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so wird Preußen eine tombinierte Aktion am Rhein vorschlagen. Desterreich solle sich verpflichten, den Niederrhein mit genügenden Streitkräften zu decken, und würde in diesem Falle die süddeutschen, Preußen die norddeutschen Bundestruppen unter seinem Kommando haben. Wenn Desterreich keine disponiblen Streitkräfte hätte, dann sollte das Kommando über die deutschen Armeen an Preußen fallen.

Darauf antwortete Graf Rechberg, daß ein Vermittlungsanerbieten nicht genügend sei, daß nicht nur der Territorialbesiz garantiert werden müsse, sondern auch die Geheimverträge, die allein Sicherheit für die Besizungen gewährten, und daß man sich außerdem verpflichten müsse, das parlamentarische Regime in Piemont zu beseitigen, Napoleon III. zu stürzen und den Grafen von Chambord auf den Thron von Frankreich zu sehen. General v. Willisen erwiderte noch, daß er keine Verpflichtungen in bezug auf innere Angelegenheiten fremder Länder übernehmen könne. Die österreichischen Staatsmänner hielten stand und schlugen wenigstens einen Notenwechsel über die Erhaltung des italienischen Territorialbesizes vor, damit ein Zeugnis für die gegenseitigen Versprechungen vorhanden bleibe. Einen Augenblick glaubte man in den diplomatischen Kreisen, daß der Prinzregent von Preußen geneigt sei, diese Verpflichtung als Gegenleistung für den vollständigen und absoluten Oberbefehl über die deutschen Armeen zu übernehmen; es hieß, daß der Fürst von Hohenzollern darauf dringe, und daß der Minister v. Schleinig sich dem widersete, und man legte dem Fürsten von Hohenzollern das Wort in den Mund: „Die Unentschlossenheit ist der Fluch Preußens".

Was war an diesen Geschichten Wahres? Ich glaube, daß man es noch jeht nicht weiß.

Gewiß ist, daß General Willisen zurückkam, ohne mit der österreichischen Regierung etwas Bestimmtes ausgemacht zu haben, und daß man seit Ende Mai den Stoß, den das preußisch-österreichische Einvernehmen erlitten hatte, ahnte. (Fortsetzung folgt.)

Aufzeichnungen des Freiherrn v. Cramm-Burgdorf.

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II.

Acht Tage in Rom. 1878.

Rom, 9. März.

as werdet Ihr sagen, wenn Ihr einen Brief aus Rom erhaltet, während Ihr einen aus Montreux erwartet, wo ich mich für diese Zeit bei Frau v. Campe und meiner Freundin Agathe Wizleben angesagt hatte. Mich packte aber in Mentone so die Sehnsucht nach Rom, daß ich mich rasch entschloß, über

Genua nach der ewigen Stadt zu fahren. Sind es von dort über Spezia und Civita vecchia nach Rom doch nur dreizehn Stunden Eisenbahnfahrt. Ich telegraphierte nach Montreux, meldete mich auf zehn Tage später an und fuhr mit glückseligen Gefühlen Rom entgegen.

Ich glaube, es war Gregor XVI., der bei den Audienzen die ihm vorgestellten Fremden fragte, einen wie langen Aufenthalt sie in Rom zu nehmen gedächten. Antwortete man ihm „drei Wochen“, dann wünschte er einfach eine gute Reise. Hieß es aber „drei Monate“, dann nickte er befriedigt und sagte in herzlichster Weise: Also auf Wiedersehen. Er kannte eben den ganzen Zauber der ewigen Stadt, der in der ersten Zeit kaum empfunden, von Woche zu Woche mehr das Herz gefangen nimmt und der, wenn man fern von Rom ist den brennenden Wunsch zurückläßt, so bald als möglich wieder nach dort zurückzukehren.

Ich fuhr, nachdem ich mich bei Frau v. Maaßen am Abend vorher verabschiedet hatte, am 6. morgens von Mentone ab und hatte eine herrliche Fahrt der Riviera entlang. Für ein paar Franken, die ich dem Kondukteur in die Hand drückte, hatte ich fast den ganzen Weg ein Coupé allein und konnte nach beiden Seiten die Schönheiten des Weges bewundern. Bald nach 6 Uhr war ich in Genua, von wo der Expreßzug um Mitternacht nach Rom abgeht. Mit mir im Coupé waren ein Senator und ein Mitglied der Deputiertenkammer, die zur Eröffnung des Parlaments nach Rom reisten, und diesem Umstande verdankte ich, daß unser Wagen nicht in Pisa blieb, wie die Bahnbeamten wollten, sondern direkt nach Rom durchfuhr.

Die Nacht war rasch vergangen, und durch einen herrlichen Morgen frisch und klar fuhr ich Rom entgegen. Mir schlug das Herz höher, als ich meinem Reiseziele mich näherte, es war mir, als ob ich mich nach langer Abwesenheit der Heimat wieder näherte. Mit Entzücken begrüßte ich die ersten Mauern, die zu Rom gehören, wie bekannt grüßte mich San Paolo, die Pyramide des Cestius, wie herrlich entfaltete sich bald die ganze gewaltige Stadt mit ihren Türmen, Palästen und Ruinen. Ganz stolz war ich, auf dem Bahnhofe nicht von einer Schar Fremdenführer, Kommissionäre und Gepäckträger angehalten zu werden. Man mußte es mir ansehen, daß ich nicht als Fremder kam, sondern als „alter Römer", der sich selbst zu helfen weiß.

In dem vortrefflichen Hotel Costanzi fand ich gutes Unterkommen und wurde. von alten Freunden begrüßt, die auch dort wohnten.

Seit ich Rom im Mai vorigen Jahres verlassen, was hat sich nicht alles verändert! Viktor Emanuel, den ich blühend von Gesundheit im kräftigsten Mannesalter gesehen, der mir noch vor Augen steht in seiner einfachen Equipage, neben sich den Oberstallmeister Grafen Castellengo, er ruht im Pantheon, Pius IX., der wunderbare Greis, schlummert nach langem wechselvollen Leben im Marmorfarkophage des St. Peter.

König Humbert hat keine leichte Erbschaft angetreten, aber alles, was er bisher getan und gesprochen hat, erweckte ihm weit über Italien hinaus die all

gemeinsten Sympathien. Man sieht voll Hoffnung auf ihn, und der König hat schon bewiesen, daß er gewillt ist, in den Bahnen seines Vaters als wahrhaft konstitutioneller Monarch weiter zu schreiten.

Einem fremden Diplomaten gegenüber hat er sich vor kurzem sehr offen und bescheiden ausgesprochen. Er hat gemeint, es sei ihm allerdings eine gar schwere Aufgabe zugefallen. Wie solle er immer das Rechte treffen, wenn bei Differenzen innerhalb des Ministeriums (und deren sind viele gewesen und werden noch viele kommen) es an ihm sei, eine Entscheidung zu treffen. Sein Vater habe es leicht gehabt! Wenn sich die Minister lange genug hin und her gestritten, ohne zu einem Entschlusse zu kommen, dann habe er in seiner einfachen Weise gesagt: nach meinen Erfahrungen halte ich das und das für richtig, und nie sei es vorgekommen, daß sich die Minister nicht dem Ausspruche des Königs gefügt hätten! So groß sei dessen Autorität gewesen. Was solle er aber sagen? Seine Meinung sei eben auch nur eine Meinung, und wenn er von Erfahrungen sprechen wolle, so würden die Minister ihn nur auslachen.

Die Königin Margarete wird von den Italienern vergöttert. Man sieht in ihr den guten Engel, den Schuhgeist des Vaterlandes.

Ueber die Ministerkrisis, in die ich gerade hineingekommen, brauche ich Euch nichts zu sagen. Dies Thema wird von den Zeitungen täglich in breitester Weise behandelt. Außerdem ist sie ja zurzeit erledigt, aber auf wie lange! Die Einigung des herrlichen Landes ist ja äußerlich und ohne Zweifel wohl für immer vollzogen, ist aber doch noch nicht vollkommen zur inneren Wahrheit geworden. Es stehen sich die Parteien und nicht nur die politischen, sondern innerhalb der politischen die lokalen zum Teil noch schroff und unvermittelt gegenüber. Italien braucht noch wieder einen Cavour, eine allen imponierende Persönlichkeit, einen Staatsmann, dem sich unterzuordnen jedem eine patriotische Pflicht erscheint, auch wenn man nicht imstande, seine Meinung zu teilen. Indes troß allem Zwist und allem Hader hat man überall den Eindruck, daß Italien gewaltige Fortschritte macht, und daß es mit Ehren seinen Plaz als Großmacht aufrecht erhalten wird.

Alle unsre Militärs, die die Entwicklung der italienischen Armee seit Jahren genau beobachtet haben, sind darüber einig, daß enorm gearbeitet und Großes geleistet wurde. In den verschiedensten Zweigen der Industrie zeigt sich ein unverkennbarer Aufschwung. Der Landwirtschaft und dem Weinbau wird seit Jahren eine ganz besondere Sorgfalt zugewandt.

In Rom selbst wird viel gebaut und sehr schön gebaut. Die Via Nazionale ist eine prachtvolle, breite Straße geworden, vielleicht aber gerade deshalb nicht ganz für die klimatischen Verhältnisse Roms geeignet.

Das Riesengebäude des Finanzministeriums ist schon seit längerer Zeit bezogen. Ueber 1200 Beamte sind in demselben tätig. Möchten die italienischen Finanzen bald ebenso glänzend sein wie dieser Palast.

Ringsher am Macao sind elegante Villen entstanden, Straße an Straße, und es wird nicht lange dauern, bis dort ein ganz neuer Stadtteil emporgewachsen.

In den Straßen der inneren Stadt wird das alte Pflaster aufgerissen und - neues gelegt, das für die Fußgänger weniger qualbringend zu werden verspricht.

Die Straßenreinigung ist eine vortreffliche geworden, allerdings zum Miß- vergnügen vieler Leute, die behaupten, Rom sei viel pittoresker und schöner gewesen, als noch Kohlstrünke, Apfelsinenschalen, Kehricht und was sonst noch frischweg auf die Straßen geworfen worden seien.

Auch die Straßenbettelei hat bedeutend nachgelassen. Mir fehlen beinah meine bekannten Bettler, besonders der povero ceco, der sich in der Gegend der Piazza di Spagna umhertrieb und dessen Führer, ein blondlockiger hübscher Knabe, der, nachdem er seine due soldi erhalten, stets streng über seinen Schulbesuch und den Fortgang seiner Studien examiniert wurde. Ich bin nicht einmal durch die Via della Croce und die Babuino gegangen, ohne im stillen zu hoffen, meinen alten bettelnden Freunden zu begegnen, aber immer vergeblich.

Am Tage meiner Ankunft machte ich gleich meinen Besuch auf der Botschaft, wo ich Herrn v. Keudell unverändert fand. Auch Frau v. Keudell geht es in diesem Jahre viel besser als im vorigen. Mein alter Universitätsfreund Derenthall ist auch noch in seiner Stellung. Sehr freute ich mich, auch den Botschaftsprediger Pastor Jeep, einen Landsmann, zu begrüßen, der mich, ebenso wie seine liebenswürdige Gattin, mit größter Herzlichkeit empfing. Fontaines luden mich ein, bei ihnen zu speisen, und so waren wir ganz en famille, da außer mir nur noch Monseigneur de Lichnowsky als Gast da war. Fontaines haben aber ihre Wohnung gewechselt. Sie wohnen nicht mehr in der Via Sistina, sondern haben den ersten Stock des alten Palazzo Costaguti an der Piazza della Tartaruga inne mit dem Blicke auf die herrliche Fontaine, deren Entwurf Raffael zu= geschrieben wird und die für mich die schönste in Rom ist. Es ist ein wahrhaft fürstliches Appartement, das meine Freunde inne haben. Die Reihe von Salons durch Höhe, schöne Verhältnisse, prachtvolle Deckengemälde, kostbare Bilder ausgezeichnet, würde bei uns jedem königlichen Schlosse zur Zierde gereichen. der Eigentümer des Palastes Marchese Costaguti zu der schwarzen Gesellschaft Roms gehört und mit Fontaines freundliche Beziehungen angeknüpft hat, ist der Salon der Frau v. Fontaine der einzige deutsche, in dem man neben der weißen Gesellschaft auch viele Mitglieder der päpstlichen vornehmen römischen Gesellschaft trifft. Es ist jest leicht, schon gleich die weiße von der schwarzen Gesellschaft zu unterscheiden, da die Weißen sämtlich schwarz gehen, die Schwarzen aber möglichst bunt. Man sprach noch allgemein von dem großen Feste, das Frau v. Fontaine wenige Tage vor meiner Ankunft gegeben, als dem glänzendsten, was seit langen Jahren in Rom stattgefunden habe.

Da

Nach dem Diner hatten wir etwas sehr gute Musik. Frau v. Fontaine ist jelbst eine vortreffliche Sängerin und gab uns einige moderne italienische Lieder zu hören. Es waren noch der junge Violoncellspieler Ludwig Prehn mit Frau und der türkisch-italienische Geigenspieler Consolo gekommen. Herr Prehn, durch Frau v. Fontaine eingeführt, hat den ganzen Winter in Rom zugebracht und oft in den Salons und in Konzerten durch sein seelenvolles Spiel entzückt.

Seine Frau ist eine tüchtige Klavierspielerin und begleitet ihn. Das Ehepaar beabsichtigt nächstens nach London zu gehen und versprach mir, mich in Paris zu besuchen.

Consolo zeichnet sich durch einen besonders großen und breiten Strich aus. Er will nächstens nach Deutschland gehen und ich bezweifle nicht, daß er ge= fallen wird, obgleich man nicht immer mit seiner Auffassung deutscher Musik, die er vorzugsweise spielt, einverstanden sein wird: Er überseßt, wie man sagen könnte, die deutsche Musik oft ins Italienische, was ja in Rom gefiel, was aber in Deutschland die meisten Kenner nur schwer vertragen werden.

Schließlich kam noch ganz spät Tosti, der berühmte Gesanglehrer, Komponist und Sänger, und sang meisterhaft einige seiner kleinen Lieder.

11. März.

Gestern zum Sonntag war ich in der Kapelle des Palazzo Caffarelli und hörte eine geistvolle Predigt des Pastor Jeep. Die deutsche Kolonie war ziemlich vollständig vertreten, und ich begegnete einer Menge von Bekannten. Ich frühstückte bei Platners: Ich fand den Baron Platner besser aussehend wie im vergangenen Jahre, dank der rührenden Pflege seiner Gemahlin. Leider hat er seiner Kunst entsagen müssen. Im Salon seiner Frau hängen seine letzten Bilder, ein herrlicher aber wehmütig stimmender Schmuck. Ihr wißt doch, daß Baronin Platner identisch ist mit der schönen Frau v. Mezradt, geborenen Nostiz, die früher in Dresden die beliebteste Erscheinung war, alle Welt durch ihre Schönheit und Liebenswürdigkeit bezaubernd. Wer das Glück hat, sie kennen zu lernen, wird das Urteil jenes Franzosen über Dresden nicht befremdlich finden, der sagte: in Dresden sei dreierlei Bemerkenswertes: die Galerie, die Brühlsche Terrasse und Frau v. Mehradt. Ich war in den früheren Jahren viel bei Platners und fand die alte Herzlichkeit wieder, mit der ich immer aufgenommen war. Wir plauderten viel von der Vergangenheit und unsern gemeinsamen Erlebnissen. Nachmittags traf ich auf dem Pincio eine Menge Bekannte, Baron und Baronin Ahlefeld, Herrn v. Philippsborn, Generalkonsul Gerson aus Frankfurt mit Frau und der liebenswürdigen, gescheiten Tochter Bertha, Mr. und Mrs. Putnam. Und wie früher von jedem die Frage: kommen Sie heute abend zu Dachroedens, und wie früher immer dieselbe Antwort: natürlich komme ich zu Dachroedens. Der Salon Dachroeden ist seit vielen Jahren Sonntag abend Versammlungsort aller Deutschen in Rom, die zur guten Gesellschaft gehören. Man findet Künstler, Schriftsteller, Staatsmänner bunt durcheinander gemischt, auch jezt viele Italiener, denen der ungenierte Ton im gastlichen Hause sehr gefällt. Herr v. Dachroeden ist bekanntlich Schloßhauptmann von Quedlinburg, ist aber glücklicherweise durch diese Würde nicht verpflichtet dort seinen Wohnsig zu nehmen. Seine Frau, eine geborene v. Prillwitz, und ihre reizende Tochter Severa lieben Rom wie ihre Heimat, und so wird hoffentlich zum Wohle und Heil der Deutschen in Rom der Salon Dachroeden dauernd erhalten bleiben. Ich erinnere mich sehr genau, wie ich im Winter 1876 zum ersten Male in den

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