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Dazu kommt die große Vervollkommnung, die bei den Kriegsinstrumenten stattgefunden hat. Es ist ganz richtig, daß die wichtigsten Hilfsmittel der Kriegsführung entweder in Amerika oder in Europa entwickelt worden sind, unter den Völkern, die als die zivilisierten und christlichen bekannt sind. Der jüngste Krieg in Südafrika ist sehr belehrend gewesen. Hier hatten wir eine sehr kleine, aber sehr tapfere Nation, die nach unsrer englischen Anschauungsweise dadurch zu einem falschen Schritte verleitet wurde, daß sie den Kampf gegen eine entseßliche Ueberzahl aufnahm. Die Engländer gehören gewiß zu den besten und tapfersten Soldaten, die die Welt je kennen gelernt hat. Und dennoch konnte die kleine Streitmacht der Buren nur mit den größten Schwierigkeiten überwunden werden. Wären beide Streitteile mit altmodischen Steinschloßflinten bewaffnet gewesen, hätten sie schwarzes Pulver und runde Kugeln gehabt, und hätte der Abstand der Gefechtslinien nur wenige hundert Yards betragen, dann hätten die Buren dem Angriff der Engländer nicht auch nur eine Stunde standhalten können; sie wären rasch und leicht besiegt worden. Aber die Erfindung des rauchlosen Pulvers, der weittragenden Gewehre, der automatischen Maschinenkanonen, der Pompomgeschosse u. s. w. ermöglichte es den Buren, sich so versteckt zu halten, daß sie den Angreifenden vollständig unsichtbar blieben, und sie in großer Anzahl niederzuschießen, ohne daß ihre eigne Position auch nur entdeckt worden wäre. Es ist das wieder ein Fortschritt in der Kriegsführung. Es gibt viele andre Nationen, die ebenso tapfer und geschickt wie die Buren sind, und in Zukunft wird es ebenso schwierig werden, andre Länder anzugreifen, wie das der Buren. Ich glaube daher, daß der erfolgreiche Angriff auf Länder wie Frankreich, Desterreich, Deutschland, England und die Vereinigten Staaten gänzlich unmöglich gemacht worden ist. Glaubt irgend jemand auch nur für einen Augenblick, daß, wenn die ganze Welt an einem und demselben Tage den Vereinigten Staaten den Krieg erklärte, alles aufböte und jedes Schiff auslaufen ließe, das einen Schornstein und eine Kanone tragen könnte, es ihr gelingen oder sie auch nur die geringste Aussicht haben würde, den Widerstand jener großen Nation zu überwinden? Wollte man das, was jüngsthin in Südafrika vorgegangen ist, einem genauen Studium unterwerfen, dann würde man wohl zu der Ansicht kommen, daß die Völker nicht mehr so bereitwillig zu einem Krieg schreiten werden, wie sie es früher getan haben. Sie werden davor nicht aus irgend einem ethischen Grunde zurückschrecken, sondern einfach wegen der großen Schwierigkeit, in ein feindliches Land einzudringen. In früherer Zeit, als noch glatte Läufe und schwarzes Pulver üblich waren, ging die allgemeine Ansicht dahin, daß, unter sonst gleichen Verhältnissen, zwei bis drei Angreifer erforderlich seien, um den Widerstand eines Angegriffenen zu überwinden. In dem südafrikanischen Kriege aber waren die Angreifer ungefähr zehnmal so stark wie die Angegriffenen. Soweit die Verbesserung der Feuerwaffen in Betracht kommt, glaube ich, hat die moderne Zivilisation in sehr erheblichem Grade dazu beigetragen, die Wahrscheinlichkeit des Kriegs zu vermindern.

In vielen Dingen läßt sich auf die Zukunft aus der Vergangenheit

schließen. Die Kriege der unmittelbar bevorstehenden Zeit werden von ganz andrer Art als die der Vergangenheit sein. Anstatt daß große Nationen gegen andre große Nationen kämpfen, werden die Kriege der nächsten Zukunft Bürgerkriege sein. Im gegenwärtigen Augenblicke sind alle Nationen des Abendlandes vom Sozialismus und ähnlichen Erscheinungen heimgesucht. Ein Beispiel wird genügen. Es hat sich ein amerikanisches Syndikat gebildet, um eine elektrische Eisenbahn zwischen zwei wichtigen Punkten zu bauen, zwischen denen, wie man glaubt, der Verkehr sehr stark sein wird. Um aber vom Staate die Konzession zu erhalten, ist es erforderlich, daß man die Verpflichtung eingeht, die Passagiere zwischen den beiden Punkten zu dem geringen Preise von fünf Cents zu befördern. Nachdem die Ingenieure und Finanzleute den Gegenstand sorgfältig erwogen, und nachdem sie berechnet haben, wie viel der Bau der Bahn, wie viel die Einrichtung und wie viel nach Fertigstellung der Linie der Betrieb kosten wird, finden sie, daß sie in der Lage sein werden, Passagiere zu dem ausbedungenen Preise zu befördern und noch genug zu verdienen, um die Bahn in gutem Zustande zu erhalten und eine Dividende von zehn Prozent zu zahlen. Infolgedessen wird die Bahn gebaut. Um aber Passagiere zu dem äußerst geringen Preise zu befördern, den der Konzessionsvertrag auferlegt hat, ist es nötig, nach allen Richtungen hin zu sparen. Man findet eine genügende Wasserkraft, die die Elektrizität liefert, und als die Bahn fertig ist, stellt sich heraus, daß man, sagen wir, 200 Mann beschäftigen kann, von denen die meisten ohne Berufsausbildung, das heißt, ungelernte Arbeiter sind. Die Löhne, die angeboten werden, sind, wenn auch nicht hoch, immerhin doch gut genug, um sehr verlockend auf die große Anzahl von Leuten zu wirken, die ohne feste Beschäftigung find, und alsbald haben die Unternehmer die Namen von 2000 Bewerbern auf ihren Meldelisten, allein sie können nur 200 beschäftigen. Sie treffen eine sorgfältige Auswahl, und die Bahn kommt in Betrieb. Durch große Sparsamkeit gelingt es, einen großen Betrag für Verbesserungen abzuschreiben und, wie es in Aussicht genommen war, eine Dividende von zehn Prozent zu zahlen. Das läßt die Aktien sehr hoch über Pari steigen. Nach Ablauf eines Jahres etwa erscheint der gewerbsmäßige Agitator. Die Angestellten organisieren sich zu einer Vereinigung. Sie verlangen kürzere Arbeitszeit und höhern Lohn. Vielleicht sind die Aussichten sehr schlecht, ihr Verlangen wird ihnen bewilligt; und die Dividende der Bahn sinkt auf acht Prozent herab mit einem entsprechenden Fallen der Aktien. Wiederum vergeht ein Jahr, währenddessen der gewerbsmäßige Agitator seine Tätigkeit fortseßt, und es werden Forderungen gestellt, die den gesamten Nußen der Bahn verschlingen würden, so daß nichts für die Aktienbefizer übrig bliebe. Nun könnten diese sagen gut, wir haben die Namen von 2000 Bewerbern auf unsern Listen, brauchen aber nur 200; wenn diese Leute, denen es so sehr um einen Lohn zu tun war, den sie anfänglich für recht gut hielten, jezt unzufrieden sind, so laßt sie laufen. Hunderte von andern sind gerne bereit, an ihre Stelle zu treten. Es ist eine Tatsache, daß die Stellungen an unsrer Bahn als recht gut betrachtet werden und sehr gesucht

sind. Aber nein, der gewerbsmäßige Agitator organisiert seine Leute, und sie bewaffnen sich mit Knütteln und Pistolen und halten andre davon ab, an ihre Arbeit zu gehen, und bei einem Versuche, die Wagen abgehen zu lassen, wird Eigentum verbrannt und zerstört, und die Angestellten der Bahn werden kaltblütig ermordet. Das ist genau das, was sich jüngsthin in Connecticut ereignet hat. Aehnliche Fälle kommen im gegenwärtigen Augenblick an vielen andern Orten in den Vereinigten Staaten vor, nicht allein bei den Eisenbahnen, sondern in einer großen Anzahl andrer Industrien, und die Lage ist derart, daß die Beamten nicht einzuschreiten wagen. Die Beamten erhalten ihre Stellen durch das allgemeine Stimmrecht der Bevölkerung. Man sieht demnach, die Arbeiter an der Bahn, die niemals auch nur einen Cent in dem Unternehmen angelegt und alles Geld, das sie verdient haben, ausgegeben haben, beanspruchen ein Eigentumsrecht an der Bahn und suchen es tatsächlich zu erreichen. Sie verlangen, daß die Vahn nicht in Betrieb trete, wenn sie nicht beträchtlich höher bezahlt werden, als es nach dem stehenden Preise der Arbeit der Fall sein würde. Es scheint keine Grenze für die Schädigung zu geben, der durch dieses System eines angemaßten Miteigentumsrechtes die Bahnen, Bergwerke, Mühlen u. s. w. ausgesezt sind. Der Bürgerkrieg ist daher bereits in ansehnlichem Umfange vorhanden, doch möchte es mir scheinen, als sei das erst der Anfang. Es ist schwer zu begreifen, wie eine volkstümliche Regierung, die nach Art der englischen und amerikanischen Systeme eingerichtet ist und geleitet wird, mit dieser Sorte von Sozialismus etwas zu tun haben kann. Die Frage liegt in den Vereinigten Staaten ernster als in England, weil in England das Wahlrecht bis zu einem gewissen Grade beschränkt ist, wogegen in dem größten Teile der Vereinigten Staaten jedes männliche Individuum über 21 Jahre stimmberechtigt ist und es vielen aus den ärmeren Klassen durch unehrliche Praktiken gelingt, an einem und demselben Wahltage mehrmals abzustimmen. An manchen Orten kann niemand zu einer Anstellung gelangen, der nicht selbst eine Art von Wegelagerer ist. Es liegt daher auf der Hand, daß die besondere Art der Zivilisation, die den Vereinigten Staaten und England denselben Grad von Frieden, Wohlbehagen und Wohlstand verleihen soll, der in China bis zur Zeit des Einbruchs der Opiumhändler und Missionare vorhanden war, noch in weiter Ferne steht; ich glaube sogar, sie ist noch so weit entfernt, daß selbst mit den stärksten Teleskopen, die unsre Politiker bis zu dem heutigen Tage konstruiert haben, nicht die leiseste Spur von ihr zu gewahren ist.

Deutschland und England in Afrika.

Bon

E. v. Liebert.

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egenüber den Hezartikeln der englischen Jingopresse gegen das industriell und kolonial emporstrebende Deutschland wirkt eine vortreffliche Arbeit des großen Afrikaners Sir Harry Johnston, 1) die kürzlich in deutscher Ueberseßung erschienen ist, höchst wohltuend. Der Verfasser, der in Sansibar, in Zentralafrika, in Tunis und gegenwärtig in Uganda für das britische Weltreich gewirkt hat, widmet sein Buch vier Afrikanern, darunter Hermann v. Wißmann, „der das deutsche Ostafrika gegründet und mehr als irgend ein andrer lebender Deutscher dafür getan hat, das Prestige der großen deutschen Nation in den dunkelsten Gegenden des dunkeln Erdteils zu begründen und aufrecht zu erhalten“. Mit merkwürdigem Freimut und für einen Engländer ganz seltener Objektivität schildert Sir Johnston das Auftreten und politische Festseßen der Deutschen in Afrika von 1884 bis heute. Was das von seinem Standpunkte aus sagen will, kann man sich nur flar machen, wenn man die Geschichte der deutschen Erwerbungen in Afrika sich vergegenwärtigt.

England war im Besig von Südafrika von der Oranjemündung bis zum Tongalande, der Nigermündung, der Goldküste, Sierra Leone, des Gambiadistrikts, und hatte die Schußherrschaft über Aegypten angetreten; es hatte nur die französische Republik als Mitbewerber in Afrika zu fürchten, bei der Kongokonferenz hatte Deutschland in unheimlich uneigennüßiger Weise jeden Landerwerb von sich gewiesen. In der S. Lucia-Bai wurde die deutsche Flagge, die von Privaten gehißt worden, auf Befehl des Fürsten Bismarck wieder eingezogen, Verhandlungen über den faktischen Besiß des Damara- und Hererolandes, dessentwegen von der deutschen Reichsregierung schüchtern angefragt war, schwebten zwischen London, Kapstadt und Berlin. Da endlich ließ sich im Frühjahr 1884 der Reichskanzler durch Herren v. Kusserow, Hansemann u. a. zum aktiven Auftreten über See bestimmen, und es erfolgte das Flaggenhissen in Angrapequena, Kamerun, Togo, die Peterssche Expedition in das Hinterland der Sansibarküste und weitere Besizergreifungen in Wituland und an der Somaliküste (Hohenzollernhafen).

Daß John Bull dem bislang verachteten kontinentalen Vetter ob dieser Tätigkeit nicht gerade ein freundliches Gesicht zeigte, darf wahrlich nicht wundernehmen. Ueberall gab es Schwierigkeiten und Reibungen, und es bedurfte des forrekten Auftretens und der ganzen diplomatischen Geschicklichkeit des Systems

1) Sir Harry H. Johnston, Geschichte der Kolonisation Afrikas durch fremde Rassen. Aus dem Englischen übersezt von M. v. Halfern, Kapitän 3. S. Heidelberg 1903.

Bismarck, um das Gewollte durchzuführen und einen Konflikt mit England zu vermeiden. Ein überaus glücklicher Griff war die Benußung des Sklavenhandels und des Araberaufstandes an der Sansibarküste, um zur gemeinsamen Abwehr dieser Uebel ein politisches Uebereinkommen mit der Londoner Regierung zu schließen. Während die beiderseitigen Kriegsschiffe den ihnen zugewiesenen Küstenabschnitt überwachten, wurde in London und in Berlin über eine reinliche Scheidung der Interessensphären verhandelt. Diese Verhandlungen hätten trog der von beiden Seiten lebhaft verteidigten Ansprüche sicher zu einem allseits befriedigenden Abschluß geführt, wenn nicht in die Verhandlungen die Entlassung des Fürsten Bismarck gefallen wäre, und unter dem neuen Kanzler das Interesse an dem Besitz in Afrika erheblich nachgelassen hätte.

So kam der berüchtigte Sansibar-Vertrag vom 1. Juli 1890 zu stande. Infandum, regina, jubes renovare dolorem! Raum einer der nächstbeteiligten Afrikaner wird an jene Tage zurückdenken, ohne daß ihn tiefe Wehmut beschleicht. Ich war im März und April jenes Jahres bei der Wißmann-Truppe in Sansibar und an der Mrima (Küste) gewesen und hatte das letzte Gefecht gegen die Araber mitgemacht. Eine überaus freudige, des Erfolges frohe Stimmung herrschte da draußen im deutschen Lager. Der Araberaufstand war niedergeworfen, Dr. Peters hatte durch Boten nach Bagamoyo melden lassen, er habe mit Muanga, dem jungen Könige Ugandas, einen Vertrag abgeschlossen, wonach dieser sich unter deutschen Schuß stelle, endlich hatte der damals hochgefeierte Emin Pascha die britischen Anerbietungen zurückgewiesen und erklärt, er sei stolz darauf, unter deutscher Flagge in Ostafrika zu dienen. Dazu der Siz des deutschen Reichskommissariats in Sansibar, und die weitaus bedeutendsten Sansibar - Handelsfirmen Hansing, Oswald, Meyer u. s. w. in deutschen Händen. Mit diesem Hochgefühl kehrte ich im Mai nach Berlin zurück, wurde aber schon beim Empfang durch den neuen Reichskanzler gründlich ernüchtert und erlebte — den Abschluß des Sansibar-Vertrags.

Wißmann traf, auf Urlaub zurückkehrend, Anfang Juli in Berlin ein, er hatte beim Landen in Brindisi in einer englischen Zeitung den Vertrag gelesen, er glaubte an eine Mystifikation und stürzte um sechs Uhr früh in meine Wohnung mit der Frage, ob der Vertrag wirklich abgeschlossen sei. Es bedurfte geraumer Zeit, um ihn zu beruhigen.

Wie bekannt, wurde damals die Grenze der britischen und deutschen Interessensphäre durch eine Linie von der Umbamündung bis zum Viktoria - Nyanza und sodann auf dem 1. Grad südlicher Breite durch den See bis zur Grenze des Kongostaats gezogen. Damit verlor Deutschland Somaliland, Witu, Uganda, im Süden das Bangweologebiet und das Land westlich des Nyassasees; endlich leistete es Verzicht auf Sansibar. In Bezug auf lettere Insel gehöre ich nicht zu denen, die dem Grafen Caprivi daraus einen Vorwurf machen, daß er Sansibar an England „abgetreten" habe. Dies war einfach unmöglich, denn Deutschland hatte keinen Rechtsanspruch an die Insel. Wohl aber hätte die deutsche Diplomatie die Erklärung des britischen Protektorats verhindern können und verhindern

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