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Schauspieler gelobt hätte. Garrick sah mit stolzer Verachtung auf die Schauspieler, besonders auf die tragischen herab, die vor ihm gelebt hatten."

Dieses Zugeständnis, das von seiten Davies' schwer ins Gewicht fällt, läßt uns erkennen, wie Garrick seine Stellung wahrzunehmen, seine Fähigkeiten in das glänzendste Licht zu sehen wußte. Er spielte (nach dem französischen Buch: Vie de Garrick) nach einer tragischen Rolle gern eine Farce, um seine Verwandlungsfähigkeit aufs grellste in Erscheinung treten zu lassen. Darum wurde auch wohl manches Stück Shakespeares so ungeheuerlich beschnitten. Große Schauspieler duldete er nicht um sich, Barry und Mossop verließen seine Bühne; er stellte, wie wir oben lesen, unbedeutende Geschöpfe neben sich. Rechnen wir noch dazu: seinen Einfluß als Theaterleiter, als Grandseigneur, der die Größen Londons an seiner Tafel empfing, so läßt sich begreifen, daß sein Haupt von einer Glorie umstrahlt war, die sein Verdienst über jedes andre hinaushob und ihn in den Augen des Publikums zum Heros machte.

Noch ein Argument sei ins Treffen geführt: die zahlreichen Abbildungen Garricks. Dem darstellenden Künstler, der diese Blätter zur Hand nimmt, sagen sie mehr als jedem andern. Ihm wird die Figur, die er vor seinen Augen erblickt, nach und nach lebendig, die Miene fängt an sich zu beleben, die Glieder bewegen sich, das Auge blitt auf, der Mund beginnt zu reden. Und merkwürdig! Den Verfasser, der als eifriger Sammler fast alle Stiche Garricks vor sich liegen hat und es ist eine große Anzahl von Bildwerken vorhanden – spricht von den tragischen Figuren nur das eine von Hogarth gezeichnete Blatt an: Richard III. Das macht einen starken Eindruck. Hamlet schon weniger, obgleich die Gravüre von dem berühmten Maler Wilson stammt. (Bei der Gelegenheit sei bemerkt, daß jenes große Hamletbild in der Tiefurter Galerie bei Weimar irrtümlich als Garrick-Bildnis bezeichnet wird, es ist die Abbildung Brockmanns, wie aus Vergleichung der Porträts beider Künstler unzweifelhaft hervorgeht.) Vom LearBildnis war schon die Rede; die Augen, die bei Ludwig Devrient tief in die Seele blicken lassen, bleiben bei Garrick stumm; Romeo, auf einem Bild in sogenannter Schabkunst, macht, ebenso wie in mehreren kleinen Stichen, einen fast lächerlichen Eindruck. Macbeth, im Kostüm der Zeit, entspricht in keinem Zug der vorzustellenden Gestalt.

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Wie anders die komischen Rollen! Da ist nichts Gezwungenes! Da sind alle Abbildungen, ob sie nun feinkomische oder niedrig possenhafte Figuren darstellen, von verblüffender Wahrheit. Sein hochberühmter Abel Drugger in Ben Johnsons Alchymist", kommt in Haltung und Gesichtsausdruck einer Figur von Teniers gleich; ebenso Nitely in „Ein Jeder in seiner Laune", und vor allem der verlumpte Sir John Brute in der „Gereizten Ehefrau“. Das gleiche gilt von einer ganzen Reihe von Genrefiguren, die alle förmlich heraus aus dem Rahmen treten, Farbe, Form und Gestalt gewinnen und in der Mannigfaltigkeit des Gesichtsausdrucks ein sprechendes Zeugnis der mimischen Wandlungsfähigkeit unsers Helden ablegen. Um die beredten Mundwinkel zuckt es förmlich, aus den Augen blißt ein Fluidum, und alle guten Geister des Humors, die Sprühteufel

Sarkasmus und Schelmerei geben sich in diesen beweglichen Mienen ein Stelldichein.

Auch in dem Gemälde von Josua Reynolds find Garricks Züge weich und behaglich und lassen keinen Tragöden vermuten. So seien denn nochmals alle Eigenheiten zusammengefaßt, um das Charakterbild David Garricks zur vollen Abrundung zu bringen.

Als Dichter war er wißig, aber unbedeutend; als Bearbeiter geschickt, wenn auch nicht immer pietätvoll, das mag übrigens mit dem Zeitgeschmack entschuldigt werden. Als Theaterleiter stellen ihn seine Erfolge als einen sieghaften Führer hin; als Mensch hat er seinen Stand mächtig emporgehoben, und wenn auch der Neid seine glänzenden Eigenschaften an dieser Stelle verdunkelte, so war eine wohltätige Hand für seine Kollegen jederzeit offen, und auch an der Gründung einer Unterstüßungskasse hat er sich lebhaft beteiligt.

Wie weit er Schule gemacht hat, läßt sich schwer beurteilen, doch war seine eigensüchtige Art nicht danach angetan, Talente zu protegieren; obzwar Davies mitteilt, die Vertreter seiner Rollen, Schüler von ihm, hätten in seiner Abwesenheit mit Erfolg seine Stelle eingenommen, ist der französische Biograph andrer Meinung. Garrick wird, wie jeder große Schauspieler, seine Nachahmer gefunden haben, die in seiner Art fortwirkten; und wenn auch die bloßen Kopisten die Kunst nicht fördern, so doch jene Talente, die das große Muster in selbständiger Entwicklung weiterführen.

So war durch die Ueberlieferung noch in der Spielweise Edm. Keans anfänglich der Einfluß Garricks zu spüren, doch ging dieser, als ausgesprochener Tragiker und als ein dämonisches Naturell, bald andre Wege.

Fassen wir alle Wahrnehmungen und Berichte in eins zusammen, schmelzen sie im Feuer kritischer Beurteilung, so dürfte sich folgendes Resultat ergeben: Ohne Garrick den Ruhmeskranz von der Stirne reißen zu wollen, war seine Persönlichkeit, seine Klugheit, seine in der großen Welt errungene Position das Fundament, auf dem sich seine künstlerische Stellung so übermächtig aufbaute. Wie wir gesehen haben, vermochten einzelne Talente mit ihm zu konkurrieren, namentlich in tragischen Rollen, und wir glauben die Kunst und Art Garricks richtig einzuschäßen, wenn wir ihn für einen großen, verwandlungsfähigen Schauspieler halten, dessen Stärke aber nicht in der Tragödie wurzelte, sondern in der Komödie, und der in der Gestaltung von Genrefiguren sein bestes gab. Er gleicht darin Iffland, der auch im Genre groß, und als allmächtiger „Generaldirektor“ in Berlin, troß Fleck, Wallenstein und Egmont und Tell spielte, und von der ihm ergebenen Kritik in diesen Rollen in den Himmel gehoben wurde. Die meisten Schauspieler suchen ihre Kraft anderswo, als dort, wo ihr Schwerpunkt liegt. Garrick war für eine solche Verkennung zu flug. Er hat auch seinen Abschied von der Bühne in einer Lustspielrolle genommen. 1) Allein er

1) Garrid endete seine dramatische Laufbahn mit Felix, einer seiner Lieblingsrollen in dem Lustspiele: „O, des Wunders, ein Frauenzimmer kann ein Geheimnis bewahren.“ Davies, „Leben“, Bd. 2 S. 323.

wußte, daß dem tragischen Schauspieler, ebenso wie dem tragischen Dichter, der erste Preis gebührt, und er strebte emsig danach, daß Mit- und Nachwelt ihm diesen unverweltlichen Kranz auf das Haupt drücke. Pairs haben den Zipfel seines Bahrtuches getragen, in der Westminsterabtei wurde er an der Seite Shakespeares beigeseßt, und seine Gattin, wohl der vertrauteste Zeuge seiner Herzenswünsche, ließ ihm das Buch des „Hamlet" in das Grab werfen; sie meinte, es sollte das des „Lear“ sein.

Wir aber halten uns an einen zeitgenössischen Stich, von Amon mit KünstlerHand gezeichnet. Da befindet sich Garrick zwischen der tragischen und komischen Muse; die eine trägt die Züge von Mrs. Abington, die andre von Mrs. Yates, beides Mitglieder des Drurylane-Theaters. Die tragische Muse erhebt drohend den Zeigefinger und hält Garrick an der linken Hand; aber die komische Muse hat fest seinen rechten Arm umfaßt, und zieht ihn gewaltsam zu sich hinüber; die Bewegung ist zwar in Schwebe, doch der Ausgang ist nicht zweifelhaft, der bereits angetretene Schritt bürgt dafür. Das strahlende Antliß der komischen Muse leuchtet so siegesgewiß, halb zog sie ihn, halb sank er hin“, – und Garrids Mienen, die ausgestreckten beredten Hände, die gehobenen Schultern, die Bedauern ausdrücken, — sie sagen ganz deutlich zur betrübt dreinschauenden tragischen Muse: Ich mag wollen oder nicht, aber sie, die komische, hat das größere Anrecht auf mich; dabei leuchten seine Augen so verschmitt wie auf den Bildern in seinen komischen Rollen, und den Mund umspielt ein heiteres Lächeln. Garrick war einer von den Vätern der Schauspielkunst, der erste bahnbrechende Realist, aber auch der wahrscheinliche Ahnherr von manchen ihrer Untugenden. Er gab sich für einen begeisterten Verehrer Shakespeares aus und beschnitt seine Stücke, um hinter der Tragödie aus Eigennuß die Posse folgen zu lassen; er spielte nicht in Cäsar, weil er die klassische Tracht nicht liebte; er seßte sofort den König Johann ab, da ein Rivale besser gefiel; er schrieb Kritiken und beeinflußte sie. Er war als Direktor der mächtige Herr, der keine Nebenbuhlerschaft duldete, und warb die angesehensten Zeitgenossen als Förderer seines Ruhms. Vor ihm und mit ihm lebten zeitgenössische Künstler, die ihm gleich, in mancher Hinsicht über ihn gestellt worden sind, und doch ist ihr Name_vergessen; auch mancher längst verstorbene deutsche Schauspieler hätte vielleicht den Ruhm Garricks verdient. Troß alledem ist, wie auf dem Gebiet der Welt- und Völlergeschichte, auch hier der geschichts- und mythenliebenden Kraft nicht entgegenzusteuern.

Warum aber die geschichts- und mythenbildende Kraft dieses Namens sich bemächtigt hat, fällt wohl in seinen leßten Ursachen mit der künstlerischen Wiedergeburt Shakespeares zusammen. Obschon es vor Garrick bereits Schauspieler gab, die, wie wir gesehen haben, dem Genius des großen Dichters gerecht geworden find, war doch den unmittelbaren Vorläufern Garricks jede Natürlichkeit abhanden gekommen. Garrid ist es gewesen, der Wahrheit und Natur wieder in ihre Rechte sezte. Mit der Darstellung des dritten Richard, des Hamlet und Lear hat er fraglos das Interesse für den Genius Shakespeares aufs neue belebt. Durch Diderot,

Lichtenberg und andre wurde der zündende Funke nach Deutschland herüber geweht, und ohne darüber den bündigen Nachweis führen zu können, sind sicherlich Lessing und Schröder davon beeinflußt worden. Schröder seinerseits mag die naturwahre Spielweise auch zum Teil solchen Anregungen zu verdanken gehabt haben. Es sind bei Garrick Zeit und Umstände so günstig zusammengefallen, daß sie seinem Einfluß eine dauernde, sich immer erneuernde Wirkung verschafften, daß wir in ihm einen jener führenden Geister verehren, dem wir die Wiedergewinnung unsers größten dramatischen Dichters mit verdanken, und in seiner, Garricks, Wirksamkeit überhaupt den Grundstein erblicken, auf dem sich die Schauspielkunst unsrer Tage aufgebaut und entwickelt hat. Ursachen, die teils offen,

teils im Verborgenen wirken, haben auf dem Gebiet der Schauspielkunst einen Namen geschaffen, der aus fernen Tagen leuchtend zu uns herüberstrahlt und, solang man diese Kunst ausübt, seine Kraft und seinen Zauber nicht einbüßen wird, einen Namen, mit dem man den Höhepunkt der Bühnenkunst zu bezeichnen pflegt, der, mit Recht oder Unrecht, sprichwörtlich geworden ist, und da, wo man schauspielerisches Genie in ein Wort fassen will, in Anwendung kommt: der Name David Garrid!"

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Die Entstehung und hygienische Behandlung von Bleichsucht und Blutarmut.

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Bon

Prof. Dr. O. Rosenbach in Berlin.

ein Krankheitszustand ist nach Ansicht der Laien leichter zu erkennen und zu behandeln als die Bleichsucht, Blutarmut oder Blutleere; denn die Blässe der Haut wird für ein untrügliches Merkmal des Blutmangels gehalten, und auf die Klage, daß irgend ein Familienmitglied an Blutleere leidet, folgt ausnahmslos die Frage: Sollen wir nicht Eisen nehmen lassen?

Wo alles so selbstverständlich ist, könnte eine genaue Erörterung eigentlich überflüssig erscheinen; denn, so folgern die Laien, Blutmangel ist die Ursache der Blässe der Haut und der verschiedenen Beschwerden, über die Bleichsüchtige flagen, Mangel an Eisen im Körper hat die Blutmenge und Beschaffenheit verschlechtert, folglich beseitigt die Zufuhr von Eisen zuverlässig alle Störungen. Und doch ist leicht zu beweisen, daß diese laienhaften Schlüsse oberflächlich sind, und daß das Eisen kein unfehlbares Heilmittel ist. Wie würde ein erfahrener Gärtner den Glauben verspotten, daß man dem Bleichwerden oder Vergilben

der Blätter nur durch Anreicherung des Bodens an Eisen gründlich abhelfen könne! Jeder erfahrene Pflanzenfreund weiß doch, daß eine übergroße Reihe schädlicher Einwirkungen hier in Betracht kommt, z. B. Mangel oder Uebermaß an Beleuchtung, zu viel oder zu wenig Wärme oder Feuchtigkeit, verschiedene Beschaffenheit der Bodenkrume, in der allerdings auch Eisen nicht fehlen darf, und endlich Parasiten, die auf der Pflanze oder im Boden ihren Siß haben

können.

Daß dem Eisen allein keine solche Heilkraft innewohnt, das beweist schon die täglich anschwellende Menge von angeblich ganz besonders verdaulichen und darum heilkräftigen Eisen- und Blutpräparaten und vor allem die Tatsache, daß bei erfolgreichen Kuren neben der Eisenmedizin auch noch wichtige hygienische Verordnungen gegeben werden müssen. Die tägliche Erfahrung und die eingehende Prüfung aller Verhältnisse lehrt jeden, der sehen will, daß gerade auf dem Gebiete der Bluterkrankungen nur nach eingehender ärztlicher Prüfung die dem Einzelfalle angepaßte wirksame Behandlung bestimmt werden kann; denn es handelt sich nicht bloß darum, einem Leiden nach einem äußerlichen Merkmal einen Namen zu geben, sondern es ist vor allem schon im Interesse der Vorbeugung notwendig, die wirkliche Ursache, den Fehler in den Lebensbedingungen aufzufinden, der die krankhafte Störung verursacht. Als Beispiel dafür, daß das gleiche Krankheitsbild die mannigfaltigsten Ursachen haben kann und demnach auf verschiedenen Wegen behandelt werden muß, haben wir das Verbleichen der Blätter nicht bloß deshalb gewählt, weil diese Farbenveränderung eine sehr bedeutsame äußere Aehnlichkeit mit der hat, die der Bleichsucht ihren populären Namen gibt, sondern auch, weil beide krankhaften Vorgänge soweit Menschen und Pflanzen vergleichbar sind dem Wesen nach als gleichartig bezeichnet werden können. Das Blattgrün (Chlorophyll) gibt den Blättern die Farbe, wie der rote Farbstoff (Hämoglobin) dem Blute.

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Das Blut besteht nicht bloß aus einer sehr eiweißreichen Flüssigkeit, in der die mannigfachsten, zum Aufbau des Körpers nötigen Salze und andre Stoffe gelöst sind, sondern es enthält außerordentlich zahlreiche bewegliche Kügelchen oder Zellen von verschiedenster Form und Größe, deren Hauptvertreter nach ihrer Farbe als rote und weiße Blutkörperchen bezeichnet werden. Die roten, die bei weitem zahlreicher als die weißen sind, enthalten den roten Blutfarbstoff, der dem Blute und damit dem lebenden Gewebe die charakteristische Farbe verleiht. Durch ihn fesseln die roten Blutzellen den durch die Luftwege zugeführten Sauerstoff an sich. Je vollkommener das geschieht, desto ausgeprägter ist die Rotfärbung und die Fähigkeit der Blutkörperchen, den gesamten Stoffwechsel und die Kraftbildung im Gewebe zu unterhalten. Mit Recht hält man daher blühende Farbe der Haut für ein Zeichen der Gesundheit. Da aber die Färbung der Haut nicht bloß von der Menge und kräftigen Färbung dieser Körperchen, sondern auch von der Weite und Zahl der die Haut durchziehenden Blutgefäße und von der Durchsichtigkeit und Zartheit der Hautschichten abhängt, so ist es klar, daß die Verringerung der Hautfärbung: 1. von der Verminderung

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