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müssen. Entweder blieb der Sultan unabhängig oder es war ein britisch-deutsches Kondominium herzustellen. In beiden Fällen fiel das Sultanat dann über kurz oder lang Deutschland zu, da die Insel in ihrem Handel und Verkehr durchaus nach der deutschen Küste gravitiert. Das heutige Verhältnis ist etwa dasselbe wie das Hamburgs und Bremens zu den Staaten des deutschen Zollvereins vor ihrem Anschluß.

Nun, der Vertrag war geschlossen, und man mußte sich mit ihm abfinden. Alle Vorteile waren auf britischer, alle Nachteile auf deutscher Seite. Der britische Generalkonsul in Sansibar wurde zugleich agent general für das ostafrikanische Protektorat, von dessen Hafenplay Mombassa jezt die Eisenbahn bis zum Nyanza führt. Ein reger Wetteifer entwickelte sich zwischen den beiden Gouvernements, die äußere Betätigung zeigte sich dem Wesen der beiden Nationen entsprechend. Die Briten haben wenig für das Land und dessen kulturelle Hebung getan, dessen Boden allerdings auch sehr minderwertig ist und das bis zur ersten großen Terrasse durchweg an Wassermangel leidet. Sie behandeln es im großen Ganzen nur als Durchgangsland nach dem reicheren und dichter bevölkerten Uganda, und haben mit der Aufwendung von mehr als hundert Millionen Mark jene große Bahnlinie und die Hafenanlagen von Mombassa gebaut.

Deutscherseits standen solche Mittel nicht zur Verfügung, da in unserm Vaterlande die Begriffe Kolonialmacht und Weltpolitik den kleinen, beschränkten Köpfen noch immer Schwindel erregen, und nur einzelne sich klar zu machen wagen, wie der Globus in etwa fünfzig Jahren aussehen wird. Hübsch im kleinen, sauber und ordentlich wurden die Hafenpläße eingerichtet, Leuchtfeuer an der Küste entzündet, Städte gebaut, Straßen durchs Land gezogen, alles musterhaft insceniert; leider blieb nur der erwartete Verkehr aus, da ihm die Grundlagen entzogen sind.

Die diplomatischen und geschäftlichen Beziehungen zwischen Sansibar und Daressalam sind stets ausgezeichnete, vielfach sogar herzliche gewesen, troßdem die Reibefläche eine große ist. Die Exterritorialität der deutschen Schußbefohlenen in Sansibar, der Dauverkehr unter deutscher Flagge, vielfache Grenzstreitigkeiten, die Uebergriffe der nomadisierenden Massaistämme nördlich des Kilimandscharo und dergleichen geben zu unaufhörlichen Klagen und Beschwerden Anlaß. Ich hatte während meiner Amtszeit außer obigem noch eine schwierige, langatmige Grenzregulierung an der Umbamündung und die weitgreifenden Uebelstände der britischen Soldatenrebellion in Uganda abzuwickeln. Dabei hatte ich es allerdings mit ausgezeichneten Männern, dem Generalkonsul Sir Hardinge in Sansibar und dem obenerwähnten Sir Johnston in Uganda, zu tun. Troßdem ich gleich anfangs den mir unterbreiteten Wunsch, den beiderseitigen geschäftlichen Verkehr in französischer Sprache zu führen, abgelehnt hatte und, mich auf Bismarck berufend, das Deutsche als Diplomatensprache durchseßte, blieben bei aller Schwierigkeit des Gegenstandes die Verhandlungen stets auf dem Fuße gegenseitigen Wohlwollens und nachbarlicher Freundschaft. Zahlreiche Besuche in Sansibar und Daressalam bestärkten die guten Beziehungen und gaben Gelegenheit zu persön

licher Aussprache. Es ist anzunehmen, daß dies Verhältnis, das selbst während der starken Spannung im Laufe des südafrikanischen Krieges und unter der arg verstimmenden Telegraphenzensur in Aden aufrecht erhalten wurde, auch weiterhin so bleibt. Glücklicherweise ist auch im Westen Afrikas während des Krieges an der langen Grenzlinie entlang des Oranjeflusses und gegen West - Griqualand und Betschuanaland von keinen Schwierigkeiten zu hören gewesen. Die geringe Bevölkerung Deutsch - Südwestafritas (200 000 Seelen auf 830 000 Quadratkilometer) und der hierdurch bedingte minderwertige Verkehr in das Hinterland sind hier wohl maßgebend. Auch an der Guineaküste dürfte seit der endgültigen Grenzregulierung im Salagagebiet jede Reibung zwischen Briten und Deutschen beseitigt sein.

Ein großes Fragezeichen für die zukünftige Entwicklung Afrikas aber bilden die portugiesischen Besizungen. Im Westen und im Osten des zentralen Afrikas südlich des Aequators sind zwei große Blöcke, die mächtigen Provinzen Angola und Mozambique, unter portugiesischer Flagge verblieben, nachdem der Kongostaat einerseits und Großbritannien von Süden her andrerseits sich des „Hinterlands" bemächtigt haben. Die Briten im besondern sind nicht gerade glimpflich mit den Portugiesen umgesprungen, sie haben, von Süden vordringend, überall, wo Gold gefunden wurde, sofort die Flagge gehißt und diese willkürliche Landerwerbung durch ihre Regierung anerkennen lassen. Gegen dies summarische Verfahren ist auch kaum etwas einzuwenden, da die Portugiesen niemals eine wirkliche Herrschaft über das Innere Afrikas ausgeübt haben, sondern die weiten Länder 400 Jahre unerforscht und unerschlossen haben liegen lassen. Hätte Großbritannien keinen Mitbewerber um den afrikanischen Boden, so wäre es ganz selbstverständlich, daß es sich nach und nach in den Besiß sämtlicher portugiesischen Kolonien seßte, wir wir ja gegenwärtig überall auf der Welt die Romanen den Germanen Plaß machen sehen.

Seitdem aber das Deutsche Reich festen Fuß in Afrika gefaßt und sich zwischen die britischen und portugiesischen Besitzungen eingeschoben hat, ist es aufs lebhafteste an der zukünftigen Regulierung des Besizstandes interessiert und kann den ausschließlichen Heimfall der absterbenden Kolonialmacht an eine andre Großmacht nicht teilnahmlos mitansehen. Deutschland hat in dieser Richtung bereits zu große Sünden gegen sich selbst begangen, als es das ungemessene Anwachsen der französischen Kolonialmacht und die Aufrichtung des selbständigen Kongostaats duldete, ohne irgend ein Aequivalent für sich zu fordern. Falls ein Wenn in der Betrachtung der Weltgeschichte überhaupt gestattet ist, so erwäge man, wie das Deutsche Reich heute in der Welt dastehen würde, wenn - Fürst Bismarck 1871 anstatt der unseligen fünf Milliarden nur eine mäßige Kriegsentschädigung, dafür aber Auslieferung der französischen Kriegsflotte und der französischen Kolonien gefordert hätte! Um mit H. St. Chamberlain zu sprechen, hat damals die semitische Denkweise Bleichröders über die germanische Richtung unjrer Voltsentwicklung den Sieg davongetragen.

Nach Verlauf von dreißig Jahren sind das deutsche Volk und die deutsche

Regierung hoffentlich flüger geworden, und werden sich keine Gelegenheit wieder entgehen lassen, wo auf friedlichem Wege Land zu erwerben ist. Der Drang der Umstände führt uns gebieterisch auf diese Bahn. Die Volksvermehrung in Deutschland um 800 000 Seelen jährlich, d. h. in 5 Jahren um 4 Millionen (1905 60 Millionen, 1910 64 Millionen u. f. w., auf einem Grund und Boden, der 1815 nur 24 Millionen ernährte), gibt dem Nationalökonomen zu denken. Da die Auswanderung merkwürdigerweise außerordentlich zurückgegangen ist, (1881 220 000, 1902 32000), so ist bewiesen, daß die Massen vorläufig ihr Brot in der Heimat finden, und es an Arbeitsgelegenheit noch nicht gebricht. Von Jahr zu Jahr aber schwillt angesichts der günstigen Schul- und sonstigen Bildungsverhältnisse die Intelligenz an, und deren Ueberschuß drängt nach außen, da sie sich in der Heimat nicht genügend betätigen kann. Gerade für diese Klasse sind aber die Tropen das richtige Arbeitsgebiet, da dort die Eingeborenen unter Leitung geschulter Europäer Kulturwerte schaffen. Dies haben England und Holland in Indien erprobt, und England ist eben daran, in Afrika sich ein zweites Indien zu erwerben und einzurichten. Herrenvölker denken eben an ihre Zukunft, während der Deutsche nach Art der Proletarier leider noch immer aus der Hand in den Mund lebt.

Deutschland steht vor der dringenden Notwendigkeit, sich nach weiteren Gebieten für die Ausbreitung seines Volkstums umzusehen, und die afrikanischen Besizungen Portugals sind als Nachbargebiete der deutschen Kolonien besonders geeignet zur gelegentlichen friedlichen Erwerbung. Portugal hat sich durch vierhundertjährige Mißregierung und kulturelle Indolenz seines Kolonialbesizes unwürdig gezeigt, es kann in seinen Finanznöten durch Geldabfindung entschädigt werden. Deutschland bedarf der Provinz Mozambique bis zum Sambesi und der Provinz Mossamedes im Westen aus politischen und verkehrsgeographischen Gründen, deren Darlegung hier zu weit führen würde.

Die Nachricht von einem Abkommen zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reiche über eine Aufteilung der portugiesischen Kolonien wurde daher im Jahre 1898 durchaus nicht als etwas Ungewöhnliches, sondern als normale Tatsache allgemein hingenommen. In Ostafrika speziell, wo wir Deutsche die unhaltbaren Zustände im portugiesischen Nachbarlande aus eignem Augenschein kannten, galt die baldige Besißergreifung der Provinz Mozambique wie eine Naturnotwendigkeit. In dem Ostnyassalande befand sich weder ein portugiesischer Soldat noch Beamter. Diese saßen in höchst desolatem Zustande in den kleinen Küstenplägen, wagten sich jedoch nicht ins Innere. Umgekehrt brachten die Eingeborenen ihre Waren (Kopal, Kautschuk, Wachs, Sesam) nicht in die portugiesischen Hafenpläße aus Furcht vor Gewalttat und Beraubung, sondern kamen weit über Land nach den deutschen Orten Mikindani und Lindi. Nicht verbürgt, aber allgemein geglaubt war die Tatsache, daß die Eingeborenen den portugiesischen Beamten den Eintritt in das Innere des Landes verweigerten und die Köpfe etwaiger Eindringlinge zur Küste schickten.

Gegenüber dieser durchaus gebotenen Aufteilung solch verwahrlosten Kolonial

besizes zwischen den beiden nächstbeteiligten Großmächten verlautete plöglich die Nachricht über ein neues, in Lissabon abgeschlossenes Abkommen, das die sämtlichen portugiesischen Kolonien unter Schuß und Garantie Großbritanniens stellt. Letzteres vermehrt durch diesen anscheinend unbedeutenden Akt seine Kolonialmacht, seinen maritimen Aktionsbereich, vor allem seine Machtstellung in Afrika ins Ungemessene. Während schon bisher englisches Kapital die portugiesischen Kolonien nach Belieben, und ohne sich um die Staatsoberhoheit zu kümmern, ausbeutete, wird es jezt die weiten Gebiete wie britisches Kronland behandeln; denn einen Widerspruch gegen den mächtigen Beschüßer gibt es überhaupt nicht. England hat einen großen Erfolg erzielt, Rhodesia hat plöglich nach Osten und Westen Freiheit erhalten, sich bis zur Küste zu entwickeln, es kann sich beglückwünschen. Aber der Erfolg ist auf Kosten Deutschlands erzielt, und diese Tatsache ist für beide Teile zu bedauern.

Deutschland hat während des südafrikanischen Krieges strenge Neutralität gewahrt, hat manche Unannehmlichkeiten stillschweigend ertragen, die völkerrechtswidrige Benutzung der neutralen Beira-Bahn durch britische Truppen geduldet, es konnte eine andre Behandlung erwarten. Der ihm durch diesen Vertrag zugefügte Schlag wird vielleicht im Augenblick von den Massen nicht empfunden, weil uns Afrika leider noch immer so fern und gleichgültig gegenübersteht, er wird aber sich fühlbar machen und je länger desto tiefer schmerzen. Sobald das deutsche Volt zu der Einsicht gelangt, daß es sein Kapital in der Heimat nicht mehr ausreichend und ergiebig arbeiten lassen kann, daß seine überschießende intelligente Jugend sich ein Neuland zur Bearbeitung suchen muß, so wird der Schmerz um den Verlust dieses leßten leicht erreichbaren kolonialen Besißes eindringlich sich bemerkbar machen. Bereits ist Mozambique in die südafrikanische Zollunion aufgenommen, seine Ausfuhrartikel genießen in Südafrika Zollvergünstigung und billige Bahnfrachten; die deutschen Häfen Kilwa, Lindi u. s. w. vermögen mit Ibo und Chinde nicht zu konkurrieren.

Es ist tief zu beklagen, daß das gute Verhältnis, das die beiden Großmächte bislang in Afrika aufrecht erhalten haben, hier einen scharfen Riß bekommt. Die vorliegende Frage ist nicht politisch, sondern rein volkswirtschaftlich aufzufassen, und in diesem Sinne ist die jeßige Lösung unverzeihlich leichtfertig von englischer Seite. Das Abkommen von 1898 ist ja nie veröffentlicht, seine Grundlagen sind aber bekannt geworden. Kann man es den Deutschen verdenken, wenn sie angesichts der neuesten Tatsachen von „punischer Treue“ sprechen oder das Faust-Wort anwenden: „sie lispeln englisch, wenn sie lügen?" Solche Dinge vergessen sich nicht, sie wirken Jahrzehnte und Jahrhunderte in der Volksseele fort. Man denke an den zweihundertjährigen Verlust Straßburgs, an die Schmerzen der Spanier um Gibraltar! Gerade Großbritannien hat teine Veranlassung, derartige Angelegenheiten leicht zu nehmen, und sollte sich hüten, einer befreundeten Großmacht von so friedfertigem Charakter wie das Deutsche Reich einen solchen Stachel ins Fleisch zu drücken.

Der Verlauf des füdafrikanischen Krieges hat zur Genüge gelehrt, daß das

britische Weltreich außer stande ist, einen Krieg über See gegen einen ebenbürtigen Gegner durchzuführen. Troß der vier Milliarden, die es sich das Reich hat tosten lassen, hätte selbst der Krieg gegen die an Zahl geringfügigen, disziplinlosen und fast führerlosen Burenscharen unglücklich enden müssen, wenn nur ein militärisch geschulter Kopf auf der Seite der Buren vorhanden gewesen wäre. Hätten diese die Zeit der Kämpfe in Natal und im Oranje-Freistaat benußt, um inzwischen Pretoria, das ja permanente Forts besaß, zum festen Plaz_auszugestalten und genügend zu versorgen, so wäre die britische Offensive hier gründlich festgelegt worden. Dann hätte der seitens der Buren planlos geführte Guerillakrieg ein Ziel gehabt, indem durch Bahnzerstörung und Abschneiden aller Verbindungen den Briten eine Belagerung unmöglich gemacht und die englische Armee voraussichtlich zum Abzuge genötigt wurde.

Das neue Lissaboner Abkommen ist ebensowenig wie das von 1898 öffentlich bekannt geworden; nur englische Zeitungen haben davon gesprochen. Die deutsche Diplomatie hat es bislang anscheinend ignoriert. Die Tatsachen werden auf Dauer nicht zu verbergen sein. Die natürliche Entwicklung des deutschen Volkes aber ist durch diplomatische Kleinkunst nicht aufzuhalten. Wir gehen durch die Weltgeschichte: „ein langes, breites Volksgewicht, der erste wußte vom leßten nicht“. Aufs dringendste zu wünschen bleibt ein Zusammengehen mit Großbritannien wie in Europa, so über See, auch in Afrika. Wollen aber unsre Vettern uns den Weg sperren, so werden 60 Millionen ganz von selbst die ihrer Ausdehnung entgegenstehenden Hindernisse fortzuräumen verstehen. Gerade für Afrika gilt das Motto unsers Wißmann:

„Viam inveniam aut faciam."

Die Aerzte Molières.

Bon

Professor Frank Fund-Brentano (Paris).

ine Reihe historischer Veröffentlichungen aus den Federn der kompetentesten Schriftsteller hat eine erhebliche Modifikation der Vorstellungen bewirkt, die man sich von der Medizin und den Aerzten zur Zeit Ludwigs XIV., den Desfonandrès, den Purgon und Diafoirus, die Molière so kräftig geißelte, bisher allgemein gemacht hat. 1)

1) Maurice Kaynaud, „Les Médecins au temps de Molière"; Dr. René Fauvelle, „Les étudiants en Médecine de Paris sous le grand Roi“; Dr. P.-E. Le Maguet, „Le Monde médical parisien sous le grand Roi"; Gustave Larroumet, „Molière, l'Homme et le Comédien"; Alfred Franklin, (in seiner Sammlung, „La Vie privée d'autrefois,") Les Médicaments, les Médecins, les Chirurgiens".

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