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Der Geistliche bannt den Satan, wie Christus den Lucifer gebunden, und doch ist der Geistliche ein sündhafter Mensch. Christus hat den Aposteln Gewalt über die bösen Geister gegeben (Matth. 10, 1), und doch sind alle Menschen fündhaft und bös, und selbst der Gerechte fällt des Tages siebenmal. Es ist mithin keine Inconsequenz, wenn der Geistliche als Teufelsbanner auftritt, und kein Zeitverstoß, daß er unmittelbar der Erlösung aus der Vorhölle angereihet wird, wie dies im religiösen Schauspiel häufig vorkommt (Altt. Schausp. 15. 16).

Die Drohung des Geistlichen mit dem jüngsten Tage bewegt den Lucifer nicht sonderlich, denn das Ende der Welt ist noch fern und bis dahin lassen sich noch viele Seelen zur Hölle bringen. Diese Stelle hat den Zweck, die Menschen vor falscher Sicherheit zu warnen, denn die Klage Lucifers, die darauf folgt, ist erschütternd. Er hat keine Ruhe (1933 vgl. Matth. 12, 43), ein Zustand, der allein schon zur Verzweiflung bringt. Dagegen ist den frommen Menschen Ruhe des Herzens versprochen (Matth. 11, 29, Hebr. 3, 18. 4, 1) und für die Todten wird gebetet: requiem aeternam dona eis domine. Dem Teufel hilft keine Buße zur Erlösung, selbst nicht die schrecklichste Qual, die er dafür ausstehen möchte (1933, 36 flg.), er ist ewig von der Seligkeit ausgeschloffen, die der Mensch erreichen kann (2007, 1948). Darum steigert sich sein Haß und sein Neid gegen die Menschen, und er befiehlt seinen Teufeln, so viele zur Hölle zu bringen als

macht vom Sündenfall her seine Rechtsansprüche an die Menschheit geltend, und Moses sammt den Propheten stehen als Advokaten dem Gottmenschen Christus bei. Der Rechtsstreit hat aber seinem Wesen nach eine sehr beschränkte Dramatik, und daß diese Form vorzüglich im sechzehnten Jahrhundert in das Schauspiel Eingang fand, war Verderbniß durch Einseitigkeit. Nur dadurch, daß Jakob von Ancharano, der Verfasser des Belials, mit dem jüngsten Gerichte schließt, nähert er sich wieder der Vollendung, die das alte Schauspiel erstrebt.

nur möglich. Weil ihm aber der Pfaffe gesagt hat, daß Jesus noch einmal kommen werde, so will er mit seinen Teufeln in die Hölle sich zurückziehen und sie fest verwahren. Dahin tragen ihn seine Teufel zurück, denn er ist vor Kummer krank, aber statt mit Erbarmen geschieht es mit Hohn und so schließt das Teufelspiel auch im teuflischen Charakter, mit steter Furcht vor dem Ende, denn Enoch und Elias leben noch zum Kampfe mit dem Antichrist.

Nun besteigt der Schlußredner das von Lucifer verlassene Faß und ermahnt die Zuschauer zu einem frommen Leben und stimmt das Osterlied an: Christus ist erstanden.

Einige Bemerkungen will ich hier nachholen, die ich oben wegließ, um den Zusammenhang nicht zu unterbrechen. Zuerst die Gegenstellung der Hölle als Ort zum Himmel. Der Himmel ist das Haus Gottes, die Wohnung der Frømmen, wozu Christus dem Petrus die Schlüssel gegeben, die Hölle aber ein Stall für die Teufel, die darum Höllenhunde heißen, ein Gefängniß mit starken Eisengittern, wie es auf alten Bildern erscheint, das mit Niegeln oder Grendeln verschlossen ist. Darum werden in den alten Schauspielen die Höllenriegel so oft angeführt (553 Altt. Schausp. 115, 116). Sodann das himmlische Gastmal und der Fraß der Teufel. Das himmlische Gastmal (Matth. 22, 1 flg. 26, 29) wird in den Schriften des Mittelalters oft für die Freude der Seligkeit überhaupt genommen (epulae coelestes, himelischiu wirtschaft)*), und da es in der Bibel heißt, der Teufel gehe um wie ein brüllender Löwe, suchend wen er verschlinge, welches Bild auch in das Offertorium der Seelenmesse aufgenommen wurde: so lag die Gegenstellung eines höllischen Fraßes ziemlich nahe, worauf in diesem Schauspiele mehrmals hingewiesen wird. Die Verdammten werden nämlich in der Höllenküche gebraten

*) Eine Beschreibung steht in meiner Quellensammlung der badischen Landesgeschichte 1, 143.

und von den Teufeln gefressen (461, 1107, 1309, 1329 flg.) Diese Vorstellung vom Hafen der Hölle (olla Vulcani) war im Mittelalter sehr verbreitet, es genügt die Nachweisung, daß dieses Schauspiel damit zusammen hängt.

E. Einfluß des französischen Schauspiels.

Das Teufelspiel (la déablerie) war bei den Franzosen früher ausgebildet als bei den Teutschen und das folgende Stück trägt unzweifelhafte Spuren an sich, daß es auf die französischen Teufelspiele Rücksicht genommen. Neben den biblischen Teufelnamen Lucifer, Satan, Belial, Beelzebub kommen die teutschen Puck, Funkeldune, Krummnase vor, außerdem der antike Astrot, Astarot, der im Buch` Belial Astraoth heißt (eine Erinnerung an Astarte) und die französischen Tüteville und Noytor, im Alsfelder Spiele Natyr, welcher legte bei den Franzosen gewöhnlich Noyron heißt, mit der Doppelbedeutung schwarz und Nero. Diese Menge benannter Teufel ist mehr dem französischen Schauspiel eigen als dem teutschen und nach den französischen Namen ist man genöthigt, zunächst einen französischen Einfluß anzunehmen, denn die biblischen und antiken Teufelnamen waren allen chriftlichen Völkern gleichmäßig bekannt.

Die Franzosen erfanden Namen, welche den Charakter bestimmter Personen ihres Schauspiels bezeichnen sollten, z. B. für Räuber Tout-li-faut, Soul-d'ouvrer, Courte-oreille, Sotetrongne; (Jubinal mystères 2, XI.) für Boten Légier, Grate mauvaiz, Trotemenu (Jubinal 2, 33, 69, 93); für Soldaten Pinceguerre (Jubinal 2, 289) u. dgl. In ähnlicher Art sind die teutschen Teufelnamen Funkeldune, Lepel und Krummnase gebildet, sowie anderer Personen z. B. Lykketappe.

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Was in folgendem Stücke vom Seth erzählt wird (337 flg.), er habe seinem sterbenden Vater Adam das Lebensöl des Paradieses bringen sollen, aber vom Engel einen Zweig vom Baum der Erkenntniß erhalten, ist mir in einem andern alt=

teutschen Schauspiele noch nicht vorgekommen, wohl aber steht die Sage ausführlich im Altfranzösischen bei Jubinal (mystères 2, 17 flg.), wo es uille de miséricorde genannt wird. In dem Frankfurter Spiele (Fichard 150) kommt auch noch ein französisches Wort im Terte vor: ey bele niftel.

Auf solche Spuren des Einflusses darf man Gewicht legen, denn der Zusammenhang des Hauptinhaltes dieser Spiele ist kein Beweis der Uebernahme, da die Beweggründe des religiösen Dramas allgemein bekannt waren, also z. B. aus dem Umstande, daß die Teufel im altfranzösischen Schauspiel von Neid und Haß gegen den Menschen erfüllt sind, weil er zur Seligkeit berufen ist, nicht geschlossen werden darf, die teutschen Schauspiele hätten diesen Beweggrund von den Franzosen entlehnt.

Mehr Hinweisungen könnte die äußere Form enthalten, wenn wir mehr alte Schauspiele hätten, um vergleichen zu können. Denn die Franzosen haben, um das Gedächtniß der Schauspieler zu erleichtern, die Abfassung auf zweifache Art eingerichtet: 1) die Rede jeder Person wurde mit einem halben Verse geschlossen, worauf der erste Vers der folgenden Person reimte, z. B.

qui aus âmes donra confort:

or ly va dire.

Raphael.

il est bien raison, trez doulz sire.

(Jubinal 2, 19).

In dem alten Drama über Robert den Teufel (Miracle de Notre-dame de Robert le diable. Rouen 1836) ist diese Einrichtung der Gespräche streng durchgeführt. Eben so im Leben des heiligen Fiacre bei Jubinal 1, 304 flg. Von dieser Anordnung kenne ich aber kein teutsches Beispiel.

2) Das legte Reimpaar einer Rede wurde zwischen zwei sprechenden Personen getheilt, wobei der legte Reim der vorher sprechenden Person der nachfolgenden zum Stichwort diente. Z. B.

faire le doy sans contredire.

Joseph.

Pilate, bien savez beau sire.

(Jubinal 2, 263).

Diese Art ist sehr gewöhnlich, ich finde sie auch im Bretonischen (buhez s. Nonn S. 158, 160) und im Teutschen. Bei uns war es Regel, daß die Nede jeder Person durch ein Reimpaar geschlossen wurde, in den komischen Stücken, wo das Gespräch lebhafter wird, trifft man aber auch die französische Theilung des legten Reimpaars zwischen zwei sprechende Personen an. So in folgendem Spiele 41, 383, 433, 445, 545, 549, 605 u. s. w. Auch in den altteutschen Schauspielen S. 115, 123, 128, 130, 131 flg. und bei Hoffmann, Fundgruben 2, 311, 317, 320, überall jedoch als Ausnahme von der Regel (vergl. Bd. 1, 48).

Einen weitern Vergleichpunkt bietet das erzählende Schauspiel, dessen Eigenthümlichkeit ich zuerst angeben muß. Es geht bei den Franzosen in das zwölfte Jahrhundert zurück, und grade über die Auferstehung haben sie ein Beispiel aufzuweisen, welches hier in Betracht kommt (la resurrection im Théatre français par Monmerqué et Michel p. 11. flg.). Der Prolog fängt an:

en ceste manere recitom

la seinte resureccion.

Das Wort reciter drückt die Sache richtig aus, der Herold nämlich, oder wer den Prolog sagte, übernahm die Rolle des Erzählers im Stücke, er trat an die Stelle des Evangelisten in der Passion, und solche Stücke waren eigentlich nur gereimte Passionen, deren Aufführung. nicht im Handeln, sondern im Hersagen stillstehender Personen bestand. Kurz bezeichnet ist daher das erzählende Schauspiel eine gereimte Passion und der erste Versuch, den Kirchentext in der Volkssprache vorzutragen, darum interessant als erste Stufe der dramatischen Entwickelung. Die erzählenden Zwischen- oder

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