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bis jest die vollständigste und lehrreichste Angabe über die Einrichtung der Bühne und die Aufführung im Mittelalter.

Die Handschrift hat eingelegte Zettel und beigefügte Notizen aus dem sechzehnten Jahrhundert, welche Aenderungen des Tertes bei den späteren Aufführungen enthalten und die ich in den Anmerkungen mitgetheilt. Man sieht auch der Handschrift an, daß sie oft gebraucht wurde. Wäre sie noch ganz, so würden vielleicht die Jahre darin angemerkt seyn, wann das Stück aufgeführt wurde. Auch eine rohe Zeichnung des sechzehnten Jahrhunderts liegt auf einem losen Blatte_darin, worauf die Bühneneinrichtung dargestellt ist, die jedoch bei weitem nicht mehr so viele Gegenstände enthält, als im Eingang des Stückes angegeben sind. Man hat also bei der späteren Aufführung das Stück abgekürzt, wie man es noch heutzutage thut.

C. Einrichtung der Bühne.

Obgleich die erwähnte Zeichnung später ist als die Handschrift und mit ihr nicht ganz übereinstimmt, so habe ich sie doch in einer Abbildung hier beigegeben. Es läßt sich daraus wenigstens die Bühneneinrichtung des sechzehnten Jahrhunderts ersehen, die von jener des fünfzehnten Jahrhunderts nicht sehr verschieden seyn konnte, weil noch im Freien gespielt wurde.

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ABC sind die drei Abtheilungen der Bühne.
1 Das erste Thor.

2 Die Hölle, beigeschrieben: die hel.

3 Der Garten Gethsemane, Beischrift: der gart.
4 Der Ölberg, ebenso beigeschrieben.

5 Zweites Thor, „das tor."

6 Herodes hauß."

7 „Pilatus hauß."

8 die sul, daran Jesus gaist", d. h. gegeiffelt wird.

9 die sul, daruff der guler (Hahn) ist.“

10 „Kaivas hus.“

11 Annas huß."

12,,das huß in [dem] das nachtmal war.“

13 Drittes Thor.

14, 15, 16, 17 Die Gräber, so auch beigeschrieben. 18, 19 Kreuze der beiden Schächer.

20 Kreuz Christi.

21,,das hailig grab."

22 „der himmel.“

Die Umfassungslinie der Bühne abcd ist nicht auf der Handzeichnung angegeben, sondern von mir beigefügt. Außerhalb dieser Linie waren die Sige oder Stehpläge für die Zuschauer. War das Stück, und mithin auch die Anzahl der Schauspieler groß, so mußte auch die Bühne einen verhältnißmäßigen Raum haben, um alle zu fassen. Dann konnten aber die Zuschauer wenig verstehen, die weit von der Abtheilung der Bühne waren, wo gerade die Handlung vorging. Es scheint mir daher, daß die Zuschauer sich jedesmal zu der Abtheilung stellten, wo gespielt wurde, daß sie also mit dem Schauspiel weiter rückten, wie es in eine andere Abtheilung ging. Lärm und Getös war dabei unvermeidlich, bis die Leute wieder auf ihren Plägen saßen oder standen, und ich erkläre mir daher die Anmahnung silete, die gewöhnlich jeder Handlung vorhergeht. Da die alte Bühne keine Veränderung

der Scene hatte, wie die jeßige, so blieb nichts übrig, als die veränderten Scenen in Abtheilungen neben oder hinter einander auf die Bühne zu stellen, wie wir es in dieser Zeichnung sehen. In diesen Abtheilungen blieben die Schauspieler ruhig jeder auf seinem Plage, bis die Reihe des Stückes in die Abtheilung und an ihn kam.

Wie die Häuser auf der Bühne beschaffen waren, gibt die Zeichnung nicht an. In dem Holzschnitt der ältesten Uebersegung des Terenz, den auch Gottsched wieder abbilden ließ, haben die Häuser Mauern und Wände. Waren aber die Buden mit Bretterwänden auf der Bühne versehen, so hinderten sie die Zuschauer, je nach ihrem Plage Alles zu sehen. Sicherlich hat man diesen Uebelstand vermieten, denn die Zuschauer, die gerade hinter einem Hause standen, hätten sich vor oder seitwärts gedrängt, um die Handlung zu sehen, und dadurch hätte es mancherlei Störung gegeben. Bestanden aber die Häuser nur aus vier Pfosten mit einem Dache, waren sie also ohne Wände und durchsichtig, so hinderten sie die Zuschauer nicht. Ich kann aber nicht nachweisen, daß es so war. In diesem Stücke war wenigstens das heilige Grab mit Wänden versehen, denn (V. 3664) wird angegeben, daß Jesus aus dem Grabe weg schleicht, sich anderst ankleidet und zur Auferstehung wieder hinein legt. Das geschah wohl nicht vor den Augen der Zuschauer, sondern hinter Bretter = oder Tuchwänden.

Für den großen Inhalt der alten Schauspiele waren aber so viele Dertlichkeiten nöthig, daß man sie nicht alle in drei oder auch mehrere Abtheilungen bringen konnte. Im Eingang dieses Stückes werden 18 Dertlichkeiten angeführt, die auf der Bühne seyn sollten, darunter auch die ganze Stadt Nain, und obige Uebersicht zeigt, daß die Handlung bald in Jerusalem, bald auf dem Lande vorgeht. Man müßte daher einen und denselben Ort zum Schauplag verschiedener Handlungen gebrauchen, ohne daß man wie jegt die Dekoration

ändern konnte, also nicht einmal dem Scheine nach einen andern Ort hatte. Daher heißt es im Eingang dieses Stückes, daß die Geisselung, Krönung und das Abendmal „und andere Dinge" an einem und demselben Orte, „auf einer gemeinen Burg" der Bühne vollbracht wurden, weil man eben keine Maschinerie hatte, um die Dekoration zu ändern, noch den Play, um so viele Abtheilungen auf der Bühne zu machen.

Bei Spielen, die mehrere Tage dauerten, konnte man auch die nöthigen Oertlichkeiten nach und nach auf die Bühne stellen; wenn man also z. B. die Hölle am ersten Tage nicht brauchte, sondern am zweiten, so that man sie erst an diesem auf die Bühne. Diese Aufeinanderfolge entspricht einigermaßen der jegigen Veränderung der Scene. Im französischen Schauspiel scheint man es so gemacht zu haben, denn bei Jubinal (2, XII.) werden die Dertlichkeiten nach den Tagen angeführt und zwar so, daß z. B. Morgens eine Abtei noch nicht auf der Bühne erwähnt wird, sondern erst Nachmittags. Man spielte nämlich in Frankreich wie in Teutschland den ganzen Tag und segte nur während dem Mittagessen aus (Jubinal 1, XLIII.).

Wie ich unten bemerke, so führen die Franzosen den Ursprung ihres Schauspiels auf die römische Zeit zurück. Der christliche Inhalt des Drama's im Mittelalter gibt dafür keine Vergleichpunkte, aber die Bühneneinrichtung ist dabei zu berücksichtigen. Obige Abbildung des Theaters gibt zu folgenden Bemerkungen Anlaß. War die Scene, wie gesagt, durchsichtig, d. h. nur mit Pfosten und Stangen abgeschloffen, so konnten die Zuschauer rund um dieselbe stehen. Die Scene war alsdann der Durchmesser des Kreises der Zuschauer, und das Ganze ein Amphitheater. Ich habe daher auf der Abbildung diesen Umkreis der Zuschauer angedeutet.

Die Ueberbleibsel des großen Amphitheaters in Trier würden eine ähnliche Einrichtung zeigen, wäre es nicht für Thierheßen bestimmt gewesen, wodurch der innere Bøden frei

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