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Christiana und Judäa (3515 folg.). Ich halte es daher für belehrend, hier eine lateinische Marienklage mitzutheilen, die ebenfalls ein Selbstgespräch ist und zugleich jene Beziehung auf das Judenthum aufgenommen hat. Sie unterscheidet sich nicht nur dadurch von den andern Marienklagen im ersten Bande, sondern auch durch ihre Abfassung, weil sie ein Leich ist. Ich fand sie in einer Handschrift der Stadtbibliothek zu Namür Nr. 104 in Quart, Pergament, fünfzehntes Jahrhundert (A), wo sie die Ueberschrift hat: Planctus beatissimæ virginis, dei genitricis Mariæ. In der Handschrift sind die Strophen durch senkrechte Striche abgetheilt; mit Ausnahme der ersten und legten folgen immer zwei Strophen von gleichem Versmaß auf einander. Auch die erste Strophe kann man für zwei halten. Ein Bruchstück (B) dieses Gedichtes steht auch in der Reichenauer Papierhandschrift Nr. 36 Bl. 65 zu Karlsruhe aus dem fünfzehnten Jahrhundert.

Den Zusammenhang dieser Marienklage mit den alten Schauspielen beweist eine andere aus einer Münchener Handschrift in Hoffmanns und Haupts altteutschen Blättern 2, 373. Die Münchener Abfassung beginnt mit der ersten Strophe des folgenden Stückes, hat aber schlechte Lesarten, darauf folgen teutsche Strophen mit der scenischen Anweisung: dum vadit ad crucem, cum recedit a sepulchro, was offenbar zu einem Schauspiele gehört. Von diesen Strophen stimmen mehrere fast ganz mit jenen überein, die ich Bd. 1, 31 folg. mitgetheilt, andere sind verschieden gebaut, die Verse in andere Ordnung und Verbindung gebracht, so daß man die Münchener Marienklage entweder für eine Ueberarbeitung und Verwirrung eines alten Tertes oder für die Umänderung in einen Leich halten muß. Ein Abgesang dieser Klage steht auch in einer S. Galler Handschrift Bd. 1, 199, woraus sich ergibt, daß diese Marienklage in Oberteutschland heimatlich war. Um so beachtenswerther ist ihre Anknüpfung an den folgenden lateinischen Text, den ich bis jezt nur in

einer niederländischen Bibliothek vollständig gefunden. Die Münchener Klage enthält aber noch acht weitere lateinische Verse, welche die Handschrift von Namür nicht hat. Auch ein anderes Bruchstück einer Marienklage des zwölften Jahrhunderts (Haupt und Hoffmann altteutsche Bl. 2, 200) zeigt baierische Mundart, und war, wie es scheint, in Gesprächform abgefaßt. So vielfältig wurde dieser Gegenstand behandelt, und doch scheinen alle Bearbeitungen auf einem gemeinsamen Grunde zu beruhen. Eine dialogische Marienflage (dialogus de passione Jesu Christi) machte der Bischof Anselm von Canterbury, gestorben 1109, die in seinen Werken (edit. Paris. p. 488) gedruckt ist. Ich zweifle jedoch, ob sie das unmittelbare Vorbild für die nachherigen Gedichte war, weil Anselm und die Mutter Gottes darin mit einander reden, was in pen späteren Bearbeitungen nicht mehr vorkommt. Auch dem h. Bernhart von Clairvaur wird in Handschriften und alten Drucken ein tractatus de planctu Mariæ virginis zugeschrieben. Ein großes Gedicht desselben Inhalts befindet sich auch in der Reichenauer Papierhandschrift Nr. 36 Bl. 13 zu Karlsruhe aus dem fünfzehnten Jahrhundert, und fängt an:

Surgens Jesus cum trophæo

jam ex agno factus leo

sollemni victoria etc.

Dieses Gedicht wurde stellenweis für die Osterfeiern gebraucht, wie das Beispiel Bd. 1, 19 zeigt.

In derselben Handschrift Bl. 146 stehen Hora de planctu beatæ virginis, quas composuit papa Johannes XXII. (starb 1334), welche anfangen:

Sancta dei genitrix dulcis et decora

regem morti traditum pro nobis exora.
Invitatorium.

Cum Maria virgine fervidi ploremus

in sepulchro positum regem adoremus etc.

Dieses weitläufige Gedicht gehört, wie schon der Eingang zeigt, zur Grablegung Chrifti. In andern Handschriften wird es dem Bonaventura (starb 1274) zugeschrieben (Bonaventuræ opera. Venet. 1755. I, 130.).

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Die Verse 23 bis 30 fehlen in B. 2 Vers 35 bis 59 fehlt in B.

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