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Was ich Bd. I., 58 von der Darstellung der Härte gesagt. habe, womit die Juden Christum kreuzigten, dazu liefert dieses Schauspiel ein sprechendes Zeugniß. Die Grausamkeiten beginnen mit der Gefangennehmung (2116), roher Spott, bübische Mißhandlung der Peiniger wechseln ab mit der leeren Hoffart des Annas, und Malchus vergißt sogleich seine wunderbare Heilung durch Christus und schimpft und mißhandelt ihn mit aller Bosheit. Auf dem Wege zum Kaiphas steigert sich die Mißhandlung bis zur unsinnigen Raserei (2219 flg.) und Mosse sagt zu Christus: dein Unglück geht jezt erst recht an. Nun wetteifern die Juden in der Marter, wobei Malchus nicht fehlt, und so geht es auch zum Pilatus (2513 flg.). Da die Peiniger müde sind, so wechseln sie mit andern ab (2602), die Christum zu dem Herodes führen und im Uebermaß ihrer Bosheit sagen, was Christo bisher geschehen, sey nur eine Kleinigkeit gewesen. So steigert der Dichter die Wuth der Feinde Christi bis auf die Höhe, daß auch Barrabas, wie er aus seiner Haft befreit wird, sich als ein Hauptpeiniger zu den andern gesellt (2829 flg.). Ich will diesem Gegenstande nicht weiter folgen, denn es ist hinlänglich, auf obige Beziehung zu verweisen, um die strenge Consequenz des Dichters zu verstehen.

G. Sprache des Stückes.

Wie bei andern Stücken muß man auch bei diesem untersuchen, ob es ursprünglich oder überarbeitet sey. Die Sprache ist dafür ein hinlänglicher Beweis, doch will ich noch andere Umstände auführen, die ihn unterstügen.

Das Gespräch zwischen dem Christenthum und Judenthum weist auf das französische Schauspiel zurück, wie ich oben bemerkt (S. 164), die Schlägerei der Grabwächter (4007 flg.) ebenfalls (S. 14) und noch andere Beziehungen sind bereits erwähnt. Bei diesem Zusammenhang darf man annehmen, daß dieses Stück nicht in der jezigen Heimat der Handschrift

entstanden, sondern zuerst an der französischen Gränze verfaßt wurde. Dahin weist auch der Ausdruck wälscher Wein (3851 vgl. dazu 221), worunter ein guter und zwar französischer Wein verstanden wird. Man kann diesem Ausdruck urkundlich nachgehen und kommt so in die Gegend, wo er heimisch war. Die überrheinischen Franken am Mittelrhein und der Mosel hatten im Mittelalter zweierlei Wein, gewöhnlichen Landwein und guten Franzwein, jener hieß vinum Hunicum, wahrscheinlich, weil er anfänglich von Pannonien, dem Hünenlande, an die Mosel verpflanzt wurde, dieser vinum Francum, Franzwein, der in unserem Stücke wälscher Wein heißt. Es führt also dieser Ausdruck auf den jenseitigen Mittelrhein. Nach diesen Spuren darf ich auch eine andere bemerken, es ist die Ausführlichkeit, womit in diesem Stücke der ungenähte Rock unsers Herrn erwähnt wird (3345 bis 3362, verglichen mit 3266. 3312), was einem Dichter, der in der Umgegend von Trier wohnte, wohl wichtiger scheinen mochte als einem entfernten.

*

Nach diesen Wahrnehmungen fällt die Unsicherheit der Sprache nicht mehr auf, die man in diesem Stücke antrifft, es sind nämlich viele mittelrheinische Reste darin stehen geblieben, wodurch eine gemischte Sprache gemacht wurde, wie sie nirgends bestand, sondern nur in diesem Stücke vorkommt. Hätte der

* Nach der Stelle bei Würdtwein dioeces. Mogunt. 1, 400 verglichen mit 1, 398 ist vinum Hunicum so viel als vinum communis crementi, d. h. Wein von gewöhnlichem Erwachs, Landwein. Auf teutsch heißt er hunhwin, was aber Günther cod. Rheno-Mos. 4, 127 mit Hundswein überseßt. Folgende Stelle zeigt den Unterschied: carata vini, media (zur Hälfte) Franci et media Hunici, vom Jahr 1311 bei Würdtwein l. l. 1, 103. 106. vgl. 2, 313. Duas amas hunici vini fand ich auch in einer Urkunde von 1275 von Bellheim bei Germersheim. Graff im Sprachschat 4, 960 hat schon die Benennung hunisc drubo, ein hünischer Trauben, die man jezt noch Heunisch, Heinsch, Hensch heißt. Die Benennung kam auf zu Ende des vierten Jahrhunderts.

hochteutsche Ueberarbeiter die Behandlung streng nach seiner Mundart durchgeführt, so würde man auch ein rein hochteutsches Werk haben, so aber behalf er sich häufig nur mit einer nothdürftigen Uebersehung, daher sein Vorbild noch überall durchblickt. Die kritische Aufgabe besteht also darin, den Einfluß der hohen und niederen Mundart auf dieses Stück nachzuweisen.

1. Reime. Ich bemerke zuerst solche Reime, welche nur in niederer Mundart richtig sind, und daher im Hochteutschen nicht gelten, z. B. von: man 677 also van; hon: man 740. tün: fon 1080 also don; gan: von 1244. man: gehon 1295. verlon: han 1944. gan 1967. von: stan 3025. Noch weiter vom Hochteutschen weichen ab schon: gelan 277. gan: kon (fomen) 1868. 1910. 1912. kon: stan 2171. lon: getan 3935. 4030. gott: erstatt 1270. vor: har 2520. kron: gan 2811. gspött: geret 1610. Nach dem Reime Sion: lon (lassen) 3135 wäre in solchen Stellen das hochteutsche a in o zu verändern, dann würden sie ganz hochteutsch. Ebenso wäre underlaß: begoß 281 zu behandeln, womit auch van: kon 1042 überein stimmt. Ferner sünden: fründin 380. lautet nieder sunden: frunden oder sønden: fronden, hoch fünden: friundin. Kind: find 835. lautet hoch kind: fient. Tün: sün 1812, hoch tůn: füene. Sun: tún 2475. 854. 3180. sun: tün 2918. sünd: fründ 2940. 3435. fün: tůn 3111, reimen alle nicht hochteutsch.

Schon diese Beispiele zeigen, daß die Reime oft vom Hochteutschen abweichen, man darf sie daher nicht für Schreibfehler halten, sonst müßten sie sich auch hochteutsch verbessern lassen, was bei vielen nicht möglich ist. Das Stück bietet aber noch mehr Beweise. Brüder: zu dir 377. 2627 for= dert das niedere brüdir. Haft: machst 1410. acht: gat 1731. schuch: zu 1888 können nur durch Ausfall des ch nieder reimen. Der Reim Nazaret: geseit 3370 fordert die niedere Form Nazareit; zouferer: war 3094 weißt in doppelter Hinsicht

Mone, Schauspiele. II.

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sogar auf das niederländische toveraer und selbst die hochteutsche Umbildung zouberer: wer (für wäre) ist mangelhaft. Häufig hat die Handschrift den einen Reim in ihrer Mundart, den andern in der rheinischen, z. B. bloß: lauß 3351. geweffen: zåssen 1441. 3165. volfüert: clarificiert 1580. wessen: gnåsen 1594. 3144. wessen: nåssen 184. 1945. jåchen: sehen 2168. geschächen: sehen 2405. enweg: tråg 2530. wår: beger 2771. erklären: begeren 1605. gebet: rát 2024. nåmpt: erkent 705. stunt: fumpt 3800. trächen: gesehen 276. brediger: mer (måre) 2515. heren: bewaren 2990. hett (conj.): ret (3. p. sing.) 818. propheten: nöten 1412. fróð: leid: 3518. prophet: getöt 3665. fläschen: weschen 3852. erzögen; neygen 3894. In diesen Beispielen gehören die å, v, au, úe der hohen Mundart, manche lassen sich leicht berichtigen, andere nicht.

Das meiste Schwanken zeigt sich bei dem Gebrauche des u. Es reimen nämlich u, ú, ú und ů auf einander, z. B. fun: tún 2475. rúmp: stumpf 3332. fún: tünd 3381. stund: gefünt 3390. tům: umb 3395. mund: kündt 3646. fund: tund 3663. blut: gut 3937. kund: pfúnd 4065. künd: sünd 1121. genüg: fúg 2878. sünd: frund 315. chen Wörtern ist das u oder sein Um- und Doppellaut unrichtig und dieses ein sicheres Zeichen, daß der Text aus einer Mundart herrührt, worin diese schwankende Schreibung vorfam, wie es am Mittelrhein der Fall war.

In vielen sol

In einigen Wörtern wird die hochteutsche Mundart stets in dem einen Reime festgehalten, wo sie dann nicht zu dem

andern Reime paßt.

So reimt

geschechen auf sehen 760. 1231. 1135. 1112. 1035. 1050. 1704. 1665 u. v. a. iehen 2100. seltener kommt sechen vor, meist außer dem Reim 1717. 1254. und iechen 2658. 1438. Dazu gehören auch Reime wie gebotten: solten 2051. 3235. gesell: will 3285. ziehen: fliechen 3264. Nazaren: gen (gan) 2793.

Regelmäßig niedere Reime sind alle auf das Wort here,

her (Herr). Es kommt wohl die Schreibung here auch in hochteutschen Werken vor, aber im Reime weißt sie auf die niedere Mundart. here: ler 2455. 3670. heren: eren 2971. 3623. her: er 1250. 3004. mer: her 3055. Der Reim mer (für måre): her 4102 beweist deutlich die niedere Sprache. Daß der hochteutsche Ueberarbeiter manchmal in solchen Reimen herr geschrieben, ändert die Sache nicht.

Reime zwischen und 8 kommen auch im Hochteutschen vor, im Mittelteutschen aber sind sie gewöhnlich. saß: was 970. 1415. uß: Pilatus 2706. haß: waz (erat) 3711. Zu ́ solchen ungenauen Reimen gehören noch folgende, die man auch in andern Gedichten seit dem vierzehnten Jahrhundert antrifft. Reime zwischen rd: rb, sind häufig. sterben: werden 17. 67. storben: worden 74. 788. 1085. 1257. 1210. 1481. u. a. Reim zwischen rbt: rt, verdirbt: wirt 1584. Reim zwischen b und d im In- und Auslaut. laden: haben 103. hab: stat 1896. 2934. beliben: schniden 3490. verriet: lieb 1672. liden: bliben 3534. 2011. bliben: miden 1950. Reim zwischen ob: ow. globen: schowen 58. frowen: glouben 2328. Zwischen oub: oug. globen: ougen 1021. Zwis schen b: g. klagen: graben 1292. lüg: grüb 1293. leben: segen 1975. gehaben: tagen 3197. sag: grab 3630. 3wischen ow: oug. verlougnen: frowen 1930. ougen: glouben 3498. 3770. 3wischen d und g. bringen: hinden 1378. dingen: finden 1483. fùng: fründ 2970. 3371. Zwischen h und g. nagel: slahen 3278. schlahen: tragen 3298. Zwischen tt und dk. bitten: schicken 2096. Zwischen m und n. brun: umb 668. getan: genam 998. fin: im 1090. ftim: bin 1865. riemen: verdienen 3010. verwunt: versumt: 3504.

Reime zwischen langen und kurzen Vokalen waren schon in der besten Zeit der altteutschen Dichtkunst erlaubt, sie erscheinen auch in diesem Stücke in mancherlei Formen, zuweilen mit unorganis schem doppelten Auslaut. getann: lan 187. fin: entrinn 1126. geschriben: bliben 1621. loufen: roffen 2527.3041. das: laß 1891.

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