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unzureichende Depesche aus Hohenmanth.*)

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Anfänglich hatte man nicht den Muth, dem Volf die volle Wahrheit kund zu thun. Als die Hiobspost sich endlich Bahn brach, trat sie in noch schwärzeren Farben auf, als ihr schon an sich gebührten. Unsere Nordarmee existirt nicht mehr!" so meldeten die österreichischen Zeitungen vom 4. und 5. Juli.**) Schrecken und Verzweiflung erfüllten die sonst so lustige Donaustadt. Aber nicht auf lange Zeit. Der unverwüstliche wicnerische Leichtsinn brach bald genug wieder durch, und jener eigenthümliche Zug des österreichischen Wesens: sich in frivolster Weise selbst zu täuschen, trat bald genug wieder in allen öffentlichen Aenßerungen hervor. Schon drei Tage nach der Schlacht brachte der Kamerad" eine Kritik des Feldzugs, in welcher die Hauptschuld des unglücklichen Ausgangs - den Bayern zugeschoben wurde. Den vornehmsten Trost aber fanden die militärischen Kreise seltsamer Weise in der Betrachtung, daß sich unter den Preußen doch kein außerordentliches Genie hervorgethan habe. Es entging ihnen ganz, daß gerade die gleichmäßige Tüchtigkeit der preußischen Heerführer solch Hervorthun hinderte, es entging ihnen, daß es doch das Beschämende ihrer Niederlage erhöhte, wenn sie von untergeordneten Kräften so fürchterlich geschlagen worden. Die Bemerkungen über den Feldzug der k. k. Nordarmee“***) äußern z. V.: „Es erging uns schließlich bei Königgrätz wie 1697 den Türken mit der Theiß im Rücken bei Zenta; sicherlich weit mehr deshalb, weil wir diesmal in Böhmen etwas zu türkisch und fatalistisch operirten, als weil auf Seite der Sieger von Sadowa und Chlum ein Genie ersten Ranges, gleich jenem des unsterblichen Prinzen Engen, gewaltet hätte." Und J. It. sagt gar in seinen Rückblicken: Wir wurden bei Königgrät unter Benedeks Führung geschlagen, aber besiegt wurden wir nicht; die Zukunft wird es lehren. Benedek ist Desterreich kein Wellington und Radetzky gewesen; aber er konnte demselben ein Blücher werden, wenn er statt Hennikstein einen Gneisenau an seiner Seite gehabt hätte. — Blücher verstand es nur in Kompagnie mit dem bewaffneten Europa zu siegen, wie die preußischen Heerführer von 1866 in Gesellschaft von 400,000 Sol= daten des Königs von Italien den Sieg an ihre Fahnen zu heften wußten." - Die lettere Phrase muß man freilich, um sie zu verstehen, aus dem Desterreichischen in's Deutsche übersetzen und dann lautet sie: „Blücher verstand es den großen Soldatenkaiser zu besiegen, sogar trotz der unaufhörlichen Gegenmaßregeln und Ränke seines Kompagnons, des österreichischen „Oberfeldherrn" Schwarzenberg, und die

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*) Vergl. Preußische Jahrbücher Bd. 23. S. 177.

**) H. Blankenburg a. a. D. ***) Streffleur's Zeitschrift. 1867. Mai-Heft.

preußischen Heerführer von 1866 hefteten den Sieg an ihre Fahnen trok der Niederlage ihrer italienischen Verbündeten."

Was aber nach der Schlacht von Königgräß den leichtlebigen Uebermuth der Desterreicher so überaus schnell aufleben ließ, das war namentlich die Fata morgana der französischen Alliance. Denn die österreichische Regierung that unmittelbar nach Königgräß einen politischen Schritt, den sie vor Kurzem nech als „Selbstmord" bezeichnet hatte: sie trat das venetianische Königreich an den Kaiser der Franzosen, mittelbar an das bisher so verachtete, eben geschlagene Italien ab. Freilich, das Resultat dieses würdelosen Schachzugs entsprach durchaus nicht den Hoffnungen der Hofburg; im Augenblick der ersten Ueberraschung aber erschien jene diplomatische Wendung der Welt als eine fürchterliche Drohung, wohl fähig, die Früchte des Kampfes von Königgräß in Frage zu stellen. Sie schreckte Preußen nicht! Wie Heer und Volk ihr gegenüber dachten, das zeigte der Vormarsch auf Wien, zeigte die entschlossenene Haltung der Nation, das zeigt endlich auch ein in jenen Tagen von vielen Zeitungen Norddeutschlands wiedergegebener Hymnus: An den Sieg! 5. Juli 1866.

Sohn des Lichts, du starker Flügelschwinger,
Der göttergleich aus unsrer Mitte stieg,

Du Lorbeerbrecher, Palmenwiederbringer

Sei uns gegrüßt, du königlicher Sieg!

Du schwingst dich auf, und alle Völker schauen
Zu dir empor, geblendet und entzückt,

Du schüttelst deinen Schild, und dumpfes Grauen
Hat jäh zu Boden unsren Feind gedrückt.

Doch tief im Staub sich windend, kriecht er zagend
Zu eines Fremden Füßen; todesblaß
Bringt er ihm Opfer, schamlos Schmach_ertragend,
Weil er nur eins noch athmet: gift'gen Haß.

Du fühlst ihn nicht! In Sonnenhöhen tragen
Dich Ruhmesruf und Jubelsang empor,
Und dieser Flügel sturmgewalt'ges Schlagen
Tönt wie der Gottheit Stimme uns in's Ohr.

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Raphael's eigene Bildnisse.

Beitrag zur Geschichte der modernen Kunstforschung.

Es befindet sich auf der münchner älteren Pinakothek, im legten der großen Säle, ein Portrait von der Hand Raphael's, das in Bezug auf Schönheit und Aechtheit sehr verschieden beurtheilt zu werden pflegt. Ich habe die Ansicht vertheidigen hören, es sei kein Strich daran von Raphael selbst und die dargestellte Persönlichkeit habe nichts irgend anziehendes. Letteres gebe ich durchaus nicht zu; was die Aechtheit anlangt, so stehen auf dem Werke genug Stellen zu Tage, welche, von Uebermalung unberührt, Raphael's eignes Machwerk erkennen lassen. Im Ganzen freilich scheinen die wichtigsten Theile eine Lage fremder Farbe empfangen zu haben und sodann stört der Firniß.

Dies jedoch hindert nicht, die Schönheit und das eigenthümliche Wesen des Gemäldes bis auf einen gewissen Grad unbefangen zu genießen. So ist die Wange, auf welche das volle Licht fällt (da der Kopf stark nach rechts gewandt ist, während die Beleuchtung ziemlich schneidend von der andern Seite herüberfliegt) ein herrlicher unberührter Theil des Antliges. Hier sieht man sanfte, blonde, hinter das Ohr gestrichene Locken tief auf die Schulter, den nackten Hals entlang, niedersinken; wirklich, langsam sich zu entrollen scheinen sie. Vor dem Ohre, nach der Wange zu, dagegen ein leichtbeginnender Ansatz von Backenbart. Den Scheitel bedeckt ein tiefschwarzes Barett. Die mit einem Theile des Nackens vortretende Schulter trägt ein graues faltiges Gewand; auf die Brust, beinahe im Schatten, legt sich die eine Hand, nur zum Theile sichtbar; während zu ihr herab, zugleich als finstrer Hintergrund der auf dieser Seite dunkel sich abschneidenden Wange, volle Haarstreifen niederhängen. Dieses Wangenprofil ist sehr characteristisch. Es zeigt eine stark über dem Auge hervortretende Stirn, einen kräftigen Backenknochen darunter, weicht dann sanft zurück und tritt erst bei dem äußerst zart und energisch zugleich gerundeten Kinne wieder hervor. Diese Linie läßt erkennen, daß der Kopf seiner Knochenstructur nach eine kräftige, nicht hohe, wenngleich freie Stirn besaß, deren Formation für den Gesammtanblick etwas entscheidendes hatte, und die bei magerem Fleische und trockner Haut an die Bildung Michelangelo's etwa erinnert haben würde.

Solche Magerkeit nun aber sehen wir hier nicht. Im Gegentheil, eine zwar nicht lange, aber zart profilirte, mit voller runder Spiße und

ebenso vollen Flügeln gebaute Nase erblicken wir, und weiter, einen, dicht unter ihr bereits mit dem oberen Ansatz der Lippen sich vordrängenden, weichen, üppigen Mund, in so reizenden Linien, und mit so zarten Lichtund Schattentiefen, dazu von einem so herrlichen Kinne unterbaut, daß man glauben möchte, kein Künstler habe etwas herrlicheres je gearbeitet. Dem Schwunge dieser Linien entspricht die, welche vom Ohre zum Kinn laufend die Wange vom Halse scheidet.

Ueber dieses Werk gab der münchner Catalog von 1859 folgende Auskunft: 581. Sanzio (Raffaele di Urbino)."

„Das Bildniß des unsterblichen Raphael in violettem (joll heißen: „grauem) Kleide und mit etwas nach der Seite gerundetem Kopfe und „aufwärts gegen die Brust gehaltener linken Hand. Halbe Figur. Auf Holz 1' 10" hech, 1' 4" 6" breit."

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Die in Vasari's Künstler-Lexicon befindliche Stelle, ed a Bindo „Altoviti fece il ritratto suo grando (soll quando heißen) era giovane“ ,,hat in neuerer Zeit vielfach zu dem Zweifel Veranlassung gegeben, daß „es das Bildniß Raphael's sei; wohl aber wurde unbedenklich zugestanden, „daß es von seiner Hand herrühre, jedoch den Prinzen (soll Bindo heiBen) Altoviti darstelle."

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Dagegen lesen wir in der neuen Bearbeitung des Cataloges von 1865: ,,585. Raffaello Sanzio da Urbino. - Jugendliches Brustbild des Bindo ,,Altoviti in violettem leide, mit schwarzem Barett und langem blonden Haar, über die rechte Schulter aus dem Bilde heraussehend; die Linke liegt auf der Brust. Auf Holz 2c.

„Die Akten über dieses Bildniß dürfen als geschlossen betrachtet wer„den. Bottari hatte es zuerst nach einer unrichtigen Deutung der Worte „Vasari's für das Portrait Raphael's gehalten, und als solches wurde es „von R. Morghen sowie von Andern gestochen und lithographirt. Seine „Entstehungszeit fällt in das Jahr 1512, sonach in die Zeit der höchsten „Meisterschaft des Künstlers, als Bindo Altoviti, dieser wegen seiner Schön„heit in Rom berüh:nte junge Kunstfreund, in dessen Auftrage Raphael die ,,Madonna dell' impannata malte, in sein 22. Lebensjahr getreten war. „Dasselbe befand sich drei Jahrhunderte lang im Stammhaufe der Altoviti zu Florenz und wurde von der Familie stets als das Bildniß ihres ,,berühmten Ahuherrn angesehu. Dort blieb es, bis dasselbe von König Ludwig I. noch als Kronprinz erworben wurde."

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Die allerncueste Auflage des Cataloges von 1869 äußert sich fast ebenso, nur daß der Eingangssatz, die Akten über das Bild seien geschlossen, fortgeblieben, aus dem „berühmten" Bindo Altoviti ein „bewunderter" geworden (für beides suche ich leider vergeblich nach Beleg=

stellen) und die Angabe zugefügt worden ist, G. v. Dillis habe seiner Zeit den Ankauf für König Ludwig bewerkstelligt.

Nehmen wir zuerst die litterarischen Schicksale dieses Werkes durch, das, nachdem es vor einem halben Jahrhundert Angesichts eines großen theilnehmenden Kreises leidenschaftlich besprochen worden ist, heute so sehr in Vergessenheit gerathen zu sein scheint, daß, soweit meine Erfahrung mich urtheilen läßt, nur die wenigen welche sich heute speciell mit Raphael beschäftigen, von seiner Existenz wissen.

Vasari schreibt im Leben Raphael's: A Verona mandò della medesima bontà un gran quadro à i Conti da Canossa, nel quale è vna natiuità di N. Signore bellissima, con vna aurora molto lodata, si come è ancora Santa Anna; anzi tutta l'opera, laquale non si può meglio lodare, che dicendo, che è di mano di Raffaello da Vrbino. onde que' Conti, meritamente l'hanno in somma uenerazione; ne l'hanno mai per grandissimo prezzo, che sia stato loro offerto da molti principi à niuno uoluto concederla, ed a Bindo Altoniti fece il ritratto suo quando era giovane che è tenuto stupendissimo. Zu deutsch: Nach Verona fandte er den Grafen von Canossa ein Gemälde von gleicher Vortrefflichkeit (es ist vorher von der Vision des Ezechiel die Rede), auf dem sich eine sehr schöne Geburt Christi befindet. Der Morgenhimmel darauf und die heilige Anna sind besonders zu erwähnen, aber nein, Stück für Stück das ganze Gemälde ist es, man kann eben nichts sagen, als daß Raphael sein Meister sei. Die Grafen von Canossa halten es deshalb, verdientermaßen, in hohen Ehren und so hohe Preise von vielen Fürsten geboten worden sind, sie haben es keinem überlassen wollen. Und dem Bindo Altoniti machte er sein Portrait wie er jung war, das für eine erstaunliche Arbeit angefehn wird.

Dies die Worte, auf welche hin Bottari in seiner 1759 in Rom herausgekommenen neuen Ausgabe der Werke Vasari's das damals in Altovitischem Familienbesige befindliche Gemälde für Raphael's eigenes Portrait erklärte. Er vertauscht zugleich für diese Ausgabe den von Vafari der Biographie Raphael's beigegebenen Holzschnitt mit einem Stiche nach dem neu umgetauften Portrait und beschreibt in einer Anmerkung das Entzücken der Familie Altoviti über die gemachte Entdeckung, deren erster Gedanke freilich, Longhena zufolge, dem aus Goethe's italienischer Reise bekannten Hofrath Reiffenstein in Rom, oder wie die Italiener schreiben Renfensthein, angehört. Möglich, daß Bottari selbst jedoch Reiffenstein als Autorität für den Gedanken anführt, da er die Entdeckung nicht zuerst in seiner Vasariedition, sondern in seinen Noten zu Borghini's Riposo ausgesprochen hat, die ich nicht verglichen habe.

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