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Bevölkerung, die im Erzbischofe ein Organ gesucht und gefunden haben, gar keiner Beachtung werth; so ist einfach die Sache zu lassen, wie sie jetzt liegt, und gegen weitere Anfinnen und Forderungen die Strenge der Gefeße und die Macht der Regierung anzuwenden, ja zu verstärken Auch diese Ansicht wird von Vielen, im Civil - wie im Militärstande getheilt. Beides ist nicht zu verwundern, denn obgleich alle Menschen über diese Verhältnisse urtheilen, so kennen sie doch nur sehr wenige, und eine solche Unkenntniß oder oberflächliche Kenntniß führt gewöhnlich zu extremen Ansichten, wenn die praktischen Verhältnisse zu einer Entscheidung drängen. Oder endlich es giebt zwar einzelne wirklich mehr oder weniger beschwerende und drückende Punkte, allein ihre Abstellung und Ausgleichung hängt nicht mit dem Wesen des jetzigen Regierungssystems zusammen. Alsdann handelt es sich nur um eine schärfere Richtung und tiefere Begründung jenes Systems, verbunden mit der Abstellung aller wirklichen praktischen Beschwerden.

Es ist nun ganz entschieden der Zweck der Denkschrift darzuthun, daß von diesen drei Ansichten die lezte die einzig richtige sei..."

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Nach näherer Begründung dieser Anschauung folgt nun der erste Theil" der Denkschrift: „Beleuchtung der beiden obschwebenden praktischen Hauptpunkte in dem Verhältnisse zum Erzbischof von Köln, und Vorschlag zu ihrer definitiven Erledigung." Es werden in diesem Theile zunächst die Eingriffe des Erzbischofs in die königlichen Rechte hinsichtlich der Fakultät zu Bonn und des dortigen Convictoriums" näher erörtert (S. 563-565), und dann das Betragen des Erzbischofs hinsichtlich gemischter Ehen" (S. 565-573). Ungern enthalten wir uns näherer Mittheilungen aus der erschöpfenden Behandlung beider Fragen.

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Der zweite Theil," der abermals in zwei Abschnitte zerfällt, behandelt ,,die Forderungen des Erzbischofs von Köln und Roms hinsichtlich des öffentlichen Erziehungswesens und insbesondere der Erziehung der Geistlichkeit,“ und zwar A die „Forderungen und Beschwerden hinsichtlich des National-Erziehungswesens" (S. 576-577), B die Beschwerden und Forderungen hinsichtlich der Bildung der katholischen Geistlichkeit“ (S. 578–579). Es geht dabei diesem Theile wieder eine besondere Einleitung vorher, der wir, bei der stets zunehmenden Wichtigkeit dieser nicht nur nicht gelösten, sondern stets mehr verwickelten Frage, die folgende Ausführung entnehmen:

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Der Gegenstand der Erziehung ist das theils offenbare, theils versteckte Ziel aller Beschwerden und Wünsche, welche der Erzbischof von Köln und Rom selbst im gegenwärtigen Augenblick laut werden lassen. Es wird von der katholischen Seite für diesen Punkt und zwar nicht blos für die Bildung der Geistlichkeit, sondern auch für die Nationalerziehung, ein bei weitem größerer Einfluß des Klerus in Anspruch genommen, als die Gefeße des Staates erlauben, Geseze, die mit der Monarchie entstanden sind und sich bewährt haben.

Diese Wünsche und Beschwerden haben durchaus nichts gemein mit den Stimmen, welche neuerdings laut geworden sind über die wahren oder angeb=

lichen Mängel des gelehrten Unterrichts in Preußen. Sie haben andere und viel tiefer liegende Gründe: sie bezwecken den Umsturz eines Gebäudes, welches aus dem Grundgedanken der Monarchie hervorgegangen ist und mit ihrer Bedeutung in Europa und in der Weltgeschichte auf's Engste zusammenhängt. Es ist der Kampf um die Gewalt über die Geister, welcher im gegenwärtigen Zeitalter auf diesem Gebiete gekämpft wird. Rom sieht die Welt immer mehr seiner Herrschaft sich entfremden und fängt an zu begreifen, daß ihm ein wohlgeordnetes System nationaler, auf sittlich religiösem Grunde und einer großen wissenschaftlichen Basis ruhender Erziehung viel gefährlicher sei und werden müsse, als die materielle, irreligiöse und entsittlichende Richtung der Nation, welche der Klerus in den ausschließlich katholischen Staaten zu bekämpfen hat und mit Aberglauben oder mit Unwissenheit zu bekämpfen versucht. Preußen geht von dem Instincte und dem immer mehr erkannten Grundsaße aus, daß feine innere Stärke eben darauf beruhe, daß die Bevölkerung der katholischen Provinzen innerhalb ihrer Kirche und unter der Mitwirkung ihrer Geistlichkeit nach dem System erzogen werde, welches in allen evangelischen Staaten sich als die Frucht der Reformation und als Schuß der erworbenen geistigen Freiheit gebildet und bewährt hat.

Dieses System beruht in seinen großen Hauptzügen darauf:

1) daß das Volk einer Erziehung theilhaftig werde, die es in Stand seze, jeden in seiner Sphäre, seine geistigen Fähigkeiten mit Freiheit auszubilden und seinen religiösen Glauben mit dem sittlichen und vernünftigen Bewußtsein zu verbinden;

2) daß den höheren Ständen die Quellen aller religiösen und geschichtlichen Erkenntniß geöffnet werden, welches nur durch die Erlernung der alten Sprachen und die philologischen Studien möglich ist und wirklich geschieht;

3) daß der katholische Geistliche, ehe er ein Priester wird, als ein gebildeter Mensch und Staatsbürger erzogen werde.

Finden sich bei diesem System irgendwo Uebelstände, so liegen sie nicht in seiner Natur und seinem Wesen, sondern einzig in der mangelhaften und verkehrten Ausführung oder in vorübergehenden Umständen, deren Abhülfe leicht ist, sowie sie erkannt worden sind.

Mit diesem System nun glaubt Rom auf die Länge nicht bestehen zu kön= nen. Die unteren Volksklassen sollen nach ihm von der Geistlichkeit allein geleitet werden; die oberen sollen nicht mehr wissen, als die Geistlichkeit für gut befindet, und jedenfalls weniger als sie selbst weiß, und namentlich sollen sie von dem griechischen Neuen Testament, der Philologie und Geschichte abgehalten werden; die Geistlichkeit endlich selbst soll vom Knabenalter an abgesondert werden von der übrigen Nation, und durch frühe ascetische Gewöhnungen und erlernte Formeln in das abgeschlossene und starre Wesen eines Priesterstandes eingeführt werden.

Es ist klar, daß wenige Geschlechter dazu gehören, um zu entscheiden, welches von diesen beiden Systemen die Herrschaft über die Geister und also die Herr

schaft über die Welt haben solle: das in Preußen zum Nationalinstitut gewordene evangelische Erziehungsprincip oder das auf Unmündigkeit der Nation und Zurücktreten des Staates hinter der Kirche hinarbeitende System Roms und vorzugsweise der Jesuiten. Der Kampf hat mit der Wiederherstellung dieses Ordens begonnen, ist aber erst in dem letzten Jahrzehnt, vorzüglich durch französische Schriften und Debatten, ein Kampf auf Tod und Leben geworden. Rom und der Jesuitenorden sind in demselben Verhältniß eingreifender und bigoter geworden, als sie unwissender und beschränkter geworden sind. Sie fühlen ihre Schwäche, ohne den wahren Grund derselben zu erkennen; ihr Haß und ihre Angriffe sind ganz vorzugsweise auf Preußen gerichtet, weil hier das ihnen feindliche System als Weltmacht dasteht. Denn seit Frankreich die Vortrefflichkeit und hohe Bedeutung des preußischen Erziehungswesens anerkennt und laut verkündet, richten ganz Europa und selbst die einsichtsvollsten und besten Geister in allen katholischen Staaten ihre Blicke voll Bewunderung und Sehnsucht auf Preußen, nicht anders als vor tausend Jahren die europäische Menschheit auf Rom blickte. Dies ist selbst in Italien schon allgemeines Gefühl geworden und bis in die päpstlichen Provinzen durchgedrungen, worüber merkwürdige Thatfachen vorliegen...

Der eigentliche Zweck des Erzbischofs von Köln ist also, sich der neben ihm aufkeimenden geistigen Macht der Bonner Universität zu entledigen; er will Bonn stürzen und seine Geistlichkeit soll unter ihm, im Seminar von Köln, ihre wissenschaftlichen Studien beginnen und vollenden. Ja er geht weiter: auch die katholischen Gymnasien Rheinlands will er stürzen, und die katholische Jugend vom 12. Jahre an in einem sogenannten petit séminaire erziehen. Verrathen hat er diesen Plan amtlich erst in der neulichen Unterredung mit dem Staatsminister Herrn von Rochow, allein als Wunsch und Ziel hat er diesen Gedanken gewiß von Anfang im Auge gehabt. Er ist das Losungswort der Partei in Belgien, in Frankreich, in Rom und auch schon in Baiern.

Wenn nun diesem Streben und diesem Ansinnen nicht im geringsten nachgegeben werden darf, wenn dagegen vielmehr mit aller Macht und Energie angekämpft werden muß, so ist es offenbar um so wichtiger, sich umzusehen, ob in dem bestehenden und festzuhaltenden, ja immer mehr auszubildenden System sich etwa hier und da im Einzelnen praktische Mängel oder Mißstände finden, welche die katholische Bevölkerung drücken oder verlegen möchten. Denn offenbar muß sich der Erzbischof und seine Partei auf diese stüßen, um seine Sache als allgemeine Angelegenheit der katholischen Bevölkerung darzustellen und populär zu machen; das System, welches er untergraben will, muß in den Punkten ange= griffen werden, wo er das Mitgefühl der Katholiken für sich zu haben glaubt; da wo er nicht hoffen darf, in seinem eigentlichen Grunde mit Erfolg angreifen zu können.

Wenn die Denkschrift also anräth, solchen etwaigen Mängeln und Mißständen im Einzelnen abzuhelfen, so will sie dadurch vor Allem Gerechtigkeit anrathen, welche immer die höchste Klugheit ist, dann aber auch gerade das

System selbst noch mehr begründen und verstärken, welches der Gegenstand des Kampfes und Hasses von seiten Roms ist. Denn das ist festzuhalten, daß der Erzbischof, hier namentlich, als Organ der ultrarömischkatholischen Partei auftritt. Hinter ihm steht der in der nächsten Nachbarschaft unumschränkt waltende Orden der Jesuiten, welcher bemüht ist, seine Herrschaft auch in Deutschland wieder zu gewinnen, und dabei anerkennt, daß Breußens Erziehungssystem und feine Universitäten und Seminarien der Feind sind, den er bekämpfen oder dem er unterliegen muß. Das Journal de Liège" und die Gazette de France" sprechen dies ganz unumwunden aus; auch in Rom sezt man schon Rom und Preußen als die beiden geistigen Gewalten einander gegenüber."

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Die einzelnen praktischen Vorschläge in dieser wie in den anderen Fragen faßt Bunsen außerdem in einem Pro-Memoria, welches der Denkschrift beigefügt wurde, in Kürze zusammen (vergl. B.'s P. I. S. 472—474). Sie kamen darauf hinaus, daß sich zunächst (9.-13. September) Msgr. Capaccini mit dem Erzbischof über die hermesianische Frage besprechen, sodann aber (15.-20. September) der (bis zum 8. September selber näher zu instruirende) Regierungs-Präsident Graf Stolberg über die gemischten Ehen mit ihm verhandeln solle. Auch hinsichtlich der allgemeinen Erziehungsfrage wurde „ein praktischer Ausweg gezeigt," durch jährliche Bewilligung von 20,000 Thalern mehr als bisher zu katholischen Unterrichtszwecken.

Außerdem wurden aber in demselben Pro-Memoria noch sechs weitere Vorschläge gemacht: der bischöfliche Stuhl in Trier müsse unverzüglich besetzt, die Kapitel müßten mit materia episcopabilis gefüllt, und zu diesem Zwecke die ausgezeichnetsten Geistlichen und Bischöfe Süddeutschlands herangezogen werden, den Angriffen auf die Convention von 1834 und den damit zusammenhängenden Entstellungen und Verleumdungen seien unverzüglich schlagende Widerlegungen entgegenzusetzen, die Erfüllung der drei 1834 dem Erzbischof Spiegel gemachten Versprechungen sei nicht mehr zu verzögern. Die sechste und legte Forderung war: definitive Aufhebung des Zwangs zum Besuch der evangelischen Gottesdienste seitens der Katholiken bei den Kirchenparaden, welcher Zwang als Gewissensdruck allgemein gefühlt wird und schon Märthrer hervorgebracht hat."

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Gerade die lette, im Grunde so selbstverständliche Forderung läßt sowohl an und für sich als durch die Verhandlungen, zu denen sie Veranlassung gab, die unbehüfliche und schwierige Stellung des absoluten Staates, der Kirche gegenüber, recht grell hervortreten. Wir führen daher die Thatsachen, die zur schließlichen Erledigung dieser Forderung führten, einfach an, wie sie Bunsen's Leben (I. S. 463-465) nach seinen eigenen Aufzeichnungen erzählt. Es darf dabei mit einer Art wehmüthiger Freude

betont werden, wie der persönliche Charakter des Königs selbst (wie in allen Dingen, wo er seiner eigenen Ueberzeugung folgte und nicht von der Umgebung gehemmt wurde, u. A. ja auch in der früher erwähnten Frage der Nuntiatur) in ein wohlthuendes Licht tritt. Daß aber der Sache des Staates mit dem guten Willen des Monarchen wenig geholfen ist, wenn seine Werkzeuge nicht die richtigen sind, tritt ebenso schlagend hervor; speziell muß auf die schon oben charakterisirte Unwahrhaf tigkeit und Feigheit der Berliner Atmosphäre ein großer Theil der Schuld geschoben werden, wenn der Staat in eine so schiefe Lage kam, daß seine Niederlage unausbleiblich war.

Als Bunsen die Inhaltsübersicht seiner Denkschrift dem Fürsten Wittgenstein überreichte, machte ihm dieser dringende Vorstellungen über den Anstoß, welcher dem Könige durch die Schlußforderung gegeben werden würde. Schon früher hatte der Kronprinz ihn von seinem Entschlusse abzubringen gesucht, und als schließlich die Audienz, worin die Entscheidung getroffen werden sollte, am 3. September 1837 stattfand, benutte derselbe noch einmal den letzten Augenblick vorher, Bunsen zu warnen, den anstößigen Punkt auszulossen. Auf die Antwort, das sei unmöglich, fragte er ihn, ob er der Sache auch ganz gewiß sei und sich kurz und bestimmt fassen könne; es dürfe nicht über 20 Minuten dauern, und er müsse darauf gefaßt sein, den König scharf und schlagend in seinen Entgegnungen zu finden. Als Bunsen nun hernach den Gegenstand wirklich vorbrachte, erwiderte der König allerdings zuerst: „Ich weiß schon, ich dachte, Sie wüßten, daß ich von dem lieber nichts hören möchte." Aber auf die Antwort, es sei ein Gewissenspunkt, und es sei etwas Neues darüber mitzutheilen," folgte sofort, obgleich die für die Audienz bestimmte Zeit längst vorbei war, die Genehmigung zu weiterem Vortrage.

Ueber das Ergebniß desselben glauben wir Bunsen's Erzählung wörtlich anführen zu sollen:

„Bunsen trug nun vor, wie nach der beschränkten, aber entschieden kanonisch bindenden Vorschrift die Katholiken eine Sünde begingen durch Theilnahme an einem nicht katholischen Gottesdienste, und doch wolle man offenbar, daß sie daran, wenigstens zuhörend, theilnehmen. Hierdurch gewann er einen Haltpunkt. Der König äußerte sich sehr lebhaft gegen die Behauptung, daß der Zwang Märtyrer hervorgebracht (auf Grund einer von ihm für Erdichtung erklärten Anekdote von einem Soldaten, der an der Kirchenthür mit den Worten stehen geblieben: Bis hierher und nicht weiter!" und sich darauf habe verhaften lassen). „Die Sache ist unmöglich, ich müßte sie wissen; man muß nicht dergleichen auf die Aussagen von Schmähschriften für wahr annehmen." Bunsen entschuldigte sich damit, daß die Anschuldigung offenkundig geworden und nie widersprochen sei. Dann ließ er diesen Grund fallen und entwickelte andere. Als er geendet,

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