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e der Goldsucher, in Kalifornien, nimmt nach Aussage dortiger Professoren das - Studium der klassischen Philologie beständig zu, so daß die dortige Universität = 250 oder wenn man abzieht, was ungefähr unsern beiden obersten Gymnasial1: kursen entspricht an 60 Studenten des Griechischen zählt. Also die Musen sind noch, sie sind aber, als Göttinnen, zu geben und nicht zu empfangen gewohnt, und wo man nichts von ihnen haben will, sind sie selbst noch sehr viel mehr in der Lage, von diesen Leuten nichts zu brauchen.

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Auf eins ist unter den guten Zeichen noch hinzuweisen, nämlich auf die unerhörte Begünstigung, die den klassischen Musen gerade seit den neunziger Jahren vom guten Glücke zuteil geworden ist, und die noch durchaus weiter anzudauern scheint. Manch einer dachte, zur wissenschaftlichen Untersuchung sei wenigstens mit den klassischen Autoren nichts mehr zu machen, sondern höchstens noch mit den Inschriften und natürlich mit der Archäologie. Diese Rechnung war indes ohne Aegypten gemacht. In diesem Lande, anders als in Griechen= land oder Italien, hält sich das dem Boden anvertraute Schriftstück durch Jahrtausende hindurch unversehrt, und nun kam namentlich seit 1891 ein überraschendes Ding nach dem andern aus diesem Boden zutage. Zunächst, was die schon bis dahin vorhandenen Schriften anbetrifft: nicht gerade die Originalmanuskripte, aber, was ebensowenig jemand für möglich gehalten hätte, Reste von Handschriften des Plato, die vielleicht hundert Jahre oder noch weniger jünger sind als die Originale selbst; jezt erst kann man in die Tertesgeschichte ordentlich hineinsehen und einigermaßen beurteilen, wie viel der Text in der beinahe zweitausendjährigen handschriftlichen Ueberlieferung denn gelitten hat. Ganz viel also nicht, aber etwas doch. Das waren also Handschriftenreste, die zu Karton gebraucht waren, und dieser zur Einhüllung von Mumien im dritten vorchristlichen Jahrhundert; andres lieferten die Haufen von Makulatur, die man jahrhundertelang an bestimmten Ablagerungsstätten vor den Städten aufgehäuft hatte, natürlich auch nur Bruchstücke. Aber in Aegypten gab man gelegentlich den Toten auch ganze Handschriften zur Lektüre mit, wohlverschlossen in Töpfen, und so sind auch vollständige oder fast vollständige, bisher verloren geglaubte Werke wieder erstanden. Die Liste nun von unsern Desiderata ist sehr lang, und das Glück richtet sich nicht nach der Liste; sonst wäre der realistische Mimendichter Herondas, aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., nicht unter den Erstandenen. Anders aber ist es mit dem Lyriker Bacchylides, einem Zeitgenossen des Pindar, und einer wirklichen Nachtigall der Musen, wie er sich nennt, und mit dem Redner Hypereides, Demosthenes' Zeitgenossen, und besonders mit Aristoteles' Schrift von der Verfassung der Athener. Aber auch die bloßen Handschriftenreste, wie der 1902 in Berlin herausgegebene der Sappho und schon ziemlich zahlreiche der Komödien des Menander, sind keineswegs von geringem Belang. Wie mag wohl, sagte einmal ein englischer Freund zu mir, nach 50 Jahren der Bestand der klassischen Literatur aussehen? Vielleicht nicht wenig vermehrt und auch verschoben, indem dies und das Vorhandene von neuem verdeckt und überstrahlt ist, z. B. die lateinischen Komödien von ihren griechischen Originalen. Homer

freilich und Plato werden bleiben, was sie sind: von ihnen besaß man niemals mehr. Aber in Hinsicht auf Entdeckungen können wir der Zukunft freudig entgegensehen, und wenn das Glück so günstig ist, demselben Glücke auch in andrer Hinsicht vertrauen.

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Villa Malta und die Deutschen in Rom.

Von

Dr. Fried. Noad.

er heute in Rom vom Korso zu dem als vornehmes Fremdenviertel sich entwickelnden Quartier Ludovisi hinansteigt, der wird, bevor er an der Ecke des Edenhotels den Höhepunkt des antiken Mons Pincius erreicht, durch den Anblick einer Rosenhecke von märchenhafter Pracht gefesselt. Sie gemahnt mit ihren zahllosen Blüten, die in dichtem Grün über eine hohe Mauer herabhängen, an Dornröschens Schloß; und unzugänglich wie jenes ist auch diese Villa, deren stattlicher Turm sich hinter mächtigen Baumkronen verbirgt. Der in kühlem Schatten am Gittertor hinträumende Pförtner schüttelt auf die Bitte um Einlaß den grauen Kopf, und enttäuscht zieht der Fremde weiter, der gern aus diesem poetischen Winkel den herrlichen Ausblick über die ewige Stadt und die Campagna genossen hätte. Ist er gar ein Deutscher und liest auf dem Torpfosten die efeuumsponnene Inschrift Villa Malta, dann schmerzt ihn die Weigerung doppelt, denn er weiß, daß diese Stätte durch deutsche Erinnerungen geweiht ist. Hat hier doch die Herzogin Amalie von Weimar Hof gehalten und König Ludwig I. von Bayern seinerzeit einen Mittelpunkt für deutsch-römisches Künstlerleben geschaffen!

Gregorovius erzählt davon fesselnd in seinen Kleinen Schriften; aber mit dem, was er über Villa Malta liebevoll zusammengetragen hat, ist ihre deutsche Geschichte nicht erschöpft. Ein seltsames Spiel des Zufalls hat es gefügt, daß durch ein Jahrhundert die für die deutsche Kolonie Roms bedeutsamsten Ereignisse sich an diese Stätte knüpften.

Die Villa Malta, heute Eigentum des Grafen Bobrinski, war ehedem Besiß der Mönche von S. Trinità dei Monti, die zu der Zeit, als der Pincio wieder als Lustsitz in Aufnahme kam, was er im Altertum gewesen, die Gebäulichkeiten erneuerten, den Garten anlegten und das ganze Anwesen an vornehme Herren vermieteten. Den im 17. Jahrhundert nach einer mächtigen Pinie, die dort emporragte, Giardino della Pigna genannten Garten haben Monsignori und Kardinäle als Mieter bewohnt; 1701 zog dort ein fürstlicher Gast ein, die Witwe des Polenkönigs Johann Sobiesky, die den Palazzo Zuccari mit den

gegenüberliegenden Häusern der Via Sistina bis zum Jahre 1714 inne hatte und über diese Straße weg einen Vogenübergang bauen ließ, der von ihrem Palast durch die Wohnungen ihres Hofstaats nach dem hochgelegenen aussichtsreichen Garten eine direkte Verbindung herstellte.

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts fing die Gegend um Trinità dei Monti an, von fremden Künstlern besiedelt zu werden. Das an den Giardino della Pigna (nun meist Vignola, Weingärtchen, genannt) angrenzende, etwas tiefer gelegene Haus mit Garten an Via Sistina wurde sechs Jahre lang von dem französischen Maler Subleyras bewohnt, und nach ihm zog 1752 für fünf Jahre Raphael Mengs dort ein, bei dem der große Archäologe Winckelmann für die erste Zeit seines römischen Aufenthalts gastliche Aufnahme fand. Auch in der Vignola hauste um diese Zeit ein Freund von Mengs, der Erbauer der Dresdener Hofkirche, Gaetano Chiaveri. Auf andre zahlreiche Künstlerinsassen, die dort Wohnung und Werkstätte fanden, folgte 1774 die kurze Epoche, die der Vignola für alle Zeiten den Namen Villa Malta gab; der Botschafter des souveränen Ordens von Malta, Bailly de Breteuil, der in Via Condotti seinen Stadtpalast hatte, mietete das Kasino mit Garten als Sommersiz. Während dieser Zeit hat zum erstenmal ein deutscher Fürst die Stätte betreten; am 23. Juli 1775 gab der Botschafter dem jungen Erzherzog Maximilian von Oesterreich dort ein festliches Mahl, an dem auch jener Kardinal Bernis teilnahm, der später zur Herzogin Amalie in freundschaftliche Beziehungen trat.

Bevor die Weimarer in Villa Malta einzogen, war sie 1781 bis 1788 vom Kardinal Acquaviva bewohnt, dessen Nachbarin 1782 in dem tiefer ge= legenen Besißtum, wo einst Mengs gehauft hatte, die Freundin Goethes, Angelika Kauffmann, wurde. Als sie ihr vornehm gastliches Künstlerheim bei Trinità dei Monti einrichtete, bestand noch eine aus der Zeit der polnischen Königin stammende Treppenverbindung aus ihrem Hausgärtchen zur Villa Malta hinauf, und mit der damals bei Kirchenfürsten üblichen Liberalität gestattete Acquaviva ihr, seine Villa gelegentlich zu besuchen. So fügte es sich auch, da Goethe während seines römischen Aufenthalts ein regelmäßiger Gast bei Angelika und ihrem Gatten war, daß der Fuß unsers größten Dichters das herrliche Fleckchen dem Deutschtum weihte. Die Erinnerung an seinen Besuch in Villa Malta ist in Goethe lebendig geblieben; als er im Januar 1789 in Weimar erfuhr, daß die Herzogin Amalie die Villa gemietet hatte, beglückwünschte er sie dazu mit den Worten: „Die Villa ist herrlich gelegen, bewohnen Sie das Paradies gesund und denken mein!"

Und so geschah es. Das Andenken an Goethe belebte den deutschen Kreis, der sich in den Winter- und Frühlingsmonaten 1789 da oben um die Herzogin= mutter von Weimar sammelte. Außer Angelika, die diesen Wohnsiz hatte aussuchen helfen, wurden ihr alter Hausfreund Rat Reiffenstein, der Archäologe Hirt, die jungen Künstler Schüß und Bury, Meyer und Lips u. a. dort gern gesehen. In der Begleitung der Herzogin waren der Kammerherr v. Einsiedel, das Fräulein v. Göchhausen und der „Bischof“ Herder; mit diesem Titel führt die römische Bevölkerungsliste den Generalsuperintendenten auf. Von dem frohen

Eifer, mit dem die Weimarer Gesellschaft auf Villa Malta sich den geschichtlichen und künstlerischen Anregungen der ewigen Stadt hingab, legen die in die Heimat gesandten Briefe ebenso Zeugnis ab wie von dem jugendlichen Uebermut, der manchmal durchbrach, wie bei dem Wettspringen über die Fontäne des Gartens, wobei der junge Bury siegte und Herr v. Einsiedel ein kaltes Bad nahm. In diese deutschen Tage der Villa Malta fällt auch die Verpflanzung jener Palme, die Goethe in Rom aus einem Dattelkern gezogen hatte, von deren günstigem Wachstum Jahrzehnte später König Ludwig von Bayern dem Dichter berichtete, und die heute noch als ehrwürdiger Baum die Villa schmückt, ein Sinnbild dessen, was Goethes Aufenthalt in Rom an geistigem Wachstum gepflanzt hat.

Des Dichters Verweilen in Rom hat zum erstenmal seit Mengs und Winckelmann der kleinen deutschen Künstlergemeinde einen festen Mittelpunkt, einen moralischen Zusammenhang gegeben, dem der Besuch der Herzogin Amalie Fortdauer und Befestigung lieh. Mit treuherziger Schlichtheit gab der Maler Schüß in einem Brief an Goethe im April 1789 dieser Empfindung Ausdruck, wenn er von dem Kreis der Herzogin schrieb: „Ueberhaupt ist es eine Gesellschaft, die der ganzen deutschen Nation ihre Ehre wieder in Rom auf festen Fuß sezt, und ich nun aufs neue stolz darauf bin, ein Deutscher zu sein." Wohl war es nur ein Bruchteil der deutschen Kunstgemeinde Roms, der dem deutschen Musenhof auf Villa Malta angehören durfte; aber Goethes Palme wuchs heran, und bald versammelte sich eine größere Schar auf dem Boden, in dem sie grünte und gedieh.

Am Anfang November 1794 zog der Prinz Friedrich August von HannoverEngland für zwei Jahre in Villa Malta ein. Sein persönliches Interesse für die Deutschen Roms war nur gering, aber sein Leibarzt Domeier kam bald in die Lage, ihnen einen wesentlichen Dienst zu leisten. Es war die Zeit, als der Schleswiger Carstens die römische Kunstwelt mit der Ausstellung seiner Kartons überraschte, in denen der Geist des klassischen Altertums zu neuem Leben erwacht schien, und als sein Freund Fernow theoretisch und literarisch sein Streben unterstüßte. Der Geist, der Goethes Iphigenie in Rom zur Vollendung brachte, regte sich auch in der bildenden Kunst. Fernow wollte der belehrungsbedürftigen deutschen Künstlerkolonie Anregung zum Nachdenken über das Wesen der Kunst geben und richtete Vorlesungen über Aesthetik nach Kantschen Grundsäßen ein. Da man den Belästigungen durch die päpstliche Polizei entgehen wollte, die überall Jakobiner witterte, so wählte man als Hörsaal die Wohnung Dr. Domeiers in Villa Malta, wohin aus Achtung vor dem englischen Prinzen die Sbirren ihre Hand nicht zu strecken wagten. So kam seit Oktober 1795, den Winter über wöchentlich zweimal, fast die ganze deutsche Landsmannschaft, Gelehrte und Künstler, 36 an der Zahl, in Domeiers Zimmer auf Villa Malta zusammen, um sich kunsttheoretisch von Fernow unterrichten zu lassen. Wenn schon der Vortragende sich von den Zuhörern für seine Mühewaltung bescheiden entschädigen ließ, so war es ihm doch vor allem um den idealen Zweck seines Unternehmens zu tun. Er ließ es auch nicht beim Reden bewenden und stiftete

dazu einen Lefeverein unter den deutschen Künstlern, der die Allgemeine Zeitung, die Horen und den Merkur aus Deutschland kommen ließ. Es ist ein anmutender Gedanke, daß dieser erste Versuch, ein gemeinsames geistiges Leben der · Deutschen in Rom zu schaffen, auf der Stätte gemacht wurde, wo die von Goethe gepflanzte Palme grünte. Doch war die nationale Gemeinsamkeit unter Fernows rühriger Leitung nicht von langer Dauer, die weitere Entwicklung der französischen Revolution sprengte die in Rom weilenden Deutschen auseinander.

Nur wenige von ihnen hielten über die Stürme der Jahre 1798 und 1799 am Liberstrand aus und retteten die deutsche Tradition ins neue Jahrhundert hinüber; und diese wenigen fanden wieder auf Villa Malta im Winter 1802/1803 einen festen geselligen Mittelpunkt. Die geistvolle Italienschwärmerin Friederike Brun bezog mit ihrer Tochter und ihrem Freund Bonstetten die Villa über Angelika Kauffmanns Garten. Sie hat in ihren römischen Aufzeichnungen reizvolle Schilderungen des Landsizes hinterlassen; auch erfahren wir daraus von dem geselligen Leben, das sich in ihren Räumen entwickelte, von der dort begangenen Weihnachtsfeier, von dem Fest, das die Hausherrin dem jungen Thorwaldsen gab, als er sein erstes großes Werk, den Jason, vollendet hatte, und von der kurzen Hausgenossenschaft mit Wilhelm v. Humboldt, der, als preußischer Gesandter gegen Ende November 1802 nach Rom gekommen, in Villa Malta ein vorläufiges Notquartier fand, bevor er den Palazzo Tomati in Via Gregoriana bezog. Zu den regelmäßigen Gästen des Brunschen Hauses gehörten außer den eben Genannten der Erbprinz Georg Friedrich von MecklenburgStrelit, Bruder der Königin Luise, der preußische Geheime Rat und ehemalige Geschäftsträger beim päpstlichen Stuhl v. Uhden, der Berliner Akademieprofessor und Maler Rehberg, der Landschaftsmaler J. Chr. Reinhart, der Kupferstecher Gmelin, die Maler Hetsch aus Württemberg und Graß aus Livland, der Schweizer Bildhauer Heinrich Keller, der Kunstschriftsteller Fernow, und endlich von Nichtdeutschen der dänische Altertumsforscher Zoëga, sein Landsmann Maler Lund, der „italienische Phidias" Canova und der französische Kunstforscher d'Agincourt.

Gesellige Mittelpunkte in der römischen Fremdenkolonie waren naturgemäß immer raschen Veränderungen unterworfen; aber troß dem ewigen Wechsel der Personen blieb doch gerade Villa Malta für geraume Zeit die bevorzugte Stätte deutscher Zirkel, da sie wegen ihrer herrlichen Lage und poetischen Abgeschiedenheit besonders gerne von unabhängigen, feinsinnigen Fremden aufgesucht wurde. Nur ein Jahr später als Friederike Brun wurde die schöne Gattin des bayrischen Gesandtschaftssekretärs v. Widder in ähnlichem Sinne die bezaubernde Fee von Villa Malta. Das geniale Treiben unter ihrer Führung hat Joh. Phil. v. Rehfues, der 1804 und 1805 ihrem Kreis angehörte, lebhaft geschildert und ihr in der Heldin seines Romans Scipio Cicala ein literarisches Denkmal geseßt. An den manchmal etwas ausgelassenen Gelagen mit Orvietowein, deren Festkönigin Agnes v. Widder auf Villa Malta war, nahmen unter andern jungen Künstlern Josef Anton Koch und Joh. Martin Wagner teil, beide durch humorvolle Derbheit

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