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für die eine noch für die andere Confession sich werde zu Stande bringen lassen.“ „Ich habe," so modificirt er die frühere Ordre an den Kultusminister, „auf Ihren Bericht .... Ihre Ansicht genehmigt, daß die Vereinigung der Schulen weder der einen noch der andern Confession aufgedrungen werde; es kann aber kein Bedenken finden, die Vereinigung zu befördern, wenn der Mangel an hinreichenden Fonds die zweckmäßige Einrichtung von Confessionsschulen hindert und die Gemeindeglieder beider Confessionen über die Organisation einer Simultanschule einverstanden sind."

Auf die Schwankungen der Altensteinschen Verwaltung folgt die volle Abkehr von den Ideen des Landrechts mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelm's IV. Eine verspätete Romantik stellt sich in Widerspruch mit dem Ernst der Wissenschaft wie mit dem Bedürfniß der Einheit und Verschmelzung des Staats. Sie verleugnet die großen Besigthümer deutscher Forschung, nationaler Cultur und Literatur zu Gunsten der antiquarischen Schäße einer längst erstorbenen scholastisch-theologischen Zeit. Die Confusion wird vollständig, sobald in diese romantische Traumwelt die grelle Wirklichkeit der Revolution fällt, und die Unklarheit und Wüstheit dieser politischen Bewegung die Rückkehr zum Autoritätsglauben, die Begünstigung der objectiven kirchlichen Mächte zu rechtfertigen scheint. Der die Cultusverwaltung jezt beherrschende Geist ist genau derselbe, der die Wöllner'schen Erlasse dictirte; nur seht er sich jetzt auf Jahrzehnte fest und gewinnt die Kraft, die gesammte Verwaltung in eine dem Recht des Landes entgegengeseßte Richtung zu treiben. Gneist hat diese Umkehrung des geschlichen Rechts durch ein, auf Ministerialverfügungen, auf Regulative und unpublicirte Cabinetsordres sich berufendes sogenanntes Verwaltungsrecht in treffenden Zügen geschildert. Die Verwaltung schafft sich einen neuen Sprachgebrauch und neue Begriffe; sie macht das confessionelle Prinzip zu einer Rechtsbedingung für alle preußischen Unterrichtsanstalten; sie legt der Anstalt, dem Schulgebäude einen religiösen Charakter bei. In Folge deß verlieren die Lehrfächer neben dem Religionsunterricht ihren selbständigen Plaz; die confeffionelle Einheit des Lehrpersonals wird zu einem Rechtsgrundsatz gemacht; die Schule verliert ihre Unabhängigkeit der Kirche gegenüber, nachdem das Kirchlichconfessionelle zur Grundlage aller Pädagogik erklärt worden ist. Die Leitung" des Religionsunterrichts erweitert sich zu einer, das gesammte Schulwesen nach seiner inneren Tendenz umfassenden Aufsicht und Controlle der Kirchen. Die Bischöfe erhalten das Mitanstellungsrecht der katholischen Elementarlehrer, indem die Erlaubniß zur Ertheilung des Religionsunterrichts von einer besonderen missio des Bischofs abhängt. In einzelnen Diöcesen, wie in Breslau, hat der Bischof das allgemeine Oberaufsichtsrecht, der Staat nur eine Mitaufsicht. An einzelnen Anstalten, z. B. an der Realschule in Münster, hat er jeder Lehrerwahl zuzustimmen. Für die katholischen Schulinspectoren, für die Religionslehrer an den höheren Schulen, für die Mitglieder der katholischen Fakultäten ist die Genehmigung des Bischofs erforderlich und statt dieser Concurrenz wird

die alleinige Ernennung so wie das Mitdirectorat des Religionslehrers über die Schule gefordert. Von dem Prinzip der confessionellen Schule aus, wie dasselbe von unserer Verwaltung entwickelt und von ihren Organen, z. B. dem Breslauer Provinzialschulrath Scheibert öffentlich begründet wird, läßt sich diesen clerikalen Ansprüchen in der That nicht entgehen. Man kann sie äußerlich, aber nicht mehr mit der Logik abwehren. Für die Schulmittel wie für die Lehrpläne, für die Religionsbücher wie für die Lesebücher kann der Staat, der fein Placet großmüthig geopfert hat, das Placet der Kirchen nicht mehr entbehren. Wir sind tief im neunzehnten Jahrhundert zu dem System der kirchlichen Schulen zurückgekehrt, aus dem wir mit dem Anfang des achtzehnten uns zu befreien anfingen.

Mit unwiderleglicher Präcision hat Gneist die Ungesetzlichkeit jener Ver= waltungsmanipulationen nachgewiesen, durch welche den höheren Unterrichtsanstalten wegen ihres angeblich „stiftungsmäßigen,“ „dotationsmäßigen,“ „observanz-“ oder „verwaltungsmäßigen Charakters“ eine bestimmte kirchliche Be= schaffenheit aufgeprägt worden ist. Ebenso unwiderleglich hat er das Recht der Verwaltung bestritten, den neugegründeten Schulen eine solche Beschaffenheit durch Statuten zu geben, oder die Gemeinden zur Aufstellung solcher Statuten zu zwingen. Kein Statut kann die Grundsätze aufheben, welche die Landesgeseße über die „öffentliche Schule" aufgestellt haben. Es kann weder den Zutritt der Schüler verschiedener Confessionen verwehren, noch kann es die Auswahl aus den Lehrern der verschiedenen Confeffionen mehr beschränken, als dies nach den Staatsdienergefeßen und den dieselben erweiternden Vorschriften der Verfassung zulässig ist. Welchen Werth übrigens jenes Zurückgreifen auf Geschichte und Herkommen für die lebendige Gegenwart unserer Gymnasien hat, das erkennt man am Besten aus der Thatsache, daß zu den rund 21⁄2 Millionen, welche die höheren Unterrichtsanstalten in Preußen 1864 kosteten, die Kirchen und die nicht unter Staatsverwaltung stehenden Stiftungen zusammen 75,637 Thaler beitrugen, während über eine Million durch die Schulgelder, eine zweite Million durch Stadtgemeinden und Staat aufgebracht wurden. Es ist die Steuerkraft der lebenden Generation, welche die Anstalten überwiegend erhält, und diese lebende Generation soll sich den Charakter ihrer Schulanstalten von dem sechzehnten oder siebzehnten Jahrhundert vorschreiben Lassen!

Dieses allmählige Abgleiten unsers Unterrichtswesens von dem Boden des Landrechts, dieser Ausbau eines neuen Systems mittelst Ministerialverfügungen führt uns aus dem einzelnen Ressort heraus zu dem allgemeinen Grundübel der preußischen Verwaltung. Dasselbe liegt darin, daß die verwaltenden Behörden zugleich die Vollstrecker und die Ausleger der Geseße sind, daß eine streitige Rechtsfrage in letter Instanz von ihnen selbst entschieden wird. Die parlamentarische Controlle hilft diesem Uebel nicht ab, denn das Urtheil des Abgeordnetenhauses ist wieder nur eine Ansicht, der der Minister seine persön

liche Ansicht unerschüttert gegenüber stellt. So wird Gneist durch die Frage: wie ist eine gesetzliche Verwaltung in Preußen herzustellen, zu der oft aufgestellten Forderung eines Verwaltungsgerichtshofs geführt. Und eben jezt, wo wir vor der Berathung eines allgemeinen Unterrichtsgesetzes stehen, ist es allerdings Zeit daran zu erinnern, daß dieses Geset selbst, wie trefflich es auch in sich sein möchte, uns noch keine gesetzliche Verwaltung garantirt, sondern daß hierzu ein zweiter Schritt gehört: die Herstellung einer richterlichen Instanz, welche die ministerielle Auslegung der Geseze controlliren und_berichtigen kann.

B.

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Notizen.

Der vorigjährige außerordentliche Nothstand in Ostpreußen ist die Veranlassung geworden, daß eine Wandergesellschaft von augenscheinlich immer noch wachsendem Einfluß, der volkswirthschaftliche Congreß, die Behandlung der gewöhnlichen und bleibenden Nothstände im Volk, d. h. die Armenpflege, auf seine Tagesordnung genommen hat. Um die diesjährige erste Verhandlung des Gegenstandes welche am 2. September in Mainz stattgefunden hat- zweckmäßig vorzubereiten, erließ Professor Emminghaus zu Karlsruhe im vorigen Herbst eine Aufforderung zu gemeinsamer Thätigkeit an eine Anzahl Berufsgenossen, welcher in erfreulichem Umfang entsprochen worden ist. Als ihr Ergebniß liegt gegenwärtig ein Sammelwerk über europäische Armenpflege vor, wie es der Wissenschaft lange gefehlt hat. Seit der Veröffentlichung der Nachrichten, welche die englische Regierung über auswärtige Armenzustände zu Anfang der dreißiger Jahre einziehen ließ, als das Parlament sich anschickte die unleidlich gewordene Armengesetzgebung von England und Wales umzugestalten, hat Niemand Hand an die Sammlung und Bekanntmachung eines derartigen Vergleichungs-Materials gelegt. So kam es, daß man sich z. B. bei den erfahrensten Kennern, bei Professoren welche seit Jahren regelmäßig über Armenwesen lesen, vergeblich nach Quellen über die Armenpflege ganzer, und noch dazu benachbarter Länder erkundigen konnte. Die Literatur des Zweiges beschränkte sich auf einzelne mehr juristisch als volkswirthschaftlich verfahrende Monographien, oder solche Zusammenfassungen, welche sich in philosophischer Speculation ergingen, ohne einen halbwegs festen Boden realer Kenntniß unter den Füßen zu haben. Diesen schweren Mangel hilft das angedeutete Unternehmen ab. Bis jetzt sind erst etwa zwei Drittel desselben heraus, und auch diese nur erst, da das Ganze bloß einen einzigen freilich starken Band ausmachen foll, in einzelnen Händen, aber wenn es demnächst vollständig vorliegen wird, haben wir das Mittel vor uns, eine erschöpfende Uebersicht der Armenzustände und der denselben bisher zugewendeten legislativ - praktischen Behandlung in allen Hauptstaaten Europas herzustellen. Außer Acht geblieben sind nämlich bloß neben einigen der unbedeutendsten deutschen Kleinmonarchien die Türkei, Rußland, Griechenland, Spanien und Portugal. Innerhalb Deutschlands find außer den Staaten noch die Städte Berlin, Frankfurt am Main (als bis vor kurzem selbständig), Elberfeld und Braunschweig gesondert dargestellt, diese leßteren beiden wegen mehr oder minder mustergiltiger und beachtungswerther Einrichtungen. Preußens alte Provinzen hat E. Bruch bearbeitet, Berlin Dr. H. Schwabe, Elberfeld A. Lammers (in Bremen); die Provinz Hannover der Abg. Grumbrecht, Schleswig-Holstein - Lauenburg Prof. Seelig (in Kiel), Kurhessen Regierungsrath Loz, Nassau Rechtsanwalt Scholz, Frankfurt a. M. Dr. A. Varrentrapp (Privatdocent der Geschichte in Bonn). Sachsen ist vom Dr. H. Rentsch, Mecklenburg vom Adv. Wachenhusen, Oldenburg vom Justiz

rath Strackerjan, Anhalt vom Regierungsrath Rindfleisch, Hamburg von dem Statistiker Neßmann, Bremen von Lammers, Lübeck von Dr. P. Kollmann, Braunschweig vom Stadtrath Baunnel geschildert; Bayern von Prof. Makowiczka (in Erlangen), Würtemberg von dem rühmlich bekannten Armenschriftsteller Oberregierungsrath Bißer, Baden — ebenso wie Belgien — vom Herausgeber, HessenDarmstadt vom Ministerialsecretär Lotheißen geschildert. Für England ist D. H. Meier zu Freiburg i. B. in die Lücke getreten, für Frankreich Maurice Block, für Holland M. M. von Baumhauer, für Italien Luigi Bodio, für die Schweiz Prof. Böhmert (in Zürich), für Desterreich Dr. Kleinwächter (in Prag), und für die scandinavischen Staaten endlich A. Lammers in Bremen, der für die Gewinnung des Stoffes namentlich in Christiania großes Entgegenkommen gefunden zu haben scheint. Ließ sich die norwegische Regierung doch auch durch den bekannten Armenforscher Eilert Sundt auf dem Mainzer Congreß vertreten, ebenso wie die britische Regierung, deren Armen-Minister Goschen sich mit neuen ernsthaften Reformplänen trägt, durch ihren Gesandten in Darmstadt Mr. Morier, dem Blaubuchs-Berichterstatter über die deutsche Genossenschaftsbewegung. Das Emminghaus'sche Sammelwerk wird demnach auch im Auslande ohne Zweifel stark beachtet werden. Stärker aber hoffentlich in Deutsch= land selbst, wo es einer allgemeinen Reform-Unruhe grade zur gelegensten Zeit begegnet.

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Unter dem Titel: Theilnahme des 3. Magdeburgischen-Infanterie-Regiments Nr. 66 an der Schlacht von Königgräß. Auf Befehl des Regimentskommandos zusammengestellt vom Hauptmann von Sobbe. (Nebst 2 Karten.) Magdeburg 1869 ist uns wieder eine werthvolle Bereicherung geworden zur Geschichte des glorreichen Feldzugs von 1866 und zwar für diejenige Episode desselben, deren hervorragende Bedeutung sowohl für den Gesammtgang der Schlacht als für die Verherrlichung vaterländischen Waffenruhms ihr die allgemeinste und wärmste Theilnahme sichern. Der Kampf im Swipwalde, „die Schlacht von Maslowig“ ist ein Epos im Epos, reich an Heldenthaten hundert Einzelner, schwierig erkennbar in seinem höchst verwirrten Zusammenhange und grade aus diesen Gründen recht eigentlich geschaffen für die eingehende Detailschilderung. Daher haben denn auch, obgleich in dem Werke des preußischen Generalstabs die Darstellung des Gefechts von Maslowed meisterhaft ist, ja vielleicht als eine der ausgezeichnetsten Partien dieses trefflichen Werks betrachtet werden muß, dennoch fast alle betheiligten Truppentheile mit Recht ihre Specialberichte geschrieben und veröffentlicht. Die Arbeit des Hauptmanns v. Sobbe dürfte von allen diesen die wissenschaftlichste und bedeutendste sein. Die Anordnung ist klar und lichtvoll, und das will bei dem gewaltigen Chaos, das zu bewältigen war, sehr viel sagen. Die mitgetheilten Züge von Heroismus, Disciplin und Humor sind gut gewählt und lehrreich. Die un

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