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Die oberste Fahrtleitung lag in den Händen des kgl. preuBischen Generalleutnants Freiherrn von Lyncker, Inspekteurs der Verkehrstruppen.

Der Kommandeur des deutschen Freiwilligen-Automobilkorps, Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg, und der Kommandant des k. k. österreichischen Freiwilligen-Automobilkorps, Prinz Alexander zu Solms- Braunfels, nahmen als Mitglieder der Übungsleitung an der Fahrt teil; der Kommandeur des sächsischen Freiwilligen-Automobilkorps war durch schwere Erkrankung an der Teilnahme verhindert.

Im ganzen starteten in Dresden 45 Konkurrenten; jedem Wagen war zur Feststellung aller für die Beurteilung erforderlichen Daten. ein Generalstabsoffizier beigegeben, welcher sich als Unparteiischer<< selbstverständlich jeder Mitwirkung bei Lösung der Aufgaben zu enthalten hatte.

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Fahrtroute:

11. Mai: Dresden - Erzgebirge-Karlsbad-Eger - Fichtelgebirge
Bayreuth (ca. 270 km);

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Bayreuth - Donaustrecke Regensburg - Straubing — Inn-
strecke Burghausen - Passau Linz (durchschnittlich

380 km);

» Linz Enns Melk St. Pölten

--

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Rieder Berg-Wien (180 km);

Sieghartskirchen

zusammen durchschnittlich 830 km in 22 Tagen, gegenüber 930 km in 3 Tagen bei der Übungsfahrt Wien- Berlin 1908.

Wie ersichtlich, waren bei der Fahrt, abgesehen vielleicht von Niederbayern, vielfach ziemliche Geländeschwierigkeiten zu überwinden; hervorzuheben ist insbesondere der Steilabfall des Erzgebirges gegen Böhmen mit zahlreichen schwierigen Serpentinen, deren Befahren durch den vorangegangenen lang dauernden Regen noch erschwert wurde. Im Fichtelgebirge und kurz vor Bayreuth überraschte viele Teilnehmer ein Gewitter; in Niederösterreich war die sonst vorzügliche Chaussee infolge Regens stellenweise aufgeweicht, z. B. auch am Rieder Berg.

Die Bedingungen waren ungefähr dieselben wie vor zwei Jahren: Zuverlässigkeitskonkurrenz, verbunden mit Lösung militärischer Aufgaben, bei angenommenen kriegsmäßigen Verhältnissen;

Fahrt mit eigenem Wagen, Führung nur durch den Besitzer trotz vorgeschriebener Mitnahme eines Chauffeurs; kriegsmäßige Ausrüstung der Fahrzeuge;

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Durchschnittsgeschwindigkeit 30 km bei Tag, 25 km bei Nacht (von 10h nachts bis 3h früh). Die Geschwindigkeit bezog sich nur auf die reine Fahrzeit, bei Abschlag sämtlicher freiwilliger und

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Nach diesen Bedingungen erfolgte auch die Bewertung der erzielten Leistungen sowohl vom militärischen als auch automobilistischen Standpunkte.

Strafpunkte wurden berechnet:

1. Für die Zeit, während welcher der Besitzer den Wagen nicht persönlich führte (für 3 Minuten Fahrt 1 Strafpunkt).

2. Für Überschreitung der zur Lösung der Aufgabe festgesetzten Zeit (für jede Minute 1 Strafpunkt); diese Überschreitung konnte sowohl aus der Aufgabenlösung selbst hervorgehen (z. B. Zeitbedarf für Entschluß, Wahl eines minderen Weges, Verfahren infolge mangelhafter Orientierung), als auch in zu geringer Fahrgeschwindigkeit begründet sein. Doch kam letztere Möglichkeit praktisch nicht zur Geltung, da die festgesetzten Fahrzeiten fast durchwegs unterboten wurden und die hie und da durch schlechte Wege hervorgerufenen Überschreitungen auf Grund der Notizen der Unparteiischen, als begründet, seitens der Übungsleitung nicht angerechnet wurden. 3. Für Aufenthalte infolge eines Schadens am Wagen oder aus Rücksicht auf die Insassen, aus Mangel an Betriebsstoff oder wegen Aufnahme von Kühlwasser (für jede Minute 1 Strafpunkt).

Für Pneumatikdefekte waren 60 Minuten (Zeitbedarf für das Montieren von 4 Pneumatiks) straffrei.

4. Für die nur bedingt brauchbare oder mangelhafte Erfüllung des Auftrages, dann für die verschuldete Nichterfüllung desselben (2-20, beziehungsweise 50 Strafpunkte).

5. Für nur bedingte Kriegsbrauchbarkeit des Wagens am Ziel (25 Strafpunkte).

Das k. k. österreichische, das deutsche und das sächsische Freiwilligen-Automobilkorps konkurrierten jedes für sich als eine Gruppe. Eine begrenzte Anzahl der Teilnehmer, welche die besten Leistungen erzielten, sollte ein Diplom, die übrigen, welche nach Erfüllung aller Aufträge mit kriegsbrauchbarem Fahrzeug am Ziel einträfen, sollten eine Plakette erhalten. Für Diplome war ursprünglich ein Drittel der Teilnehmer in Aussicht genommen; mit Rücksicht auf die zahlreichen vorzüglichen Leistungen wurde die Zahl der mit Diplomen Auszuzeichnenden auf die Hälfte der Teilnehmer erhöht. Doch auch hier fiel es den Richtern, mit Rücksicht auf die durchwegs sehr guten Leistungen, schwer, die Grenze zu ziehen; die Erteilung von 1 bis

2 Preisen an den Besten, eventuell Zweitbesten erscheint daher immer noch gerechter und daher angemessener als der diesmalige Vorgang.

Die Aufgaben wurden von den beiden Generalstäben gestellt; jene für den ersten Fahrttag (11. Mai, Dresden-Karlsbad-Bayreuth) vom kgl. preußischen Generalstab, jene für den zweiten Fahrttag (12. Mai, Bayreuth-Linz) vom k. u. k. Generalstab. Am dritten Tag (13. Mai, Linz-Wien) waren keine militärischen Aufgaben zu lösen.

Die Aufgaben hielten sich durchwegs im Rahmen der Anforde rungen, welche im Ernstfalle an die bei den verschiedenen höheren Kommanden, vom Truppen divisions- bis zum Armeeoberkommando, eingeteilten fahrenden Ordonnanzoffiziere herantreten können. Zumeist hatte der Automobilist selbständig einen Auftrag zu erfüllen, manchmal war nach der Annahme ein Generalstabsoffizier zu führen; doch war in letzteren Fällen durch anderweitige Inanspruchnahme des Generalstabsoffiziers vorgesorgt, daß der Automobilist selbständig seine Aufgabe zu lösen hatte.

Die Aufgaben führten die Automobilisten von, dem zurzeit noch weit rückwärts befindlichen Armeeoberkommando (großen Hauptquartier), quer durch marschierende Armeekolonnen, bis in den Bereich feindlicher Kavalleriepatrouillen, bis zu eigenen kämpfenden Truppen und deren auf dem Gefechtsfelde befindlichen Kommanden. Die verschiedenartigsten Zwischenfälle traten an den Fahrer heran, dessen militärisches Verständnis und rasche Entschlußfähigkeit fordernd, z. B. durch einen Unfall des Kraftwagens, etwa 1-2 km von der zunächst marschierenden Kolonne entfernt, werden alle Insassen mit Ausnahme des Freiwilligen schwer verletzt, der Wagen unbrauchbar; der mitfahrende Generalstabsoffizier hat wichtige Befehle bei sich; was tun?

Ein Unteroffizier, Kommandant eines Trainteiles, soll seiner weiter vorn befindlichen Truppe nachfolgen; auf feindliche Kavalleriepatrouillen gestoßen, ist er unschlüssig, ob umkehren, stehen bleiben, weiterfahren? Der besser orientierte Freiwillige soll mit Rat oder Befehl eingreifen.

Der Automobilist, Überbringer eines wichtigen Befehles, trifft auf eine feindliche Kavalleriepatrouille; was tun? Er wird angeschossen, der Wagen beschädigt, geht nicht weiter; was geschieht mit dem zu überbringenden Befehl?

Kommunikationen sind durch marschierende Truppenkolonnen mehr oder weniger bedeckt oder verlegt; Brücken werden zerstört, unpassierbar vorgefunden; Wahl der Umgehungswege mit Rücksicht auf Feind, Vorhandensein anderer eigener Truppen und Kommunikationsnetz.

Entgegennahme mündlicher Situationsmitteilungen u. dgl., deren Behandlung und Weiterleitung.

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Durch Bildung mehrerer Gruppen von Aufgaben Varianten auf Grund der allgemeinen Annahme (Kriegslage) war Vorsorge getroffen, daß die Konkurrenten sich im Laufe des Übungstages vollends verteilten und so selbständig vorgingen. Hierzu trug auch der Start bei, indem in Dresden die Wagen nach der Stärke, vom stärksten angefangen, mit 2 Minuten Abstand starteten; der für den 12. Mai (Bayreuth) angeordnete freie Start nach Ermessen der Fahrer innerhalb 11/2 Stunden Frist entsprach gleichfalls sehr gut, so daß auch am dritten Tage in ähnlicher Weise gestartet wurde.

Die Leistungen der Teilnehmer müssen durchwegs als ganz hervorragend bezeichnet werden; den ganzen Tag die meisten. 14-15 Stunden selbst den Wagen führen, dabei die militärischen Aufgaben lösen, den Weg suchen und im Gelände orientiert sein: dies sind wohl Anforderungen, welche selbst im Ernstfall nur äußerst selten an den Fahrer herantreten werden.

Hier sei noch eine Bemerkung gestattet: die von den automobilsportlichen Veranstaltungen übernommene Bedingung, daß der Konkurrent bei sonstiger Zuziehung von Strafpunkten selbst führen müsse, scheint für militärische Übungsfahrten nicht in gleicher Weise

am Platze.

Es ist nicht dasselbe, ob der Automobilist bei einer vorbereiteten Gesellschaftsfahrt auf der mit besonderen Wegweisern ad hoc versehenen Chaussee fährt oder ob er bei der militärischen Übungsfahrt auf Straßen abseits von den großen durchlaufenden Chausseen kreuz und quer fahren und sich zurechtfinden muß. So erwünscht auch der gute Herrenfahrer als solcher ist, bei der militärischen Verwendung ist oft das Kartenlesen der schwierigere Teil; und da in solchen Fällen, bei schwieriger Orientierung, Führen und Kartenlesen von ein und demselben nicht besorgt werden kann, erscheint es sowohl eine billige Forderung als auch im militärischen Interesse gelegen, wenn der Chauffeur zum Führen mitherangezogen wird.

Mithin wäre die Strafbestimmung bezüglich Nicht-selbst-Führens bei künftigen militärischen Übungsfahrten entweder ganz zu streichen oder doch einzuschränken. Der Chauffeur muß zu einem brauchbaren Gehilfen seines Herrn herangebildet werden, der je nach Bedarf die Führung des Wagens oder das Kartenlesen übernehmen kann. Fährt einmal ein Generalstabs- oder sonstiger Offizier mit, dann mag immerhin dieser die Führung nach der Karte besorgen; auch der im Kartenlesen gewandte Offizier wird hierzu bei der Fahrt im Automobil erhöhter Aufmerksamkeit und einer gewissen Übung bedürfen.

Die Leistungen der Fahrzeuge waren in Anbetracht der Geländeschwierigkeiten und der Witterungseinflüsse sehr bedeutend, wenn auch bei der diesjährigen Übungsfahrt fast durchwegs gute Straßen zu befahren waren; wählte ein Fahrer statt des weiteren guten den näheren, schlechten Umgehungsweg, so war dies eben ein Fehler.

In welchem Maße das Automobil heute den militärischen Anforderungen zu entsprechen vermag, erhellt daraus, daß trotz der zum Teil ziemlich ungünstigen Witterungs- und daher Wegverhältnisse von den 53*) gestarteten Fahrzeugen 45*) kriegsbrauchbar am Ziele anlangten. Der Vorteil der starken Wagen zur raschen Zurücklegung großer Strecken bei Überwindung auch bedeutender Steigungen trat wie immer in Erscheinung: das stärkste Automobil (des Herrn Theodor Dreher, 65 H. P.**) traf am 11. Mai nach 3 Uhr, am 12. Mai nach 4 Uhr nachmittags am Ziel ein, unverhältnismäßig früher als die Mehrzahl der übrigen Wagen, deren Eintreffen sich bis spät abends hinauszog.

Um so höher ist es aber den schwächeren Wagen und ihren Führern anzurechnen, welche die schwierige Fahrt mit Einsatz ganz besonderer Energie tadellos durchführten; so zum Beispiel konnte Graf Van der Straaten mit einem 16/18 H. P.-Wagen, trotzdem ihm auch noch eine besonders schwierige Route durch den Bayrischen Wald- zufiel, allen Anforderungen, natürlich bei entsprechendem Mehraufwand von Kraft und Zeit, vollkommen gerecht werden.

Die Fahrt bot den Freiwilligen wiederholt Gelegenheit, ihr technisches Können zu beweisen; ist dieses für jeden Automobilisten ein unbedingtes Erfordernis, so in erhöhtem Maße für den Angehörigen des Freiwilligenkorps, da die Fähigkeit, das Fahrzeug unter schwierigen Verhältnissen dienstbrauchbar zu erhalten oder wiederherzustellen, seine militärische Verwendbarkeit um ein bedeutendes erhöht. Als ein mustergültiges Beispiel, wie ein sachverständiger und schneidiger Fahrer seine Maschine trotz schweren Defekts verwenden kann, sei das Verhalten des Mitgliedes des deutschen Freiwilligen-Automobilkorps Dr. Magdeburg angeführt; diesem war der Geschwindigkeitshebel gebrochen, worauf er die Fahrt ausschließlich mit der zweiten Geschwindigkeit fortsetzte; er fuhr also bereits mit dieser Geschwindigkeit an und regelte dann das Tempo lediglich mit Gas und Zündung.

*) Einschließlich acht Wagen der Fahrtleitung. **) Nach der österreichischen Steuerformel.

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