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Spinnentraum, kam ganz deutlich hervor, daß er nichts weniger als Freude über die Ausstellung empfindet. Er fühle sich zurückgesetzt, in seinem Selbstgefühl als Maler verletzt, er könnte es nicht so weit bringen wie seine Frau, er fühle sich klein ihr gegenüber, sie sei ihm ganz entschieden überlegen, alle sagen, ihre Malerei habe einen männlichen Zug. Und da kam nach ein paar Tagen der Spinnentraum.

In einem solchen Zusammenhange kann eine Spinne im Gebüsch mit einem abgebrochenen Füßchen nicht anders gedeutet werden, als das weibliche (der Frau1) Genitale mit einem Penis, einem abgebrochenen Penis. In diesem Traumsymbol kastriert er seine Frau, er will sie entmännlichen, ihr die Kraft, die Überlegenheit rauben. Das reimt sich auch sehr gut mit seinen kindlichen Phantasien über das weibliche (mütterliche) Genitale, als ein gefährlicher Apparat, welcher den Penis zerschmettern kann.

Der Traum als Hüter des Schlafes.

Von Dr. S. Pfeifer.

Ein Patient erzählt folgenden Traum: „Ich sehe die Noten eines meiner unlängst gespielten Vortragsstücke, darunter viele Akkorde. Diese bedeuten etwas Großes, etwas Deckendes, da sie beim Abschreiben eine große Fläche in Anspruch nehmen. Ich habe das Gefühl, daß ich mangelhaft zugedeckt bin, aber es ist nicht die Decke, sondern es sind die Akkorde, durch die ich nicht gut gedeckt bin. Als ich crwachte, war ich tatsächlich aufgedeckt, ich deckte mich zu und schlief wieder ein."

Als Ergänzung erzählt er noch folgendes Detail: „Ich muß eine enge Wendeltreppe hinunter und habe Angst, daß ich falle.“ Dazu fällt mir ein anderer Traum ein: In einem Lift sause ich mit großer Geschwindigkeit hinauf und hinunter, beim Hinunterfallen empfinde ich große Angst.

Analyse: Das Vortragsstück hatte er bei einem jungen Mädchen gespielt, von dem er auf dem Klavier begleitet wurde und in welches er damals verliebt war. Er machte lange Zeit seine Besuche unter dem Deckmantel des Musizierens, bis er endlich das eigentliche Ziel seiner Annäherung eingestanden hat. Von seiner Mutter wegen der häufigen Besuche zur Rechenschaft gezogen, gestand er auch ihr seine ernsten Absichten. Er brauchte also keinen Deckmantel mehr, um hingehen zu können. Zu Lift assoziierte er das Börsespiel mit seiner Hausse und Baisse, das er bei einer vorübergehender Konjunktur eifrig betrieb und bei welcher Gelegenheit er aus seinen Engagements nicht rechtzeitig aussteigen konnte, obwohl er mit Geld keineswegs gedeckt war. Er griff zum Gelde des Vaters, vor dessen Zorn er nur durch den Schutz der Mutter gerettet wurde.

Die unvollkommen deckenden Akkorde bedeuten also: „Ich bin zwar mangelhaft gedeckt, die Musik deckt die Liebe schlecht, auf der Börse habe ich keine Deckung, die Decke ist kurz, aber ich brauche das alles nicht, da ich die erste Angelegenheit schon mit der Mutter erledigt habe, die mich

1 Dabei muß hinzugefügt werden, daß Patient vielfach seine Frau mit seiner Mutter identifiziert hat.

schon gegen den Vater verteidigte und mich als kleines Kind oft zudeckte, wenn ich mich im Schlafe aufgedeckt hatte."

Diese an die Witztechnik erinnernde unifizierende Verdichtung ist nur auf Grund dessen möglich, daß jede Art von Decke ein uraltes Mutterleibssymbol ist, wovon man eine vollständige Reihe vom Mutterschoß bis zur „Deckung“ des modernen Krieges aufzählen könnte. Ich zitiere hier nach Rank (Das Inzestmotiv IV, 3., S. 181, in anderer Beziehung) aus R. Wagner: „Dich Zarten nährt' ich, noch eh' du gezeugt,

Eh' du geboren, barg dich mein Schild."

Das Schild mit seinem „Nabel" soll hier für andere stehen.

Der Traum hat hier offenbar den Zweck erfüllt, das Erwachen wegen der Kälte zu verhindern oder aufzuschieben, solange die halluzinatorische Wunscherfüllung dem Drängen der realen Einwirkung nicht weichen mußte. Dieser Traum ist gleichzeitig ein schönes Beispiel dafür, wie verschiedene Wünsche aus mehr oder minder tiefen Schichten des Unbewußten sich eines aktuellen Eindruckes bemächtigen, um sich Ausdruck zu verschaffen. Auch hier führte die weitere Analyse des Traumes tief in den Familienkomplex des Patienten hinein.

Internat. Zeitschr. f. Psychoanalyse, IX/2.

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Kritiken und Referate.

Dr. S. Ferenczi: Populäre Vorträge über Psychoanalyse. (Intern. Psa. Bibliothek, Bd. XIII., Intern. Psa. Verlag, 1922.)

Vorträge über psychoanalytische Themen für ärztliche und nichtärztliche Laien, zum Teil noch aus dem Jahre 1907/1908; Beweise für Ferenczis langjähriges, erfolgreiches Wirken für die Verbreitung und das Verständnis der Psychoanalyse. Kein anderer Teil der seinerzeitigen österreichisch-ungarischen Monarchie weist soviel wissende Ärzte auf, als der unter Ferenczis Einfluß stehende jenseits der Leitha. Man lernt seine geistreiche, auch launige Schreibweise schätzen und folgt interessiert den originellen Wegen, mit stets weitem Horizont, die der bildungs- und gedankenreiche Autor einschlägt.

Die Vorträge behandeln die Aktual- und Psychoneurosen und bringen einfache klarverständliche Darstellungen der psychoanalytischen Auffassung. Ebenso über die Träume; das Thema Suggestion und Psychoanalyse; die Psychoanalyse des Witzes und des Komischen. Im Aufsatz Philosophie und Psychoanalyse setzt sich Ferenczi mit Professor Putnam auseinander, und verwirft dessen Ratschlag, von der Bewußtseinsseite her in den wegen ihrer Unergiebigkeit verlassenen Schächten zu graben, sondern hält die Aufgabe für viel erfolgreicher, mit der Tiefenpsychologie die Bewußtseinsvorgänge und ihre Tätigkeitsformen zu erklären. In seinen Bemerkungen zur Psychogenese der Mechanik kann sich Ferenczi auf Ernst Mach stützen und denselben für einen Psychoanalytiker erklären. Noch ein zweiter Genius, Anatole France, kann füglich zu den Unseren gerechnet werden", eine Gemeinschaft, die uns für die Miẞachtung jener Neurologen und Psychiater entschädigt, die im Gegensatz zu dem tiefschürfenden Dichter nur die glatte Oberfläche der menschlichen Psyche kennen und die Ungeheuerlichkeiten ihrer Tiefe verleugnen wollen. Im Vortrag über „Glaube, Unglaube und Überzeugung" nennt Ferenczi „das eigene Erleben" die einzige Möglichkeit, sich in psychischen Dingen die „Evidenz zu verschaffen und die Psychoanalyse einen guten Weg dazu. Der Vortrag Psychoanalyse und Kriminologie" sei besonders hervorgehoben. Ferenczi spricht der Ausgestaltung einer psychoanalytischen Kriminologie das Wort. Die Analyse müßte in den Dienst der Kriminalpsychologie gestellt werden; rechtskräftig verurteilte geständige Verbrecher sollten, um kriminal-psychoanalytisches Material zu sammeln, einer systematischen Analyse unterzogen werden. Außer einer pädagogischen Prophylaxe der Verbrechen sei dann auch die psychoanalytische Behandlung von Verbrechernaturen möglich, Die rein medizinisch-fachlichen Arbeiten des Verfassers sollen als besonderer Band dieser Bibliothek erscheinen. Man wird dann erkennen können. daß Ferenczi der ideenreichste Schüler Freuds genannt werden darf.

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Hitschmann.

Ernest Jones, M. D.: Treatment of the Neuroses. (Baillière, Tindall and Cox. London, 1920). Dr. Ernest Jones. Therapie der Neurosen. (Intern. Psa. Bibliothek, Nr. XI., 1921. Intern. Psa. Verlag, WienZürich-Leipzig.)

Diese Arbeit hat eine besondere Bedeutung, weil der Verfasser in langen Jahren der Praxis eigene Erfahrungen in vielen Behandlungsmethoden der Neurosen erwarb und daher deren Ergebnisse zu vergleichen imstande ist. Erst als Professor der Psychiatrie an der Universität von Toronto in Kanada, später als Nervenarzt in London behandelte er Nervenkranke mit den verschiedensten psychischen Mitteln. Die Resultate seiner Erfahrung sind in knapper Form in dieser Arbeit zusammengetragen.

In der Einleitung betont er die Notwendigkeit einer richtigen Behandlung der Nervenkranken, deren Leiden gewöhnlich unterschätzt werden. Dann folgt eine klare Darstellung der Anwendung von verschiedenen psychotherapeutischen Methoden bei der Konversionshysterie. Es werden einige Suggestionsmethoden, sowohl im Wachen als in der Hypnose angewendet, beschrieben, dann einige Arten von „Reéducation", zum Beispiel nach Janet und Morton Prince; schließlich die Psychoanalyse. Zum Schlusse teilt Verfasser mit, daß jede dieser Methoden ihm gute Resultate liefere und jede ihm ebenfalls Mißerfolge brachte. Die Qualität der Resultate war jedoch im ganzen um so besser, je eingreifender die Methode war. Daher kam er allmählich dahin, die Suggestion nur noch in seltenen Fällen anzuwenden und nun behandelt er seine Kranken, wenn irgend möglich, nur noch mit der psychoanalytischen Methode. Diese liefert nicht nur die besten therapeutischen Erfolge, sie ist zu gleicher Zeit eine wirkliche „Reéducation“, welche einer großen Gewinn an Selbstkenntnis, Selbstführung und Selbstkontrolle einschließt.

Dann behandelt Verfasser etwas kürzer die übrigen Psychoneurosen, Angsthysterie und Zwangsneurose, in besonderen Kapiteln. In bezug auf ihre Therapie verweist er größtenteils auf das bei der Konversionshysterie Gesagte.

Auch die Aktualneurosen: die Neurasthenie, die Angstneurose und die Hypochondrie, werden in besonderen Kapiteln dargestellt. Dabei betont Verfasser das häufige Zusammengehen von bestimmten Aktual- mit Psychoneurosen. Einige Kapitel über traumatische Neurosen, einschließlich der Kriegsneurosen, über Prophylaxis der Neurosen und über die Therapie der mit Neurosen verwandten abnormen Geisteszustände beschließen das Buch.

Die ganze Arbeit bleibt auf dem Boden der Wirklichkeit; sie ist sachlich und klar geschrieben. Dadurch ist sie besonders geeignet, dem praktizierenden Arzt eine richtige Einsicht in die jetzt geschaffenen Möglichkeiten in der Behandlung von Nervenkranken zu ermöglichen. Nur zu oft meint dieser, die Behandlung dieser Kranken sei aussichtslos und man habe schon das Mögliche erreicht, wenn ein besonders lästiges Symptom zum Verschwinden gebracht ist. Die Arbeit von Ernest Jones kann ihn eines Besseren belehren.

Dr. Adolf F. Meyer (Haarlem).

Dr. Hanns Sachs: Die Elemente der Psychoanalyse. (Berlin, S. Seemann, 1922.)

In Seemanns Sammlung „Das wissenschaftliche Gesprächsthema" konnte die Psychoanalyse nicht fehlen und fand in Dr. Sachs den gewandten und klaren Darsteller auf 53 Seiten. Die Broschüre soll jedem interessierten Leser das Wichtigste dieser auch in ihren Expansionswegen so eigenartigen Wissenschaft vermitteln. Nach einer Einführung in die psychoanalytische

Stellungnahme zu dem Begriff der Sexualität und des unbewußten Seelenlebens finden wir „die individuellen Phänomene“, „die sozialen Phänomene“ und „die Urgeschichte der Menschheit" in je einem Kapitel behandelt. Da es schon an der Zeit ist, daß jeder Gebildete weiß, was Psychoanalyse ist, wäre dieser Elementar-Einführung größte Verbreitung zu wünschen. Sie schmeckt nach mehr und das ist gut. Hitschmann. Dr. Karl Müller-Braunschwelg: Über die Schwierigkeiten in der Aneignung der Freudschen Psychoanalyse. (Deutsche Medizinische Wochenschrift 1920, Nr. 35, S. 971.)

Verfasser untersucht die Gründe, warum die Psychoanalyse trotz ihrer bereits jahrzehntelangen und großartigen Entwicklung gerade in medizinischen Kreisen geringe Ausbreitung gefunden hat und es erst verhältnismäßig wenige gibt, die mit Theorie und Technik der Psychoanalyse gründlich vertraut sind. Die Gründe sieht er einmal in der Schwierigkeit der Umschaltung des vorwiegend somatologisch Eingestellten auf eine ihm durchaus neuartige Blickrichtung: Die Introspektion auf seelische Abläufe. Die zweite Schwierigkeit liegt in der Einübung des „psychoanalytischen Experimentes", das allein die Aufstellungen und Erkenntnisse der Psychoanalyse voll zur empirischen Überzeugung bringen kann, aber erst nach jahrelanger Übung seine ganze Fruchtbarkeit entfaltet. Die dritte Schwierigkeit ist die umfassendste: Man kann das psychoanalytische Experiment erst dann erschöpfend beim anderen anwenden, wenn man sich ihm selbst bei einem erfahrenen Analytiker unterworfen hat. Die nicht nur beim ausgesprochenen Neurotiker, sondern bei allen Kulturmenschen vorhandenen „Komplexe" und mehr oder minder unausgeglichenen Spannungen, deren Reaktivierung instinktiv gefürchtet und gemieden wird, bringen es zuwege, daß die wichtige Vorbedingung der wirklichen Aneignung der Psychoanalyse mißachtet und damit diese selbst versäumt wird. Autoreferat.

Dr. Karl Müller-Braunschweig: Der psychoanalytische Prozeß. (Zeitschrift für Sexualwissenschaft, IX. Bd., Februar 1923. Heft 11.)

Ein einführender, guter Aufsatz über Theorie und Praxis der Psychoanalyse, der von der Diskussion der freien Assoziation ausgeht, die Themen des Widerstandes und der Verdrängung in knapper Form bespricht und nun die Erklärung für die Wirkungen der Psychoanalyse gibt. Die Bedeutung des Agierens und des Wiederholens von Erlebnissen während der Psychoanalyse, die Phänomene der Übertragung als wirksamer Faktor in der Kur, die Umwandlung der Wiederholungstendenzen in Erinnerung, werden sehr geschickt dargestellt. Vom therapeutischen Sinn der Rückführung des verdrängten Materials aus findet der Verfasser einen Weg zur Darstellung der die Neurose verursachenden Konflikte und der mißglückten Verdrängung. Der Verfasser gibt instruktive Beispiele der Genese konversionshysterischer, zwangsneurotischer, phobischer Symptome und zeigt den Charakter des Symptomes als eines Kompromißausdruckes der verdrängenden und verdrängten Tendenzen. Die Überdeterminiertheit des Symptomes und die historische Schichtung wird an Beispielen dargelegt. Einige Bemerkungen über das Zusammenwirken von Konstitution und infantilem Erleben, über Ichideal und Aktualich sowie über die Bedeutung der Angst im Gefüge der Neurose machen auf diese Faktoren aufmerksam. Bedenkt man, daß der Verfasser kaum zehn Druckseiten für seinen Aufsatz, der so schwierige Themen in klarer, das Wesentliche hervorhebender Form behandelt, zur Verfügung hatte, so wird man seine Darstellungskunst uneingeschränkt anerkennen müssen. Wir wollen schließlich auch ein

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