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Verbindungsverse sind im vollendeten Schauspiele weggeblieben und dafür scenische Anmerkungen in Prosa beigegeben worden, die aber nicht mehr gesprochen werden, sondern nur den Schauspielern zur Anleitung dienen. Ein Beispiel wird dies erläutern. Théatre français p. 16.

Longinus.

De ceo sui jo joius e lez.

(Quant il vindrent al gaiole,

si lui distrent ceste parole:)

Miles.

Entre laenz; ja ne istras.

In einem jezigen Schauspiele würde diese Stelle so lauten: Longinus.

Darüber freue ich mich.

Sie gehen zum Gefängniß.

Soldat.

Geh' herein! Hinaus darfst du nicht mehr.

Die Worte: sie gehen zum Gefängniß" sind nur eine scenische Anleitung, die jezt nicht mehr, aber wohl im Mittelalter von dem Herold gesprochen wurde. In solchen erzählenden Zwischenversen liegt das Wesen des recitirenden Schauspiels.

Es scheint nicht, daß man vom recitirenden Schauspiel unmittelbar zur jezigen Gesprächform übergegangen sey, weil der Abstand zwischen beiden sehr auffallend ist. Als Zwischenglieder betrachte ich jene Schauspiele, in welchen sich die redenden Personen selbst mit Angabe ihres Namens einführen (altt. Schausp. 145). Das Recitativ, oder der Herold, der es hersagte, hatte den Zweck, die einzelnen Auftritte durch kurze Angaben der Personen und Handlungen zu verbinden, und dadurch den Zuschauern den Zusammenhang des Stückes zu vermitteln. Blieben diese erzählenden Zwischenverse weg, so mußte eine andere Erklärung an ihre Stelle treten. Sie bestand darin, daß sich jede Person selbst einführte, weil der allgemeine Einführer (praecursor) wegblieb. In den fran

zösischen Stücken, die ich benugen konnte, finde ich keine Beispiele dieser Gesprächform, wohl aber in dem bretonischen Leben der h. Nonna (buhez santez Nonu.) S. 82. me so hep sy magician (ich bin ohne Zweifel ein Zauberer), S. 8. Runniter aman off hanuet (ich bin hier Runniter genannt), S. 52. me eo roe Trisin (ich bin der König Trisin), S. 50. me eo Gildas (ich bin Gildas), S. 144. me eo an ancquou (ich bin der Tod) und dergl. Es könnte wohl seyn, daß in Frankreich diese Form des Gesprächs schon aufhörte, während sie in Teutschland und Bretagne noch im Gebrauche war.

Das folgende Stück enthält nur einen erzählenden Zwischenvers 114, den man nicht verändern kann. Häufiger kommen sie im Theophilus vor (Bruns romant. Gedichte, Vers 268, 296, 312, 419) und im Gespräche der Sibylle (Bb. 1, 309 flg.). In blos dialogischen Gedichten mögen solche Zwischenverse Verderbnisse durch Abschreiber seyn, welche durch dergleichen Zusäße die Namen der redenden Personen in das Gedicht selbst einfügen wollten, in Schauspielen aber, besonders wenn die Zwischenverse mehr enthalten als den Gedanken: er sprach, können sie auch Ueberbleibsel einer erzählenden Abfassung seyn.

Eine zweite Art des erzählenden Schauspiels schließt sich an die Responsorien des Gottesdienstes an, während die erste der erzählenden Passion folgt. Das älteste französische Stück, die klugen und thörichten Jungfrauen, ist in der zweiten Art abgefaßt. Jede Person wird darin durch den Herold bei ihrem Namen aufgerufen und ihr gesagt, was sie zu thun habe; z. B. (théatre français v. Monmerqué S. 7).

Daniel, indica

voce prophetica

facta dominica!

Responsum.

Sanctus sanctorum veniet

et unctio deficiet.

Im Eingang teutscher Stücke kommt etwas ähnliches vor, wenn der Herold die Gruppen der handelnden Personen aufführt und sie namentlich angibt (altt. Schausp. 22 flg.)

Vollständig entspricht der französischen Art das Bruchstück eines niederteutschen Schauspiels von Christi Geburt (bei D. a Stade specimen lectionum antiquar. S. 34), worin Virgil aufgefordert wird, seine Prophezeiung von Christus zu sagen, denn ebenso wird er in dem erwähnten Schauspiele bei Monmerqué (théatre français S. 9) eingeführt.

Dieses Anschließen an die Responsorien war für die dramatische Einrichtung besser als das Recitativ, weil die erzählenden Zwischenverse an der Handlung keinen Theil nehmen.

Noch deutlicher ist das französische Vorbild in der Anrede. Bei Jubinal 2, 187 redet Christus die Soldaten, die ihn gefangen nehmen, mit beauls seigneurs an, so spricht auch Annas zu ihnen (200) und Kayphas sagt zu den Juden seigneurs (204), Pilatus beaulz seigneurs (209). Ueberhaupt ist diese Anrede häufig zwischen Hohen und Niedern. In teutschen Stücken verstößt aber jene Anrede oft gegen unsre Sitten, wovon das Frankfurter Stück Beweise gibt. Da nennt Christus seine Apostel Herren (Fichard 139), Pilatus die Juden (149), die Engel die Apostel (158) u. dgl. So auch in dem Maestrichter Spiele (Haupt 2, 336). Diese Höflichkeit ist nicht nur gegen die Bibel, sondern auch wie gesagt, gegen die Sitte unserer Vorältern, welche nur dem Adel den Titel Herr gaben, in der französischen Sprache war jedoch diese Anrede allgemein gebräuchlich. Es gibt teutsche Stücke, welche sie streng vermeiden, wie Nr. 12, andere, welche sie zulassen und dadurch ihre französische Quelle verrathen. Die Vor- und Schlußreden sind in den teutschen und französischen Stücken gewöhnlich, bei diesen aber älter.

Die Aufführung der altteutschen Schauspiele hat mit der altfranzösischen manches gemein, was bei den Stücken Nr. 14 und 15 angegeben ist.

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he sede, he wolde van deme dode wol nezen.

20

he sprak sere gruwelike wort,

de er van manne sint je ghehort,

he wolde up stan an deme drudden daghe.

25

dar umme if jw dat saghe,

22 de, so auch 25 abgekürzt und an andern Stellen.

Mone, Schauspiele. II.

3

gy moten dat graf laten bewaren,
dat he uns nicht kone untvaren.

bringen ene fine jungere hemelken van dan,

so spreken se, he sy van dode up-ghestan.
Cayphas dicit.

Jode, du sprekest ware mere.

wer et, dat syne jungere

ene vorstelen unt nemen,

des mochte wy uns wol sere schemen.

wille gy don na myneme rade,

so schole gy iw bereyden drade
unt scholen to Pylatese gan
unt laten em desse rede vorstan,
alzo gy sulven hebben ghehort.

[Judaei. *]

Dat wille we don alzo vort.

30

Bl. 2.

35

40

(I., 2.) Ad Pilatum primus Judaeus.

Got grote dy Pilatus here.

[Pilatus.]

Sprek up Jode, wat brinrtu nyer mere?

Secundus Judaeus.

Pilate, wy bydden, dat du gutliken willest ûntfan

rede, de wy die laten vorstan,

Pilate, des is uns not.

wy bidden dy dor den levendeghen got,

de dar schop lof unt gras,

dat du Ihesum, de vor dineme richte was,
willest laten waren.

29 bringz.

32

45

werz, diese Abkürzung bedeutet sowohl et als - en, jenes mehr bei Zeitwörtern, dieses in der Deklination. Sie wurde aus dem Hochteutschen übernommen. 35 myne. 48 dine.

* Diese eingeschlossenen Ueberschriften fehlen in der Hs.

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