werden, den dritten Theil aller Güter, so zur Lebemünde stranden mit der Verpflichtung, alle gestrandeten Gütern zu beaufsichtigen, den Melnißschen See mit dem Bache, der in dem Lebischen See fließt, ferner ein Wehr im fließenden Wasser, das man die Lebe nennt; von jedem Boote, das in die salze See läuft und von jeder Reise zwei Pomucheln; vier freie Hufen zur Lebemünde, auch alle die Wiesen, so die Weihers von Alters her daselbst gehabt haben; in dem Holze (Wald) genannt Turse *) und Lebischem Felde die Jagd, auch freies Brenn- und Bauholz; etliche Zinsen, so die Weihers von Alters von eßlichen Häusern und Gärten zu Lebemünde beziehen; ferner für die Verpflichtung, einen Bären (Eber) und Bullen zu halten, die Berechtigung alle Schweine und Kühe ohne Hirtenlohn vor die Hirten zu treiben; die Gasse zur Lewinburg von dem Schlosse bis an das Danziger Thor samt allen Zinsen, so die Weihers von eßlichen Häusern und Aeckern daselbst beziehen.

Von dieser (dritten) Urkunde sind nur einfache Abschriften späterer Bestätigungen, Uebertragungen und Beglaubigungen vorhanden. Sie tragen sämmtlich das Datum: Danzig am Sankt Jürgenstage des heiligen Martlers (Märtyrers) 1421. Das Jahr ist offenbar falsch abgeschrieben. Denn am 23. April, dem Tage des heiligen Georg 1421 war Walter von Merheim Komthur zu Danzig und Michael Küchmeister von Sternberg Hochmeister. Die Verleiher, der Komthur Wolff von Zülenhart (Zolnhart) und der Hochmeister Konrad Zöllner von Rotenstein lagen längst im Grabe. Der eine Unterschriftszeuge hieß nicht Bernhold Münchhausen Komthur, sondern Gerholt Monch, Hauskomthur zu Danzig. Der sonst sehr brave und

*) Turse heißt noch heute der südlich von Leba gelegene Wald; er soll von Auerochsen, die früher hier gehauset, den Namen führen.

gelehrte Brüggemann, der gleichfalls das Jahr 1421 nachschreibt, kann die Urkunde nur oberflächlich gelesen, aber nicht geprüft haben *).

Die Urkunde selbst aber ist für die Entwickelung von Lebemünde von Bedeutung. Zum ersten Mal wird die Ostsee erwähnt und wir erfahren, daß die Besizungen der Herrn von Weiher, als der Erbund Gerichtsherren von Lebemünde sich von dem Städtchen Lebemünde bis zum Strande der Ostsee hin erstreckt haben.

Das Wappen, welches der Stadt Lebemünde vom Orden verlichen ist, ist ein schwimmender Greif mit einem Störschwanz und einem aufrechtstehenden Kreuze. Auch dies Wappen ist bedeutungsvoll. Der Deutsche Ritterorden hatte den größten Theil der Länder des mit dem lezten Herzog von (Oft-) Pommern Mestwin II. erloschenen Greifengeschlechts durch sein gutes Schwert, durch Kauf und Tausch erobert. Im äußersten Nordwesten seines neuen links der Weichsel belegenen Gebiets, welches er, wie alle seine Vorgänger in der Landesherrschaft, Pommern nannte, gründete er an dem Gestade der Ostsee und an der Scheide mit Westpommern (oder Wenden, Cassubien und Slavien, seitdem aber ausschließlich Pommern genannt) ein kleines Städtlein Lebemünde genannt und gab diesem nur von Fischern, kleinen Handwerkern und Krämern bewohnten Orte das Symbol der alten Pommerschen Macht und Herrlichkeit, den Pommerschen Greifen und zum Zeichen, daß seine Macht nicht nur das Festland beherrschte, sondern auch über das Meer hinaus sich erstreckte, den Greifen im Wasser schwimmend und mit dem christlichen Kreuz auf dem Rücken.

Während des Drucks haben wir zwei Original-Urkunden auf Pergament mit angehängtem Wachssiegel ermittelt; sie befinden sich im Besitze des Rittergutsbesitzers Herrn von Strant auf Neuhof bei Leba; sie sind beide vom König von Polen Wladislaus IV. vollzogen. Die eine offenbar die ältere, vollzogen zu Warschau am 26. Juni 1637, transsumirt und confirmirt auf die Bitte des Edlen Ernst Weiher die Orginal-Handfeste. Die zweite, offenbar die spätere mit ganz verwittertem Datum, transumirt und confirmirt auf die Bitte des Edlen Ernst Weiher nicht die Original-Handfeste, sondern ein Transsumt und Vidimus derselben angefertigt vom Notar Albert Niger zu Danzig im Jahr 1560. Beide polnische Pergamente enthalten das Jahr 1421. Also auch polnische Pergamente, die sich soust durch vorzügliche Sauberkeit und Genauigkeit vor den oft ganz verwerflichen Pommerschen Pergamenten vortheilhaft auszeichnen, auch sie enthalten Frrthümer.

Bald nach Bewidmung des Weichbildes Lebemünde mit städtischen Rechten und Freiheiten erhob sich den Seelen zum Troft und zur Stärkung des Glaubens an den Erlöser" eine christliche Kirche, die dem Schuppatron aller Seefahrer und Fischer, dem heiligen Nicolaus gewidmet wurde. Beim Untergange Lebemünde's im Jahre 1570 wurde auch die Skt. Niclas Kirche zerstört und nur wenige MauerTrümmer auf den Ruinen von Alt Leba erinnern an das verschwundene Gotteshaus.

Daß die kleine Stadt Lebemünde wirklich untergegangen und an einer andern Stelle eine neue Stadt mit Namen Leba auferbaut ist, beweisen nicht nur die Ruinen der Kirchen-Mauer am Seestrande und das Schusterprivilegium von 1639, sondern auch einige amtliche Berichte des Oberhauptmann der Lande Lauenburg und Bütow, Herrn von Somniß an den großen Kurfürften. So heißt es 1. in dem Berichte vom 12. Juli 1662:

,,An dem strande, wodurch der Leba Strom fleußt, seindt viele hohe sandt-berge, so von dem insonderheit Westen vndt Nord,,Westen winde immer zu nach diesem strom getrieben vnd geiaget ,,werden. Vor diesem hatt daß Städelein Leba an diesem strande ,,an einer seiten deß stromeß gelegen, ist aber mitt dem von ,,diesen sandt-dünen kommendem sande bewehet auch zuweilen ,,von dem hereindringenden meere überschwemmt worden. F8 steht an selbigem Ort, da das Städelein für diesem gelegen, „annoch ein stück von der Kirchenmauer etwa drei man hoch, so izo ganz bloß stehet, für einem halben Jahre aber ganz mitt sande bedecket gewesen."

2. in dem Berichte vom 2. September 1684:

„Durch den Sandt ist nicht allein vor alters die weit berühmte ,,Haafen vnd Stadt Leba zu Grunde gegangen, sondern derselbe ,,hat auch von Zeiten zu Zeiten auff eine Meil weges Holz ,,weggenommen, daß hernacher mit der wilden See oder Meer überschwemmt ist."

3. Ferner heißt es in einem gleichzeitigen Berichte des Herrn von Nazmer, dem die Jurisdiction und Inspektion über Leba übertragen war, die Wassergefahr vndt der Untergang eines gangen Orthes, bevorauß da Vns noch die Vorigen rudera ,,vndt der Weichsel Erempel vor Augen stehen, zu verhüten, Geschichte d. L. Lauenburg und Bütow.

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,,können von einem Vnpartheyschen zur privato interesse nicht "gedeutet werden."

Nachdem wir die Gründung und Bewidmung der drei Städte Lauenburg, Bütow und Lebemünde dargestellt haben, wollen wir die innere Verfassung dieser drei Städte im Zeitalter der Kreuzritter betrach ten. Wir besigen nur die Willkühr der Stadt Lebemünde von 1377, von der wir nicht einmal mit völliger Sicherheit behaupten können, daß sie aus der Ordenszeit herrührt *) und außerdem nur zerstreute Trümmer, gelegentliche Andeutungen in Urkunden über sonst fremdartige Gegenstände.

Nach der Gründung stand an der Spiße jeder Stadt der Schultheiß zugleich als oberste richtende und verwaltende Behörde im erblichen Besize seines Amtes und mit gewissen Vorrechten begabt. Mit der steigenden Bevölkerung stieg das Ansehn und die Macht des Erbschultheißen und er behielt nur die richterliche Gewalt. Die Verwaltung der Stadt und des städtischen Gemeinwesens wurde einem wählbaren Bürgermeister übertragen. Die oberste richterliche Würde und der Vorsiz im Rathe zu Lebemünde wurde dem Edelen Diderich Weiger, der das noch heute im Kreise Lauenburg blühende Geschlecht von Weiher fortpflanzte, als eine Erbvogtei vom Landesherrn dem Hochmeister Winrich von Kniprode erblich verliehen.

Dem Erbschultheißen zur Seite standen 8 bis 10 Schöppen welche den Schöppenstuhl bildeten, das „gehegte Ding der Stadt" hießen, an einem bestimmten Tage in der Woche, am Gerichtstage oder Dingstage im Dinghause sich versammelten und auf der Dingbank sisend das Recht hegten. Der Stadtschultheiß hatte nur die niedere Gerichtsbarkeit für sich und einen Antheil, den dritten Theil, an den Strafgefällen (Brüchen, Bußen); die höhere Gerichtsbarkeit übte er mit den Schöppen im gehegten Ding; die höchste Gerichtsbarkeit hatte sich der Orden als Landesherr vorhehalten.

Die städtische Gerichtsbarkeit erstreckte sich über das ganze Weichbild der Stadt und zugleich über die ganze Stadtfreiheit, also über alle in ihr liegende Dörfer und Höfe. Ob neben dem Stadtschultheißen noch ein besonderer (judex libertatis) Richter der Freiheit d. H. des äußern Stadtbezirks im Ding gesessen hat, wie in Kulm und in andern Preußischen Städten, haben wir nicht ermitteln fön

Vergl. Urk. Samml. II. H. Nro. 2.

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