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mit einer teuflischen Bosheit. Noch ärger Malquin bei Jubinal, er verspricht Jesu alle Dankbarkeit, wenn er ihm sein Ohr heile, und kaum ist es geschehen, so erklärt er die Hei-. lung für Zauberei und zeigt den größten Haß gegen Jesus (2, 189 flg.). Er schlägt ihn vor Annas in's Gesicht (2, 193) u. s. w. Von hier an bieten beide Stücke viele Vergleichpunkte dar, die ich übergehe. Ich kann schon darnach sagen, daß die Person des Malchus aus dem Französischen genommen sey. So auch die des Juden Mosse, der mit demselben Namen bei Jubinal vorkommt. Dieser fordert den Malquin zum Zeugniß gegen Jesus auf (2, 198) und auch im folgenden Stücke ist er Zeuge (V. 2329), und knebelt auch den Heiland mit Seilen wie im Französischen (V. 3035. Jubinal 2, 230). *

Drei andere Personen kommen gerade so im Französischen vor wie im Teutschen. Es sind die drei Marien, die auf dem Leidenswege in Klagen ausbrechen, und zu welchen Töchtern Sions Christus sich umwendet und sie über sich selbst und ihre Kinder weinen heißt (V. 3095 fig.). Bei Jubinal (2, 236) sind es die trois Magdelaines.

Das teutsche Stück hat kein Teufelspiel und auch das französische ist bei der Vorhölle mit der Teufelsscene nicht ausführlich, beide aber schließen mit den drei Marien und dem Salbenhändler, ohne daraus ein komisches Zwischenspiel zu machen, wie es in andern Stücken vorkommt. Dagegen erscheint als komische Pantomime in diesem Spiele die Schlägerei der Wächter am Grabe (3998. 4007 flg. vgl. 3042), die man auch im Französischen antrifft (Jubinal 2, 370).

Das teutsche Schauspiel ist nach diesen Wahrnehmungen weder eine Uebersegung des französischen, noch eine Nachahmung, wohl aber hat es ein französisches Vorbild benugt,

* Der eben so boshafte Spießgeselle des Malquin ist Haquin, für welchen ich keinen hebräischen Namen weiß. Der Sprache nach ist er mit dem teutschen Hagen einerlei.

und zwar nicht unmittelbar, sonst würde es sich hie und da wörtlich an sein Muster anschließen, sondern mittelbar, indem es schon vorhandenen teutschen Schauspielen folgte.

Aus der Untersuchung der bis jezt bekannten Schauspiele läßt sich folgendes Ergebniß abnehmen.

In Niederteutschland reicht der Einfluß des französischen Dramas bis an die Ostsee. Das Verbindungsmittel war wol kein anderes als der Verkehr der Hansestädte. Die äussersten bekannten Endpunkte sind Maestricht an der französischen (wallonischen) Gränze und Wismar an der Ostsee im Wendenland. Von dem Mittelgliede, nämlich von den Städten am Niederrhein von Remagen bis Wesel ist noch kein Schauspiel des Mittelalters aufgefunden. In wie fern das niederländische Schauspiel damit zusammen hieng, läßt sich nicht sagen, weil kein entsprechendes Stück im Niederländischen zur Vergleichung übrig ist.

Die mittelteutsche Heimat anderer Schauspiele habe ich früher nachgewiesen. Sie beginnen zu Trier, gehen über Frankfurt und Alsfeld in Oberheffen und endigen in Thüringen (altt. Schausp. 11). Den Zusammenhang des Alsfelder Spieles mit dem Frankfurter hat Vilmar gezeigt, man lernt daraus, wie kleinere Städte solche Schauspiele von größeren bekamen. Das Frankfurter Stück weist nach Frankreich zurück, und die Thüringer spielen auf Böhmen an, welches ebenfalls seine alten Schauspiele hat, die mit den teutschen überein stimmen. In dieser Reihe fehlt der Anfangspunkt, nämlich Luremburg, Dietenhofen (Thionville) und die obere Saargegend, von welchen nichts dramatisches bekannt ist. Auch läßt sich noch nicht bestimmen, ob und in wie fern die Verpflanzung des Luremburgischen Hauses den Einfluß des französischen Dramas durch Mittelteutschland bis nach Böhmen gebracht hat.

Für Südteutschland ist nur so viel gewiß, daß mittelrheinische Schauspiele dahin gekommen, so wie auch einige

Zeugnisse vorhanden sind, daß schwäbische Stücke in die Schweiz Eingang fanden. Aus dem Elsaß ist nichts bekannt und aus Baiern fehlen auch die Belege. Die Geschichte des teutschen Schauspiels im Mittelalter ist daher noch unvollständig.

Die Franzosen knüpfen den Ursprung ihres Dramas an die römische Herrschaft in Gallien, worauf ich nicht einzugehen brauche, da diese Untersuchung von meinem Zwecke zu weit abliegt. * Aber eine Beziehung muß ich erwähnen, welche zwischen den Schauspielen des Mittelalters und der gallikanischen Liturgie des sechsten Jahrhunderts statt findet. In jenen Schauspielen kommt entweder am Anfang der Stücke oder der Handlungen häufig das Gebot des Stillschweigens vor, lateinisch und teutsch, welches der Zugführer, oder wer seine Stelle vertritt, dem zuschauenden Volke einschärft. In der gallikanischen Messe gebot der Diakon dem Volke Stillschweigen vor der Epistel oder auch vor dem Evangelium und in der mozarabischen Liturgie, die mit der gallikanischen meistens übereinstimmt, war die Formel dafür: silentium facite. ** Sehr ähnlich ist die Formel der alten Schauspiele: silentium habete, gewöhnlich silete. Im römischen Ritual der Messe wurde aber kein Stillschweigen geboten und die Legenden der Heiligen nicht gelesen wie in der gallikánischen und mozarabischen Messe vor der Epistel oder dem. Evangelium. *** Das römische Ritual konnte also keinen Anlaß geben, Legenden zu dramatisiren, sondern nur das gallikanische, dieses hörte aber gegen Ende des achten Jahrhunderts durch die Bemühung des Papstes Hadrian I. auf, wodurch es frei

*Les origines du théatre moderne, ou histoire du génie dramatique depuis le 1' jusqu'au 14° siècle, par Ch. Magnin. Paris 1838. ** S. die Stellen bei Mabillon de liturgia gallicana p. 21. 38. *** Mabillon a. a. D. 26. 20. 21. 39. Eine kürzere Erwähnung geschah auch in der Präfation. Daselbst S. 45. Die römische Kirche war in der Zulassung der Legenden sehr vorsichtig (s. die Beweise bei Mabillon 385 flg.), daher auch ihr Martyrologium nur Namen enthält.

lich schwer wird, den Zusammenhang des spätern Schauspiels mit der alten gallikanischen Liturgie nachzuweisen und man sich begnügen muß, wenn es gelingt, nur vereinzelte Beziehungen aufzufinden. Man muß solche Andeutungen beachten, denn sie können zu dem Beweise führen, daß in Frankreich das Schauspiel des Mittelalters entstanden ist. Dazu gehört wohl auch die Vorschrift des zweiten Concils von Mâcon im Jahr 585, wodurch befohlen wurde, daß die ganze Woche nach dem Ostersonntag gefeiert werden sollte, also die ganze Oktave aus Feiertagen bestand, daher auch der Sonntag nach Ostern bei den Franzosen clausum pascha hieß und zwar schon im gallikanischen Meßbuch. In diesen Feiertagen wurden hauptsächlich Osterlieder gesungen (hymnis paschalibus indulgentes) zum Lobe des Erlösers. Da die lateinischen Osterfeiern die ältesten und häufigsten dramatischen Stücke find, so wird man wohl annehmen müssen, daß sie durch den österlichen Gottesdienst veranlaßt wurden und die vielen Feiertage dramatische Spiele begünstigten.

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F. Anlage des Schauspiels.

Da ich den dogmatischen und religiösen Zusammenhang, in welchem diese Schauspiele ausgedacht und angelegt wurden, bei Nr. 12 dargestellt habe, so will ich hier nur das Eigenthümliche des folgenden Stückes berühren. Das Leiden Christi ist hier der Hauptinhalt, in jenem Stücke aber die Auferstehung, dieser Unterschied hatte natürlich Einfluß auf den Plan des Schauspiels, worüber einige allgemeine Bemerkungen voraus zu schicken sind.

Das Drama zwischen Gott und Teufel ist das größte der Welt. Den Anfang desselben kennt die Menschheit nur durch die Offenbarung, sie hat ihn nicht selbst erlebt, denn es ist

* Mabillon a. a. D. S. 259. missa clausum paschae, 373 missa clausae paschae. Jezt noch pâques closes, der Sonntag Quasimodogeniti. Concil. Matiscon. II. can. 2. bei Labbe acta concilior. 3, 460.

der Fall der bösen Engel, der vor die Schöpfung des Menschen zurück geht. Den Mittelpunkt des Dramas hat aber. die Menschheit gesehen, er ist eine geschichtliche Thatsache, die der Mensch als Zeuge erlebt hat, nämlich der Tod Christi. Der fernere Verlauf des Dramas bis zum jüngsten Tage geschieht im menschlichen Leben und schließt mit dem Tode eines Jeden.

Was zum Mittelpunkte gehört, ist das göttliche Trauerspiel (le mystère) und das Teufelspiel (la déablerie), was zum menschlichen Verlauf gehört, das gewöhnliche Trauer und Lustspiel, diese beiden nur Nachbilder des göttlichen Dramas. Der Untergang des Guten und Heiligen im Trauerspiel weist auf Christi Tod zurück; Beweise sind die Schauspiele von den Heiligen. Der Untergang des Bösen hat sein Vorbild an Christi Sieg über den Teufel.

Der Mittelpunkt dieser Weltgeschichte, Christus, konnte nicht eintreten ohne die ununterbrochene Reihe der Vorbedeutungen vom Falle der Menschheit an bis zu Christi Erscheinung. Das alte Testament enthält diese stäte Folge der Vorbedeutungen in Worten und Thaten. Christus ist die Erfüllung dieser Vorbedeutungen, mit ihm ist offenbar geworden, was früher verdeckt war, er hat die Parabel der alten Weltgeschichte aufgelöst und erklärt. Es mußte ein menschlicher Träger dieser fortwährenden Weissagungen seyn, starr und abgeschlossen von der übrigen Welt, der in sich die lebendige Erinnerung an den Anfang wie die Hoffnung auf die Erfüllung, auf den Messias, bewahrte. Das Judenvolk ist dieser menschliche Träger, ́er wurde zersprengt wie das Grab Christi, als die Prophezeiung des Messias erfüllt war. Aber selbst in seinen zerstreuten Trümmern muß das Volk übrig bleiben bis an das Ende der Tage, allen Völkern der Erde zum Lebendigen Zeugniß, daß Christus in die Welt gekommen und gestorben ist. Denn weil das Christenthum als Weltreligion für alle Völker bestimmt ist, so wurden und werden

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